Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.03.2011, Az. XI R 30/09

11. Senat | REWIS RS 2011, 8103

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Gegenstand

Keine Bindung der Finanzbehörde an unverbindliche Auskunft bei Änderung der Rechtslage


Leitsatz

1. Ändert sich die einer unverbindlichen Auskunft zugrunde liegende Rechtslage, ist das Finanzamt nicht nach Treu und Glauben gehindert, einen der geänderten Rechtslage entsprechenden erstmaligen Umsatzsteuerbescheid zu erlassen, es sei denn, es hat anderweitig einen Vertrauenstatbestand geschaffen .

2. Das Finanzamt schafft in der Regel nicht dadurch einen Vertrauenstatbestand, dass es nach Änderung der einer unverbindlichen Auskunft zugrunde liegenden Rechtslage einen entsprechenden Hinweis an den Steuerpflichtigen unterlässt .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob eine Umsatzsteuerfestsetzung gegen [X.] und Glauben verstößt.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist [X.] und betreibt eine psychotherapeutische Praxis. Daneben erstellt sie für Familiengerichte psychologische Gutachten zur Frage des Sorge- und Umgangsrechts, in denen auch die Frage nach der Erziehungsfähigkeit eines Elternteils oder beider Elternteile zu beurteilen sein kann, sowie aussagepsychologische Gutachten in Strafverfahren für die Staatsanwaltschaft oder auch für Familiengerichte, die die Feststellung der Aussagetüchtigkeit eines meist kindlichen Zeugen sowie die Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit einer Aussage zum Gegenstand haben.

3

Auf telefonische Anfragen der Klägerin und nach Vorlage zweier von ihr erstellter Gutachten erteilte ihr ein Mitarbeiter des Veranlagungsbezirks des [X.] (Finanzamt --[X.]--) unter dem 2. Januar 1997 folgende schriftliche Auskunft:

4

"Sehr geehrte Frau ...,

die Voraussetzung der Steuerfreiheit für Gerichtsgutachten ist die Annahme einer 'ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit'. Voraussetzung ist hierfür u.a. bei nichtärztlichen Psychotherapeuten das Vorliegen einer Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 [X.] und diese damit der staatlichen Überprüfung unterliegen. Die erforderliche Erlaubnis wurde von Ihnen bereits vorgelegt. Die Erstellung von Gutachten für Gerichte stellt bei Ärzten und Heilpraktikern eine 'heilberufliche Tätigkeit' im Sinne des [X.]. 88 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 Umsatzsteuerrichtlinien dar. Die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz ist nach Aktenlage also gegeben.

Eine verbindliche Auskunft kann ich Ihnen leider nicht erteilen, da die Voraussetzungen nach § 204 der Abgabenordnung nicht erfüllt sind."

5

Die Klägerin stellte nachfolgend die Rechnungen über ihre Gutachtertätigkeit ohne Ausweis von Umsatzsteuer aus und gab keine Umsatzsteuererklärungen ab.

6

Bei der Einkommensteuerveranlagung für 2002 vermerkte der Sachbearbeiter des [X.] auf der Einnahmen-Überschussrechnung der Klägerin vom 10. März 2003 bei den erklärten Einnahmen aus schriftlichen Gutachten "[X.]?", nahm bei den erklärten Ausgaben (Kfz-Kosten 95 %, Bewirtungskosten 80 %, Telefon und Geschenke) Anmerkungen vor und brachte den Vermerk "[X.] melden!" an.

7

Im April 2003 meldete der veranlagende [X.] des [X.] den Steuerfall der zuständigen [X.] zur Durchführung einer Außenprüfung und erhielt im Mai 2003 die Antwort, eine Prüfung (für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004) sei für das Kalenderjahr 2006 vorgemerkt.

8

Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 9. März 2006 fand bei der Klägerin im Frühjahr/Sommer 2006 eine Außenprüfung statt, die sich auf die Veranlagungszeiträume für 2002 bis 2004 bezog und auch die Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzsteuer umfasste.

