Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.02.2023, Az. V R 30/20

5. Senat | REWIS RS 2023, 3563

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Gegenstand

Billigkeitserlass von Nachforderungszinsen bei unzutreffender zeitlicher Zuordnung von Umsätzen


Leitsatz

1. Unterjährige Zinsvorteile sind bei der Prüfung eines Liquiditätsvorteils im Rahmen des Billigkeitserlasses von Nachforderungszinsen zur Umsatzsteuer gemäß § 233a AO unbeachtlich.

2. Dem Erlass von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer steht nicht entgegen, dass es zu mehreren aufeinanderfolgenden jahresübergreifenden Umsatzverlagerungen kommt (Anschluss an BFH-Urteil vom 11.07.1996 - V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259).

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 04.08.2020 - 1 K 610/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Auf die Anschlussrevision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 04.08.2020 - 1 K 610/18 dahin abgeändert, dass der Beklagte die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens zu tragen hat.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten um den [X.] von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer.

2

Die Klägerin, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionsklägerin (Klägerin) gab in den Jahren 2009 bis 2013 (Streitjahre) monatliche Umsatzsteuer-Voranmeldungen (Voranmeldungen) für die von ihr nach vereinbarten Entgelten zu versteuernden Dienstleistungen ab. Bei einer Außenprüfung für die Jahre 2009 bis 2011 wurde u.a. festgestellt, dass die Klägerin, die in den Streitjahren keine Dauerfristverlängerung (§ 18 Abs. 6 des Umsatzsteuergesetzes --UStG-- i.V.m. §§ 46 bis 48 der [X.]) in Anspruch genommen hatte, ihre erklärten Umsätze stets dem Monat der Rechnungsstellung zugeordnet hatte, obwohl sie 90 % ihrer Leistungen bereits im Vormonat erbracht hatte. Der Grund hierfür war, dass die Klägerin meist erst nach Ablauf der Abgabefrist für den jeweiligen Voranmeldungszeitraum die für die Rechnungsstellung nötigen Informationen von ihren Subunternehmern erhielt. Um die falsche Zuordnung der Umsätze zu korrigieren, ordnete die Außenprüfung jeweils 90 % der im Januar angemeldeten Umsätze dem Vorjahr zu.

3

In den entsprechend den Prüfungsfeststellungen geänderten [X.] vom 23.12.2015 für 2009 bis 2011 setzte der Beklagte, Revisionskläger und [X.] (Finanzamt --[X.]--) Nachzahlungszinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung ([X.]) fest. Sie betrugen 1.361.528 € für 2009 (Zinslauf: 56 Monate), 123.981 € für 2010 (Zinslauf: 44 Monate) und 232.800 € für 2011 (Zinslauf: 32 Monate). Nachdem die Klägerin für 2012 und 2013 entsprechend den Prüfungsfeststellungen geänderte Jahressteuererklärungen abgegeben hatte, erließ das [X.] am 04.01.2016 Zinsbescheide, in denen es Nachzahlungszinsen in Höhe von 165.740 € für 2012 (Zinslauf: 20 Monate) und in Höhe von 38.948 € für 2013 (Zinslauf: 8 Monate) festsetzte. Die insgesamt festgesetzten Zinsen beliefen sich damit auf 1.918.925 €.

4

Den auf das Urteil des [X.] ([X.]) vom 11.07.1996 - V R 18/95 ([X.]E 180, 524, [X.] 1997, 259) gestützten Antrag der Klägerin auf Erlass der Nachzahlungszinsen aus Billigkeitsgründen lehnte das [X.] ab, weil der Streitfall nicht mit dem Sachverhalt des genannten Urteils vergleichbar sei. Während es dabei um eine einmalige Umsatzverlagerung gegangen sei, hätten im Streitfall die jahrelangen Umsatzverlagerungen zu Nachforderungen geführt, denen nicht gleich hohe Erstattungen gegenüber gestanden hätten. Der Liquiditätsvorteil sei nicht mit der jeweiligen Voranmeldung des Folgemonats entfallen.

