Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17.11.2016, Az. 3 C 20/15

3. Senat | REWIS RS 2016, 2240

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Gegenstand

Hinweispflichten bei der Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens


Leitsatz

1. Bei der Mitteilungspflicht der Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV (juris: FeV 2010) handelt es sich nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift, deren Verletzung ohne Rechtsfolgen bleibt.

2. Der Umstand, dass die Tilgungs- und Verwertungsfristen von Verkehrsverstößen noch nicht abgelaufen sind, macht insbesondere bei zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beibringensaufforderung bereits längere Zeit zurückliegenden Verstößen einzelfallbezogene Ermessenserwägungen im Rahmen der nach § 11 Abs. 2 und 3 FeV zu treffenden Ermessensentscheidung nicht entbehrlich.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Fahrerlaubnis der [X.]

2

Der 1982 geborene Kläger beging im Zeitraum von November 1998 bis Oktober 2005 wiederholt Verkehrsverstöße. Mit Urteil vom 8. Juli 1999 erteilte ihm das Amtsgericht M. eine jugendgerichtliche Verwarnung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (Blutalkoholkonzentration - [X.] - von 1,15 Promille) in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Tattag: 18. November 1998). Am 23. Januar 2003 verurteilte ihn das Amtsgericht M. (Jugendgericht) wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen (Tattage: 20. und 21. März 2002 sowie 14. Oktober 2002), in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung und fahrlässiger Körperverletzung, zu einem Dauerarrest von zwei Wochen, setzte die Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe auf zwei Jahre zur Bewährung aus und ordnete eine zweijährige Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis an. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts M. vom 10. März 2005 wurde der Kläger wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Tattag: 22. Januar 2005) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt. Am 3. Juli 2006 erfolgte eine weitere Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Tattag: 5. Oktober 2005).

3

Am 18. Oktober 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erteilung einer Fahrerlaubnis der [X.] Sie forderte ihn daraufhin mit Schreiben vom 30. November 2011 gestützt auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) auf, bis zum 1. März 2012 das Gutachten einer amtlich anerkannten medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle zu der Fragestellung beizubringen, ob zu erwarten sei, dass er auch zukünftig erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde. Bei einer Weigerung dürfe gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf seine Nichteignung geschlossen werden. Zur Begründung verwies sie darauf, dass er in mehreren Fällen ohne Fahrerlaubnis ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt habe, und listete die oben genannten Verkehrsverstöße unter Angabe des Datums auf. Daher müsse von ihm die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gefordert werden. Die nach § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV erforderliche Mitteilung, dass der Kläger die an den Gutachter zu übersendenden Unterlagen einsehen könne, enthielt das Schreiben nicht. Der Kläger weigerte sich, ein solches Gutachten beizubringen, und verwies darauf, dass die ihm vorgehaltenen Verkehrsverstöße bereits mehr als sieben Jahre zurücklägen. Die Anordnung eines Gutachtens sei daher nicht angemessen.

4

Mit Bescheid vom 21. März 2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Fahrerlaubniserteilung ab. Wegen wiederholter Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften bestünden Zweifel an der Fahreignung des [X.]. Deshalb sei es gemäß § 11 Abs. 3 FeV erforderlich gewesen, ihm die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens aufzugeben. Dieses Gutachten habe der Kläger nicht vorgelegt. Da die [X.] nicht ausgeräumt worden seien, habe die Fahrerlaubnis nicht erteilt werden dürfen.

5

Den Widerspruch des [X.] wies das [X.] zurück. Weil sich der Kläger geweigert habe, das geforderte medizinisch-psychologische Gutachten beizubringen, sei nach § 11 Abs. 8 FeV von seiner Nichteignung auszugehen. Die Beibringensanordnung genüge den formellen und materiell-rechtlichen Anforderungen. Sie enthalte die konkreten Gründe für die Eignungszweifel. Die Voraussetzung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV, wonach bei einem erheblichen Verstoß oder wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften die Beibringung eines Gutachtens angeordnet werden könne, sei erfüllt. Die Fahrerlaubnisbehörde habe das ihr eingeräumte Ermessen erkannt. Angesichts der noch nicht abgelaufenen Tilgungsfristen nach § 29 des Straßenverkehrs-Gesetzes (StVG) könne sich der Kläger nicht darauf berufen, dass seine Verkehrsverstöße bereits mehrere Jahre zurücklägen.

6

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat die Beklagte mit Schreiben an den Prozessbevollmächtigten des [X.] vom 18. September 2013 den Hinweis auf die [X.] in die an den Gutachter zu übersendenden Unterlagen nachträglich erteilt.

