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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Konflikt von Windkraftanlage und Erdbebenmessstation
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleiche Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für eine Windkraftanlage.
Die Klägerin beantragte unter dem ... beim Landratsamt ... die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windkraftanlage vom Typ REpower 3.2 M/114/143 mmit einer Nenn-Leistung von (knapp) 3,2 MW und einer Gesamthöhe von 200 mauf dem Grundstück FlNr. 386/2 der Gemarkung ..., Gemeinde S...
Im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens bat das Landratsamt mit Schreiben vom ... die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), deren Träger die Beigeladene ist, um Stellungnahme zu dem Vorhaben gemäß § 10 Abs. 5 BImSchG. Die BGR teilte hierauf unter dem ... mit, dass das Vorhaben in einem Abstand von 3,4 km zur seismologischen Messstation GRB 5 bei Ö...B... liege. Windenergieanlagen erzeugten Erschütterungssignale, die an den Messeinrichtungen als Störsignale wahrgenommen würden. Aus fachlicher Sicht sei zum Schutz der Datenregistrierung ein Mindestabstandsradius von 5 km zu fordern. Bereits errichtete Windenergieanlagen in der Nähe von anderen Messstationen, bei denen die BGR im Genehmigungsverfahren nicht beteiligt worden sei, belegten den Einfluss von Windenergieanlagen. Die Zustimmung zu dem Vorhaben werde deshalb verweigert.
Mit Schreiben vom 16. Juli 2014 hörte das Landratsamt ... die Klägerin unter Bezugnahme auf die fehlende Zustimmung der BGR zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags auf Errichtung und Betrieb der genannten Windkraftanlage an.
Der Bevollmächtigte der Klägerin entgegnete hierauf unter dem 23. Juli 2014, dass die BGR kein Träger öffentlicher Belange sei. Es seien an den Messstationen auch keine schädlichen Umwelteinwirkungen gegeben. Die Beeinträchtigung der Messstation werde lediglich angenommen und nicht wissenschaftlich belegt. Ebenso wenig sei nachgewiesen, dass eine nachträgliche Entfernung von etwaigen Störsignalen unmöglich sei. Im Übrigen gebe es im näheren Umkreis der Station GRB 5 bereits Störfaktoren wie eine Windkraftanlage, eine Bundesstraße, eine Staats Straße, eine Betonmischanlage und Deponien für Erdaushub/Schutt, was zu einem Wegfall des Schutzbedürfnisses der Messstation führe. Zudem liege eine unmittelbare Gefährdung durch Erdbeben in Deutschland nicht vor.
Die BGR widersprach dieser Einschätzung gegenüber dem Landratsamt mit Schreiben vom 14. August 2014. U.a. wurden Abbildungen zur Entwicklung des Rauschniveaus an den Stationen GRB 3, GRB 1 und GRB 4 nach der Errichtung von Windenergieanlagen vorgelegt. Hinsichtlich des Signaleintrags in den Boden liege ein 200 mhohes Bauwerk wegen der Gesamtmasse der Verbindung mit dem Boden mittels eines Fundaments in einer völlig anderen Größenordnung als die andern aufgezählten Anlagen.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 18. August 2014, der Klägerin am 23. August 2014 zugestellt, lehnte das Landratsamt ... deren Antrag auf Errichtung und Betrieb einer Windkraftanlage im Hinblick auf § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 35 BauGB ab. Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt: Das Vorhaben sei zwar im Außenbereich privilegiert gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB und diene auch dem öffentlichen Interesse an der Nutzung von Windkraft, ihm stünden jedoch andere öffentliche Belange entgegen, die zur Unzulässigkeit des Vorhabens führten. Die BGR habe als am Verfahren beteiligter Träger öffentlicher Belange die Zustimmung zu dem Vorhaben nicht erteilt. Die BGR betreibe in Deutschland ein nationales Messnetz, das der Überwachung von Erdbebentätigkeiten innerhalb und außerhalb Deutschlands diene. Die Messgeräte seien hochempfindlich und in der Lage, Bodenbewegungen im Bereich von Nanometern aufzulösen. Um störende Signaleinträge zu vermeiden, seien die Standorte der Messstationen abseits von größeren Wohn- oder Industriesiedlungen und häufig frequentierten Verkehrswegen sorgfältig gewählt worden. Die Messstation GRB 5 sei laut BGR ein Teil des Verbundes des Gräfenberg-Arrays (GRF), das aus 13 seismologischen Breitbandstationen