Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.09.2013, Az. VII ZB 51/12

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2879

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 51/12

vom

12. September
2013

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 850h Abs. 2
Das Vollstreckungsgericht prüft grundsätzlich nicht, ob die materiellen Vorausset-zungen
des §
850h Abs.
2 ZPO vorliegen; es hat

unbeschadet zu beachtender Pfändungsschutzvorschriften

nicht über Bestand und Höhe des fingierten Vergü-tungsanspruchs zu befinden. Ob und in welcher Höhe dem Gläubiger eine ange-messene Vergütung gemäß §
850h Abs.
2 ZPO zusteht, ist gegebenenfalls vom Prozessgericht in dem gegen den Drittschuldner gerichteten Einziehungserkennt-nisverfahren zu entscheiden.
[X.], Beschluss vom 12. September 2013 -
VII ZB 51/12 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am
12. September
2013
durch [X.]
Dr.
[X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Eick, Kosziol
und
Dr.
[X.]
beschlossen:
Auf die Rechtsmittel des Gläubigers werden
der Beschluss der 23.
Zivilkammer des [X.] vom 3.
September 2012 und der Beschluss des Amtsgerichts

Vollstreckungs-gericht
-
Rheda-Wiedenbrück vom 16.
August 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Beschwerdeverfahren, an das Amtsgericht
-
Vollstreckungs-gericht

zurückverwiesen.
Das Amtsgericht -
Vollstreckungsgericht
-
darf den Erlass des Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses nicht aus den Grün-den der aufgehobenen Beschlüsse ablehnen.

Gründe:
I.
Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung wegen einer in einem
Kostenfestsetzungsbeschluss
titulierten Forderung

sowie wegen Kosten.

1
-
3
-
Der Gläubiger hat den Erlass eines Pfändungs-
und Überweisungsbe-schlusses beantragt, durch den unter anderem die gegenwärtigen und zukünfti-gen Ansprüche der Schuldnerin
auf Zahlung von Arbeitseinkommen gegen den Drittschuldner gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen werden sollen.
Die Schuldnerin und der Drittschuldner leben
in nichtehelicher [X.] zusammen. Der Drittschuldner ist berufstätig, während die Schuldnerin arbeitslos ist und den gemeinsamen Haushalt führt.
Der Gläubiger ist der Ansicht, gemäß
§
850h Abs.
2 ZPO
gelte
im Ver-hältnis zwischen ihm und dem Drittschuldner
eine angemessene Vergütung für die Haushaltsführung seitens der
Schuldnerin
als geschuldet; diese Vergütung unterliege dem Pfändungszugriff.
Das Amtsgericht -
Vollstreckungsgericht
-
hat den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses wegen der angeb-lichen Ansprüche der Schuldnerin gegen den Drittschuldner aus einem fiktiven Arbeitseinkommen für die Haushaltsführung als unzulässig zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen diesen Beschluss ist erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Gläubigers, mit der er den Antrag auf Erlass eines Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses wegen der angeblichen Ansprüche der Schuldnerin gegen den
Drittschuldner aus einem fiktiven Arbeitseinkommen für die Haushaltsführung weiterverfolgt.

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3
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-
4
-
II.
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Beschlüsse des [X.] und des Amtsgerichts

Vollstreckungsgericht

sowie
zur Zu-rückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
1. Das Beschwerdegericht führt im Wesentlichen Folgendes aus:
Das Amtsgericht

