Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2016, Az. 1 StR 344/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 1100

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:081216U1STR344.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
1
StR
344/16

vom
8. Dezember
2016
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat
aufgrund der Hauptverhandlung vom 6. Dezember 2016
in der Sitzung am
8. Dezember 2016, an denen
teilge-nommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,

[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. [X.],
Prof. Dr. [X.],
[X.]in am Bundesgerichtshof
Dr. Fischer
und [X.] am Bundesgerichtshof
Dr. Bär,

Staatsanwältin

in der Verhandlung vom 6. Dezember 2016 ,
Staatsanwalt

bei der Verkündung am 8. Dezember 2016

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

in der Verhandlung vom 6. Dezember 2016

als Verteidiger,

Rechtsanwältin

in der Verhandlung vom 6. Dezember 2016

als Vertreterin der [X.]benklägerin,

Justizangestellte

in der Verhandlung vom 6. Dezember 2016 ,
Justizobersekretärin

bei der Verkündung am 8. Dezember 2016

als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
Die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der [X.]benklägerin
gegen das Urteil
des Landge-richts [X.] vom 16. Februar 2016 werden als un-begründet verworfen.

2.
Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten dadurch entstandenen not-wendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

3.
Die [X.]benklägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. Eine Erstattung der dem Angeklagten durch die Revision der [X.]benklägerin im Revisionsverfahren ent-standenen notwendigen Auslagen findet nicht statt.

4.
Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die der [X.]benklägerin hierdurch im [X.] entstandenen notwendigen Auslagen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung, Nötigung und Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt.
1
-
4
-
Die Revisionen des Angeklagten und der [X.]benklägerin sowie das vom [X.] vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben keinen Erfolg.
I.
1.
Nach den [X.]stellungen des [X.]s war für den Angeklagten -
und Angelpunkt seines [X.] eine außereheliche Beziehung gestand, wollte der Angeklagte das Schei-tern der Ehe verhindern und bemühte sich sehr um seine Ehefrau. Am Abend des 5.
September 2015 erklärte ihm die [X.]benklägerin jedoch, an diesem Tag wieder mit ihrem Liebhaber zusammen gewesen zu sein und legte sich [X.]. Im Schlaf sprach sie beglückt vom Sex mit ihrem Liebhaber. Der Angeklag-te erkannte, dass seine Bemühungen, seine Frau zurückzugewinnen und die Ehe fortzuführen, erfolglos gewesen waren. Mit der nun als akut erachteten Gefährdung seiner Ehe war der Angeklagte aufgrund seiner niedrigen Intelli-genz und seiner wenig ausgeprägten emotionalen Entwicklung überfordert. Er sah
mit ihrem Liebhaber zu verhindern.
Um diese Ziele zu erreichen, kniete er sich seitlich neben die schlafen
h-ne seine ganze ihm mögliche Kraft auszuüben und ohne sein ganzes Gewicht von über 140
kg in den Griff hineinzulegen. Gleichzeitig rief er wiederholt laut-e-benklägerin erheblich verletzen könnte und mit der von ihm ausgeübten Intensi-f-2
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-
5
-
tigen Griff an ihren Hals sah er jetzt die einzige Möglichkeit, das für ihn uner-trägliche Schwärmen vom Sex mit dem Liebhaber zu beenden und weitere der-artige Kontakte zu verhindern.
Die [X.]benklägerin wachte unmittelbar nach dem Beginn des Würgevor-gangs
auf. Ihre Atemwege waren durch das [X.] teilweise verlegt und sie hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Sie röchelte, rang nach Luft und wand sich auf dem Bett hin und her, um dem Griff des Angeklagten zu ent-kommen.
Die drei Kinder des Angeklagten und deren Freunde hörten das laute Rufen des Angeklagten aus dem elterlichen Schlafzimmer und das nach Luft Schnappen der [X.]benklägerin. Der [X.] B.