bestehe und zwischen den Jahren 1975 und 1980 als weltweit erstes digitales seismologisches Breitband-Array errichtet worden sei. Es liefere die zeitlich am weitesten zurückreichende digitale Breitbanddatenbasis in Deutschland. Sämtliche seit 1976 weltweit stattgefundenen Kernsprengungen würden in diesen Messstationen aufgezeichnet. Die Messstation GRB 5 sei als Teil des Gräfenberg-Arrays ein wesentlicher Baustein der Infrastruktur zur Begegnung nuklearer und radiologischer Bedrohungen. Als solche sei das Gräfenberg-Array auch für die Landesverteidigung von großer Bedeutung, da die Bundeswehr zur Messung von militärischen Nuklearversuchen kein eigenes Netz von Erdbebenmessstationen zur Ortung und Einschätzung von nuklearen und chemischen Explosionen unterhalte. Des Weiteren seien die seismologischen Messeinrichtungen zur Warnung vor Erdbeben für den Zivil- und Katastrophenschutz äußerst wichtig. Die Registrierung der Signale in unveränderter Qualität und Konfiguration sowie der Vergleich mit den bisher aufgezeichneten Daten seien unverzichtbar. Als für die Überwachungsaufgaben im Rahmen des Kernwaffenteststoppabkommens (CTBT) zuständige Behörde sei die BGR verantwortlich dafür, die Funktionsfähigkeit aller dafür benötigten Messstationen dauerhaft im vollem Umfang sicherzustellen. Gemäß der fachlichen Stellungnahme der BGR erzeuge die beantragte Windkraftanlage Erschütterungssignale, die die Aufzeichnungen der hochempfindlichen Messeinrichtungen der Station GRB 5 negativ beeinflussten. Eine Beeinflussung oder Verschlechterung der Aufzeichnungen würde die Funktionsfähigkeit der Einrichtung herabsetzen und somit die Aufgabenerfüllung der BGR gefährden. Ein nachträgliches Herausrechnung der Störungen sei nach Darlegung der BGR nicht durchführbar, weitere Störfaktoren, wie sie im Rahmen des Anhörungsverfahrens vorgebracht worden seien (Straßenverkehr, Deponiebetrieb, Betrieb eines Betonmischwerkes, Klein-Windkraftanlage), seien nicht als relevant anzusehen. Eine zusätzliche Beeinträchtigung des Gesamtsystems durch die Errichtung und den Betrieb weiterer Windkraftanlagen würde den öffentlichen Auftrag der BGR gefährden.
Gegen diesen ablehnenden Bescheid erhob die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 19. September 2014 Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg, zunächst mit dem Antrag, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamtes ... vom 18. August 2014 zu verpflichten, die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung auf Errichtung und Betrieb einer Windkraftanlage (Typ REpower 3,2 M/114, Nabenhöher 143 m) auf dem Grundstück FlNr. 386/2 der Gemarkung ..., Gemeinde S... zu erteilen. Zur Begründung wurde ergänzend zum Verwaltungsverfahren vorgetragen: Die betroffene seismologische Messstation falle nicht unter § 35 Abs. 3 Nr. 8 BauGB. Die Beigeladene behaupte zu Unrecht, dass der Betrieb des GRF-Arrays der Umsetzung des CTBT diene. Nach der Internetseite der Beigeladenen erfolge die Beteiligung der Bundesrepublik mit der Primärstation GERES an der tschechischen Grenze und der Station SNAA in der Antarktis. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung, weil von ihrer Anlage keine schädlichen Umweltauswirkungen ausgingen. Es gebe keine verbindlichen Vorschriften hinsichtlich einzuhaltender Mindestabstände von Windkraftanlagen zu seismologischen Messstationen. Die Beigeladene habe nicht nachgewiesen, dass die konkret zur Genehmigung beantragte Windkraftanlage die betroffene Messstation beeinträchtige; sie stelle nur auf einen Mindestradius von 5 km ab. Ob schädliche Umwelteinwirkungen vorliegen, sei anhand einer konkreten Einzelfallbetrachtung zu beurteilen und könne nicht an der Einhaltung von Mindestabständen fest gemacht werden. Ein Beurteilungsspielraum komme der Beigeladenen hinsichtlich der Frage der erheblichen Beeinträchtigung nicht zu. Die Literatur, auf die sich die BGR zur Begründung der Beeinträchtigung ihrer Messstation berufe, sei veraltet. Unter Berufung auf ein Gutachten der ... GmbH (GuD) wird von Klägerseite dargelegt, dass Schwingungsmessungen an einer baugleichen Windenergieanlage erfolgt seien und Standortuntersuchungen zur Bestimmung tiefenabhängiger bodendynamischer Parameter im Bereich des geplanten Aufstellungsortes. Das