Vollstreckungsgericht
-
habe zutreffend ausgeführt, dass die Haushaltsführung durch den nicht berufstätigen Partner einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu den Arbeiten und Diensten gehöre, die üblicherweise vergütet würden; ein nach §
850h Abs.
2 ZPO pfändbarer [X.] werde hierdurch nicht begründet. Persönliche und wirtschaftliche Leis-tungen würden in einer nichtehelichen Lebenspartnerschaft regelmäßig nicht abgerechnet, sondern von dem Partner erbracht, der dazu in der Lage sei. Die Haushaltsführung durch den nicht berufstätigen Partner sei einer Erwerbstätig-keit auf dem Arbeitsmarkt nicht gleichzustellen. Sie beruhe, soweit nicht ohne-
dies regelmäßig zumindest zu gleichen Teilen auch eigene Haushaltsangele-genheiten erledigt würden, auf dem übereinstimmenden Entschluss zur Füh-rung einer Lebens-, Wohn-
und Wirtschaftsgemeinschaft, in der Leistungen er-satzlos von demjenigen Partner erbracht würden, der dazu in der Lage sei. Der erwerbstätige Partner, der die Kosten der gemeinsamen Lebensführung trage, erbringe mit dem
laufenden Unterhalt ebenso den [X.] för-dernde Aufwendungen wie der haushaltsführende Partner. Diese seien
einem arbeitsrechtlichen Entgelt nicht vergleichbar.
Zwar habe das Vollstreckungsgericht vor Erlass eines entsprechend §
850h Abs.
2 ZPO beantragten Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses nicht abschließend zu prüfen, ob und in welcher Höhe die zu pfändende Forde-rung bestehe. [X.] sei der Antrag jedoch, wenn nach dem Tatsa-6
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9
-
5
-
chenvortrag des Gläubigers die zu pfändende Forderung dem Schuldner aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht zustehen könne. Dies sei hier aus den genannten Gründen der Fall. Denn Tatsachen, die eine über das in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft übliche und normale Maß weit hinausge-hende und der Tätigkeit einer berufsmäßigen Hauswirtschafterin vergleichbare Haushaltsführung durch die Schuldnerin naheliegend erscheinen ließen und die Annahme eines verschleierten Arbeitseinkommens rechtfertigen könnten, seien nicht ansatzweise vorgetragen.
2. Das hält einer
rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) §
850h Abs.
2 ZPO schützt das Interesse des [X.] an der Durchsetzung seiner Forderung gegen einen Schuldner, der für einen Dritten arbeitet oder sonst Dienste leistet, ohne eine entsprechende an-gemessene Vergütung zu erhalten. Das Gesetz behandelt diesen Dritten beim Vollstreckungszugriff des Gläubigers so, als ob er dem Schuldner zu einer an-gemessenen Vergütung verpflichtet sei (vgl. [X.], Urteil vom 8.
März 1979

III
ZR 130/77, NJW 1979, 1600, 1601 f.; [X.], 137, 147).
Das Vollstreckungsgericht prüft grundsätzlich nicht, ob die zu pfändende Forderung besteht
([X.], Beschluss vom 22.
August 2012

VII
ZB 2/11, [X.], 809 Rn. 23 m.w.N).
Eine Pfändung muss immer dann erfolgen, wenn dem Schuldner die Forderung nach irgendeiner vertretbaren Rechtsansicht zu-stehen kann. Der Pfändungsantrag darf
vom Vollstreckungsgericht nur aus-nahmsweise abgelehnt werden,
wenn dem Schuldner die Forderung
aus tat-sächlichen oder rechtlichen Gründen offenbar nicht zustehen kann oder ersicht-lich unpfändbar ist ([X.], Beschluss vom 25.
März 2010 -
VII
ZB 11/08, [X.] 2010, 440 Rn.
16; Beschluss vom 12.
Dezember 2007 -
VII
ZB 38/07, NJW-RR 2008, 733 Rn.
9).
Deshalb pfändet das Vollstreckungsgericht auch nur die "an-10
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6
-
gebliche Forderung" des Schuldners gegen den Drittschuldner (vgl. [X.], [X.] vom 19.
März 2004

IXa
ZB 229/03, NJW 2004, 2096, 2097
m.w.N). Diese Grundsätze
gelten auch beim Pfändungszugriff nach § 850h Abs. 2 ZPO. Die Pfändung des Arbeitseinkommens erfasst ohne besonderen Ausspruch auch den fingierten Vergütungsanspruch
gemäß §
850h Abs.
2 ZPO (vgl. [X.], Urteil vom 15.
November 1990