5

Den Einspruch wies das [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 01.02.2018 zurück. Die Klägerin habe durch die monatlich wiederkehrende [X.] einen dauerhaften Liquiditätsvorteil in Höhe von 3.334.705 € erlangt, der die festgesetzten Nachzahlungszinsen übersteige. Es sei ermessensgerecht, auf diesen Liquiditätsvorteil und nicht auf die Karenzzeit des § 233a Abs. 2 Satz 1 [X.] abzustellen. In die Ermessensausübung fließe auch ein, dass vermutlich auch in den Jahren zuvor zu späte Anmeldungen erfolgt seien und eine unzutreffende Anmeldung bei einem der Firmengruppe zugehörigen Unternehmen zuvor schon beanstandet worden sei.

6

Auf die hiergegen erhobene Klage verpflichtete das Finanzgericht ([X.]) das [X.] mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 518 veröffentlichten Urteil --bei gleichzeitigem Ausspruch der hälftigen [X.] zur Neubescheidung. Die [X.] sei sachlich unbillig i.S. von § 227 [X.]. Da die Neuzuordnung der jeweils im Januar gemeldeten Umsätze nicht nur zu einer Erhöhung der [X.], sondern auch zu einer gleich hohen Reduzierung der Umsätze des Jahres, in dem die Voranmeldung erfolgt sei, geführt habe, hätten sich [X.] und -reduzierungen jahresübergreifend ausgeglichen. Da der Liquiditätsvorteil nur jeweils einen Monat bestanden habe, sei ein bis zu 56-monatiger Zinslauf unbillig. Zu Unrecht habe das [X.] danach einen dauerhaften Liquiditätsvorteil berücksichtigt. Ein unterjähriger, jeweils monatlicher Vorteil sei im Hinblick auf § 233a Abs. 1 Satz 2 [X.] irrelevant. Es komme aber nicht nur eine Ermessensentscheidung mit einem einzigen Inhalt in Betracht. So könne die Erhebung von [X.] nur für die jeweiligen Monate, in denen ein jahresübergreifender Liquiditätsvorteil bestanden habe, ermessensgerecht sein. Unter Berücksichtigung der Karenzzeit des § 233a Abs. 2 Satz 1 [X.] sei aber auch ein vollständiger Erlass vertretbar. Das Ermessen des [X.] sei dahingehend begrenzt, dass entweder die Nachzahlungszinsen vollständig erlassen werden müssten oder jedenfalls so weit, als sie den tatsächlichen Liquiditätsvorteil für 90 % der jeweils im Dezember entstandenen Umsätze überstiegen. Die Zinsberechnung der Klägerin, die sich aus der Summe der monatlichen Zinserstattungen und Zinszahlungsverpflichtungen für die Streitjahre ergab, führe zu einer Zinspflicht von nur 15.282,28 €. Das [X.] sei im Verwaltungsverfahren von einem Liquiditätsvorteil von 47.457 € ausgegangen.

7

Mit der Revision macht das [X.] geltend, das [X.]-Urteil in [X.]E 180, 524, [X.] 1997, 259 sei auf den Streitfall nicht anwendbar. Der unterjährige Liquiditätsvorteil sei nicht unbeachtlich. § 233a [X.] gelte nur deshalb nicht für [X.], weil die abschließende Steuerfestsetzung --anders als im [X.] regelmäßig innerhalb der Karenzfrist erfolge. Da der tatsächliche Liquiditätsvorteil in allen Jahren außer 2009 die Nachzahlungszinsen überstiegen habe, komme ein Erlass nicht in Betracht. Für 2009 habe berücksichtigt werden dürfen, dass die Nachzahlungszinsen in den Folgejahren den Zinsvorteil nicht vollständig abgeschöpft hätten. Nach dem [X.]-Urteil in [X.]E 180, 524, [X.] 1997, 259, das zu einer einmaligen [X.] Umsatzverschiebung ergangen sei, sei es ermessengerecht, den Liquiditätsvorteil von jeweils einem Monat abzuschöpfen.

8

Das [X.] beantragt,

das [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen

und im Wege der Anschlussrevision

das [X.] insoweit aufzuheben, als ihr die Kosten hälftig auferlegt wurden, und die Kosten des Verfahrens insgesamt dem [X.] aufzuerlegen.