Gutachten gelange zu dem Ergebnis, dass es nicht zu einer erheblichen Störung der GRB 5 komme. Lediglich im sehr niederfrequenten Bereich um 1 Herz ergäben sich bei Volllast höhere PSD-Werte. Wegen der konkreten Untergrundverhältnisse am Standort und der im Baugrundgutachten empfohlenen Tiefengründung werde empfohlen, detaillierte Untersuchungen von Gründungsvarianten mit dem Ziel einer möglichst geringen Schwingungseinleitung in den Untergrund durchzuführen. Die Klägerseite führt weiter aus, dass im Bereich des GRF-Arrays bereits in erheblichem Umfang Windkraftanlagen errichtet seien. Der Vortrag der Beigeladenen sei widersprüchlich. Wenn es zu erheblichen Störungen durch die vorhandenen Windkraftanlagen komme, dann sei das GRF-Array jetzt schon nicht mehr funktionsfähig. Sollten die bisherigen Störungen hinnehmbar seien, dann fehle die Begründung, weshalb weitere Windkraftanlagen, speziell auch die konkret beantragte, die Funktionsfähigkeit der Messstationen erheblich beeinträchtigen würde. Es falle auf, dass in anderen vergleichbaren Konstellationen die Zustimmung zu Windenergieanlagen erteilt worden sei. Ferner sei zu bedenken, dass der Kernwaffenteststoppvertrag von Deutschland zwar im Jahr 1998 unterzeichnet worden, gleichwohl aber bislang nicht in Kraft getreten sei. Falsch sei, dass ein nachträgliches Herausrechnen der Störungen nicht durchführbar sei. Zudem lasse sich in einen Genehmigungsbescheid ohne weiteres über entsprechende Auflagen eine ausreichende Prävention zur Ausbreitung von Störsignalen in der Nähe von seismischen Messstationen erreichen. So könnte insbesondere eine Art Bodenpolsterung bei der Windenergieanlage erfolgen, welche die Ausbreitung von Störsignalen auf ein Minimum reduziere. Eine horizontale Schallentkopplung sei einfach durch Dämmstoffe realisierbar. Eine Vertikalentkopplung hingegen sei zwar schwieriger; gleichwohl könne durch eine Vergrößerung der Fundamentfläche eine geringere Flächenpressung erzeugt werden, was somit eine geringere Bodenbewegung zur Folge habe. Durch derartige Maßnahmen lasse sich die Ausbreitung von Störsignalen auf ein Minimum reduzieren. Zudem wäre im Bedarfsfall eine Abschaltung der Windenergieanlage bei der Wahrnehmung von verdächtigen Messsignalen möglich. Sofern Maßnahmen ersichtlich seien, welche eine unzumutbare Beeinträchtigung unter die Schwelle der Zumutbarkeit brächten, habe die BGR diese Maßnahmen zu ergreifen. Selbst wenn die BGR entgegen der Auffassung der Klägerseite als Träger öffentlicher Belange anzusehen wäre, sei kein öffentlicher Belang erkennbar, der der Genehmigung des privilegierten Vorhabens entgegenstünde. Seismische Messstationen seien nicht baurechtlich privilegiert und würden mangels Erwähnung in § 35 Abs. 3 BauGB über keinerlei besonderen rechtlichen Schutz verfügen. Auf einen unbenannten Belang der Wissenschaft könne sich die BGR nicht berufen. Die Messstation sei auch nicht schutzwürdig bzw. nur vermindert oder nur nachrangig, weil sie ohne die notwendige Baugenehmigung errichtet worden sei.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
den Bescheid des Landratsamtes ... vom ... aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über den Genehmigungsantrag auf Errichtung und Betrieb einer Windkraftanlage Typ Senvion 3.2M/114 auf dem Grundstück FlNr. 386/2 der Gemarkung ..., Gemeinde S..., unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt mit Verweis auf die Begründung im streitgegenständlichen Bescheid und die Ausführungen der Beigeladenen,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene lässt sich, ohne einen Antrag zu stellen, in der Verwaltungsstreitsache wie folgt ein: Die BGR nehme keinen Beurteilungsspielraum in Anspruch. Sie habe die fachliche Kenntnis beurteilen zu können, dass es bei weiterer Errichtung von heute marktüblichen Windkraftanlagen zu einer Funktionsstörung am GRF-Array kommen werde. Der zugrunde gelegte Umkreis von 5 km beruhe auf den weitgehend einheitlichen Untergrundverhältnissen im GRF-Array und gelte nur für dieses. Die Beigeladene habe aufgrund des bei ihr vorhandenen Datenbestands in einer aufwendigen Untersuchung nachweisen können, dass Windkraftanlagen jedenfalls mit einer Nennleistung von mehr als 2 MW (zwischen 1 und 2 MW „kein klares Bild“) die Messungen