betrat bereits fünf Sekun-den nach Beginn des [X.] das Zimmer, schrie seinen Vater an, n-geklagte lockerte deswegen seinen Griff, so dass die [X.]benklägerin atmen konnte. Dann festigte er seinen Griff wieder, da er sich in seinem verzweifelten psychischen Zustand nicht anders als durch das Würgen seiner Frau zu helfen wusste. Sekunden danach betraten auch die beiden anderen Kinder das Schlafzimmer. Zu dritt versuchten sie, den Angeklagten zurückzuziehen. Der Angeklagte lockerte deshalb
erneut
den Griff um den Hals der [X.]benklägerin, den er insgesamt etwa zehn Sekunden aufrechterhalten hatte. Die [X.]benkläge-rin verließ das Schlafzimmer.
Als die Kinder den Angeklagten schließlich [X.], nahm er ein Kü-chenmesser mit einer Klingenlänge von etwa 20
cm an sich und machte
sich auf die Suche nach der [X.]benklägerin. Er wollte sie daran hindern, ihn zu [X.] und ihn weiter mit anderen Männern zu betrügen. Dabei nahm er billi-gend in Kauf, das Messer gegebenenfalls einzusetzen, wobei er sich über die 4
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6
-
6
-
Art des Messereinsatzes
noch keine Gedanken machte. Der Angeklagte rannte um den Wohnblock, fand die [X.]benklägerin jedoch nicht. Schließlich ließ
er sich von seinem [X.] D.

das Messer abnehmen.
2.
Das [X.] hat das Würgen als gefährliche Körperverletzung gemäß §
224 Abs. 1 Nr. 5 StGB gewertet.
Einen bedingten Tötungsvorsatz hat es nicht angenommen. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung hat es sich nicht mit hinreichender Sicherheit von dem kognitiven und voluntativen Element dieser Vorsatzform überzeugen können. Dabei [X.] geäußerten Worte, die fehlende maximale Kraftentfaltung, die niedrige Intelligenz verbunden mit der emotionalen Überforderung, die Ehe mit der [X.]--
und Angelpunkt seines Lebens und wesentli-dem Messer berücksichtigt und sich mit der Gefährlichkeit der Tathandlung auseinandergesetzt.
II.
Die zunächst mit der nicht ausgeführten Sachrüge begründete und einen umfassenden Aufhebungsantrag enthaltende Revision des Angeklagten [X.] in ihrer Stellungnahme zu den Revisionsbegründungen der Staatsan-waltschaft und der [X.]benklage nur den Schuldspruch wegen gefährlicher Kör-perverletzung gemäß §
224 Abs.
1 Nr.
5 StGB. Eine teilweise Rücknahme der unbeschränkt eingelegten Revision liegt darin nicht, weil die Voraussetzungen des §
302 Abs.
2 [X.] nicht dargetan sind.
7
8
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-
7
-
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
1.
Die rechtsfehlerfrei getroffenen [X.]stellungen tragen den Schuld-spruch wegen gefährlicher Körperverletzung in der Tatbestandsvariante der lebensgefährdenden Behandlung gemäß §
224 Abs.
1 Nr.
5 StGB.
Nicht jeder [X.] in der Form des [X.] ist eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne des §
224 Abs.
1 Nr.
5 StGB. Von maßgeblicher Bedeutung sind vielmehr Dauer und Stärke der [X.], die zwar nicht dazu führen müssen, dass das Opfer der Körperverlet-zung tatsächlich in Lebensgefahr gerät, aber abstrakt geeignet sein muss, das Leben des Opfers zu gefährden (vgl. [X.], Urteil vom 25.
Oktober 2005

4
StR
185/05, [X.], 11, 12 mwN).
Der Angeklagte hielt die [X.]benklägerin etwa zehn Sekunden mit festem Griff mit beiden Händen am Hals gepackt, drückte mit den Daumen in die Kehl-kopfgegend, wodurch die Atemwege teilweise verlegt wurden. Angesichts der als glaubhaft angesehenen Bekundungen der Geschädigten

Todesangst und das Gefühl, ein Schleier bilde sich vor ihr, verspürt und gedacht zu haben, sie stehe kurz vor der Bewusstlosigkeit

ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das [X.] eine abstrakt lebensgefährdende Tathandlung ange-nommen hat. Der rechtsmedizinische Sachverständige, dem sich die [X.] angeschlossen hat, hatte ausgeführt, es hänge bei einem Angriff auf den Hals mit der festgestellten Dauer und Intensität weitgehend vom Zufall ab, nämlich vom Druckpunkt des Würgegriffs und der körperlichen Konstitution des Angegriffenen, ob lebenswichtige Funktionen zerstört werden, insbesondere die für die Sauerstoffversorgung des Gehirns wichtige Blutzufuhr bzw. Blutabfuhr beeinträchtigt oder der [X.] eingedrückt wird. Hätte der Druckpunkt gering-fügig anders gelegen, hätte sich das [X.] ganz anders darstellen 10
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-
8
-
können. Für den Täter sei nicht kontrollierbar, ob durch das kräftige [X.] des Halses eine kreislaufrelevante Vene, empfindliche Teile des [X.]s
oder der Stimmlippen getroffen werden.
2.
Im Strafausspruch enthält das Urteil keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das [X.] trotz des Vorliegens des vertypten [X.] des §
21 StGB infolge der erheblich verminderten [X.] als Folge einer Anpassungsstörung kei-nen minder schweren Fall der gefährlichen Körperverletzung gemäß §
224 Abs.
1 letzter Halbsatz StGB angenommen hat. [X.] hat in die ge-botene Gesamtwürdigung zu Lasten des Angeklagten insbesondere
dessen vielfache und einschlägige Vorstrafen, den Angriff auf die arglos eingeschlafe-ne und schlafende [X.]benklägerin und die psychologischen Folgen bei ihr ein-gestellt und deshalb einen minder schweren Fall auch bei Berücksichtigung des §
21 StGB abgelehnt.
III.
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und auf den Schuld-spruch wegen gefährlicher Körperverletzung beschränkte Revision der [X.] und die in der Sache ebenfalls darauf beschränkte Revision der [X.]benklägerin beanstanden die Beweiswürdigung des [X.]s insoweit als dieses einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten und damit eine Verurteilung wegen eines versuchten Tötungsdelikts verneint hat.
Die Revisionen bleiben ohne Erfolg. Die Beweiswürdigung des Landge-richts hält in diesem Punkt revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.
14
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16
-
9
-
1.
Die Beweiswürdigung ist dann rechtsfehlerhaft, wenn sie widersprüch-lich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfah-rungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Über-zeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 10.
Dezember 2014

5
StR
136/14 Rn.
20 mwN und vom 15.
Dezember 2015

1
StR
236/15 Rn.
18). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbil-dung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung nähergelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 5.
Dezember 2013

4
StR
371/13, [X.], 87;
vom 15.
Dezember 2015

1
StR
236/15 Rn.
18 und vom 12.
Mai 2016

4
StR
569/15, [X.], 347, 348).
2.
Bedingter Tötungsvorsatz setzt voraus, dass der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wis-senselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumin-dest mit dem Eintritt des Todes abfindet, mag ihm der [X.] auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement). Beide Elemente des bedingten Vorsatzes müssen in jedem Einzelfall umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche [X.]stellungen belegt werden (vgl. [X.], Urteile vom 16.
September 2015

2
StR
483/14, [X.], 25, 26; vom 5.
Juni 2014

4
StR
439/13 Rn.
7, insoweit in NStZ 2014, 477 nicht abge-druckt; vom 17.
Juli 2013

2
StR
139/13, [X.], 467
und
vom 27.
Januar 2011

4
StR
502/10, [X.], 699, 702). Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objekti-ven und subjektiven Umstände des Einzelfalls erfolgen (vgl. [X.], Urteil vom 13.
Januar 2015

5
StR
435/14, [X.], 216; Beschluss vom 9.
Oktober 2013

4
StR 364/13, [X.], 345, 346; Urteil vom 22.
März 2012

4
StR
558/11, [X.]St 57, 183, 187), in welche insbesondere die objektive 17
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-
10
-
Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des [X.], seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzu-beziehen sind (vgl. [X.], Urteil vom 16.
Mai 2013

3
StR
45/13, [X.], 581, 582). Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau stellt die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Ge-fährlichkeit der Tathandlung einen wesentlichen Indikator sowohl für das kogni-tive als auch für das voluntative Vorsatzelement dar (vgl. [X.], Urteil vom 5.
Juni 2014

4
StR
439/13 aaO; Beschluss vom 9.
Oktober 2013

4
StR
364/13 aaO; Urteile vom 16.
Mai 2013

3
StR
45/13
aaO
und vom 23.
Februar 2012

4
StR
608/11, [X.], 443, 444 mwN). Hat der Täter eine offensichtlich äußerst gefährliche Gewalthandlung begangen, liegt es

vorbehaltlich in die Gesamtbetrachtung einzustellender gegenläufiger Um-stände des Einzelfalls

nahe, dass er den Eintritt des Todes als mögliche Fol-ge seines Tuns erkannt und, indem er gleichwohl sein gefährliches Handeln begonnen oder fortgesetzt hat, den [X.] auch billigend in Kauf genom-men hat (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 1.
Dezember 2011

