Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.05.2012, Az. 5 StR 54/12

5. Strafsenat | REWIS RS 2012, 6159

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5 StR 54/12

BUNDESGERICHTSHOF

IM [X.] DES VOLKES

URTEIL

vom 23. Mai 2012
in der Strafsache
gegen

wegen versuchten Mordes u.a.

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom
23. Mai 2012, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter Basdorf,

[X.],
Richterin [X.],
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay

als beisitzende Richter,

[X.]

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwältin

als Verteidigerin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

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für Recht erkannt:

1.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.]s Hamburg vom
8. September 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall 5 der Urteilsgründe wegen vorsätzli-chen unerlaubten Führens einer Schusswaffe in Tatein-heit mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz von Munition verurteilt worden ist, sowie im Strafausspruch.

2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des Land-gerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

[X.] n d e

Das [X.] hat den Angeklagten unter Teilfreisprechung wegen schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Zuhälterei, wegen vorsätzlichen unerlaubten Führens einer Schusswaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem uner-laubtem Besitz von Munition, wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Zuhälterei und wegen unerlaubten Besitzes von [X.] in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit vor-sätzlichem unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe unter Einbeziehung der Jugendstrafe aus dem Urteil des [X.] vom 1
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7.
Dezember 2009 zu einer einheitlichen Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es die Einziehung sichergestellter Waf-fen und Munition sowie von Betäubungsmitteln angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Schuldspruch im Fall 5 der Urteilsgründe be-schränkte und vom [X.] vertretene Revision der Staatsan-waltschaft. Sie führt insoweit zur [X.] und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

1. Das [X.] hat zu dem von der Revision der [X.] allein noch betroffenen Fall 5 der Urteilsgründe folgende Feststellun-gen und Wertungen getroffen:

a) Die Zeugen

Fa. , [X.]

und [X.]
besichtigten Ende Mai 2010 vor dem Wohnhaus des [X.]
einen Unfallschaden am [X.]. Sie standen am Fahrbahnrand an der Fahrerseite des Pkw,

Fa. bei der Motorhaube, [X.]
in der Mitte und [X.]

in der Höhe des Kofferraums. In diesem Augenblick stoppte ein schwarzer Ge-ländewagen in Höhe des [X.]. Der Angeklagte saß auf der Rückbank hinter dem Fahrersitz. Gesteuert wurde das Fahrzeug von einem unbekann-ten Mittäter. Der Angeklagte gab durch das geöffnete Seitenfenster aus einer Entfernung von einem bis zwei Metern mit einer scharfen Waffe mehrere Schüsse auf die Zeugen ab. Er nahm dabei wenigstens die Tötung von

Fa.
und [X.]
zumindest billigend in Kauf.

Bei der Schussabgabe oder kurz davor sprang

Fa.
in geduck-ter Haltung über die Motorhaube des [X.] hinweg, lief eine Treppe zum tiefer gelegenen Eingang des Hauses hinunter und brachte sich so vor weite-ren Schüssen in Sicherheit. [X.]
und [X.]
verblieben hingegen am Fahrzeug und duckten sich ab oder warfen sich auf den Boden. Ein Schuss traf die Rückleuchte des [X.], ein weiterer schlug in einer Höhe von 140 bis 143 cm im Bereich der [X.] ein. Verletzt wurde niemand.

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Der Angeklagte bemerkte,
dass er nicht getroffen und dass sich K.

vor dem Geländewagen abgeduckt hatte. Trotz freier Schussbahn auf kurze Distanz sah er von weiteren Schüssen ab. Unmittelbar nach der [X.] fuhren der Angeklagte und sein Mittäter vom [X.] weg. Der gesamte Vorfall dauerte nur wenige Sekunden.

b) Das [X.] hat angenommen, dass der Angeklagte vom un-beendeten Versuch des Mordes an den Zeugen [X.]
und

Fa.
straf-befreiend nach § 24 StGB zurückgetreten sei. Weil sich das Geschehen nicht
in [X.] aufgliedern lasse, sei der Sachverhalt auch im Rahmen des Rücktritts einheitlich zu beurteilen; es sei daher nicht möglich, im Hinblick auf [X.]
einen Rücktritt vom Versuch anzunehmen und im Hinblick auf

Fa.

einen Rücktritt zu
verneinen ([X.]). Es hat den Angeklagten ledig-lich wegen [X.]n verurteilt.