IX
ZR 17/90, [X.]Z 113, 27, 29 f.; [X.] in
Stein/[X.], ZPO, 22.
Aufl., §
850h Rn.
41; Stöber, Forderungspfändung, 15.
Aufl., Rn.
1223); der Gläubiger muss nicht einen angeblichen Vergütungs-anspruch im Sinne des §
850h Abs.
2 ZPO eigens pfänden (vgl. [X.] 19, 165, 169 f.).
Das Vollstreckungsgericht prüft grundsätzlich nicht, ob die materiellen Voraussetzungen des §
850h Abs.
2 ZPO vorliegen; es hat

unbeschadet
zu beachtender Pfändungsschutzvorschriften

nicht über Bestand
und Höhe des fingierten
Vergütungsanspruchs zu befinden; dementsprechend muss der Gläubiger dazu auch nichts vortragen
(vgl. [X.], [X.] 1961, 510, 511; Lü-ke in [X.]/Schütze, ZPO, 3.
Aufl., §
850h Rn.
22; [X.] in[X.]/[X.],
aaO,
§
850h Rn.
39;
Behr, [X.]
1997, 214, 215; ders.,
[X.] 1990, 1238).
Ob und in welcher Höhe dem Gläubiger eine angemessene Vergütung gemäß §
850h Abs.
2 ZPO zusteht, ist gegebenenfalls vom Prozessgericht in dem ge-gen den Drittschuldner gerichteten Einziehungserkenntnisverfahren zu [X.] (vgl. [X.], [X.] 2003, 215; [X.], [X.] 1984, 856; Stöber, Forderungspfändung, 15.
Aufl., Rn.
1223; [X.] in
[X.]/[X.], Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5.
Aufl., §
850h Rn. 13).
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze
hätten
das Beschwerdege-richt die sofortige Beschwerde des Gläubigers nicht mit der gegebenen Be-gründung zurückweisen und das Amtsgericht

Vollstreckungsgericht

den An-trag auf Erlass eines Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses nicht mit der gegebenen Begründung ablehnen dürfen.
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-
7
-
Der Gläubiger hat Ansprüche gepfändet, die gegenwärtig oder zukünftig bestehen können. Denn es ist nicht auszuschließen, dass die Schuldnerin Leis-tungen erbringt oder erbringen wird, die üblicherweise vergütet werden. Ob Leistungen, die ein Schuldner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft er-bringt, nach den Umständen des Einzelfalls einen
fingierten
Vergütungsan-spruch
im Sinne des §
850h Abs.
2 ZPO rechtfertigen, ist unter Berücksichti-gung der Aufgabenverteilung zwischen Prozessgericht und Vollstreckungsge-richt (vgl. [X.], Beschluss vom 26.
September 2002

IX
ZB 180/02, [X.]Z 152, 166, 170) nicht im Zwangsvollstreckungsverfahren zu klären.
3.
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
a) Auch im Anwendungsbereich des §
850h Abs.
2 ZPO sind die Pfän-dungsschutzvorschriften, insbesondere §
850c ZPO
und §
850f Abs.
2 ZPO,
vom Vollstreckungsgericht zu beachten (vgl. [X.] in [X.]/Schütze, ZPO, 3.
Aufl., §
850h Rn.
22; Stöber, Forderungspfändung, 15.
Aufl.,
Rn.
1223), [X.] das Vollstreckungsgericht gegebenenfalls über den Antrag des Gläubigers gemäß §
850f Abs.
2 ZPO zu befinden haben wird.
b) Das Vollstreckungsgericht bestimmt bei der Pfändung die
etwa gemäß §
850h Abs.
2 ZPO
geschuldete angemessene Vergütung nicht (vgl. [X.], [X.] 1984, 856; [X.] in [X.]/[X.],
aaO,
§
850h

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8
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Rn.
12), weshalb dem Antrag des Gläubigers, das monatliche Nettoeinkommen der Schuldnerin gemäß §
850h
Abs.
2 ZPO auf 967,74

Vollstreckungsgericht nicht stattgegeben werden kann.
[X.]
[X.]
Eick

Kosziol

[X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 16.08.2012 -
10 M 937/12 -

LG [X.], Entscheidung vom 03.09.2012 -
23 [X.] -

Meta

VII ZB 51/12

12.09.2013

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.09.2013, Az. VII ZB 51/12 (REWIS RS 2013, 2879)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2879

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