7

Das Verwaltungsgericht hat die angegriffenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über den Antrag des [X.] auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der [X.] unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Zur Begründung heißt es: Die Ablehnung des Antrags könne nicht auf § 11 Abs. 8 FeV gestützt werden; das setze eine vollständig rechtmäßige [X.] voraus. Die Anordnung der Beklagten vom 30. November 2011 enthalte jedoch nicht die Mitteilung nach § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV, dass der Betroffene die an den Gutachter zu übersendenden Unterlagen einsehen könne. Bei dieser Regelung handele es sich nicht um eine bloße [X.]. Nur bei genauer Kenntnis der Fragestellung und des Inhalts dieser Unterlagen könne sich der Betroffene darüber schlüssig werden, ob er sich der Begutachtung aussetzen wolle. Für eine analoge Anwendung von § 45 Abs. 1 Nr. 3 [X.] sei wegen fehlender Vergleichbarkeit kein Raum. Andererseits bestünden Zweifel an der Fahreignung des [X.], die die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertigten. Daher habe der Kläger nur einen Anspruch darauf, dass die Fahrerlaubnisbehörde nach ordnungsgemäßer Durchführung des Verfahrens nach § 11 FeV erneut über seinen Antrag entscheide.

8

Dieses Urteil hat der Verwaltungsgerichtshof auf die Berufung der Beklagten geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt: Die Aufforderung an den Kläger, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, genüge nicht den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV, da der Hinweis auf die Möglichkeit fehle, Einsicht in die an den Gutachter zu übersendenden Unterlagen zu nehmen. Bei § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV handle es sich nicht, wie Teile der Rechtsprechung annähmen, um eine bloße [X.], deren Verletzung in jedem Fall ohne Bedeutung sei. Gegen diese Auffassung sprächen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte sowie die systematische und teleologische Auslegung der Vorschrift. Doch begründe ein Verstoß gegen diese Mitteilungspflicht auch keinen absoluten Verfahrensfehler, der ausnahmslos und ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zur Rechtswidrigkeit der anschließenden fahrerlaubnisrechtlichen Maßnahme führe. Entscheidend sei im Hinblick auf die Schutzfunktion der Regelung, ob sich der Verstoß gegen § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV im konkreten Einzelfall auf die Willensentschließungsfreiheit des Betroffenen ausgewirkt haben könne. Insoweit sei das [X.]kriterium des § 46 [X.] zu modifizieren. Damit werde zugleich verhindert, dass der in § 11 Abs. 8 FeV normierte Schluss auf die mangelnde Fahreignung auch in Fällen verwehrt sei, in denen die Verletzung der Hinweispflicht für die Willensentschließungsfreiheit des Betroffenen ohne Belang gewesen sei. Im vorliegenden Fall könne sich das Unterlassen des Hinweises nicht auf die Entschließungsfreiheit des [X.] ausgewirkt haben. Die an den Gutachter zu übersendenden Unterlagen hätten aus Kopien der Entscheidungen des Amtsgerichts M. bestanden, mit denen die Verkehrsverstöße des [X.] geahndet worden seien, sowie aus Auszügen aus den [X.]. Diese Verkehrsverstöße würden in der Beibringensanordnung mit dem Datum des [X.] aufgeführt. Es könne davon ausgegangen werden, dass dem Kläger der Inhalt der gegen ihn ergangenen Verurteilungen bekannt sei. Das zeige auch die Reaktion seines Prozessbevollmächtigten auf die Beibringungsaufforderung; er habe nur geltend gemacht, dass die Verkehrsverstöße bereits sieben Jahre zurücklägen. Damit werde deutlich, dass der unterlassene Hinweis weder auf die Entscheidungsfindung des [X.] noch auf seine Rechtsverteidigung Einfluss gehabt habe. Zutreffend sei die Annahme, dass die Fahreignung des [X.] durch eine medizinisch-psychologische Begutachtung zu klären gewesen sei. Die [X.] habe auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV gestützt werden können. Wegen der erst im Jahr 2018 ablaufenden Tilgungsfristen könne sich der Kläger nicht darauf berufen, dass ihm seine Verkehrsverstöße aus zeitlichen Gründen nicht mehr vorgehalten werden dürften. Die gesetzlichen Tilgungsfristen könnten auch nicht unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zur Seite geschoben oder relativiert werden. Ebenso wenig dringe der Kläger mit dem Einwand durch, die Beklagte habe beim Erlass der [X.] kein Ermessen ausgeübt. Die Fahrerlaubnisbehörde habe unter Wiedergabe der von ihm begangenen Verkehrsverstöße ausgeführt, die einschlägigen Verurteilungen legten nahe, der Kläger werde auch in Zukunft mit Straßenverkehrsdelikten auffällig werden. Bei der Ermessensausübung sei die Beklagte nicht gehalten gewesen, auf den erheblichen zeitlichen Abstand zwischen den die [X.] begründenden Verkehrsverstößen und dem Erlass der [X.] einzugehen. Die Frage, wie lange der betreffende Sachverhalt zum Anlass für die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens gemacht werden dürfe, beantworte sich grundsätzlich nach den einschlägigen [X.]. Solange danach der anlassgebende Sachverhalt noch verwertbar sei, bestehe für eine weitere einzelfallbezogene Prüfung, ob diese Verdachtsmomente noch einen Gefahrenverdacht begründeten, grundsätzlich kein Raum mehr; auf diesen Umstand sei deshalb auch im Rahmen der Ermessensausübung regelmäßig nicht ausdrücklich einzugehen.

