Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.05.2006, Az. VI ZR 192/05

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 3401

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES [X.] Verkündet am: 23. Mai 2006 [X.], Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja BGB § 249 Hb Der Geschädigte kann zum Ausgleich des durch einen Unfall verursachten Fahr-zeugschadens, der den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigt, die vom Sachver-ständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des [X.] ohne Abzug des [X.] verlangen, wenn er das Fahrzeug - gegebenenfalls unre-pariert - mindestens sechs Monate nach dem Unfall weiter nutzt (Fortführung von [X.] 154, 395 ff.). [X.], Urteil vom 23. Mai 2006 - [X.] - [X.]AG [X.] - Mitte - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 23. Mai 2006 im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis 21. April 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] und [X.] für Recht erkannt: Die Revision des [X.] gegen das Urteil der Zivilkammer 59 des Landgerichts [X.] vom 25. August 2005 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Der Kläger begehrt Ersatz restlichen Sachschadens aus einem [X.] am 2. Mai 2003, für den die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners in vollem Umfang einzustehen hat. 1 Der Kläger benutzte nach dem Unfall den zwar beschädigten, aber funk-tionsfähigen und verkehrssicheren PKW weiter, ohne ihn zu reparieren. Die er-forderlichen Reparaturkosten schätzte der von ihm beauftragte Sachverständi-ge auf 3.216,35 • ohne Mehrwertsteuer, den Wiederbeschaffungswert auf 5.900 • brutto. Die Beklagte ermittelte einen Restwert von 3.460 • für das be-schädigte Fahrzeug. Sie zahlte an den Kläger den Differenzbetrag zwischen einem Nettowiederbeschaffungswert von 5.086,21 • und dem Restwert von 2 - 3 - 3.460 • zuzüglich einer Nebenkostenpauschale von 15 •. Der Kläger begehrt unter Zugrundelegung der vom Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten die weitere Zahlung von 1.606,21 • nebst Zinsen. 3 Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Mit der vom Berufungsge-richt zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter. Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht folgt der Auffassung des Amtsgerichts, dass der Geschädigte nicht Ersatz der den Wiederbeschaffungsaufwand (= Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) übersteigenden Reparaturkos-ten verlangen könne, wenn er den Schaden tatsächlich nicht repariere. Zwar sei es allein seine Angelegenheit, ob und auf welche Weise er sein Fahrzeug [X.] instand setze. Aber auch wenn es den Schädiger grundsätzlich nichts [X.], wie der Geschädigte mit dem unfallbeschädigten Fahrzeug verfahre, än-dere sich nichts daran, dass zunächst nach sachgerechten Kriterien festzustel-len sei, in welcher Höhe dem Geschädigten angesichts des ihm verbliebenen [X.] seines Fahrzeugs durch den Unfall überhaupt ein Vermögensnachteil erwachsen sei. Im vorliegenden Fall sei dem Kläger nur der [X.] zu ersetzen, da er sein Fahrzeug nicht habe reparieren lassen. Darauf, dass dieses fahrbereit und deshalb eine Reparatur zur weiteren Nut-zung nicht zwingend erforderlich gewesen sei, komme es nicht an. Deshalb könne dahinstehen, dass der Kläger den Restwert realisiert habe, indem er sein Fahrzeug unstreitig gut vier Monate nach dem Unfallereignis veräußert habe, auch wenn dies - wie er behauptet - wegen eines weiteren, unfallunabhängigen 4 - 4 - Schadens geschehen und zunächst eine Veräußerung des Fahrzeugs nicht beabsichtigt gewesen sei. Voraussetzung für den Ersatz fiktiver Kosten sei, auch wenn diese unterhalb des [X.] lägen und unabhän-gig von der Qualität der Reparatur verlangt werden könnten, dass zumindest eine Reparatur vorgenommen werde. Die bloße Weiternutzung des Fahrzeugs genüge dafür nicht. Der Kläger könne auch nicht deshalb Schadensersatz in Höhe der fiktiven Reparaturkosten verlangen, weil diese die "70%-Grenze" des [X.] nicht überschreiten. Dadurch sollte