5
StR
360/11, [X.], 207, 208 mwN).
3.
Diesen Anforderungen genügen die Erwägungen, mit denen das [X.] das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes verneint hat. Die Beweiswürdigung des [X.]s ist weder widersprüchlich noch in einer Weise lückenhaft, dass dies den Bestand des Urteils gefährden könnte.
a)
[X.] ist für die Beurteilung des bedingten Tötungsvorsat-zes von der gebotenen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstän-de der Tat und des [X.] ausgegangen. Im Rahmen dieser Gesamtschau hat sie die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung beleuchtet und deren Bedeu-tung als gewichtigen Indikator (für beide Vorsatzelemente) eines bedingten Tö-19
20
-
11
-
tungsvorsatzes gesehen. Sie hat ihr aber nur eine begrenzte Aussagekraft bei-gemessen, da durch das Eingreifen Dritter die Tathandlung bereits kurz nach deren Beginn unterbrochen wurde. Hierbei hat die [X.] dargelegt, dass ein Würgen mit tödlichem Ausgang regelmäßig einen deutlich längeren [X.] erfordere, um die Blutversorgung des Gehirns nicht nur vorübergehend mit der Folge einer Bewusstlosigkeit zu unterbrechen, sondern dauerhaft. Auch eine vollständige Verlegung der Atemwege sei im Gegensatz zu der hier einge-tretenen teilweisen Verlegung kaum denkbar, ohne gleichzeitig die Blutversor-gung des Gehirns abzuschneiden.
Damit hat die [X.] bereits das Vorliegen des Wissenselements des (bedingten) Tötungsvorsatzes in Frage gestellt und dessen Fehlen nach-folgend mit der subjektiven Befindlichkeit des Angeklagten belegt.
Sie hat insoweit ausgeführt, auch die psychische Ausnahmesituation spreche dagegen, dass der Angeklagte in der konkreten Tatsituation tatsächlich mit der Möglichkeit rechnete, die [X.]benklägerin könnte durch seinen Griff an den Hals zu Tode kommen. Es sei durchaus möglich, dass der Angeklagte zwar die potentielle Lebensgefährlichkeit seines Handelns erkannt hatte, ohne sich aber in der konkreten Situation bewusst gewesen zu sein, dass sein [X.] zum Tod des Opfers führen könnte. Diese Überlegung enthält keinen Widerspruch.
Auch wenn dem Angeklagten bewusst gewesen ist, dass man durch Würgen einen Menschen töten könne, belegt dies nur das Wissen um die all-gemeine Gefährlichkeit eines solchen Angriffs gegen den Hals eines Menschen (vgl. auch [X.], Beschlüsse vom 7.
September 2015

2
StR
194/15, [X.]R StGB §
15 Vorsatz, bedingter
13 und vom 19.
Juli 1994

4
StR
348/94, [X.]R StGB §
212 Abs.
1 Vorsatz, bedingter
41 mwN). Daraus lässt sich indes nicht 21
22
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-
12
-
ohne weiteres herleiten, dass der Angeklagte in der konkreten Tatsituation auch tatsächlich mit der Möglichkeit rechnete, die [X.]benklägerin könne zu [X.] kommen, und er dies in seine Überlegungen mit einbezog. Es ist durchaus möglich, dass der Angeklagte zwar alle Umstände kannte, ohne sich indes in der konkreten Situation bewusst zu sein, dass sein Vorgehen zum Tode des Opfers führen könne (vgl. auch [X.], Urteil vom 10.
Dezember 1987

4
StR 539/87, [X.]R StGB §
212 Abs.
1 Vorsatz, bedingter
10; Beschluss vom 19.
Juli 1994

4
StR
348/94, [X.]R StGB §
212 Abs.
1 Vorsatz, bedingter
41).
Das [X.] hat sich insoweit auch mit den besonderen Tatumstän-den auseinandergesetzt, die zu einer erheblichen Verminderung seiner [X.] führten:
Aufgrund der niedrigen Intelligenz, der emotionalen Überforderung und des aggressiven Impulsdurchbruchs als Reaktion auf seine im Schlaf von ihrem Liebhaber schwärmende Ehefrau kann dem Angeklagten das Bewusstsein ge-fehlt haben, dass seine spontane Tathandlung ihren Tod zur Folge haben könnte.
[X.] hat hierzu dargelegt, dass es die affektiven Elemente der Tatausübung (der plötzliche aggressive Impulsdurchbruch, der spontane Du gehst [X.] nicht mehr [X.] trotz der in der gleichen Wohnung anwesenden Kinder) und die Intelligenz eher wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Angeklagte einen möglichen tödlichen Ausgang seines Handelns nicht in den Blick genommen hat. Er sei bei emotionalen Herausforderungen schnell überfordert, was

wie die Vorverurteilungen zeigten

zu [X.] als Handlungsalternati-ven führe.
24
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26
-
13
-
Dass sich das [X.] nicht von dem Vorliegen des [X.] des Tötungsvorsatzes hat überzeugen können, ist angesichts des [X.] revisionsrechtlichen [X.] bei der tatrichterlichen Be-weiswürdigung nicht rechtsfehlerhaft (vgl. [X.], Urteil vom 12.
Januar 2012