2. Der Schuldspruch kann keinen Bestand haben. Das [X.] hat einen Rücktritt vom (unbeendeten) Versuch des Mordes auch zum Nachteil des Zeugen

Fa.
angenommen, ohne insoweit die Rechtsfigur des fehlgeschlagenen Versuchs näher zu erörtern.

a) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme natürlicher Hand-lungseinheit. Schießt der Täter

wie hier

innerhalb weniger Sekunden oh-ne jegliche zeitliche Zäsur auf mehrere Personen, so ist trotz der Beeinträch-tigung höchstpersönlicher Rechtsgüter eine Tat anzunehmen; denn eine [X.] in selbständige [X.] erschiene wegen des engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs willkürlich und gekünstelt (vgl. [X.], [X.] vom 24. Oktober 2000

5 [X.], NStZ-RR 2001, 82 mwN). Jedoch hat die [X.] verkannt, dass dann nicht etwa ein einheitli-ches (versuchtes) Tötungsdelikt, sondern mehrere tateinheitlich verwirklichte (versuchte) Tötungsdelikte gegeben sind (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 211 Rn. 109 mwN). Es versteht sich von selbst, dass die Voraussetzungen des Rücktritts nach § 24 StGB unter solchen Vorzeichen hinsichtlich jedes im 5
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Versuchsstadium stecken gebliebenen [X.] gesondert zu prüfen sind.

Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Zutreffend weist die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass die Annahme eines unbeendeten [X.] und einer freiwilligen Aufgabe der Tat zwar hinsichtlich des Zeugen K.

auf einer jedenfalls nicht durchgreifend rechtlich fehlerhaften Würdi-gung beruht, nicht aber hinsichtlich des Zeugen

Fa. . Ausweislich der Urteilsfeststellungen hatte

Fa.
Verdacht geschöpft, war im Augenblick der Schussabgabe oder kurz zuvor über die Motorhaube des [X.] ge-sprungen und hatte sich im Eingangsbereich des Wohnhauses in Sicherheit gebracht, weswegen ihn der Angeklagte im Falle weiteren Schießens nicht mehr zu treffen vermochte ([X.]). Damit war zwingend zu prüfen, ob hinsichtlich
dieses Zeugen ein fehlgeschlagener Versuch gegeben ist, von dem der Angeklagte nicht mehr hätte zurücktreten können (vgl. Fischer, aaO, § 24 Rn. 7 ff. mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Die Sa-che bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.

b) Obwohl die Feststellungen namentlich zum Tötungsvorsatz und zur Heimtücke sowie betreffend die [X.] an sich rechtsfehlerfrei getrof-fen sind, hebt der Senat das Urteil im allein angefochtenen Fall 5 insgesamt auf. Der durch die rechtsfehlerhafte Annahme umfassenden Rücktritts nicht beschwerte Angeklagte hatte keinen Anlass, mit seiner Revision den bislang getroffenen Feststellungen entgegenzutreten. Die Verteidigerin hat die Mög-lichkeit abweichender Feststellungen, die auch hinsichtlich des Zeugen

Fa.
keinen Fehlschlag belegen würden, in den Raum gestellt. Zudem sollen dem neu entscheidenden Tatgericht im Hinblick auf von der [X.] beanstandete Schwächen und Unschärfen der [X.] in sich stimmige Feststellungen auf der Grundlage einer neuen Beweiswürdi-gung ermöglicht werden.

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3. Die Aufhebung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des gesam-ten auf die Anwendung von Jugendstrafrecht gestützten Strafausspruchs nach sich. Die neu entscheidende [X.] wird eingehend zu prüfen haben, ob auf die Taten des Angeklagten Jugendstrafrecht anzuwenden ist. Gegen die im angefochtenen Urteil vorgenommene Wertung ([X.] ff.) kann sprechen, dass der Angeklagte, der sich vom Elternhaus gelöst hat, schon seit geraumer Zeit vor den verfahrensgegenständlichen Taten als Zu-

Basdorf Schaal Schneider

König Bellay

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Meta

5 StR 54/12

23.05.2012

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.05.2012, Az. 5 StR 54/12 (REWIS RS 2012, 6159)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6159

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