Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.04.2010, Az. 21 W (pat) 319/05

21. Senat | REWIS RS 2010, 7192

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Gegenstand

Patenteinspruchsverfahren - "Vorrichtung und Verfahren zur Analyse von Mehrkanal-Bauteilen" – fehlende Bevollmächtigung gem. § 25 Abs. 1 PatG - keine Berücksichtigung von im Einspruchsverfahren von der Patentinhaberin neu eingereichten Patentansprüchen zur beschränkten Verteidigung des Patents


Tenor

In der Einspruchssache

gegen das Patent 199 57 327

hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. April 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Dipl.-Phys. [X.] sowie [X.], [X.] und Dipl.-Phys. Dr. Müller

beschlossen:

Das Patent [X.] 57 327 wird widerrufen.

Gründe

I

1

Gegen das am 29. November 1999 angemeldete Patent (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Vorrichtung und Verfahren zur Analyse von [X.]" dessen Erteilung am 17. Februar 2005 veröffentlicht worden ist, hat die [X.], [X.] in [X.]… am 28. April 2005 Einspruch eingelegt.

2

Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des [X.] nicht patentfähig sei. Hierzu verweist sie unter anderem auf die Entgegenhaltung

3

[X.] US 5 578 932.

4

[X.] entnehmbaren Standes der Technik mit weiteren Entgegenhaltungen nahegelegt sei und daher nicht auf einer erfinderischer Tätigkeit beruhen und das Patent ferner die Erfindung nicht so deutlich offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könnte.

5

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet gegliedert:

6

[X.] Mehrkanalbauteil-Analysevorrichtung zum Prüfen von drei oder mehr Eingangs- und Ausgangsanschlüsse aufweisenden Mehrkanalbauteilen, enthaltend:

7

[X.] - einen Netzwerkanalysator, der zur Analyse der Eigenschaften eines Mehrkanalbauteilprüflings mit Hilfe von [X.] ein Prüfsignal an einem Kanal aussendet und ein [X.] an einem anderen Kanal empfängt; und

8

[X.] - eine Mehrkanal-Prüfgruppe, die mit den Kanälen des [X.] verbunden ist, um die Kanäle des [X.] durch einen in der Prüfgruppe angeordneten Umschalter in drei oder mehr Kanäle umzuwandeln,

9

M4 - wobei der Mehrkanalbauteilprüfling direkt mit der Mehrkanal-Prüfgruppe verbunden ist und

[X.] Daten, die den Eigenschaften des Mehrkanalbauteilprüflings entsprechen, in Form von [X.] analysiert werden, - dadurch gekennzeichnet ,

[X.] dass die den Eigenschaften an jedem [X.] des Mehrkanalbauteilprüflings entsprechenden Vektrodaten in Daten einer ausgewählten Impedanz umgewandelt werden, um den Mehrkanalbauteilprüfling zu analysieren.

Der erteilte Patentanspruch 6 lautet gegliedert:

N1 Mehrkanalbauteil-Analyseverfahren zum Prüfen eines drei oder mehr Eingangs- und Ausgangsanschlüsse aufweisenden [X.], enthaltend die folgenden Verfahrensschritte:

[X.] - Vorsehen eines [X.], der zur Analyse der Eigenschaften eines Mehrkanalbauteilprüflings mit Hilfe von [X.] an einem Kanal ein Prüfsignal aussendet und an einem anderen Kanal ein [X.] empfängt; und

[X.] - Vorsehen einer Mehrkanal-Prüfgruppe, die mit den Kanälen des [X.] verbunden ist, um die Kanäle des [X.] durch einen in der Prüfgruppe vorhandenen Umschalter in drei oder mehr Kanäle umzuwandeln;

N4 - Verbinden des [X.], der Mehrkanal-Prüfgruppe und von [X.], die den Mehrkanalbauteilprüfling mit der Mehrkanal-Prüfgruppe verbinden;

[X.] - Durchführen einer Kalibrierung zur Gewinnung von [X.] und Speichern der so gewonnenen [X.] im Netzwerkkanalysator ;

[X.] - direktes Verbinden des Mehrkanalbauteilprüflings mit der Mehrkanal-Prüfgruppe durch die Kabel zur Ermittlung der Daten, die den Eigenschaften des Mehrkanalbauteilprüflings entsprechen, in Form von Vektordaten; und

[X.] - Analysieren des Mehrkanalbauteilprüflings durch Einsatz der [X.] zur Durchführung eines Fehlerkorrekturschritts an den Vektordaten, die den Eigenschaften des Mehrkanalbauteilprüflings entsprechen; und

[X.] - Erhalten von Vektordaten, die den Eigenschaften an jedem [X.] des Mehrkanalbauteilprüflings entsprechen,

 - gekennzeichnet durch

[X.] Umwandeln der Vektordaten jedes [X.]es in Daten, die einer ausgewählten Impedanz entsprechen, um den Mehrkanalbauteilprüfling zu analysieren.