9

Die Betriebsprüferin kam hinsichtlich der Gutachtertätigkeit der Klägerin zu der Auffassung, dass diese umsatzsteuerpflichtig sei. Nach eigenen Angaben der Klägerin bestehe die Kernaussage ihrer Gutachten u.a. in der Stellungnahme über die Erziehungsfähigkeit eines Elternteils oder die Aussagetüchtigkeit eines zu beurteilenden Kindes. Die ggf. ausgesprochenen therapeutischen Empfehlungen seien nicht Hauptzweck des ihr vom Gericht erteilten Auftrags. Da ein therapeutisches Ziel, also die medizinische Betreuung bei ihrer Tätigkeit als Gerichtssachverständige nicht im Vordergrund stehe, liege eine umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit vor (Hinweis auf die Schreiben des [X.] --BMF-- vom 13. Februar 2001 [X.] 7170- 4/01, [X.], 157, und vom 8. November 2001 [X.] 7170- 201/01, [X.], 826).

Das [X.] folgte der Auffassung der Betriebsprüferin und erließ am 1. Februar 2007 erstmalige Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2004. Den hiergegen eingelegten Einspruch, mit dem die Klägerin im Wesentlichen einen Verstoß gegen [X.] und Glauben geltend machte, wies das [X.] für das [X.] (Streitjahr) mit Einspruchsentscheidung vom 29. November 2007 als unbegründet zurück, nachdem es die Einspruchsverfahren hinsichtlich der Jahre 2002 und 2003 antragsgemäß zum Ruhen gebracht hatte.

Das Finanzgericht ([X.]) hob den Umsatzsteuerbescheid für 2004 und die Einspruchsentscheidung auf. Es führte zur Begründung aus:

Das [X.] habe zwar die gutachtliche Tätigkeit der Klägerin zutreffend als umsatzsteuerpflichtig angesehen, weil dabei ein therapeutisches Ziel jedenfalls nicht im Vordergrund gestanden habe (Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der [X.] --EuGH-- vom 14. September 2000 Rs. [X.]/98 --D--, Slg. 2000, [X.], [X.] Beilage 2001, 31, [X.] --HFR-- 2000, 918; BMF-Schreiben in [X.], 157). Das [X.] sei aber dennoch an der angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzung nach den Grundsätzen von [X.] und Glauben gehindert.

Die Klägerin könne sich zwar nicht allein aufgrund der Auskunft vom 2. Januar 1997 auf Vertrauensschutz berufen. Ebenso könne sie sich nicht allein wegen der Nichtbesteuerung ihrer Umsätze in den Jahren 1997 bis 2001 entsprechend dieser Auskunft auf Vertrauensschutz berufen. Auch allein aus dem Unterlassen eines Hinweises durch den Veranlagungsbezirk im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2002 an die Klägerin, dass nunmehr die Umsatzsteuerpflicht ihrer Gutachtertätigkeit in Frage stehe, sei kein Vertrauensschutz für die Klägerin gegeben. Schließlich ergebe sich auch kein Vertrauensschutz für die Klägerin allein aus dem Umstand, dass die Veranlagungen für 2002 bis 2004 ebenfalls ohne Aufforderung durch das [X.], Umsatzsteuererklärungen einzureichen, durchgeführt wurden. Vertrauensschutz könne die Klägerin aber aus dem Zusammenwirken dieser Umstände beanspruchen.

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2009, 630 veröffentlicht.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht das [X.] im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des [X.] seien die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Vertrauenstatbestand --auch im Zusammenwirken aller Umstände-- im Streitfall nicht gegeben.

Das [X.] beantragt,

die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie führt zur Begründung im Einzelnen aus, bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aller hier entscheidungserheblichen Umstände sei der Tatbestand von [X.] und Glauben erfüllt und stehe der streitigen Umsatzsteuer-Nachforderung für 2004 entgegen, wie das [X.] zutreffend dargelegt habe.

