Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.08.2022, Az. IX ZB 19/21

9. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 5630

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Gegenstand

Vergütung des Insolvenzverwalters: Verwirkung des Vergütungsanspruchs wegen unterlassener Offenbarung von Pflichtverletzungen in Parallelverfahren


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des [X.] vom 2. Februar 2021 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.114,79 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 13. Januar 2016 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte   H.       zum Insolvenzverwalter (im Folgenden: früherer Insolvenzverwalter). Auf eigenen Antrag des früheren Insolvenzverwalters entließ ihn das Insolvenzgericht durch Beschluss vom 25. Juli 2016 aus seinem Amt und bestellte den weiteren Beteiligten zu 2 zum neuen Insolvenzverwalter. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners wurde mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 9. März 2017 aufgehoben. Am 25. September 2017 verstarb der Schuldner.

2

Über das Vermögen des früheren Insolvenzverwalters wurde am 1. September 2016 das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zu 1 zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beteiligte zu 1 hat die Festsetzung der Vergütung und Auslagen des früheren Insolvenzverwalters in Höhe von 1.114,79 € beantragt. Den [X.] hat das Amtsgericht als verwirkt zurückgewiesen. Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1 den [X.] des früheren Insolvenzverwalters weiter.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, §§ 4, 6 Abs. 1, § 64 Abs. 3 Satz 1 [X.]) und auch im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

4

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, der frühere Insolvenzverwalter habe seinen Vergütungsanspruch verwirkt, obwohl eine Pflichtverletzung in Form einer Doppelentnahme oder sonstigen unberechtigten Belastung der Masse im vorliegenden Insolvenzverfahren nicht ersichtlich sei. Der frühere Insolvenzverwalter habe aber in anderen von ihm geführten Insolvenzverfahren Pflichtwidrigkeiten in erheblichem Ausmaß begangen. So habe er nach den eigenen Feststellungen des [X.] in einem parallel geführten Insolvenzverfahren (Amtsgericht [X.], 9 IN 34/14) vorsätzlich die Insolvenzmasse geschädigt, indem er die Rechnung des von ihm in seiner Funktion als Sachverständiger im Eröffnungsverfahren beauftragten Sachverständigen- und [X.]              GmbH aus der Insolvenzmasse beglichen habe, obwohl sie ihm bereits aus der Staatskasse als Teil der Sachverständigenvergütung erstattet worden war. Nach eigener Einlassung habe der frühere Insolvenzverwalter Buchungen vorgenommen, ohne zuvor Einsicht in die Verfahrensbuchhaltung zu nehmen; er habe aus der Erinnerung und in der Annahme verfügt, es sei noch keine Verfügung erfolgt. Nach den Angaben des Beteiligten zu 1 in der von ihm gegen den früheren Insolvenzverwalter gestellten Strafanzeige und in seinen Berichten als Insolvenzverwalter sei der Einzug von Auslagen für die [X.] bei der Staatskasse und die spätere Begleichung ihrer Rechnungen aus der Insolvenzmasse oder die spätere Verrechnung mit von ihr erzielten [X.] kein Einzelfall, sondern mehrfach geübte Praxis gewesen. Zudem sei es in 18 Insolvenzverfahren des früheren Insolvenzverwalters zu [X.] ohne Gerichtsbeschluss und zu überhöhten oder doppelten Entnahmen gekommen.

5

Zu berücksichtigen sei, dass dem früheren Insolvenzverwalter neben der im parallel geführten Verfahren (9 IN 34/14) festgestellten, im [X.] begangenen Untreue weitere [X.] in einem erheblichen Ausmaß und in einer Vielzahl von anderen Verfahren, in denen er zum Insolvenzverwalter bestellt worden war, anzulasten seien.

6

2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.

7

a) Die Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters kann grundsätzlich nur auf Pflichtverletzungen des Verwalters bei der Ausübung des konkreten Amtes gestützt werden, für das er eine Vergütung beansprucht. Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters in anderen Verfahren führen demgegenüber nur unter besonderen Umständen zum Verlust des Anspruchs auf Vergütung (vgl. [X.], Beschluss vom 21. September 2017 - [X.], [X.], 2028 Rn. 11; vom 12. September 2019 - [X.], [X.] 2020, 75 Rn. 10). So kommt die Versagung der Vergütung grundsätzlich nur bei gewichtigen, vorsätzlichen oder zumindest leichtfertigen [X.]n in Betracht. Allerdings kann eine einmalige, in der Begehung einer Straftat zum Ausdruck kommende Pflichtverletzung genügen, denn auch eine in einem anderen Verfahren verübte Straftat kann die charakterliche Eignung des Verwalters, fremdes Vermögen zu verwalten, entfallen lassen. Zudem sind Vergütungsansprüche auch dann ausgeschlossen, wenn der Insolvenzverwalter seine Bestellung in strafbarer Weise erschleicht und damit im eigenen wirtschaftlichen Interesse eine Gefährdung der erfolgreichen Abwicklung des Insolvenzverfahrens in Kauf nimmt. Ein Insolvenzverwalter ist aber nicht verpflichtet, dem Insolvenzgericht vor der Bestellung ungefragt jegliche Pflichtwidrigkeit aus anderen Verfahren mitzuteilen. Daher führt eine unterlassene Offenbarung von Pflichtverletzungen in anderen Insolvenzverfahren grundsätzlich nicht zum Verlust des Vergütungsanspruchs. Vielmehr muss die unterlassene [X.] in anderen Insolvenzverfahren selbst eine schwere, subjektiv in hohem Maße vorwerfbare Verletzung der Treuepflicht darstellen. Denn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet eine enge Begrenzung der Fälle, in denen ein Anspruch auf Vergütung ausgeschlossen ist ([X.], Beschluss vom 12. September 2019, aaO mwN).

8

b) Nach den für das Rechtsbeschwerdegericht bindenden Feststellungen des [X.] (§ 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO) hat der frühere Insolvenzverwalter in dem parallel geführten Insolvenzverfahren (9 IN 34/14) eine strafbare Untreue begangen, indem er eine Rechnung des von ihm in seiner Funktion als Sachverständiger im Eröffnungsverfahren beauftragten Sachverständigen- und [X.]             GmbH aus dem [X.] beglichen und hierdurch vorsätzlich die Insolvenzmasse verkürzt hat. Dabei hat es sich nach den weiteren Feststellungen des [X.] nicht um einen Einzelfall, sondern vielmehr um die mehrfach geübte Praxis gehandelt, dass der frühere Insolvenzverwalter Auslagen für das genannte Sachverständigen- und Auktionatorenbüro bei der Staatskasse einzog, den Rechnungsbetrag dann aber aus der jeweiligen Insolvenzmasse beglich. Insgesamt ist es in 18 weiteren von dem früheren Insolvenzverwalter geführten Insolvenzverfahren zu [X.]n in einem erheblichen Ausmaß gekommen. Die Annahme des [X.], der Vergütungsanspruch des früheren Insolvenzverwalters sei unter den gegebenen Umständen auch im vorliegenden Verfahren verwirkt, ist auch unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.

[X.]     

      

Schoppmeyer     

      

Röhl   

      

Selbmann     

      

Harms     

      

Meta

IX ZB 19/21

15.08.2022

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Limburg, 2. Februar 2021, Az: 7 T 65/18

§ 64 InsO, § 266 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.08.2022, Az. IX ZB 19/21 (REWIS RS 2022, 5630)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5630

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