9

Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger geltend: Die Aufforderung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, sei schon deshalb rechtswidrig, weil er dort nicht auf die Möglichkeit der Akteneinsicht hingewiesen worden sei. § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV sei zwingendes Recht. Die aufgeführte Fragestellung sei zu unbestimmt gewesen; er habe nicht erkennen können, warum die Untersuchung stattfinden solle. Außerdem sei unberücksichtigt geblieben, dass die ihm vorgeworfenen Verkehrsverstöße lange zurückgelegen hätten und er sich seitdem straffrei geführt habe. Die Ausübung von Ermessen sei nicht zu erkennen.

Die Beklagte tritt der Revision entgegen: § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV könne als bloße [X.] eingestuft werden. Das Recht, die Behördenakte und die dem Gutachter zu übersendenden Unterlagen einzusehen, habe der Betroffene bereits nach § 29 [X.]. § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV solle nur dafür sorgen, dass dem Betroffenen das ihm ohnehin zustehende Akteneinsichtsrecht nochmals vor Augen geführt werde. [X.] sei bei einem Verstoß ein absoluter Verfahrensfehler anzunehmen. Die Einsichtnahme in die Unterlagen könne die Entscheidung des Betroffenen nur dann beeinflussen, wenn er dadurch - anders als das hier der Fall sei - von neuen Tatsachen oder Überlegungen der Behörde erfahre, die ihm bislang unbekannt oder so nicht bewusst gewesen seien. [X.] sei der Vorwurf, sie habe nicht bemerkt, dass es sich bei der Anforderung des Fahreignungsgutachtens um eine Ermessensentscheidung gehandelt habe.

Der Vertreter des [X.] beim [X.] ist in Übereinstimmung mit dem [X.] und digitale Infrastruktur der Auffassung, § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV sei keine bloße [X.]. Die Vorschrift könne ihre Wirkung nur erreichen, wenn das Kriterium des [X.] in § 46 VwVfG dahin modifiziert werde, dass es dabei auf die Willensentschließungsfreiheit des Betroffenen und nicht auf die Behördenentscheidung ankomme.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist begründet. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung von § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV i.V.m. § 46 [X.] und § 11 Abs. 3 FeV (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Berufungsgericht geht zwar zu Recht davon aus, dass die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Fahrerlaubnisbewerbers grundsätzlich nur schließen darf, wenn die Aufforderung zur Beibringung eines [X.]s auch formell rechtmäßig ist (1. und 2.), und dass es sich bei der Mitteilungspflicht des § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt (3.). Die Annahme, das Fehlen der Mitteilung führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Beibringungsaufforderung, wenn es sich auf die Willensentschließungsfreiheit des Betroffenen nicht ausgewirkt habe, ist jedoch nicht in jeder Hinsicht mit Bundesrecht vereinbar; unbeachtlich für die Entscheidung über den [X.] könnte der Verfahrensfehler nur gemäß § 46 [X.] sein, dessen Voraussetzungen hier nicht gegeben sind (4.). Der von der Beklagten herangezogene § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV kann - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - Rechtsgrundlage der Beibringungsaufforderung sein; die zur Begutachtung gestellte Frage ist auch hinreichend bestimmt (5.). Nicht mit Bundesrecht in Einklang steht jedoch die Auffassung, dass, solange die [X.] und Verwertungsfristen in Bezug auf die Verkehrsverstöße nicht abgelaufen sind, grundsätzlich kein Raum für eine einzelfallbezogene Prüfung bestehe, ob die Verkehrsverstöße die Anforderung eines [X.]s noch rechtfertigen, und deshalb im Rahmen des Ermessens auf den [X.]ablauf seit dem letzten Verkehrsverstoß (hier: [X.]) nicht eingegangen werden müsse (6.). Entsprechende Erwägungen der Beklagten fehlen hier (7.). Danach führt die Revision des [X.] zur Änderung der vorinstanzlichen Urteile und - unter Aufrechterhaltung der bereits erstinstanzlich ausgesprochenen Aufhebung der angegriffenen Bescheide - zur Verpflichtung der Beklagten, über den Antrag des [X.] auf Erteilung einer Fahrerlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des [X.] neu zu entscheiden.

1. Maßgeblich für die Beurteilung des auf Neubescheidung gerichteten Klagebegehrens ist die Sach- und Rechtslage zum [X.]punkt der gerichtlichen Entscheidung; Anwendung finden dabei die rechtlichen Regelungen, die auch das Berufungsgericht zugrunde zu legen hätte, wenn es zum [X.]punkt des revisionsgerichtlichen Urteils entschiede (stRspr, vgl. u.a. [X.], Urteil vom 13. Februar 2014 - 3 [X.] 1.13 - [X.]E 149, 74 Rn. 13 m.w.N.). Anzuwenden sind danach das [X.] ([X.]) i.d.F. vom 5. März 2003 ([X.] I S. 310), zuletzt geändert durch Art. 15 des Gesetzes vom 24. Mai 2016 ([X.] I S. 1217), sowie die Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) vom 13. Dezember 2010 ([X.] I S. 1980), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 2. Oktober 2015 ([X.] I S. 1674).