Hierzu macht sie u.a. geltend, sie, die Klägerin, treffe kein Mitverschulden, das die Schutzwürdigkeit ihres Vertrauens beeinträchtige. Sie habe eine Meinungsänderung des [X.] frühestens seit Erhalt der Prüfungsanordnung vom 9. März 2006 erahnen können. Zudem sei es um reine Rechtsfragen gegangen, deren Klärung allein Sache des [X.] gewesen sei. Ihre Mitwirkungspflichten und die ihrer Bevollmächtigten hätten sich auf die hier von Anfang an völlig unproblematische Sachaufklärung beschränkt.

Im Übrigen sei bei der Gewichtung der beiderseitigen Pflichten zu berücksichtigen, dass hier ein Umsatzsteuer-Rechtsverhältnis zu beurteilen sei, bei dem sie mit Rücksicht auf ihre Indienstnahme im öffentlichen Interesse in besonderem Maße schutzwürdig (gewesen) sei.

Auf ein Billigkeitsverfahren --das vorliegend abredegemäß ruhe-- könne sie nicht verwiesen werden.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorents[X.]heidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgeri[X.]htsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat den Grundsatz von Treu und Glauben, auf den es seine Ents[X.]heidung gestützt hat, ni[X.]ht re[X.]htsfehlerfrei angewendet.

1. Das [X.] hat zutreffend ents[X.]hieden, dass die Erstellung der psy[X.]hologis[X.]hen Guta[X.]hten der Klägerin ni[X.]ht na[X.]h § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei ist, da ein therapeutis[X.]hes Ziel bei diesen Guta[X.]hten jedenfalls ni[X.]ht im Vordergrund steht.

a) Na[X.]h § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind "die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnli[X.]hen heilberufli[X.]hen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes und aus der Tätigkeit als klinis[X.]her Chemiker" steuerfrei.

§ 4 Nr. 14 Satz 1 UStG ist ri[X.]htlinienkonform restriktiv dahin auszulegen, dass nur Tätigkeiten zur Diagnose, Behandlung und --soweit mögli[X.]h-- Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen steuerfrei sind (vgl. z.B. [X.]-Urteil --D-- in [X.]. 2000, [X.], [X.] Beilage 2001, 31, [X.], 918; Bes[X.]hluss des [X.] --[X.]-- vom 14. Dezember 2000 [X.], [X.], 275, unter [X.]; [X.]-Urteile vom 15. Juli 2004 [X.], [X.], 471, [X.] 2004, 862, unter II.2.; vom 30. Januar 2008 [X.], [X.], 399, [X.] 2008, 647, unter II.2.a).

b) Diese Voraussetzung ist bei Guta[X.]hten der vorliegenden Art ni[X.]ht gegeben (vgl. [X.] vom 31. Juli 2007 [X.]/06, [X.], 94, [X.] 2008, 35, unter II.2.; [X.]-Urteil vom 8. Oktober 2008 [X.], [X.], 184, [X.] 2009, 429). Dies ist zwis[X.]hen den Beteiligten ni[X.]ht streitig.

2. Zutreffend ist das [X.] ferner davon ausgegangen, dass ein [X.] na[X.]h den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert sein kann, einen na[X.]h dem Gesetz entstandenen Steueranspru[X.]h geltend zu ma[X.]hen. Dies kann der Steuerpfli[X.]htige (bereits) gegenüber einer Steuerfestsetzung geltend ma[X.]hen; eines gesonderten Billigkeitsverfahrens bedarf es dazu entgegen der Auffassung des [X.] (ebenso Reuß, E[X.] 2009, 633, 635) ni[X.]ht (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 13. Dezember 1989 [X.], [X.], 114, [X.] 1990, 274, unter 2.).