Die [X.] 2 bis 5, 7 und 8 betreffend wird auf die Akte verwiesen.

Der Vertreter der [X.] stellt den Antrag,

das Patent [X.] 57 327 in vollem Umfang zu widerrufen.

Die ordnungsgemäß geladene Patentinhaberin ist, wie schriftlich angekündigt, zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Mit Zwischenverfügung vom 29. März 2010 wurde den Verfahrensbeteiligten noch die Literaturstelle aus dem Lehrbuch

[X.]: [X.]: "Hochfrequenzschaltungstechnik", expertverlag , 2. verbesserte und erweiterte Auflage 1990, [X.]. 6.2.5 Änderung des [X.], Seiten 227/228

übermittelt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II

1. Da die Einspruchsfrist im vorliegenden Verfahren nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist, ist das [X.] für die Entscheidung gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] in der bis einschließlich 30. Juni 2006 gültigen Fassung weiterhin zuständig (vgl. [X.], 862 ff. - [X.]; B[X.] GRUR 2007, 499 f. - Rundsteckverbinder).

2. Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig, denn die für die Beurteilung des behaupteten [X.] maßgeblichen tatsächlichen Umstände sind von der [X.] innerhalb der gesetzlichen Frist im Einzelnen so dargelegt worden, dass die Patentinhaberin und der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines [X.] ohne eigene Ermittlungen ziehen können. Die Zulässigkeit des Einspruchs war von der Patentinhaberin im Übrigen nicht bestritten worden.

3. [X.] als in J… ansässiges Unternehmen benötigt gemäß § 25 Abs. 1 [X.] einen Inlandsvertreter, der im gesetzlich bestimmten Umfang bevollmächtigt ist. Auf den Hinweis im Ladungszusatz zur Ladung vom 16. Dezember 2009, in dem die Patentinhaberin darauf hingewiesen wurde, dass eine derartige Vollmacht bisher nicht vorgelegt wurde, hat die Patentinhaberin mit Eingabe vom 12. Januar 2010 mitgeteilt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen und auch nicht vertreten sein wird. Mangels einer § 25 Abs. 1 [X.] entsprechenden Bevollmächtigung liegt ein Verfahrenshindernis vor, das von Amts wegen zu berücksichtigen ist und das im vorliegenden Fall zur Folge hat, dass die gestellten Anträge der Patentinhaberin in ihrer Eingabe vom 4. Mai 2006 ins Leere gehen und die Patentinhaberin ihr Patent nicht mit den in ihrer Eingabe vom 10. Juli 2008 zuletzt eingereichten Patentansprüchen 1 bis 8 beschränkt verteidigen kann.

Sonach liegen dem Einspruchsverfahren in der mündlichen Verhandlung weiterhin die erteilten Patentansprüche 1 bis 8 zugrunde.

[X.] mit der Literaturstelle aus dem Lehrbuch [X.] .

Es kann daher dahinstehen, ob die Patentansprüche 1 und 6 durch die ursprüngliche [X.] gedeckt sind und ob ihre Gegenstände den Schutzbereich des [X.] erweitern.

4.1. Nach den Angaben in der Beschreibungseinleitung betrifft das Streitpatent eine Mehrkanalbauteil-Analysevorrichtung zur Analyse der Eigenschaften eines drei oder mehr [X.] aufweisenden [X.] sowie ein zugehöriges Verfahren (vgl. Patentschrift, Abs. [0001]). Im Folgenden ist in der Patentschrift ausgeführt, dass zur Analyse derartiger Mehrkanalbauteile Netzwerkkanalysatoren eingesetzt werden [0002]. Diese weisen üblicherweise einen Eingabe- und einen Ausgabekanal auf. Ein von einem Signalgenerator 15 bereitgestelltes [X.] wird über Brücken 11, 12 ausgewählt (Umschalter 13 in Figur 1), einem der Kanäle [X.], [X.] zugeführt und an den [X.] geleitet. Damit werden Daten bspw. Übertragungsfunktionen, Streuparameter und Gruppenverzögerungen gewonnen [0003 - 0004].

Zur Prüfung von [X.]en mit drei oder mehr Anschlüssen - Mehrkanalbauteilen - wird zwischen dem [X.] und dem Prüfling eine Mehrkanal-[X.] geschaltet (vgl. Figur 2 B, Bezugszeichen 20; [0005]). Neuere Mehrkanalprüflinge weisen Anschlüsse auf, deren Impedanz (150 Ohm) von den bei [X.] üblichen 50 Ohm abweicht (Figur 3; [0006]). Beim Stand der Technik sind deshalb Abgleich-/Nichtabgleichkonverter vorgesehen (vgl. Figur 4, Bezugszeichen 42; [0007]). Nachteilig ist dabei, dass der Messwert nicht nur den reinen [X.] (Figur 4) erfasst, sondern zusätzlich die Eigenschaften des Abgleich-/Nichtabgleichkonverters 42 [0008].