Dabei ist, nachdem die Beklagte die Ablehnung des [X.]s auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV gestützt hat, zu beachten, dass, soweit es für die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung darauf ankommt, ob die vorausgegangene Aufforderung zur Beibringung eines [X.]s zu Recht erfolgt ist, dies nach der Sach- und Rechtslage zum [X.]punkt ihres [X.] zu beurteilen ist (so im Hinblick auf die Verwertbarkeit von Verkehrsstraftaten: [X.], Beschluss vom 21. Mai 2012 - 3 [X.] - [X.] 442.10 § 65 [X.] Nr. 2 Rn. 7; Dauer, in: [X.]/[X.]/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 11 FeV Rn. 55).

2. Voraussetzung für die Erteilung einer Fahrerlaubnis ist die Fahreignung des Bewerbers (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.]). Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 FeV müssen die Bewerber die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV sind die Anforderungen insbesondere nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 vorliegt, wodurch die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Außerdem dürfen die Bewerber nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen haben, sodass dadurch die Eignung ausgeschlossen wird (§ 11 Abs. 1 Satz 3 FeV).

a) Gemäß § 2 Abs. 8 [X.] i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen, zur Vorbereitung der Entscheidung über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Bewerber anordnen. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 FeV kann zur Klärung von [X.]n für die Zwecke nach Absatz 1 und 2 die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) unter anderem angeordnet werden, 4. und bei einem erheblichen Verstoß oder wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften, 5. bei einer erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr steht, oder bei Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen.

b) Nach ständiger Rechtsprechung ist eine solche von der Fahrerlaubnisbehörde an den Betroffenen gerichtete Aufforderung, ein [X.] beizubringen, nicht selbstständig rechtlich anfechtbar; sie ist kein Verwaltungsakt, sondern nur eine der eigentlichen Entscheidung vorausgehende und diese vorbereitende Maßnahme zur Sachverhaltsaufklärung (so zur Vorgängerregelung in § 3 Abs. 2 [X.] a.F. [X.], Urteil vom 28. November 1969 - 7 [X.] 18.69 - [X.]E 34, 248 <250>; ebenso zu § 15b [X.] a.F.: [X.], Beschluss vom 17. Mai 1994 - 11 B 157.93 - [X.] 442.16 § 15b [X.] Nr. 23 S. 3; [X.], Beschluss vom 24. Juni 2002 - 10 S 985/02 - [X.] 103, 224 <227>; [X.], Beschluss vom 22. Januar 2001 - 19 B 1757/00 - NJW 2001, 3427 <3427 f.>; Dauer, in: [X.]/[X.]/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 11 FeV Rn. 43 m.w.N.).

c) Die Rechtmäßigkeit einer [X.] wird jedoch inzident gerichtlich überprüft, wenn der Betroffene ihr nicht Folge leistet und die Fahrerlaubnisbehörde deshalb gestützt auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV von dessen mangelnder Fahreignung ausgeht und die Erteilung der beantragten Fahrerlaubnis ablehnt oder - falls eine Fahrerlaubnis bereits erteilt war - die Fahrerlaubnis entzieht (§ 46 Abs. 3 FeV i.V.m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV).

Gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung schließen, wenn sich der Betroffene weigert, sich untersuchen zu lassen, oder das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Mit dieser Bestimmung hat der Verordnungsgeber ausdrücklich normiert, was zuvor richterrechtlich anerkannt war. Der Schluss auf die Nichteignung ist nur zulässig, wenn die Anordnung der Untersuchung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. [X.], Urteile vom 9. Juni 2005 - 3 [X.] 21.04 - [X.] 442.10 § 2 [X.] Nr. 11 S. 6 und vom 28. April 2010 - 3 [X.] 2.10 - [X.]E 137, 10 Rn. 14 m.w.N.).

d) Die formellen Anforderungen, denen eine solche [X.] genügen muss, sind unter anderem in § 11 Abs. 6 FeV geregelt. Nach § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV legt die Fahrerlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 FeV teilt die Behörde dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat. Außerdem ist ihm mitzuteilen, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann (§ 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV).

Diese formellen Anforderungen an den Inhalt einer [X.] sollen es dem Betroffenen ermöglichen, eine fundierte Entscheidung darüber zu treffen, ob er sich der geforderten Begutachtung unterziehen will oder nicht. Das ist für ihn wegen der sich aus § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ergebenden Rechtsfolgen von besonderer Bedeutung. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Aufforderung im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein muss. Der Betroffene muss ihr entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das dort [X.] die behördlichen Zweifel an der Fahreignung rechtfertigen kann. Ebenso ist geklärt, dass eine mangelhafte Aufforderung zur Gutachtensbeibringung nicht dadurch "geheilt" werden kann, dass die Behörde nachträglich - etwa im Gerichtsverfahren - darlegt, objektiv hätten seinerzeit Umstände vorgelegen, die Anlass zu Zweifeln an der Fahreignung hätten geben können (vgl. [X.], Urteil vom 5. Juli 2001 - 3 [X.] 13.01 - [X.] 442.16 § 15b [X.] Nr. 29 S. 4 f.).

3. Die an den Kläger gerichtete [X.] vom 30. November 2011 genügt nicht der Vorgabe des § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV, wonach die Fahrerlaubnisbehörde dem Betroffenen mitteilt, dass er die an den Gutachter zu übersendenden Unterlagen einsehen kann.

Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV nicht als bloße Ordnungsvorschrift einzustufen ist. Das wird in Teilen der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung angenommen und aus dieser Einordnung im Verbindung mit § 46 [X.] hergeleitet, dass das Unterbleiben des dort geforderten Hinweises nicht zur Aufhebung einer auf die Nichtvorlage des Gutachtens gestützten, ansonsten rechtmäßigen Fahrerlaubnisentziehung führe (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Mai 2011 - 2 [X.]/11 - [X.], 243 <244>; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. April 2012 - 6 L 488/12 - juris Rn. 35; VG Ansbach, Beschluss vom 25. Januar 2012 - [X.] 12.00029 - juris Rn. 26; offengelassen von [X.], Urteil vom 15. April 2014 - 12 LB 64/13 - [X.], 475 <477> m.w.N.; [X.], Beschluss vom 27. November 2012 - 11 [X.] - [X.], 177 <178>; a.A. VG Osnabrück, Beschluss vom 7. März 2011 - 6 [X.]/11 - NJW 2011, 2986 <2987> m.w.N.).

Die Annahme, bei der Regelung handele es sich um eine bloße Ordnungsvorschrift, deren Verletzung folgenlos bleibt, findet im Gesetz keine Grundlage. Nach Wortlaut und systematischer Stellung ist ihr verpflichtender [X.]harakter nicht zweifelhaft. Sie wurde durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. b der Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 7. August 2002 ([X.] I S. 3267) den bereits bestehenden Mitteilungs- und Darlegungspflichten des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV angefügt, deren Verletzung anerkanntermaßen zur Nichtanwendbarkeit von § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV führt (vgl. [X.], Urteile vom 5. Juli 2001 - 3 [X.] 13.01 - [X.] 442.16 § 15b [X.] Nr. 29 S. 4 f. - noch zu § 15b [X.] - und vom 9. Juni 2005 - 3 [X.] 21.04 - [X.] 442.10 § 2 [X.] Nr. 11 S. 6 f.). Dem entsprechen Sinn und Zweck der Regelung. Mit ihr soll einem weniger rechtskundigen Bürger deutlich gemacht werden, dass die Fahrerlaubnisbehörde zwar bestimmt, welche Unterlagen dem Gutachter übersandt werden, er aber Gelegenheit erhält, sich über diese zu informieren, bevor er seine Entscheidung über die Begutachtung trifft (vgl. [X.]. 497/02 S. 63). Mit diesem spezifischen Zweck, der auch für die informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen bedeutsam ist (vgl. [X.], Urteil vom 5. Juli 2001 - 3 [X.] 13.01 - [X.] 442.16 § 15b [X.] Nr. 29 S. 3 f.), greift die Mitteilungspflicht in ihrer Tragweite und Bedeutung über einen Hinweis auf das allgemeine Akteneinsichtsrecht (§ 29 [X.]) hinaus; er würde verfehlt, bliebe ein Verstoß von vornherein folgenlos.

Die Beklagte konnte den Verfahrensfehler der versäumten Mitteilung nicht durch ihr Schreiben vom 18. September 2013 ausräumen. Zwar kann eine erforderliche Anhörung gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 [X.] nachgeholt und ein damit verbundener Verfahrensfehler geheilt werden ([X.], Urteil vom 18. Oktober 1983 - 1 [X.] 13.81 - [X.] 316 § 67 VwVfG Nr. 1 S. 2). Das kommt hier aber schon deshalb nicht in Betracht, weil die Mitteilungspflicht des § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV in den mit einer Fristsetzung verbundenen Mechanismus der Beibringungsaufforderung eingebunden ist und deshalb nachträglich ihren Zweck nicht mehr erfüllen kann (vgl. [X.], Urteil vom 5. Juli 2001 - 3 [X.] 13.01 - [X.] 442.16 § 15b [X.] Nr. 29 S. 5).

4. Das Berufungsgericht hat jedoch angenommen, eine Verletzung der Hinweispflicht des § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV führe gemäß seiner Funktion nicht stets zur Rechtswidrigkeit der Beibringungsaufforderung; vielmehr komme es entsprechend dem gebotenen [X.], das auch § 46 [X.] zugrunde liege, darauf an, ob sich der Verfahrensfehler auf die Willensentschließungsfreiheit des Betroffenen ausgewirkt haben könne, was hier zu verneinen sei. Dieser rechtliche Ausgangspunkt des [X.] steht nicht in jeder Hinsicht im Einklang mit Bundesrecht. Auch im Ergebnis hätte das Berufungsgericht die Beachtlichkeit des Verfahrensfehlers nicht verneinen dürfen.

a) Der Ausgangspunkt des [X.] ist insoweit zutreffend, als die Verletzung der Hinweispflicht nicht stets dazu führt, dass die auf eine solchermaßen fehlerhafte Beibringungsaufforderung gestützte Behördenentscheidung aufzuheben ist. § 46 [X.], der mit § 46 VwVfG übereinstimmt, findet auch in diesem Zusammenhang Anwendung.

