Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.06.2020, Az. KVZ 44/19

Kartellsenat | REWIS RS 2020, 1816

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Gegenstand

Kartellverwaltungssache: Wettbewerbsverdrängende Wirkung von vertraglichen Ausschließlichkeitsbindungen eines marktbeherrschenden Unternehmens im Bereich des Ticketvertriebs


Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des 1. Kartellsenats des [X.] vom 3. April 2019 wird auf Kosten der Betroffenen zurückgewiesen, die auch die notwendigen Auslagen des [X.] trägt.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 2.000.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Betroffene bietet Veranstaltern von Konzerten, Festivals und anderen Live-Veranstaltungen den Ticketvertrieb über die Datenbank [X.] an, die Zugang zu 1.500 bis 2.000 stationären Vorverkaufsstellen, Online-Shops wie insbesondere [X.].de sowie Callcentern und vertragsgebundenen Reisebüros gewährt.

2

Die Betroffene hat zahlreiche Verträge abgeschlossen, in denen sich Veranstalter in verschiedener Weise, mit unterschiedlichen Laufzeiten und oft für Gegenleistungen verpflichtet haben, für den Ticketabsatz ausschließlich oder zu einem erheblichen Teil [X.] zu nutzen.

3

Wegen dieser Exklusivitätsbindungen hat das [X.] ein Verfahren wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gegen die Betroffene eingeleitet. Es hat mit Beschluss vom 4. Dezember 2017 festgestellt, dass 60 näher bezeichnete Vereinbarungen der Betroffenen mit Veranstaltern, die eine Laufzeit von mindestens zwei Jahren haben, rechtswidrig sind, und die Betroffene einschließlich der mit ihr verbundenen Unternehmen verpflichtet, die Durchführung dieser Vereinbarungen bis spätestens 31. März 2018 abzustellen. Außerdem wurde die Betroffene verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2021 Vereinbarungen mit einer Laufzeit von mehr als zwei Jahren nur abzuschließen, wenn die Veranstalter mindestens 20 % ihres für [X.] verfügbaren jährlichen Ticketvolumens selbst oder in anderer Weise außerhalb des Ticketsystems [X.] absetzen können.

4

Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen.

5

II. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

6

1. Der Beschluss des [X.] steht nicht in Divergenz zum Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 6. September 2017 - [X.]/14 P, [X.], 494 = [X.] 2017, 525 - [X.]). Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dieses Urteil stehe seiner Annahme nicht entgegen, der "As-Efficient-Competitor-Test" ([X.]) sei ungeeignet, eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung der vorliegenden [X.] in Zweifel zu ziehen. Soweit der Gerichtshof in "[X.]" Prüfpflichten der [X.] und die dabei mögliche Bedeutung des [X.]s erörtert, beziehen sich diese Überlegungen ausschließlich auf [X.] und nicht auf vertragliche [X.] (vgl. [X.], [X.], 494 Rn. 139 bis 143 - [X.]). Ihnen kann nicht entnommen werden, dass einer Verdrängungswirkung von [X.] durch einen [X.] entgegengetreten werden kann.

7

2. Insoweit bedarf es der Zulassung der Rechtsbeschwerde auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage. Es ist nicht klärungsbedürftig, dass der [X.] ungeeignet ist, um eine Verdrängungswirkung von [X.] marktbeherrschender Unternehmen zu widerlegen; dabei kommt es nicht darauf an, ob die den Abnehmern berechneten Preise rabattiert sind oder nicht.