a) Der au[X.]h für das Besteuerungsverfahren geltende allgemeine Re[X.]htsgrundsatz von Treu und Glauben gebietet, dass im konkreten Steuerre[X.]htsverhältnis jeder auf die bere[X.]htigten Belange des anderen angemessen Rü[X.]ksi[X.]ht nimmt und si[X.]h mit seinem früheren Verhalten, auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er in irreparabler Weise disponiert hat, ni[X.]ht in Widerspru[X.]h setzt (vgl. [X.]-Urteile vom 9. August 1989 [X.], [X.], 31, [X.] 1989, 990; vom 8. Februar 1996 [X.], [X.] 1996, 733).

Er verdrängt jedo[X.]h gesetztes Re[X.]ht --wie im Streitfall die Umsatzsteuerpfli[X.]ht der Tätigkeit der [X.] nur in besonders liegenden Fällen, in denen das Vertrauen des Steuerpfli[X.]htigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung na[X.]h allgemeinem Re[X.]htsgefühl in so hohem Maß s[X.]hutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurü[X.]ktreten müssen (vgl. [X.]-Urteile vom 25. Oktober 1977 [X.], [X.], 105, 107, [X.] 1978, 274; vom 5. Februar 1980 [X.], [X.], 90, 95; in [X.], 31, [X.] 1989, 990, unter [X.]; vom 29. November 2000 [X.], [X.] 2001, 1013, unter II.2.a).

b) Dies kommt nur dann in Betra[X.]ht, wenn dem Steuerpfli[X.]htigen eine bestimmte steuerre[X.]htli[X.]he Behandlung zugesagt worden ist oder wenn die Finanzbehörde dur[X.]h ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand ges[X.]haffen hat (vgl. [X.]-Urteil vom 30. September 1997 [X.]/94, [X.], 406, [X.] 1998, 771, unter 1.; [X.] vom 26. November 2001 [X.]/00, [X.] 2002, 551, unter [X.]b; [X.]-Urteile vom 29. April 2008 [X.], [X.], 136, [X.] 2008, 817, unter [X.]; vom 14. Januar 2010 IV R 86/06, [X.] 2010, 1096, unter II.5.).

3. Der Klägerin ist keine bestimmte steuerre[X.]htli[X.]he Behandlung zugesagt worden. Das wäre nur dann der Fall, wenn sie eine verbindli[X.]he Zusage beantragt und das [X.] eine sol[X.]he ohne Eins[X.]hränkung oder Vorbehalte erteilt hätte (vgl. [X.]-Urteile vom 17. September 1992 IV R 39/90, [X.], 290, [X.] 1993, 218; vom 14. September 1994 [X.]/93, [X.] 1995, 369, unter 1.b; vom 16. November 2005 [X.], [X.], 30, [X.] 2006, 155, unter [X.]). Jedenfalls letztere Voraussetzung liegt hier ni[X.]ht vor.

Das [X.] hat in dem S[X.]hreiben vom 2. Januar 1997 keine verbindli[X.]he Auskunft erteilt. Das ergibt si[X.]h eindeutig aus dem Zusatz, dass eine verbindli[X.]he Auskunft leider ni[X.]ht erteilt werden könne. Der Auffassung der Klägerin, dabei handele es si[X.]h ledigli[X.]h um eine floskelhafte Eins[X.]hränkung, so dass die [X.] im Zusammenwirken mit anderen Umständen-- als verbindli[X.]h angesehen werden könne, vermag der Senat ni[X.]ht zu folgen. Vielmehr kann das S[X.]hreiben vom 2. Januar 1997 na[X.]h seinem objektiven Erklärungswert (§ 133 des Bürgerli[X.]hen Gesetzbu[X.]hs) aus [X.] eindeutig nur als unverbindli[X.]he Auskunft verstanden werden.