Nach § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Der Anwendung dieser Vorschrift steht nicht entgegen, dass sie sich auf die Aufhebung eines Verwaltungsakts und damit auf eine Anfechtungssituation bezieht. Mit diesem Anwendungsbereich erfasst § 46 VwVfG den Fall einer auf eine Beibringungsaufforderung gestützten Fahrerlaubnisentziehung, nicht ohne Weiteres hingegen den Fall der Versagung der Erteilung einer Fahrerlaubnis. Mit der Beibringungsaufforderung ist jedoch ein Verfahren geschaffen, das, wenn der Betroffene der Aufforderung nicht nachkommt, zur Fiktion der Nichteignung gemäß § 11 Abs. 8 FeV führt und damit im weiteren Verfahren gleich einem belastenden Verwaltungsakt wirkt, einerlei ob es um die Entziehung oder Erteilung einer Fahrerlaubnis geht. Das rechtfertigt jedenfalls in der hier gegebenen Verpflichtungssituation die analoge Anwendung von § 46 VwVfG.

Ist offensichtlich, dass der versäumte Hinweis auf die Möglichkeit, die dem Gutachter zu übersendenden Unterlagen einzusehen, die Weigerung des Betroffenen, sich einer Begutachtung zu unterziehen, nicht beeinflusst hat, so ist er auch ohne Einfluss auf die Berechtigung, aus der unterlassenen Begutachtung auf die Nichteignung zu schließen, und damit auf die darauf gestützte Behördenentscheidung. Der Umstand, dass die Beibringungsaufforderung als vorbereitende Maßnahme der abschließenden Behördenentscheidung vorausgeht, steht dieser Betrachtung nicht entgegen. Anderenfalls würde § 46 VwVfG in seiner Anwendung hinsichtlich nicht selbstständig anfechtbarer Grundlagen eines zur Prüfung stehenden Verwaltungsakts beschränkt, wofür kein Grund ersichtlich ist. Dem entsprechend ist die Aussage, dass der Schluss auf die Nichteignung nur zulässig ist, wenn die Anordnung der Untersuchung rechtmäßig war (stRspr, vgl. [X.], Urteile vom 9. Juni 2005 - 3 [X.] 21.04 - [X.] 442.10 § 2 [X.] Nr. 11 S. 6 und vom 28. April 2010 - 3 [X.] 2.10 - [X.]E 137, 10 Rn. 14 m.w.N.), um den Vorbehalt der Anwendung von § 46 VwVfG zu ergänzen.

Jenseits einer Anwendung von § 46 VwVfG ist in § 11 Abs. 6 und 8 FeV eine Begrenzung der Folgen von Verfahrensfehlern nicht angelegt. Namentlich können die Anforderungen an eine formell und materiellrechtmäßige Aufforderung nicht durch Überlegungen des Inhalts relativiert werden, der Betroffene werde schon wissen, worum es gehe ([X.], Urteil vom 5. Juli 2001 - 3 [X.] 13.01 - [X.] 442.16 § 15b [X.] Nr. 29 S. 5).

b) Ausgehend hiervon war das Fehlen des gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV erforderlichen Hinweises ein beachtlicher Verfahrensfehler. Dass dieser Fehler die Entscheidung über den [X.] des [X.] in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst hat, lässt sich nicht feststellen.

Mit Blick auf die Bedeutung des Hinweises gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV ist ein strenger Maßstab für die Anwendung von § 46 VwVfG geboten. Eine offensichtlich fehlende Kausalität kann etwa dann angenommen werden, wenn der Betroffene ungeachtet eines fehlenden Hinweises in die zu übersendenden Unterlagen Einsicht genommen hat. Das Berufungsgericht hat hingegen eine Auswirkung auf die Willensentschließungsfreiheit des [X.] mit der Begründung verneint, die Beibringungsaufforderung gebe mit den von ihr benannten Verkehrsverstößen den Inhalt der zu übersendenden Unterlagen ausreichend wieder; die entsprechenden Verurteilungen seien dem Kläger bekannt. Abgesehen davon, dass zu den in den Akten befindlichen, der Beibringungsaufforderung vorblattierten strafrichterlichen Urteilen auch eine nicht benannte Verurteilung wegen Betrugs gehört, lassen sich diese angenommenen Kenntnisse nicht mit einer erfolgten Akteneinsicht gleichsetzen. Die Annahme, dass der Kläger das Gutachten selbst nach Einsicht in die Unterlagen nicht beigebracht hätte, entbehrt einer verlässlichen Grundlage. Auch der ergänzende Hinweis auf die Einlassung des Prozessbevollmächtigten trägt den Schluss auf die Offensichtlichkeit fehlender Kausalität nicht.

5. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht nimmt das Berufungsgericht an, die Beklagte habe die Beibringungsaufforderung auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV stützen dürfen. Danach kann die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) zur Klärung von [X.]n bei einem erheblichen Verstoß oder wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften angeordnet werden. Zwar ist dieser Tatbestand in § 11 Abs. 3 FeV eingefügt worden, weil nach Einschätzung des Verordnungsgebers eine Regelung fehlte, die die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung erlaubt, wenn auf Grund von Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften, die keine Straftaten darstellten, [X.] bestehen (vgl. [X.]. 305/04 Beschluss). Das schließt angesichts des offenen Wortlauts jedoch nicht aus, § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV auch bei Verkehrsverstößen heranzuziehen, die Straftaten sind, wenngleich die Beibringungsaufforderung insoweit auch auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV gestützt werden kann. Die nach der Beibringungsaufforderung vom Gutachter zu beantwortende Frage war - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - auch hinreichend bestimmt. Ebenso war für den Kläger durch die dort enthaltene Auflistung der von ihm begangenen Verkehrsverstöße ohne Weiteres erkennbar, woraus die Beklagte ihre [X.] herleitete.