dem Geschädig-ten die Durchführung der Reparatur eines mittleren Schadens an einem ver-gleichsweise neuen hochwertigen Kraftfahrzeug ermöglicht werden. Darauf komme es vorliegend nicht an, da der Kläger die Reparatur unstreitig nicht durchgeführt habe. I[X.] Das Berufungsurteil hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand. 5 1. Das Berufungsgericht geht im Ansatz zutreffend davon aus, dass dem Geschädigten für die Berechnung von Kraftfahrzeugschäden im Allgemeinen zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung stehen: Die Reparatur des [X.] oder die Anschaffung eines (gleichwertigen) Ersatzfahrzeugs. [X.] den zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten der Naturalrestitution hat der Geschädigte grundsätzlich diejenige zu wählen, die den geringsten Aufwand erfordert. Dieses sogenannte Wirtschaftlichkeitspostulat findet gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB seinen gesetzlichen Niederschlag in dem [X.] - 5 - [X.] der Erforderlichkeit, ergibt sich aber letztlich schon aus dem Begriff des Schadens selbst. Darüber hinaus findet das Wahlrecht des Geschä-digten seine Schranke an dem Verbot, sich durch Schadensersatz zu [X.]. Denn auch wenn er vollen Ersatz verlangen kann, soll der Geschädigte an dem Schadensfall nicht "verdienen". 7 2. Doch lässt das Berufungsgericht außer Betracht, dass das Integritäts-interesse des Geschädigten aufgrund der gesetzlich gebotenen [X.] grundsätzlichen Vorrang genießt und durch das Wirtschaftlichkeitsgebot und das Bereicherungsverbot nicht verkürzt werden darf. Auch greift es mit seiner Auffassung in die Ersetzungsbefugnis und Dispositionsfreiheit des Geschädig-ten ein. a) Der erkennende Senat hat im Urteil vom 29. April 2003 - [X.] ZR 393/02 - [X.] 154, 395 ff. entschieden, dass der Geschädigte zum Ausgleich des durch einen Unfall verursachten Fahrzeugschadens, der den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigt, die vom Sachverständigen geschätz-ten Reparaturkosten bis zur Höhe des [X.] ohne Abzug des [X.] verlangen kann, wenn er das Fahrzeug tatsächlich reparieren lässt und weiter benutzt, ohne dass es auf Qualität und Umfang der Reparatur ankommt. Im damaligen Fall hatte der Geschädigte seinen PKW repariert, um ihn weiter zu nutzen. Die Frage, ob in jedem Fall repariert werden muss, stellte sich deshalb nicht. Daraus kann aber nicht entnommen werden, dass der Ge-schädigte generell zur Reparatur verpflichtet sei, wenn er den erforderlichen Reparaturaufwand verlangt. Es ist nunmehr klarzustellen, dass für den [X.] auf die fiktiven Reparaturkosten ohne Berücksichtigung des [X.] entscheidend ist, dass der Geschädigte das Fahrzeug weiter nutzt, sei es auch in beschädigtem, aber noch verkehrstauglichem Zustand. Er kann es nach [X.] schadensrechtlichen Grundsätzen unrepariert weiternutzen und den 8 - 6 - zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag anderweitig verwenden. Im Fall der Weiternutzung stellt der Restwert, wenn und solange der Geschädigte ihn nicht realisiert, lediglich einen hypothetischen Rechnungsposten dar, der sich in der Schadensbilanz nicht niederschlagen darf (vgl. Senatsurteil [X.] 154, 395, 397 f. m.w.N.). 9 b) Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der Geschädigte durch die bloße Weiternutzung des Fahrzeugs nur sein Interesse an der [X.] zum Ausdruck bringe und dieses Interesse in vergleichbarer Weise auch durch eine Ersatzbeschaffung befriedigt werden könne. Dabei bliebe die Erset-zungsbefugnis des Geschädigten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB außer Be-tracht, nach der er zwischen den beiden Möglichkeiten der Naturalrestitution (Reparaturkostenersatz oder Kosten für ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug) grundsätzlich frei wählen kann. Auch steht es dem Geschädigten aufgrund [X.] grundsätzlich frei, ob er den zur Wiederherstellung er-forderlichen Betrag nach dessen Zahlung wirklich diesem Zweck zuführen oder anderweitig verwenden will. Selbst wenn er von vornherein nicht die Absicht