4
StR
499/11 mwN).
b)
Auch das Vorliegen des voluntativen Elements des Tötungsvorsatzes hat die [X.] geprüft. Dafür sprach aus Sicht des [X.]s, dass der Angeklagte trotz des hörbaren Luftschnappens der [X.]benklägerin und dem Eintreffen seiner Kinder das Würgen fortsetzte; dagegen sprach, dass er es nicht mit der vollen, ihm möglichen Kraftentfaltung ausgeführt hatte und er sich gegen das Einschreiten der Kinder nicht

z.B. durch Schläge

gewehrt und zuvor auch nicht versucht hatte, die [X.]benklägerin mit seinem Körpergewicht zu fixieren oder ihre Gegenwehr mit Schlägen oder auf andere Weise zu [X.]. Auch Äußerungen des Angeklagten, die auf einen Tötungsvorsatz hin-deuten könnten, konnte die [X.] nicht feststellen. [X.] standen ledig-lich die von der [X.] nicht näher hinterfragten Worte des Angeklagten

Auch bei Prüfung dieses Elements hat die [X.] die psychische Befindlichkeit
des Angeklagten, seine Persönlichkeit und seine niedrige Intelli-genz herangezogen. Sie hat erwogen, dass der Angeklagte für sich keine [X.] Möglichkeit mehr sah, als die [X.]benklägerin mit Gewalt festzuhalten und so weitere sexuelle Kontakte mit ihrem Liebhaber zu verhindern. Sein Ziel sei es nicht gewesen, die [X.]benklägerin zu beseitigen, sondern mit allen Mitteln als seine Partnerin zu behalten. Dies verdeutliche seine spontane Äußerung ge-genüber dem Ermittlungsbeamten zwei Stunden nach der Tat. Diesem erklärte er spontan und ungefragt, er habe die [X.]benklägerin nicht töten wollen, er liebe
27
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-
14
-

Dem Nachtatverhalten vermochte die [X.] keine objektiven [X.] zu entnehmen, dass der Angeklagte das Messer ergriffen hat, um seinen Vorsatz, die [X.]benklägerin zu töten, nun umzusetzen. Sie hielt es viel-mehr für möglich, dass der Angeklagte das Messer nur dazu einsetzen wollte die [X.]benklägerin zu nötigen, bei ihm zu bleiben bzw. mit ihm zu reden. Über die Art des Messereinsatzes hatte er sich noch keine Gedanken gemacht.
Es ist in der Rechtsprechung des [X.] anerkannt, dass bei spontanen, unüberlegten und in affektiver
Erregung ausgeführten Handlun-gen auch aus dem Wissen um den möglichen Todeseintritt nicht ohne Berück-sichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des [X.] ergebenden Besonderheiten auf das selbstständig neben dem Wissenselement stehende Willenselement des Vorsatzes geschlossen werden kann (siehe nur [X.], Ur-teile vom 14.
August 2014

4
StR
163/14, [X.], 266, 267
f. und vom 3.
Dezember 2015

4
StR
387/15, [X.], 110
f.). Die Einordnung und Würdigung eines spontanen oder in affektiver
Erregung erfolgenden Handelns obliegt dabei dem Tatrichter (vgl. [X.], Urteil vom 3.
Dezember 2015

4
StR 387/15, [X.], 110
f.).
Das [X.] hat tragfähige Anhaltspunkte dafür benannt, warum bei dem Angeklagten selbst bei der erkannten Möglichkeit des [X.] die Willenskomponente des bedingten Tötungsvorsatzes nicht gegeben ist.
30
31
32
-
15
-
4.
Auch die Milderung des Strafrahmens aus §
224 Abs.
1 letzter [X.] StGB über §§
21, 49 Abs.
1 StGB hält rechtlicher Prüfung stand. Bei [X.] unterlag er einer erheblich verminderten [X.] als Folge einer Anpassungsstörung.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
473 Abs.
1 Satz
2 und 3 [X.]. [X.] trägt bei erfolglosem Rechtsmittel des Angeklagten und des [X.]benklägers jeder seine notwendigen Auslagen selbst, so dass hier eine Erstattung der dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen durch die [X.]benklägerin nicht stattfindet, da auch die Revision des Angeklagten [X.] worden ist (vgl. [X.]/[X.], [X.], 59.
Aufl., §
473 Rn.
10a).
Raum Radtke [X.]

Fischer Bär
33
34

Meta

1 StR 344/16

08.12.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2016, Az. 1 StR 344/16 (REWIS RS 2016, 1100)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1100

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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