Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2012, Az. VII ZB 42/11

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1105

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 42/11

vom

22. November 2012

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 563 Abs. 2, § 577 Abs. 4 Satz 4
Ein Beschwerdegericht, das eine Sache an die erste Instanz zurückverwiesen hat, ist, wenn es erneut damit befasst wird, nicht mehr an seine entscheidungserhebli-che Rechtsansicht gebunden, wenn zwischenzeitlich erstmalig eine davon abwei-chende höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist.

[X.], Beschluss vom 22. November 2012 -
VII ZB 42/11 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am
22.
November
2012
durch den
Vorsitzenden
Richter Prof.
Dr.
Kniffka
und [X.]
[X.],
[X.], Prof. Leupertz
und Kosziol
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der
[X.] gegen den Beschluss des 11.
Zivilsenats des [X.] vom 15.
Juni
2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens
zu tragen.
Wert des [X.]: 327.080,52

Gründe:
I.
Die [X.]en streiten im Kostenfestsetzungsverfahren darüber, ob die Beklagte die nach [X.] Recht berechneten Gebühren
ihrer Verkehrs-anwälte erstattet verlangen
kann.
Im zugrundeliegenden Rechtsstreit hatte der Kläger als Verwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der [X.] vor dem [X.] gegen die beklagte [X.] Aktiengesellschaft Ansprüche aus einem Projektma-nagement-
und Generalplanungsvertrag zwischen der Gemeinschuldnerin und der [X.] auf Zahlung von ca. 6,12
Mio.
DM erhoben. Die Klage wurde 1
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nach Beweisaufnahme durch Endurteil vom 6.
April 2001 als unzulässig abge-wiesen, weil die [X.] im Vertrag die Beklagte nicht binde und sonst kein Gerichtsstand im Inland begründet sei. Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem Kläger auferlegt.
Mit ihren Kostenfestsetzungsanträgen hat
die Beklagte unter anderem die Festsetzung der Kosten für ihren [X.]n Verkehrsanwalt
(8.239.346,20
CZK = ca. 326.200

)
und Reisekosten für den [X.]n Rechtsanwalt Dr. S., der einen Gerichtstermin in [X.] wahrgenommen habe
(654.080
CZK = ca. 26.000

), unter Bezugnahme auf [X.]s Ge-bührenrecht
begehrt, dessen Gebührensätze
über denjenigen
der damals maß-geblichen Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung liegen.
Mit Beschluss vom 27.
Dezember 2001 hat das [X.] die vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten weitgehend antragsgemäß fest-gesetzt. Auf die sofortige Beschwerde des [X.] hat das [X.] mit Beschluss vom 20.
März 2002 den Kostenfestsetzungsbeschluss des Land-gerichts unter anderem hinsichtlich der festgesetzten Kosten für den [X.] Verkehrsanwalt und der Reisekosten des [X.]n Rechtsanwaltes
Dr. S.
aufgehoben und die Sache an das [X.] zurückverwiesen.
Das [X.] hat in diesem Beschluss die Ansicht vertreten, dass die [X.] grundsätzlich nach Maßgabe des [X.] Gebührenrechts erstattungsfähig seien, die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen dafür jedoch nicht hinreichend geprüft seien. Die Reisekosten des [X.]n Rechtsanwalts
Dr. S.
seien (lediglich) als [X.]kosten er-stattungsfähig, da die [X.] auch eine sachinformierte Person ihres Vertrauens zum Gerichtstermin schicken könne.
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Das [X.] hat darauf ein Gutachten zum [X.]n Gebühren-recht eingeholt und mit Beschluss vom 27.
Mai 2008 die Kosten des [X.] Verkehrsanwalts wegen der Bindungswirkung des Beschlusses des [X.]s nach [X.] Recht auf 949.671,37
CZK (entspricht zum [X.] 37.591,91

)
nebst Zinsen und die Reisekosten für Rechtsanwalt Dr. S. unter Anwendung des Zeugen-
und Sachverständigenent-schädigungsgesetzes
auf 1.271,44

tgesetzt.
Gegen diesen Beschluss haben beide [X.]en sofortige Beschwerde eingelegt.
Auf die sofortige Beschwerde des [X.] hat das Beschwerdegericht
die Gebühren für den [X.]n Verkehrsanwalt nach den Sätzen der Bun-desrechtsanwaltsgebührenordnung
berechnet und auf 11.158,95

s-lagen in Höhe von 4.387,82

festgesetzt und im Übrigen die sofortigen [X.] zurückgewiesen.
Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde er-strebt die Beklagte die Festsetzung der Kosten in der von ihr
geltend gemach-ten Höhe
nach [X.] Gebührenrecht
und weiterhin
eine
Bankbearbei-tungsgebühr für die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung vorläufig geleiste-te Zahlung des [X.].