6. Die Annahme des [X.], solange die [X.] und Verwertungsfristen in Bezug auf die vom Betroffenen begangenen Verkehrsverstöße nicht abgelaufen seien, bestehe für eine weitere einzelfallbezogene Prüfung, ob die Verdachtsmomente noch einen Gefahrenverdacht begründeten, grundsätzlich kein Raum mehr und müsse auf diesen Umstand im Rahmen der Ermessensausübung regelmäßig nicht ausdrücklich eingegangen werden ([X.] f.), steht ebenfalls nicht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

a) Aus dem Wortlaut von § 11 Abs. 3 FeV ("kann ... angeordnet werden") ergibt sich, dass die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens in den dort in den Nummern 1 bis 9 aufgeführten Fällen im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde steht. Das bestätigt auch der Vergleich dieser Regelung mit § 13 FeV (Klärung von [X.]n bei Alkoholproblematik) und § 14 FeV (Klärung von [X.]n im Hinblick auf Betäubungsmittel und Arzneimittel), wo die Anforderung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen [X.]s bindend vorgegeben ist ("ordnet an"; "ist anzuordnen").

Dass Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften im [X.] zum maßgeblichen [X.]punkt der [X.] noch nicht getilgt und damit verwertbar sind, ist Grundvoraussetzung dafür, dass aus diesem zurückliegenden Fehlverhalten noch das künftige Verkehrsverhalten betreffende [X.] hergeleitet werden dürfen; nach Ablauf der gesetzlichen Fristen unterliegen entsprechende Taten einem Verwertungsverbot (vgl. [X.], Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 [X.] 21.04 - [X.] 442.10 § 2 [X.] Nr. 11 S. 7). Die gesetzlich festgelegten Fristen können nicht unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beiseitegeschoben oder relativiert werden (vgl. [X.], Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 [X.] 21.04 - [X.] 442.10 § 2 [X.] Nr. 11 S. 11). Daraus folgt jedoch nicht, dass in den Fällen des § 11 FeV eine Ermessensbetätigung der Fahrerlaubnisbehörde - wie das Berufungsgericht meint - auch bei bereits mehrere Jahre zurückliegenden Verkehrsverstößen grundsätzlich entbehrlich ist. Es liegt auf der Hand, dass es für die Frage von [X.]n und - in den Fällen des § 11 FeV, der die Anforderung eines [X.]s in das Ermessen der Behörde stellt - ebenso für die anschließende Ermessensausübung einen Unterschied macht, ob eine fahreignungsrelevante Zuwiderhandlung erst kurze [X.] oder aber bereits mehrere Jahre zurückliegt, selbst wenn sie nach den maßgeblichen Tilgungsvorschriften noch verwertbar ist. Im Fall des [X.] geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Tilgungsfristen für die von ihm im [X.]raum bis 2005 begangenen Verkehrsverstöße aufgrund der zehnjährigen Tilgungsfrist gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] i.V.m. Nr. 2a [X.] a.F. unter Berücksichtigung der Anlaufhemmung (§ 29 Abs. 5 [X.] a.F.) und der Ablaufhemmung (§ 29 Abs. 6 Satz 1 [X.] a.F.) erst im Jahr 2018 ablaufen werden. Im Hinblick auf diese langen Tilgungsfristen insbesondere nach dem vor dem 1. Mai 2014 geltenden und auf "Altfälle" weiterhin anzuwendenden Recht, ist, je länger die betreffenden Zuwiderhandlungen zurückliegen, auch eine diesem Umstand Rechnung tragende Betätigung des der Fahrerlaubnisbehörde eingeräumten Ermessens dazu geboten, ob diese Verkehrsverstöße nach wie vor die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertigen. Die Fahrerlaubnisbehörde wird bei mehrere Jahre zurückliegenden Verkehrsverstößen mit Blick auf deren Art, Zahl und Erheblichkeit insbesondere zu erwägen haben, ob verbleibende [X.] ohne Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ausgeräumt werden können, z.B. durch Vorlage von Zeugnissen, Berichten eines Bewährungshelfers oder anderen geeigneten Beweismitteln. Wenn dies in Betracht kommt, wird sie dem Fahrerlaubnisbewerber hierzu Gelegenheit geben müssen. Die Ermessenserwägungen sind, wenn sie zum Erlass einer [X.] führen, in der an den Betroffenen gerichteten Aufforderung zur Beibringung eines [X.]s auch offenzulegen, damit dem Sinn und Zweck der in § 11 Abs. 6 FeV angeordneten Mitteilungspflichten Genüge getan ist.