Für dieses Verständnis ist ohne Belang, ob die Voraussetzungen zur Erteilung einer verbindli[X.]hen Zusage na[X.]h Maßgabe des [X.]-S[X.]hreibens vom 24. Juni 1987 (BStBl I 1987, 474) vorlagen oder lei[X.]ht hätten ges[X.]haffen werden können oder ob --wie das [X.] meint-- das [X.] zu einer dahingehenden Beratung gemäß § 89 der Abgabenordnung verpfli[X.]htet war.

Unerhebli[X.]h für die Würdigung des S[X.]hreibens vom 2. Januar 1997 als unverbindli[X.]he Auskunft sind ferner --entgegen der Auffassung der [X.] die Begleitumstände (alleinige Initiative der Klägerin, erkennbare Dringli[X.]hkeit einer verlässli[X.]hen Äußerung, fortwährendes Angewiesensein der Klägerin auf die Ri[X.]htigkeit der erteilten Auskunft für eine zutreffende Re[X.]hnungserteilung).

4. Das [X.] hat dur[X.]h sein Verhalten ni[X.]ht außerhalb einer verbindli[X.]hen Zusage einen Vertrauenstatbestand ges[X.]haffen, und zwar --entgegen der Auffassung des [X.]-- au[X.]h ni[X.]ht im Zusammenwirken der vers[X.]hiedenen vom [X.] dafür genannten Umstände.

a) Ein Vertrauenstatbestand besteht in einem bestimmten Verhalten des einen Teils, aufgrund dessen der andere bei objektiver Beurteilung annehmen konnte, jener werde an seiner Position oder seinem Verhalten konsequent und auf Dauer festhalten (vgl. [X.]-Urteile vom 26. April 1995 [X.], [X.], 4, [X.] 1995, 754, unter [X.]; vom 15. Dezember 1999 [X.], [X.] 2000, 708, unter [X.]).

b) Die Klägerin konnte ni[X.]ht davon ausgehen, das [X.] werde an seiner im S[X.]hreiben vom 2. Januar 1997 vertretenen Re[X.]htsauffassung auf Dauer festhalten. Denn die Auskunft, dass na[X.]h Aktenlage die [X.] für die Guta[X.]htertätigkeit gemäß § 4 Nr. 14 UStG und Abs[X.]hn. 88 der [X.] ([X.]) gegeben sei, stand wegen der Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Glei[X.]hmäßigkeit der Besteuerung offensi[X.]htli[X.]h unter dem Vorbehalt, dass si[X.]h die Re[X.]htslage ni[X.]ht änderte - was hier aber der Fall war.

aa) Es entspri[X.]ht dem von der Re[X.]htspre[X.]hung entwi[X.]kelten Grundsatz der Abs[X.]hnittsbesteuerung, dass das [X.] in jedem Veranlagungszeitraum die eins[X.]hlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und re[X.]htli[X.]h zu würdigen hat. Eine als fals[X.]h erkannte Re[X.]htsauffassung muss es zum frühestmögli[X.]hen Zeitpunkt aufgeben; dies grundsätzli[X.]h au[X.]h dann, wenn der Steuerpfli[X.]htige auf diese Re[X.]htsauffassung vertraut haben sollte. Dies gilt au[X.]h dann, wenn die --fehlerhafte-- Auffassung im Prüfungsberi[X.]ht niedergelegt worden ist oder wenn die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine re[X.]htsirrige, für den Steuerpfli[X.]htigen günstige Auffassung vertreten hatte. Das [X.] ist an eine bei einer früheren Veranlagung zugrunde gelegten Re[X.]htsauffassung au[X.]h dann ni[X.]ht gebunden, wenn der Steuerpfli[X.]htige im Vertrauen darauf disponiert hat (vgl. [X.] vom 12. Juli 2006 [X.], [X.] 2006, 2028, m.w.N.).

bb) Hinsi[X.]htli[X.]h der [X.] ärztli[X.]her Guta[X.]hten na[X.]h § 4 Nr. 14 UStG ist na[X.]h dem 2. Januar 1997 eine Re[X.]htsänderung eingetreten.