Das [X.] habe dem [X.] gemäß § 136 Abs. 1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) die gesamten Verfahrenskosten auferlegen müssen, da auf der Grundlage seiner rechtlichen Ausführungen das [X.] mindestens 97,52 % der Zinsen erlassen müsse.

Entscheidungsgründe

[X.]

Die Revision des [X.] ist nach § 126 Abs. 2 [X.]O unbegründet und daher zurückzuweisen. Das [X.] hat das [X.] zu Recht verpflichtet, die Klägerin neu zu bescheiden. Das [X.] hat im Streitfall zu Unrecht in seine Billigkeitsentscheidung unterjährig entstandene [X.] einbezogen. [X.] nach § 101 Satz 1 [X.]O lag nicht vor. Im Übrigen ist die [X.] der Klägerin begründet und führt zur Änderung der Kostenentscheidung des [X.]-Urteils (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O).

1. Nach § 227 [X.] können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, zu denen auch [X.] gehören (§ 37 Abs. 1, § 3 Abs. 4 Nr. 4 [X.]), ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls aus persönlichen oder sachlichen Gründen unbillig wäre ([X.]-Urteil vom [X.] - V R 13/18, [X.], 16, Rz 10).

a) Die Entscheidung über eine [X.] nach § 227 [X.] ist eine Ermessensentscheidung (§ 5 [X.]), die im finanzgerichtlichen Verfahren nach § 102 Satz 1 [X.]O nur daraufhin überprüft werden kann, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist ([X.]-Urteile in [X.], 16, Rz 12 und vom 31.05.2017 - I R 92/15, [X.], 387, [X.], 14, Rz 11).

b) Sachlich unbillig ist die Festsetzung einer Steuer oder eines Zinsanspruchs, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass ihre Erhebung unbillig erscheint. Das ist der Fall, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage --wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte-- im Sinne der begehrten [X.] entschieden hätte ([X.]-Urteile vom 20.09.2012 - IV R 29/10, [X.], 518, [X.], 505, Rz 21 und vom 24.04.2014 - V R 52/13, [X.], 105, [X.], 106, Rz 11). Dies wiederum kann seinen Grund entweder in [X.] oder in einem Widerspruch zu dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck haben ([X.]-Urteil vom 21.01.2015 - X R 40/12, [X.], 485, [X.], 117, Rz 24). Allerdings dürfen [X.]n nicht die einem gesetzlichen Steuertatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers generell durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einem --sich lediglich in einem Einzelfall zeigenden-- ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestands abhelfen ([X.]-Urteile vom 17.12.2013 - VII R 8/12, [X.], 184, Rz 30 und in [X.], 16, Rz 11).

c) Die Festsetzung von Zinsen nach § 233a [X.] ist grundsätzlich rechtmäßig, wenn der Schuldner der [X.] [X.] gehabt hat ([X.]-Urteile in [X.], 16, Rz 14; vom 16.08.2001 - V R 72/00, [X.] 2002, 545, unter [X.] und vom [X.], [X.] 2000, 610, unter [X.]).