8

a) Entgegen der Ansicht des [X.] ist dem [X.]-Urteil des [X.] nicht zu entnehmen, dass vertragliche Exklusivitätsklauseln der vorliegenden Art nur dann ein missbräuchliches Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens darstellen können, wenn ihre konkrete Eignung nachgewiesen wird, den Wettbewerb zu beschränken und mindestens ebenso leistungsfähige Wettbewerber zu verdrängen. Denn anders als bei einem Rabatt folgt die Verdrängungswirkung bei einer Ausschließlichkeitsbindung bereits aus Bindungsgrad (Gesamt- oder Teilbedarf) und Laufzeit der vertraglichen Verpflichtung selbst sowie der [X.] des bindenden Unternehmens gegebenenfalls im Zusammenhang mit der Verbreitung solcher oder auch vergleichbarer Vereinbarungen auf dem Markt. Die Abschottungswirkung solcher Bindungen entsteht unabhängig von der Höhe der vom marktbeherrschenden Unternehmen berechneten Preise und der darauf gegebenenfalls gewährten [X.]. Daraus folgt, wie das [X.] zu Recht geltend macht, eine gegenüber (ohne Abnahmebindung gewährten) [X.]n deutlich höhere Eingriffswirkung von [X.]. Die durch einen [X.] zu beantwortende Frage, ob ein gleich leistungsfähiger Wettbewerber bei Gewährung entsprechend rabattierter Preise vom Markt verdrängt oder jedenfalls seine Expansion verhindert würde, kann sich damit bei einer solchen Ausschließlichkeitsbindung von vornherein nicht stellen.

9

b) Die Verdrängungswirkung von [X.] eines marktbeherrschenden Unternehmens besteht während der Laufzeit dieser Vereinbarung, während der dem Abnehmer keine oder nahezu keine Wahlmöglichkeit für eine andere Bezugsquelle verbleibt. Bei Vereinbarungen mit Veranstaltern der hier in Rede stehenden Art ist die vom [X.] allein beanstandete Laufzeit von mehr als zwei Jahren wettbewerbsbeschränkend. Insoweit ist unerheblich, dass die Veranstalter am Ende der Laufzeit oder aufgrund einer Kündigungsmöglichkeit nach einer bestimmten, jedoch nicht unerheblichen Bindungsdauer erneut Wahlmöglichkeiten haben.

c) Danach ist insoweit auch keine Vorlage an den Gerichtshof der [X.] geboten.

3. Die Sache wirft auch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zur Beweislast für die wettbewerbsbeschränkende Wirkung von [X.] auf. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Beweislast für Verstöße gegen das Kartellrecht die Partei oder Behörde trifft, die den Vorwurf kartellrechtswidrigen Verhaltens erhebt (vgl. Art. 2 Satz 1 VO 1/2003). Das Beschwerdegericht hat zudem keine Beweislastentscheidung getroffen, sondern die wettbewerbsbeschränkende Verdrängungswirkung der beanstandeten [X.] aufgrund einer umfassenden Würdigung festgestellt.

4. Trägt die Rechtsbeschwerde damit keine durchgreifenden Zulassungsgründe gegen die Anwendung von Art. 102 AEUV vor, die schon allein die Entscheidung des [X.] trägt, kommt es nicht mehr auf die geltend gemachten Zulassungsgründe zu der auf Art. 101 Abs. 1 AEUV gestützten Hilfsbegründung des [X.] an.

Im Übrigen liegt auch insoweit kein Zulassungsgrund vor. Die Prüfungsmaßstäbe des [X.] stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 10. Februar 2009 - KVR 67/07, [X.], 323 Rn. 35 - [X.]). Für die zur Annahme einer Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV maßgebliche Frage, ob ein Markt schwer zugänglich ist, kommt es auf eine Gesamtschau aller im Einzelfall relevanten Umstände an, die jedoch nicht zwingend eine Prüfung aller auf dem relevanten Markt bestehenden gleichartigen Vereinbarungen voraussetzt. Vielmehr kann sich die marktabschottende Wirkung von Alleinbezugsbindungen schon ergeben, wenn sie von nur einem marktbeherrschenden Unternehmen mit seinen Abnehmern vereinbart werden. Ebenso steht außer Zweifel, dass ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV auch mit der [X.] begründet werden kann, die durch ein Bündel von Exklusivvereinbarungen eines marktbeherrschenden Unternehmens herbeigeführt wird.

III. [X.] beruht auf § 78 GWB.

Meier-Beck     

        

Kirchhoff     

        

Tolkmitt

        

Picker     

        

Linder     

        

Meta

KVZ 44/19

03.06.2020

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 3. April 2019, Az: VI-Kart 2/18 (V), Beschluss

Art 101 Abs 1 AEUV, Art 102 AEUV, § 32 GWB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.06.2020, Az. KVZ 44/19 (REWIS RS 2020, 1816)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1816

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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