(1) Wie in dem S[X.]hreiben des [X.] vom 2. Januar 1997 zutreffend ausgeführt wurde, stellte na[X.]h damaliger Re[X.]htsauffassung und [X.] die Erstellung von Guta[X.]hten für Geri[X.]hte bei Ärzten und Heilpraktikern eine "heilberufli[X.]he Tätigkeit" i.S. des Abs[X.]hn. 88 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 der seinerzeit geltenden [X.] 1996 dar.

Na[X.]h Abs[X.]hn. 88 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 [X.] fiel unter die Tätigkeit als Arzt i.S. des § 4 Nr. 14 UStG "die Erstellung eines ärztli[X.]hen Guta[X.]htens - au[X.]h ledigli[X.]h auf der Grundlage der Akten - über den Gesundheitszustand eines Mens[X.]hen oder über den Kausalzusammenhang zwis[X.]hen einem re[X.]htserhebli[X.]hen Tatbestand und einer Gesundheitsstörung oder zwis[X.]hen einer früheren Erkrankung und dem jetzigen körperli[X.]hen oder seelis[X.]hen Zustand sowie über die Tatsa[X.]he oder Ursa[X.]he des Todes".

(2) [X.] hat aber der [X.] --wie bereits [X.] in seinem Urteil --D-- in [X.]. 2000, [X.], [X.] Beilage 2001, 31, [X.], 918 ents[X.]hieden, der Begriff der "Heilbehandlungen im Berei[X.]h der Humanmedizin" in Art. 13 Teil A Abs. 1 Bu[X.]hst. [X.] der [X.]/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Re[X.]htsvors[X.]hriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern könne ni[X.]ht so ausgelegt werden, dass er medizinis[X.]he Eingriffe umfasse, die zu einem anderen Zwe[X.]k als dem der Diagnose, der Behandlung und, soweit mögli[X.]h, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dur[X.]hgeführt würden (Rz 18); gemäß dem Grundsatz, dass sämtli[X.]he Bestimmungen zur Einführung einer Umsatzsteuerbefreiung eng auszulegen seien, müssten die Leistungen, die keinem sol[X.]hen therapeutis[X.]hen Ziel dienen, vom Anwendungsberei[X.]h dieser Bestimmung ausges[X.]hlossen werden (Rz 19).

(3) Daraufhin hat das [X.] mit S[X.]hreiben in [X.], 157 unter Hinweis auf dieses [X.]-Urteil u.a. ausgeführt, abwei[X.]hend von Abs[X.]hn. 88 Abs. 3 Nrn. 1, 2 und 4 [X.] sei die Erstellung eines ärztli[X.]hen Guta[X.]htens nur dann na[X.]h § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei, wenn ein therapeutis[X.]hes Ziel im Vordergrund stehe. In der na[X.]hfolgenden beispielhaften Aufzählung der ni[X.]ht (mehr) unter die Steuerbefreiung na[X.]h § 4 Nr. 14 UStG fallenden Guta[X.]hten sind sämtli[X.]he Guta[X.]hten genannt, die von der Finanzverwaltung in Abs[X.]hn. 88 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 [X.] 1996 (bislang) als steuerfrei angesehen wurden.

Mit weiterem S[X.]hreiben in [X.], 826 hat das [X.] u.a. ergänzt, dass au[X.]h Guta[X.]hten über den Kausalzusammenhang zwis[X.]hen einem re[X.]htserhebli[X.]hen Tatbestand und einer Gesundheitsstörung abwei[X.]hend von Abs[X.]hn. 88 Abs. 3 Nr. 1 [X.] grundsätzli[X.]h ni[X.]ht unter die Steuerbefreiung na[X.]h § 4 Nr. 14 UStG fallen.