Bei einer von den ursprünglichen Steuerfestsetzungen abweichenden zeitlichen Zuordnung eines Umsatzes durch die Finanzbehörde, die gleichzeitig zu einer [X.] und zu einer Steuererstattung führt, sollen aber durch § 233a [X.] keine Zinsvorteile abgeschöpft werden, die in Wirklichkeit nicht vorhanden sind ([X.]-Urteil in [X.], 524, [X.] 1997, 259, Leitsatz). Im Billigkeitsverfahren nach § 227 [X.] auf Erlass festgesetzter Zinsen hat es der Unternehmer nach dem o.g. [X.]-Urteil daher nicht hinzunehmen, dass eine um einen Monat verspätete Steueranmeldung zu einem Zinslauf von acht Monaten führt, wenn der erlangte Liquiditätsvorteil durch eine spätere Anmeldung und die entsprechende Vorauszahlung vor Beginn des [X.] wieder entfallen war. Es kann durch die Verzinsung der sich aus der verspäteten Steuerfestsetzung ergebenden [X.] kein Vorteil ausgeglichen werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Steuerpflichtige durch die verspätete Steuerfestsetzung keinen Vorteil hatte. Daher sind bei einer von den ursprünglichen Steuerfestsetzungen abweichenden zeitlichen Zuordnung eines Umsatzes, die gleichzeitig zu einer [X.] und einer Steuererstattung führt, tatsächlich nicht vorhandene Zinsvorteile auch nicht abzuschöpfen. Somit kann im Erlassverfahren wegen Nachforderungszinsen nicht unberücksichtigt bleiben, dass z.B. der Liquiditätsvorteil, der dem Steuerpflichtigen durch die verspätete Anmeldung des im Voranmeldungszeitraum Dezember 1990 ausgeführten Umsatzes erwachsen war, bereits mit Zahlung der für den Voranmeldungszeitraum Januar 1991 angemeldeten Steuer und damit vor Beginn des [X.] (§ 233a Abs. 1 Satz 2 [X.]) wieder entfallen ist. Ergänzend hatte der [X.] hierfür zudem darauf abgestellt, dass die der Zinsberechnung zugrunde liegende [X.] für 1990 mit der Steuererstattung für 1991 verrechnet wurde ([X.]-Urteil in [X.], 524, [X.] 1997, 259, unter [X.]).

Diese für Zwecke des Erlassverfahrens auf einzelne Voranmeldungszeiträume abstellende Betrachtung beruht maßgeblich darauf, dass aufgrund umsatzsteuerrechtlicher Besonderheiten hier trotz der Regelungen in § 233a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 [X.], denen eine Jahresbetrachtung zugrunde liegt, nicht einseitig nur auf die nachgeforderte Jahressteuer abgestellt werden kann. Diese Besonderheiten ergeben sich zum einen daraus, dass der Steueranspruch bereits mit dem Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Umsatzausführung oder Entgeltvereinnahmung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b UStG) und daher anders als bei anderen Steuerarten nicht erst mit Ablauf des Kalenderjahres entsteht, und zum anderen daraus, dass die Änderung der zeitlichen Zuordnung eines Umsatzes anders als die "Gewinnverlagerung" bei unveränderter Rechtslage aufkommensneutral ist ([X.]-Urteil in [X.], 524, [X.] 1997, 259, unter [X.]).

2. Danach hat das [X.] den Bescheid über die Ablehnung des Erlassantrags zu Recht aufgehoben.

a) Auf der Grundlage des [X.]-Urteils in [X.], 524, [X.] 1997, 259 hat das [X.] zutreffend entschieden, dass für die Frage, inwieweit die Klägerin Zinsvorteile erlangt hat, die einem [X.] entgegenstehen, die [X.] außer Betracht zu bleiben haben, die für die Klägerin durch die verspätete Anmeldung der bereits im Vormonat ausgeführten Umsätze unterjährig entstanden waren.

Das [X.] hat hierfür zu Recht darauf abgestellt, dass festgesetzte Vorauszahlungen nicht verzinst werden (§ 233a Abs. 1 Satz 2 [X.]), so dass ein monatlicher Zinsvorteil, den der Gesetzgeber nicht abschöpfen will, nicht als Begründung für die fehlende Unbilligkeit einer Zinsfestsetzung für die Jahressteuer herangezogen werden kann, zumal die Klägerin bei Beginn des [X.] für die Streitjahre bereits alle auf die [X.] entfallenden Umsätze mit ihren monatlichen Voranmeldungen bezahlt hatte.