b) Ebenso wenig kann der Wertung des [X.] gefolgt werden, gerade die Funktion der medizinisch-psychologischen Begutachtung als Gefahrerforschungsmaßnahme, die in ihrer Eingriffsintensität für den Betroffenen hinter einer abschließenden Entscheidung wie der Entziehung der Fahrerlaubnis oder deren Versagung [X.], spreche dafür, die Anforderungen an die Ermessensbetätigung und die Begründung der maßgeblichen Erwägungen nicht zu hoch anzusetzen ([X.]). Das lässt außer [X.], dass es für den Betroffenen durchaus mit nicht unbeträchtlichen Belastungen verbunden ist, wenn er sich einer medizinisch-psychologischen Begutachtung unterzieht (in diesem Sinne auch bei einem ärztlichen Gutachten: [X.], Urteil vom 5. Juli 2001 - 3 [X.] 13.01 - [X.] 442.16 § 15b [X.] Nr. 29 S. 4). Deshalb soll ihm die Begründung der [X.] eine fundierte Entscheidung darüber ermöglichen, ob er dieser Aufforderung nachkommt. Abgesehen davon stehen die [X.] der Fahrerlaubnisbehörde, die Reaktion des Betroffenen hierauf und eine abschließende Entscheidung der Behörde auf der Grundlage von § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV in engem Zusammenhang. Mit der Entscheidung des Betroffenen, ein von ihm gefordertes [X.] nicht vorzulegen, ist auch bereits die Entscheidung über seinen Antrag auf [X.] oder aber über eine Entziehung der Fahrerlaubnis vorgezeichnet (vgl. [X.], Urteil vom 5. Juli 2001 - 3 [X.] 13.01 - [X.] 442.16 § 15b [X.] Nr. 29 S. 5).

7. Gemessen daran lässt die [X.] vom 30. November 2011 keine hinreichende Ermessensausübung durch die Beklagte erkennen. Die dort für die Anforderung des medizinisch-psychologischen Gutachtens gegebene Begründung beschränkt sich darauf, in tabellarischer Form die vom Kläger begangenen und rechtskräftig geahndeten Verkehrsstraftaten mit den entsprechenden Tattagen aufzulisten. Daran schließt sich der Satz an, dass daher die Beibringung eines Gutachtens gefordert werden müsse. Selbst wenn man dem Berufungsgericht darin folgte, dass nicht bereits aus dieser Formulierung zu schließen ist, eine Ermessensausübung sei gänzlich unterblieben ([X.]), so fehlt es im Aufforderungsschreiben der Beklagten doch an jeglichen Darlegungen dazu, weshalb sie ihr Ermessen trotz des zeitlichen Abstandes der vom Kläger begangenen Verkehrsverstöße dahin ausgeübt hat, die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu fordern. Dass, wie es im Berufungsurteil heißt, die Behörde "ausgeführt" habe, die einschlägigen Verurteilungen legten nahe, der Kläger werde auch in Zukunft mit Straßenverkehrsdelikten auffällig werden ([X.]), ist unzutreffend. Mehr als die Auflistung der Verkehrsstraftaten und die vom Gutachter zu beantwortende Frage findet sich dort nicht. Aus diesem Grund kann auf die Offenlegung der von der Fahrerlaubnisbehörde im Rahmen der Ermessensausübung angestellten Überlegungen auch nicht im Hinblick auf die - im Grundsatz durchaus zutreffende - Erwägung des [X.] verzichtet werden, dass sich die Gesichtspunkte, die auf der Tatbestandsseite zur Annahme von [X.]n führen und die Gesichtspunkte, die im Rahmen von § 11 FeV die Ermessensausübung steuern, regelmäßig decken. Hier fehlen Darlegungen der Fahrerlaubnisbehörde sowohl zum einen wie zum anderen.

Diese Mängel sind auch nicht deshalb unerheblich, weil die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung auf Null vorgelegen hätten. Dem steht entgegen, dass zum maßgeblichen [X.]punkt des Erlasses der [X.] auch die letzte der von der Beklagten herangezogenen Verkehrsstraftaten - ein erneutes Fahren ohne Fahrerlaubnis - schon mehr als [X.] zurücklag. Die Verkehrsverstöße waren zwar insbesondere im Hinblick auf ihre Häufung und die Länge des [X.] (1998 bis 2005) von erheblichem Gewicht; der Kläger war aber bei Tatbegehung - mit Ausnahme der beiden in 2005 begangenen Taten (Fahren ohne Fahrerlaubnis) - noch Heranwachsender. Eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis wurde nur in einem Fall verhängt und auf zwei Jahre befristet. Unter Berücksichtigung dieser Umstände war es nicht von vornherein ausgeschlossen, dem Kläger mehr als [X.] nach der letzten zu berücksichtigenden Tat auch ohne Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens eine Fahrerlaubnis erteilen zu können, weil sich verbleibende [X.] durch andere geeignete Beweismittel ausräumen ließen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Meta

3 C 20/15

17.11.2016

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 3. September 2015, Az: 10 S 778/14, Urteil

§ 2 Abs 2 S 1 Nr 3 StVG, § 2 Abs 4 StVG, § 2 Abs 8 StVG, § 29 StVG, § 11 Abs 3 S 1 Nr 4 FeV 2010, § 11 Abs 6 S 2 Halbs 2 FeV 2010, § 11 Abs 8 FeV 2010

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17.11.2016, Az. 3 C 20/15 (REWIS RS 2016, 2240)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2240

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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