Die Auffassung der Klägerin, bei der Verwaltung habe si[X.]h die veränderte [X.] erst mit der Neufassung der [X.] für 2005 "erkennbar und eindeutig dur[X.]hgesetzt", ist vor diesem Hintergrund ni[X.]ht haltbar.

[X.][X.]) Würde diese Re[X.]htsänderung ni[X.]ht auf die Umsatzbesteuerung der Klägerin angewendet, verstieße dies ni[X.]ht nur gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit, sondern au[X.]h gegen den Grundsatz der Glei[X.]hmäßigkeit der Besteuerung, weil die Bevorzugung eines Steuerpfli[X.]htigen entgegen den gesetzli[X.]hen Vors[X.]hriften für alle anderen Steuerpfli[X.]htigen, die dem Gesetz entspre[X.]hend behandelt werden, eine Bena[X.]hteiligung bedeutet (vgl. [X.]-Urteil vom 16. Juli 1964 V 92/61 S, [X.], 446, [X.]I 1964, 634).

[X.]) Entgegen der Auffassung des [X.] hat das [X.] die Klägerin ni[X.]ht dadur[X.]h in ihrem Vertrauen auf die Auskunft vom 2. Januar 1997 und die entspre[X.]henden Veranlagungen bestärkt und zu entspre[X.]henden weiteren Dispositionen veranlasst, dass der Veranlagungsbeamte des [X.] die Klägerin auf die in Frage stehende Umsatzsteuerpfli[X.]ht ihrer guta[X.]htli[X.]hen Tätigkeit ni[X.]ht hingewiesen hat.

Denn da die Klägerin von den (internen) Bedenken des [X.] hinsi[X.]htli[X.]h der [X.] ihrer Tätigkeit keine Kenntnis erhielt --worauf sie in anderem Zusammenhang selbst hinweist--, konnte dur[X.]h das Unterlassen eines Hinweises auf diese Bedenken ihr Vertrauen ni[X.]ht gestärkt werden.

Im Übrigen überspannt das [X.] insoweit na[X.]h Auffassung des Senats den Grundsatz von Treu und Glauben. Eine derartige Hinweis- und Beratungspfli[X.]ht eines [X.] vor Änderung seiner langjährigen Re[X.]htsauffassung ist der Re[X.]htspre[X.]hung des [X.] ni[X.]ht zu entnehmen. Vielmehr hat der [X.] au[X.]h dann, wenn eine --fehlerhafte-- Auffassung in einem Prüfungsberi[X.]ht niedergelegt worden war ([X.]-Urteil in [X.], 446, [X.]I 1964, 634) oder wenn die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine re[X.]htsirrige, für den Steuerpfli[X.]htigen günstige Auffassung vertreten hatte ([X.]-Urteil vom 22. Juni 1971 VIII 23/65, [X.]E 103, 77, [X.] 1971, 749), einen Hinweis des [X.] auf die von ihm später als fals[X.]h erkannte Re[X.]htsauffassung ni[X.]ht gefordert.

Zudem war die Umsatzsteuerpfli[X.]ht der Tätigkeit der Klägerin für den [X.] im [X.] ni[X.]ht offensi[X.]htli[X.]h. Sie konnte vielmehr erst na[X.]h Vorlage von (exemplaris[X.]hen) Guta[X.]hten oder na[X.]h näheren Angaben der Klägerin zum Gegenstand und Ziel der Guta[X.]hten --die sie im Rahmen der [X.] gema[X.]ht [X.] beurteilt werden.

5. S[X.]hließli[X.]h ist entgegen der Auffassung der Klägerin bei der Gewi[X.]htung der beiderseitigen Pfli[X.]hten unerhebli[X.]h, dass hier ein Umsatzsteuer-Re[X.]htsverhältnis zu beurteilen ist, bei dem die Klägerin ihrer Meinung na[X.]h mit Rü[X.]ksi[X.]ht auf ihre Indienstnahme im öffentli[X.]hen Interesse in besonderem Maße s[X.]hutzwürdig (gewesen) sei.