Ebenso zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass eine fehlende Verrechnung der [X.] (für das Jahr der Vorverlagerung) mit einer Steuererstattung (für das Jahr der bisherigen Umsatzerfassung) dem [X.] nicht entgegensteht. So führte z.B. die [X.], die sich aus der Umsatzvorverlagerung aus dem Januar 2010 in den Dezember 2009 ergab, aufgrund einer weiteren Umsatzvorverlagerung (aus dem Januar 2011 in den Dezember 2010) für das [X.] zu keiner Steuererstattung für 2010, die mit der Nachforderung für 2009 verrechnet werden konnte. Dies ist indes unerheblich, da es maßgeblich auf eine Einzelbetrachtung des jeweils vorzuverlagernden Umsatzes ankommt, der für sich genommen zu der erforderlichen Verrechnung der Nachforderung für 2009 mit einer Erstattung für 2010 geführt hätte. Dass eine Erstattung für 2010 an einer Saldierung mit anderen Besteuerungsgrundlagen scheitert, ist im Hinblick auf diese Einzelbetrachtung unerheblich.

b) Damit erweist sich die vom [X.] befürwortete Einbeziehung unterjährig entstandener [X.] in die Billigkeitsbetrachtung als unzutreffend. Eine derartige Einbeziehung kommt auch insoweit nicht in Betracht, als die unterjährig vorzunehmenden [X.]en zu keiner Änderung der für die Zinsentstehung maßgeblichen Jahressteuerfestsetzungen geführt haben. Die Auffassung des [X.] läuft letztlich darauf hinaus, entgegen dem Wortlaut des § 233a Abs. 1 Satz 2 [X.] und der sich hieraus ergebenden gesetzgeberischen Wertung (Nichtverzinsung von [X.]) gleichwohl zu einer weitergehenden Verzinsung zu gelangen, als sie sich auf der Grundlage einer [X.] in Bezug auf die geänderten Jahressteuer-festsetzungen ergibt.

Im Übrigen vermögen auch die sonstigen Gründe, die das [X.] für die Ablehnung eines [X.]es anführt, die Entscheidung des [X.] nicht in Frage stellen, da dem vom [X.] insoweit angeführten vorwerfbaren Verhalten neben der maßgeblichen [X.] vorliegend keine Bedeutung zukommt.

c) Das [X.]-Urteil erweist sich auch nicht in anderer Hinsicht als rechtsfehlerhaft.

aa) Dem Erlass von Nachzahlungszinsen steht nicht entgegen, dass es --wie im [X.] zu mehreren aufeinanderfolgenden jahresübergreifenden [X.]en gekommen ist und die Erhöhung der Jahressteuer, die durch die Hinzurechnung der im Folgejahr angemeldeten Umsätze ausgelöst wird, sowie die korrespondierende Ermäßigung für das Folgejahr, in dem die im Vorjahr entstandenen Umsätze angemeldet und die Steuern entrichtet wurden, nicht zu einer gleich hohen Erstattung und Nachforderung in zwei aufeinanderfolgenden Steuerjahren führen. Diese Auswirkungen sind für die Prüfung der sachlichen Billigkeit unbeachtlich, weil sie den tatsächlich bestehenden Liquiditätsvorteil für die jeweilige Jahressteuer nicht beeinflussen. Daher steht der Berücksichtigung nur des tatsächlichen Liquiditätsvorteils hinsichtlich der Jahressteuer nicht entgegen, dass das Senatsurteil in [X.], 524, [X.] 1997, 259, unter [X.] die Fallkonstellation einer einmaligen jahresübergreifenden [X.] behandelt. Der Senat hat damit nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Abschöpfung jahresübergreifender [X.] nur dann unbillig ist, wenn sich die Erstattung und die Nachforderung in vollem Umfang ausgleichen. Abweichendes ergibt sich somit auch nicht aus den [X.]-Urteilen in [X.] 2002, 545, vom 23.10.2003 - V R 2/02 ([X.]E 203, 410, [X.] 2004, 39) und vom 24.02.2005 - V R 62/03 ([X.] 2005, 1220).

bb) Unerheblich ist, dass die Klägerin de facto die Vorteile einer Dauerfristverlängerung gemäß § 18 Abs. 6 UStG ohne die hierfür erforderliche Sondervorauszahlung in Anspruch genommen hat. § 233a [X.] schöpft lediglich die nach der gesetzgeberischen Wertung im Rahmen der Festsetzung der Jahressteuer angenommenen [X.] ab, sanktioniert aber nicht --wie etwa das Steuerstrafrecht bei Steuerhinterziehung (§ 370 [X.]) oder bei leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 378 [X.])-- die vorsätzliche oder leichtfertige unzutreffende Erklärung der Umsätze in den Voranmeldungen.

