Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.03.2016, Az. 3 StR 484/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2016, 14928

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Gegenstand

Strafverfahren: Verlesung polizeilicher Observationsberichte in der Hauptverhandlung


Leitsatz

Polizeiliche Observationsberichte können in der Hauptverhandlung nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesen werden.

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 13. Mai 2015 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls und Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf verfahrens- und materiellrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten ist aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

Der ausdrücklichen Erwähnung bedarf nur die Rüge, § 250 Satz 2 StPO sei verletzt, weil ein Observationsprotokoll nicht nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesen werden könne. Hierzu hat der [X.] Folgendes ausgeführt:

"Die Verfahrensrüge einer Verletzung des § 250 S. 2 StPO ist unbegründet. Polizeiliche Observationsberichte können grundsätzlich gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesen werden. Der hiergegen von der Revision unter Berufung auf Teile des Schrifttums vertretenen gegenteiligen Rechtsauffassung ist nicht zu folgen (vgl. im Einzelnen hierzu [X.], [X.], 544 ff. m.w.N.):

1. Aus dem Wortlaut des § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO ergibt sich weder, dass Observationsberichte im Speziellen von einer Verlesung ausgenommen sein sollen, noch - wie die Revision behauptet - dass [X.] im Sinne der Vorschrift ausschließlich 'Routinemaßnahmen' betreffen.

2. Den Gesetzesmaterialien ([X.]. 15/1508 S. 26 f.) ist eine dahingehende Einschränkung gleichfalls nicht zu entnehmen. Ziel der Einführung der Vorschrift war es 'zu einer Entlastung der Strafverfolgungsbehörden und der Hauptverhandlung' beizutragen. Soweit es im unmittelbaren [X.] daran heißt die 'Strafverfolgungsbehörden erstellen im Rahmen der Ermittlungen Protokolle und Vermerke über [X.]', drückt dies zwar ein Motiv des Gesetzgebers aus, nicht aber eine inhaltliche Eingrenzung. Dies belegt insbesondere die sich kurz darauf anschließende Passage der Gesetzesbegründung, wonach es sich bei den Schriftstücken, deren Verlesung § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO gestattet, (lediglich) 'meist' um routinemäßig erstellte Protokolle handelt. Diese Relativierung ('meist') zeigt, dass der Gesetzgeber auch außerhalb der Routine liegende Vorgänge vom Anwendungsbereich der Vorschrift nicht ausschließen wollte (vgl. auch [X.], 742).

Unabhängig davon werden aber auch Observationsberichte zu solchen nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesbaren '[X.]n' gerechnet (vgl. ausdrücklich [X.] in [X.] StPO, Edition 22, § 256 Rn. 21; [X.] in [X.] 4. Aufl., § 256 Rn. 33). Hierfür spricht, dass sie hinsichtlich der Relevanz von [X.] vergleichbar sind mit Durchsuchungsberichten (vgl. hierzu [X.], 532), bei denen es etwa auf die konkrete Lage eines Beweismittels in einer Wohnung oder das Verhalten der bei der Durchsuchung anwesenden Personen maßgeblich ankommen kann, oder Festnahmeberichten (vgl. hierzu BGHR StPO § 256 Abs. 1 Nr. 5 Ermittlungsmaßnahmen 1), für die hinsichtlich der Beobachtung äußerer Umstände ([X.]; eventuelle Anhaltspunkte für Bewusstseinstrübungen der Festgenommenen o.ä.) Vergleichbares gilt. Dennoch stellen solche Berichte nach der Gesetzesbegründung ausdrücklich Beispiele für [X.]. § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO dar ([X.]. 15/1508 S. 26). Für [X.] kann daher nichts anderes gelten.

3. Systematische Gründe für einen Ausschluss von Observationsberichten aus dem Anwendungsbereich des § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil werden etwa von § 256 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO auch Behörden- und Ärzteerklärungen erfasst, die keine [X.] betreffen.

4. Schließlich spricht auch die teleologische Auslegung des § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO gegen einen Ausschluss von Observationsberichten aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift. Als Erwägung für die Verlesung von Protokollen und Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden führen die Gesetzesmaterialien an, dass etwa ein Polizeibeamter 'in der Hauptverhandlung ohnehin in der Regel kaum mehr bekunden [könne] als das, was in dem Protokoll bereits schriftlich festgelegt' sei ([X.]. 15/1508 S. 26). Dies trifft auf polizeiliche [X.] aber gleichfalls zu. Kleine Details wie etwa Zeitangaben zu - für sich gesehen - wenig eindrücklichen einzelnen [X.], die erst nachträglich in einem größeren Zusammenhang Bedeutung gewinnen können, werden in der zeitnahen Verschriftung oft zuverlässiger bekundet werden als nach oft langer Zeit in der Hauptverhandlung aus dem Gedächtnis.

Ob im konkreten Fall die alleinige Verlesung eines Observationsberichts zur Wahrheitsfindung ausreicht oder ob - ggf. darüber hinaus - die Vernehmung der Observationsbeamten erforderlich ist, ist keine Frage der Zulässigkeit der Beweiserhebung nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO, sondern eine Frage der Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO. Eine Beweiserhebung wird nicht deshalb unzulässig, weil sie im Einzelfall zur Aufklärung nicht ausreicht ([X.] aaO.). Hält die Verteidigung die Verlesung eines Observationsberichts für unzureichend, steht es ihr in der Hauptverhandlung frei, einen Beweisantrag auf Vernehmung der Observationsbeamten bzw. des [X.] zu stellen und im Falle der Antragsablehnung dies in der Revision zu rügen oder im Falle einer unterbliebenen Beweisantragstellung insoweit zumindest die Aufklärungsrüge zu erheben. Beides ist nicht geschehen."

3

Dem stimmt der Senat zu.

[X.]     

        

     Schäfer     

        

Gericke

        

Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

        

Tiemann     

        
        

[X.]

                          

Meta

3 StR 484/15

08.03.2016

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hannover, 13. Mai 2015, Az: 640 Js 106633/13 - 96 KLs 24/14

§ 256 Abs 1 Nr 5 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.03.2016, Az. 3 StR 484/15 (REWIS RS 2016, 14928)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 1601 REWIS RS 2016, 14928

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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