Denn auf diesen Umstand kommt es bei der hier maßgebli[X.]hen Frage, ob die Klägerin bei objektiver Beurteilung annehmen konnte, das [X.] werde an seiner in seinem S[X.]hreiben vom 2. Januar 1997 vertretenen Position oder an seinem späteren Verhalten der Ni[X.]htbesteuerung konsequent und auf Dauer festhalten, ni[X.]ht an.

Dementspre[X.]hend hat der [X.] au[X.]h bisher in ähnli[X.]hen Fällen bei der Prüfung, ob eine Billigkeitsmaßnahme aus Gründen des Vertrauenss[X.]hutzes in Betra[X.]ht kommt, unberü[X.]ksi[X.]htigt gelassen, dass es um ein Umsatzsteuer-Re[X.]htsverhältnis ging (vgl. zur Umsatzsteuerpfli[X.]ht von S[X.]hönheitsoperationen: [X.] vom 26. September 2007 [X.], [X.]E 219, 245, [X.] 2008, 405; [X.]-Urteil vom 7. Oktober 2010 [X.], juris, unter II.4.).

6. Da mithin das [X.] im Streitfall keinen Vertrauenstatbestand ges[X.]haffen hat, brau[X.]ht der Senat der --vom [X.] unerörtert gelassenen-- Frage ni[X.]ht weiter na[X.]hzugehen, ob die Klägerin bereits 2001 (na[X.]h der Ents[X.]heidung des [X.] --D-- in [X.]. 2000, [X.], [X.] Beilage 2001, 31, [X.], 918, und den [X.]-S[X.]hreiben in [X.], 157 und 826) von der Problematik der [X.] ärztli[X.]her Guta[X.]hten Kenntnis erlangt hat oder zumindest hätte erlangen können.

Hierzu hat das [X.] im Revisionsverfahren unwiderspro[X.]hen vorgetragen, dass die Klägerin zumindest seit dem [X.] steuerli[X.]h beraten gewesen sei und dass das Thema der Umsatzbesteuerung im Jahr 2001 in [X.] lebhaft diskutiert worden sei (vgl. dazu au[X.]h Reuß, E[X.] 2009, 633, 635). Das [X.] hat ferner in der mündli[X.]hen Verhandlung vor dem Senat in Anwesenheit der Klägerin unwiderspro[X.]hen darauf hingewiesen, die Klägerin habe in ihrem S[X.]hreiben an die Betriebsprüferin vom 19. Juni 2006 u.a. ausgeführt, dass ihr und ihrem Steuerberater die Inhalte der [X.]-S[X.]hreiben bekannt gewesen seien - was na[X.]h Aktenlage zutrifft.

Na[X.]h der Re[X.]htspre[X.]hung des [X.] kann aber ein s[X.]hutzwürdiges na[X.]hhaltiges Vertrauen in den Fortbestand einer früheren --na[X.]h neuerer Re[X.]htspre[X.]hung ni[X.]ht mehr haltbaren-- Re[X.]htsauffassung nur dann und solange gegeben sein, bis der Steuerpfli[X.]htige mit einer Änderung re[X.]hnen musste oder ihm zumindest Zweifel hätten kommen müssen (vgl. [X.] in [X.]E 219, 245, [X.] 2008, 405, unter [X.] und [X.]; siehe au[X.]h [X.]-Urteil vom 17. September 2008 [X.], [X.] 2009, 144, unter II.4.).

Meta

XI R 30/09

30.03.2011

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 29. Januar 2009, Az: 6 K 2756/07, Urteil

§ 4 Nr 14 UStG 1999, Art 13 Teil A Abs 1 Buchst c EWGRL 388/77, § 89 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.03.2011, Az. XI R 30/09 (REWIS RS 2011, 8103)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8103

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14 K 69/19

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