3. Im Übrigen hat das [X.] zutreffend das [X.] zur Neubescheidung (§ 101 Satz 2 [X.]O) verpflichtet. Die Sache war im Hinblick auf die Frage eines abzuschöpfenden [X.] nur dem Grunde nach, nicht aber auch der Höhe nach --und damit im [X.] nicht i.S. des § 101 Satz 1 [X.]O spruchreif. Das [X.] konnte insoweit zu Recht auf die unterschiedlichen Liquiditätsvorteilsberechnungen (Klägerin: 15.282,28 €, [X.]: 47.457 €) und --als sachgerechte [X.] auf die Ermessensgerechtigkeit einer Betrachtung nach Maßgabe der Karenzzeit des § 233a Abs. 2 Satz 1 [X.] verweisen. Eine Reduzierung des Ermessens des [X.] auf Null hat das [X.] daher im Streitfall insoweit zu Recht verneint.

4. Die [X.], die die Klägerin zulässigerweise auf die Anfechtung der Entscheidung im Kostenpunkt beschränken konnte ([X.]-Urteile vom 02.06.1971 - III R 105/70, [X.]E 102, 563, [X.] 1971, 675, unter [X.]; vom 22.04.2004 - V R 72/03, [X.]E 205, 525, [X.] 2004, 684, unter [X.]), ist begründet. [X.] ist dahin zu treffen, dass das [X.] die gesamten Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

Im Falle des teilweisen Obsiegens können einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere Beteiligte nur zu einem geringen Teil unterlegen ist (§ 136 Abs. 1 Satz 3 [X.]O). Zwar ist --worauf das [X.] zutreffend hinweist-- regelmäßig eine Kostenteilung angebracht, wenn ein Beteiligter mit seinem [X.] nur ein Bescheidungsurteil erstritten hat ([X.]-Urteile vom 06.12.2012 - V R 1/12, [X.] 2013, 906, Rz 18; vom [X.], [X.] 1993, 510, unter [X.]). Dies gilt jedoch nur, sofern keine besonderen Umstände vorliegen ([X.]-Urteile in [X.] 2013, 906, Rz 18; vom 02.06.2005 - III R 66/04, [X.]E 210, 265, [X.] 2006, 184, unter [X.]3. und in [X.] 1993, 510, unter [X.]). Das [X.]-Urteil vom 08.02.1994 - VII R 88/92 ([X.]E 174, 197, [X.] 1994, 552), auf das sich das [X.] bezogen hat, betrifft ein Bescheidungsurteil zu einem nicht bezifferbaren Anspruch, bei dem zudem keine besonderen Umstände vorlagen.

Im Streitfall sind indes besondere Umstände gegeben. Vorliegend ist das Ermessen des [X.] infolge der bei seiner Billigkeitsentscheidung nicht zu berücksichtigenden unterjährigen [X.] dahingehend eingeschränkt, dass --wie vom [X.] angenommen-- nur Nachforderungszinsen für die jeweiligen Monate des Liquiditätsvorteils (s. unter [X.]2.) nicht zu erlassen wären. Danach ist das Unterliegen der Klägerin aufgrund der besonderen Umstände der Ermessensentscheidung dieses Einzelfalls derart geringfügig, dass das [X.] die Verfahrenskosten vollständig zu tragen hat.

5. [X.], nach der die Kosten der Revision und der [X.] von dem [X.] zu tragen sind, beruht auf § 135 Abs. 2 und Abs. 1 [X.]O.

Meta

V R 30/20

23.02.2023

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 4. August 2020, Az: 1 K 610/18, Urteil

§ 227 AO, § 233a AO, § 13 Abs 1 Nr 1 Buchst a UStG 2005, § 13 Abs 1 Nr 1 Buchst b UStG 2005, § 18 Abs 6 UStG 2005, UStG VZ 2009, UStG VZ 2010, UStG VZ 2011, UStG VZ 2012, UStG VZ 2013

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.02.2023, Az. V R 30/20 (REWIS RS 2023, 3563)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3563

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