Daran orientiert sich die dem Patent zugrundeliegende Aufgabe, eine Mehrkanalbauteil-Analysevorrichtung und ein entsprechendes Verfahren zu schaffen, durch die genaue Messungen an einem [X.] durchgeführt werden können, bei dem der Aufbau der Eingabe/Ausgabeanschlüsse oder die Impedanz nicht mit dem Aufbau bzw. der Impedanz herkömmlicher [X.]e übereinstimmen [0011].

[X.] ist gemäß dem Ausführungsbeispiel der Figur 14 für ein drei Eingangs- und Ausgangsanschlüsse aufweisendes Mehrkanalbauteil ausgelegt (vgl. Spalte 18, Zeilen 4 bis 8 " [X.] ]. Zur Analyse der Eigenschaften eines Mehrkanalbauteilprüflings werden bei dem [X.] aus [X.] die als Vektorwerte vorliegenden Streuparameter S ermittelt (Spalte 11, Zeile 64 ff. " 11A 22A 21A 12A [X.] ]. Das [X.] ]. Wie aus beiden Figuren 14 und 19 o. [X.] ersichtlich, ist der Prüfling (Γ L; M4 ]. Die den Eigenschaften des Prüflings entsprechenden Streuparameter S werden, wie bereits oben dargelegt, im  [X.] ].

[X.] ] des kennzeichnenden Teils. Diesem Merkmal liegt letztendlich eine mathematische Berechnung zugrunde. Die mit der Messung der Eigenschaften von Hochfrequenznetzwerken verbundene Problematik hinsichtlich seiner wellenwiderstandsrichtigen Anpassung ist dem zuständigen Fachmann vertraut, insbesondere was die [X.] mit [X.]n anbelangt. In einschlägigen Lehrbüchern ist dies denn auch dargelegt. So sind in dem Lehrbuch der Hochfrequenzschaltungstechnik gemäß [X.] im [X.]itel 6 "Grundlagen der rechnergestützten Entwicklung von [X.]" die Formeln für die Umrechnung von [X.] bei einem Widerstand in die eines anderen Bezugswiderstandes - "Umwandeln der Vektordaten in eine ausgewählte Impedanz" - aufgezeigt (vgl. Absatz 6.2.5 " [X.] bekannte mathematische Umrechnung greift der Fachmann zu, um die Eigenschaften eines [X.] zu messen, dessen Impedanz sich von der der Analysevorrichtung - dem [X.] - unterscheidet. Auf den [X.] aus [X.] angewandt gelangt, der Fachmann damit ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Patentanspruchs 1.

4.2 Diese Bewertung trifft auch für das Verfahren nach Patentanspruch 6 zu.

N1 , [X.] , [X.] , [X.] , [X.] und [X.] ] werden, in ihren Formulierungen lediglich dem Verfahrensanspruch Rechnung tragend, dieselben Mittel und Maßnahmen beansprucht, wie in den dazu korrespondierenden Merkmalen [ [X.] - [X.] ] des Sachanspruchs 1. Die dies betreffenden Ausführungen zum Patentanspruch 1 treffen deshalb auch für diese Merkmale zu. Zur Vermeidung bloßer Wiederholungen wird darauf Bezug genommen. Die darüber hinausgehenden Merkmale [ N4 , [X.] und [X.] ] des Patentanspruchs 6 können die erfinderische Tätigkeit seines Gegenstandes auch nicht stützen.

N4 ] erschließt sich aus dem Ausführungsbeispiel der Figur 4, denn der [X.] ] ist - als eine bei Netzwerkanalyzern erforderliche Maßnahme - auch bei dem [X.] aus [X.] vorgesehen (vgl. Figur 14A; [X.] ] gewonnenen [X.] zur Durchführung eines Fehlerkorrekturschritts für die Analyse des Prüflings gemäß dem Merkmal [ [X.] ] eine für den Fachmann folgerichtige, bei [X.]n gängige Vorgehensweise dar.

5. Dass die Patentinhaberin neben den der mündlichen Verhandlung zugrunde liegenden [X.] 1 und 6 auch eine Aufrechtrechterhaltung des [X.] im Umfang der [X.] 2 bis 5, 7 und 8 begehrt, hat sie weder ausdrücklich noch stillschweigend zu erkennen gegeben. Darüber hinaus lassen diese [X.] keine Patent begründenden Merkmale erkennen, was die Patentinhaberin im Übrigen auch nicht geltend gemacht hat (vgl. [X.], 862 ff. - [X.] in Fortführung von [X.], 120 ff. - elektrisches Speicherheizgerät).

Meta

21 W (pat) 319/05

27.04.2010

Bundespatentgericht 21. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.04.2010, Az. 21 W (pat) 319/05 (REWIS RS 2010, 7192)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7192

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