Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.11.2019, Az. III R 65/18

3. Senat | REWIS RS 2019, 1092

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Gegenstand

Berufsausbildung bei Nichtantritt zur letztmaligen Prüfung


Leitsatz

NV: Zu einer ernsthaften und nachhaltigen Hochschulausbildung gehört auch die Teilnahme an den für die Erlangung der angestrebten beruflichen Qualifikation erforderlichen Prüfungen .

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 18.10.2018 - 3 K 65/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für März 2015.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt zunächst Kindergeld für ihren am 27.07.1993 geborenen [X.] war an der [X.] im Wintersemester 2014/2015 im Studiengang Wirtschaftsinformatik eingeschrieben. Wegen des [X.] zur Prüfung "Einführung in die Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre" verlor [X.] seinen Prüfungsanspruch in dem genannten Studiengang. Der zuständige Prüfungsausschuss stellte mit [X.] vom 24.02.2015 den endgültigen Verlust des [X.] fest. Nach vorheriger Anhörung wurde [X.] mit [X.] vom 05.05.2015 exmatrikuliert.

3

Die Beklagte und Revisionsbeklagte ([X.]amilienkasse) hob mit [X.] vom 21.09.2016 u.a. für den Monat März 2015 die Kindergeldfestsetzung auf, weil [X.] bereits exmatrikuliert gewesen sei.

4

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie ist der Meinung, es komme für das Ende der Berufsausbildung auf den Zeitpunkt an, zu welchem die Exmatrikulation wirksam geworden sei.

5

Die Klägerin beantragt,
den angefochtenen Gerichtsbescheid sowie den Aufhebungsbescheid vom 21.09.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.01.2017 für den Monat März 2015 aufzuheben.

6

Die [X.]amilienkasse beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

7

Die Revision ist unbegründet und wird daher zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der [X.]inanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.]inanzgericht ([X.]) hat zutreffend entschieden, dass im [X.] kein Anspruch auf Kindergeld mehr bestand, da [X.] nicht mehr für einen Beruf ausgebildet wurde.

8

1. Nach § 66 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird das Kindergeld vom Beginn des Monats an gezahlt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen. [X.]ür ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, besteht nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG --unter weiteren hier nicht streitigen [X.] Anspruch auf Kindergeld, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird.

9

a) In Berufsausbildung befindet sich, wer "sein Berufsziel" noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, [X.]ähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die Ausübung des "angestrebten" Berufs geeignet sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 13.12.2018 - III R 25/18, [X.], 53, BStBl II 2019, 256, Rz 14; vom 14.09.2017 - III R 19/16, [X.], 443 , BStBl II 2018, 131, Rz 9; vom 22.02.2017 - III R 20/15, [X.], 274, BStBl II 2017, 913, Rz 12; vom 08.09.2016 - III R 27/15, [X.], 202, BStBl II 2017, 278, Rz 15, jeweils m.w.N.).

b) Die Hochschulausbildung ist grundsätzlich Ausbildungsmaßnahme, wenn und solange das Kind im In- oder Ausland als ordentlicher Studierender an einer öffentlichen oder privaten Hochschule immatrikuliert ist (Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz --[X.]-- 2019, [X.]. A 15.2 Satz 1, A 15.7 Abs. 1 Satz 1; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 32 EStG [X.]; [X.]/[X.], § 32 EStG Rz 36, 39). Allerdings kommt es allein auf eine formelle Immatrikulation beim [X.]ehlen der ernsthaften und nachhaltigen Ausbildungsbemühungen nicht an (vgl. Urteile des [X.] --B[X.]H-- vom 23.11.2001 - VI R 77/99, [X.], 383, BStBl II 2002, 484, unter 2.a, und vom 24.05.2000 - VI R 143/99, [X.], 557, BStBl II 2000, 473, unter 3.). Soweit Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind seinem gewählten Ausbildungsgang nicht ernsthaft und hinreichend nachgeht, indem etwa nur eine "Pro-forma-Immatrikulation" besteht, liegt keine Berufsausbildung vor (Senatsurteile vom 03.07.2014 - III R 52/13, [X.], 427, BStBl II 2015, 152, Rz 32, und in [X.], 202, BStBl II 2017, 278, Rz 22).

c) Zu einer ernsthaften und nachhaltigen Hochschulausbildung gehört auch die Teilnahme an den für die Erlangung der angestrebten beruflichen Qualifikation erforderlichen Prüfungen (B[X.]H-Urteile vom 14.12.2004 - VIII R 44/04, [X.] 2005, 1039, unter [X.]; vgl. auch B[X.]H-Urteil vom 16.04.2002 - VIII R 89/01, [X.] 2002, 1150, unter II.1.).

2. Das [X.] hat die vorgenannten Rechtsgrundsätze rechtsfehlerfrei angewandt. Die von ihm gezogene Schlussfolgerung, dass sich [X.] im Monat März 2015 nicht (mehr) in Berufsausbildung befand und somit kein Anspruch auf Kindergeld mehr bestand, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Die [X.]rage, ob eine Berufsausbildung vorliegt und noch besteht, ist eine [X.]rage der tatrichterlichen Würdigung des [X.], die revisionsrechtlich bindend ist (§ 118 Abs. 2 [X.]O), soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und nicht durch Denkfehler oder durch die Verletzung von [X.] beeinflusst ist (vgl. B[X.]H-Urteil vom 26.01.2005 - VI R 71/03, B[X.]HE 208, 572, BStBl II 2005, 349, und in [X.], 53, BStBl II 2019, 256). Davon ist hier auszugehen.

b) Das [X.] hat den Sachverhalt umfassend ermittelt und ging ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze davon aus, dass [X.] seine Hochschulausbildung --trotz der förmlichen [X.] im März 2015 nicht mehr so ernsthaft und nachhaltig betrieb, dass (noch) von einer Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gesprochen werden konnte. Vielmehr war das [X.] zu Recht der Ansicht, dass [X.] seine Berufsausbildung abgebrochen hat. Denn durch die Nichtteilnahme an der Prüfung "Einführung in die Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre" verlor [X.] seinen Prüfungsanspruch im gesamten Studiengang endgültig. Dadurch war [X.] auch die Möglichkeit einer Wiederholungsprüfung versagt, die ggf. zu einem [X.]ortgang der Berufsausbildung hätte führen können, wenn [X.] sich weiterhin ernsthaft und hinreichend auf eine solche Wiederholungsprüfung vorbereitet hätte (vgl. Senatsurteil vom 24.09.2009 - III R 70/07, [X.] 2010, 617). Letztlich kam es bereits vor der formellen Exmatrikulation zum Studienabbruch (vgl. auch [X.] 2019, A 15.10 Abs. 11), so dass im März 2015 kein Anspruch auf Kindergeld mehr bestand.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III R 65/18

27.11.2019

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 18. Oktober 2018, Az: 3 K 65/17, Urteil

§ 118 Abs 2 FGO, § 62 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 32 Abs 1 Nr 1 EStG 2009, § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst a EStG 2009, EStG VZ 2015

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.11.2019, Az. III R 65/18 (REWIS RS 2019, 1092)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1092


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. III R 65/18

Bundesfinanzhof, III R 65/18, 27.11.2019.


Az. 3 K 65/17

Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 3 K 65/17, 18.10.2018.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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(Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 11.12.2018 III R 26/18 - Inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 23.01.2020 …


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