hat, die der Berechnung seines Anspruchs zugrunde gelegte Wiederherstellung zu veranlassen, sondern sich anderweit behelfen oder die Entschädigungszah-lung überhaupt einem sachfremden Zweck zuführen will, kann der Geschädigte Ersatz der zur Behebung des Schadens erforderlichen Reparaturkosten verlan-gen. Der Wille des Geschädigten zur Reparatur kann nicht zur Voraussetzung für den Anspruch auf Zahlung des zur Instandsetzung erforderlichen Geldbe-trags erhoben werden (vgl. Senatsurteil [X.] 66, 239, 241). Der in der [X.] zum Ausdruck gekommenen Einbuße, die sich im Vermögen des Geschädigten niedergeschlagen hat, steht die Zahlung der für die Repara-tur erforderlichen Geldmittel gegenüber. Ob diese tatsächlich für eine Instand-setzung eingesetzt werden, liegt in der Disposition des Geschädigten (vgl. Se-natsurteil [X.] 66, 239, 244 f.). - 7 - 3. Von einer Weiternutzung des Fahrzeugs im Sinn der oben zu 2. a) dargelegten Rechtsprechung des Senats kann allerdings dann nicht die Rede sein, wenn der Geschädigte das Fahrzeug nach dem Unfall alsbald veräußert. Dann nämlich gibt er sein Integritätsinteresse auf und realisiert durch den [X.] den Restwert seines Fahrzeugs mit der Folge, dass er sich diesen grund-sätzlich anrechnen lassen muss (vgl. Senatsurteil vom 7. Juni 2005 - [X.] ZR 192/04 - VersR 1257, 1258 f.). Da er am Schadensfall nicht verdienen darf, ist in einem solchen Fall sein Anspruch der Höhe nach durch die Kosten der Ersatzbeschaffung begrenzt (vgl. Senatsurteile [X.] 66, 239, 247; vom 5. März 1985 - [X.] ZR 204/83 - [X.], 593 und vom 7. Juni 2005 - [X.] ZR 192/04 - aaO). 10 Deshalb stellt sich die Frage, wie lange der Geschädigte das Fahrzeug nach dem Unfall nutzen muss, um ein nachhaltiges Interesse an dessen [X.] zum Ausdruck zu bringen. Diese Frage wird vom erkennenden Se-nat nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Erleichterung einer prak-tikablen Schadensabwicklung dahin beantwortet, dass im Regelfall ein Zeitraum von sechs Monaten erforderlich, aber auch ausreichend ist. Bei einer so langen Weiternutzung wird nämlich im allgemeinen ein ernsthaftes Interesse des [X.] an der Weiternutzung, das einem Abzug des [X.] nach den oben dargelegten Grundsätzen entgegensteht, nicht verneint werden können. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass eine längere Frist für die Möglichkeit einer Abrechnung mit Abzug des [X.] den Schädiger und seinen Versi-cherer begünstigen bzw. zur Verzögerung der Abrechnung veranlassen könnte und von daher dem Geschädigten nicht zumutbar wäre. Deshalb erscheint in der Regel ein Zeitraum von sechs Monaten als angemessen, wenn nicht be-sondere Umstände ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen. 11 - 8 - 4. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Geschädigte im Streitfall das Fahrzeug zwar zunächst weiter genutzt, jedoch nach ca. vier Monaten unrepariert veräußert. Unter diesen Umständen kann der Restwert bei der Schadensabrechnung nicht unberücksichtigt bleiben. Zwar ist - wie oben unter 2. a) ausgeführt - der Anspruch auf die geschätzten Repara-turkosten ohne Berücksichtigung des [X.] entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht schon deshalb zu verneinen, weil der Kläger das Fahr-zeug nicht repariert hat, doch ist der von den Parteien der Höhe nach nicht be-anstandete Restwert in Abzug zu bringen, weil der Geschädigte das Fahrzeug in zu engem zeitlichem Abstand zum Unfall verkauft hat. Insoweit erweist sich das Berufungsurteil im Ergebnis als zutreffend. 12 - 9 - II[X.] 13 [X.] ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. [X.] [X.] [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: AG [X.]-Mitte, Entscheidung vom 21.02.2005 - 110 O 3243/04 - LG [X.], Entscheidung vom 25.08.2005 - 59 S 129/05 -

Meta

VI ZR 192/05

23.05.2006

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.05.2006, Az. VI ZR 192/05 (REWIS RS 2006, 3401)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3401

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