II.
Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 ZPO statthafte und im Übrigen zu-lässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
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1. Das Beschwerdegericht ist der Ansicht, die Kosten des [X.]n Verkehrsanwaltes seien unter Beachtung der neueren Rechtsprechung des [X.]
lediglich in Höhe der Gebühren eines [X.] Rechts-anwaltes erstattungsfähig.
An dieser Entscheidung sei es nicht durch die Bindungswirkung seiner Entscheidung vom 20.
März 2002 und die darin geäußerte Rechtsansicht
zur Anwendbarkeit [X.]n Gebührenrechts gehindert. Zwar bestehe grund-sätzlich auch im Beschwerdeverfahren eine (Selbst-) Bindungswirkung entspre-chend §
563 Abs.
2 ZPO.
Von der Bindungswirkung im Revisionsverfahren
sei-en
in der Rechtsprechung jedoch Ausnahmen anerkannt wie eine Änderung des zugrunde liegenden Sachverhalts, eine anderweitige Entscheidung des [X.] oder des Gerichtshofs der [X.]
oder
eine Änderung
der Rechtsprechung des [X.] selbst. Das gel-te auch für die grundsätzliche Bindung des Berufungsgerichts an eine Ent-scheidung des [X.]. Eine Bindungswirkung entfalle auch, wenn die Rechtsfrage, die Anlass zur Aufhebung und Zurückverweisung gegeben habe, vor der zweiten Entscheidung des [X.] höchstrichterlich geklärt worden sei.
Die Erstattung der Bankbearbeitungsgebühren für die Zahlung des [X.] vom 16.
Januar 2002 könne die Beklagte nicht verlangen, da es sich [X.] nicht um Kosten des Rechtsstreits handele.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Beschwerdegericht hat zu Recht die Erstattungsfähigkeit der Ge-bühren für den [X.]n Verkehrsanwalt nach §
91 ZPO und deren Höhe nach den Sätzen der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung
beurteilt.
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Der [X.] hat bereits mehrfach entschieden, dass sich so-wohl die Frage der generellen Erstattungsfähigkeit der Kosten eines ausländi-schen Rechtsanwaltes als auch die Höhe dieser Kosten nach [X.] Recht richtet (Beschlüsse vom 28.
September 2011 -
I [X.], [X.], 938; vom 14.
Juni
2005 -
VI
ZB
5/05, NJW-RR 2005, 1375; vom 8.
März
2005 -
VIII
ZB
55/04, NJW 2005, 1373; jeweils m.w.N.). Dem schließt sich der erken-nende Senat an und verweist zur Begründung auf die genannten Entscheidun-gen. Die Rechtsbeschwerde bringt keine neuen Argumente gegen diese Recht-sprechung vor.
b) Der Senat ist an dieser Entscheidung nicht dadurch gehindert, dass das Beschwerdegericht in seiner ersten Entscheidung eine gegenteilige Rechtsauffassung vertreten hat. Etwas anderes könnte gelten, wenn das Be-schwerdegericht bei seiner zweiten Entscheidung an diese Rechtsauffassung gebunden gewesen wäre. Das ist jedoch nicht der Fall.
aa) Grundsätzlich gilt auch im sofortigen Beschwerdeverfahren die Bin-dungswirkung des §
563 Abs.
2 ZPO entsprechend (§
577 Abs.
4 Satz
4 ZPO). Hebt das Beschwerdegericht einen mit der sofortigen Beschwerde angefochte-nen Beschluss auf und verweist es die Sache zur erneuten Entscheidung an das Ausgangsgericht zurück, ist dieses an die vom Beschwerdegericht vertre-tene Rechtsansicht, welche der Aufhebung zugrunde lag, gebunden (§
563 Abs.
2, §
577 Abs.
4 Satz
4 ZPO analog). Entscheidet das Ausgangsgericht entsprechend, ist seine Entscheidung rechtmäßig. Das Beschwerdegericht kann seiner zweiten Entscheidung deshalb nicht eine andere Rechtsauffassung zugrunde legen als die, auf der sein zurückverweisender Beschluss beruhte.
[X.]) Von der Bindungswirkung sind jedoch im [X.] Ausnahmen allgemein anerkannt: die Änderung des zugrundeliegenden 16
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Sachverhalts, eine zwischenzeitlich veröffentlichte,
abweichende Entschei-
dung des [X.] oder des Gerichtshofs der [X.] oder die Aufgabe anderslautender Rechtsprechung durch das Revisions-gericht oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB 1/72 vom 6.
Februar 1973, [X.]Z 60, 392, 395 f.; [X.], Urteil vom 18.
Januar
1996 -
IX ZR 69/95, NJW 1996, 924, 925; [X.],
Urteil vom 21.
November
2006 -
XI ZR 347/05, NJW 2007, 1127 Rn. 20; [X.],
155; [X.]/[X.], 3.
Aufl., §
563 Rn.
12-14; HK-ZPO/[X.], 4.
Aufl., §
563 Rn.
10, 11; PG/[X.], ZPO, 4.
Aufl., §
563 Rn.
8, 9; jeweils m.w.N.).
Das Revisionsgericht kann nicht mehr an die der Zurückverweisung zu-grunde liegende Rechtsauffassung gebunden sein, wenn es inzwischen selbst seine Rechtsauffassung geändert hat. Es ist zu berücksichtigen, dass bei der Bedeutung höchstrichterlicher Rechtsprechung für die Auslegung und Anwen-dung von Gesetzen in den Augen der Rechtsuchenden eine neue Rechtspre-chung des [X.] gegenüber seiner inzwischen aufgegebenen Rechtsprechung die höhere Autorität genießt und daher nunmehr als zutreffen-de Auslegung des Rechts angesehen wird. Der durch diese Vorschriften ange-ordneten Institutionalisierung der Autorität höchstrichterlicher Rechtsprechung würde es geradezu widersprechen, wenn die Bindung an eine inzwischen auf-gegebene höchstrichterliche Rechtsprechung weiter bestehen würde. Die Rechtsfortbildung muss zudem gegenüber der Bindung an die alte, inzwischen aufgegebene Rechtsauffassung das größere Gewicht haben. Infolgedessen muss der prozessuale Grundsatz der Bindung und der Selbstbindung zurücktre-ten hinter dem, was die Rechtsprechung nunmehr sachlich als rechtens erkannt hat. Denn es erscheint nicht vertretbar, das Urteil auf eine Rechtsauffassung zu stützen, die mit einer neuen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in [X.]
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klang steht (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Be-schluss vom 6.
Februar 1973 -
GmS-OGB 1/72, [X.]Z 60, 392, 395
f.).
cc) Diese Grundsätze finden auch dann Anwendung, wenn ein Be-schwerdegericht nach Aufhebung und Zurückverweisung an das [X.] erneut mit der Sache befasst wird
(vgl. dazu [X.], 118; [X.]/[X.], aaO Rn.
12; HK-ZPO/[X.], 4.
Aufl., §
563 Rn.
10).
[X.]) In gleicher Weise entfällt die Bindungswirkung, wenn es nicht zu [X.] Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung gekommen ist, sondern
zwischenzeitlich -
wie hier durch den Beschluss des [X.] vom 8.
März 2005 ([X.], NJW 2005, 1373) -
erstmalig eine von der
Rechts-auffassung des [X.] abweichende höchstrichterliche Entschei-dung ergangen ist. Auch in diesem Fall hat die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und die Autorität der höchstrichterlichen Rechtsprechung [X.] vor dem formalen Gesichtspunkt der Selbstbindung.
c) Die Angriffe der Rechtsbeschwerde gegen die Nichtberücksichtigung der
im Zusammenhang mit der Zahlung des [X.] angefallenen Bearbei-tungsgebühren der [X.]n Bank, die der [X.] in Rechnung gestellt wurden, haben einerseits keinen Erfolg, da die Rechtsbeschwerde, wie sich aus der Begründung des [X.] ergibt,
insoweit nicht zugelassen ist.

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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO.

Kniffka
[X.]
[X.]

Leupertz

Kosziol

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.05.2008 -
O 4/98 KfH IV -

O[X.], Entscheidung vom 15.06.2011 -
11 [X.]/08 -

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Meta

VII ZB 42/11

22.11.2012

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2012, Az. VII ZB 42/11 (REWIS RS 2012, 1105)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1105

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZB 42/11

I ZB 97/09

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