beeinträchtigten. Die Frequenzen solcher Windkraftanlagen würden sich mit den charakteristischen Frequenzen von Erdbeben oder möglichen Kernwaffentests überlappen. Gerade die häufigeren Ereignisse mit kleinen Amplituden könnten wegen des von den Windkraftanlagen verursachten erhöhten Rauschniveaus nicht mehr gemessen werden. Es wurden verschiedene technische Darstellungen vorgelegt, die die Veränderungen der Messungen nach Errichtung von Windkraftanlagen belegen sollen. Jede weitere Windkraftanlage beeinträchtige das GRF-Array. Im Bereich der Messstation GRB 5 sei bisher als Vorbelastung nur eine ENERCON-40 mit einer Anlagenhöhe von 85 mgegeben. Entferntere Windkraftanlagen beeinträchtigten den Frequenzbereich um ein Herz, die übrigen Frequenzbereiche seien noch nicht erheblich beeinträchtigt. Die vorhandene Vorbelastung führe nicht zur behaupteten völligen Unbrauchbarkeit der seismologischen Station, jedoch zu einer erheblichen Beeinträchtigung verschiedener relevanter Frequenzbereiche. Es gelte, die nicht beeinträchtigten Frequenzbereiche im jetzigen Zustand zu erhalten und Summationswirkungen durch hinzutretende Windenergieanlagen zu vermeiden. Für die Station GRB 5 sei dies insbesondere, aber nicht ausschließlich im Frequenzbereich von 2 bis 7 Hz der Fall. Eine nachträgliche Herausrechnung der Störungen sei praktisch nicht durchführbar. Es handele sich um ein Inversionsproblem, zu dem in der Seismologie ausreichend Erfahrung gegeben sei. Weder das Quellsignal noch das Ausbreitungsmedium ließen sich hinreichend erfassen. Das von der Klägerseite vorgelegte Gutachten sei nicht geeignet, eine fehlende Beeinträchtigung nachzuweisen. Die im Nahfeld erfolgte Schwingungsmessung sei für die Abschätzung der Amplituden im Fernfeld nicht geeignet. Die Messdurchführung über 24 Stunden bleibe weit hinter den von der BGR herangezogenen kontinuierlichen Daten von zwei Jahren zurück. Das herangezogene Geländemodell sei nicht hinreichend genau. Die im Nahfeld mitgemessene direkte und indirekte Schalleinwirkung führe zur Verfälschung der Ergebnisse. Das Übersehen der Belange der BGR in § 35 Abs. 3 BauGB führe nicht dazu, dass diese als unbenannter Belang keine Berücksichtigung finden könnten. Die fehlende Genehmigungsfähigkeit der Anlage der Klägerin sei auch nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG gegeben, da die Klägerin die durch Bodenerschütterungen verursachten schädlichen Umwelteinwirkungen auf Sachgüter der Beigeladenen und daraus folgende erhebliche Nachteile nicht vermeiden könne. Soweit die Klägerin auf andere Windenergieanlagen in der Nähe der Messstation verweise, berücksichtige sie dabei nicht, dass es sich bei den Anlagen um Einzelanlagen handele mit einer deutlich geringeren Höhe (unter 70 m) und einer deutlich geringeren Nennleistung (1 MW und kleiner). Der Signaleintrag der vorhandenen Windenergieanlagen an den Stationen GRB 4 und GRB 5 sei nicht erheblich und würde an den Messstationen kaum erfasst. Die Windenergieanlage an der Station GRB 1 verursache aufgrund ihrer höheren Leistung erhebliche Beeinträchtigungen. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass die Anlage bereits genehmigt gewesen sei, als die BGR die Störungen erfasst habe und der Windkraftanlage nachweisbar zuordnen habe können. Die BGR sei lange Zeit nicht an Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen beteiligt worden. Die fachliche Zuordnung und der Nachweis der Störeinträge seien ein länger andauernder Prozess gewesen. Die Bestandsanlagen würden zur erheblichen Beeinträchtigung führen, ohne jedoch die Datenverwertung endgültig auszuschließen. Die Störungen seien stets erheblich in einem Abstand von 3 km, regelmäßig in einem Abstand von 3 bis 5 km, es sei denn, es handele sich um den Betrieb kleinerer Einzelanlagen. Im Übrigen habe auch der Bayerische Erdbebendienst auf Grundlage der Beurteilung seiner eigenen Messwerte für seine Breitbandstationen in diesem Bereich einen Schutzradius von 5 km gefordert. Hinsichtlich der Möglichkeit der Umsetzung von Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen wird ausgeführt: Die Beigeladene sei durchaus bereit, Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen mitzutragen, soweit diese nachweisbar zu Begrenzung der Störungsimmissionen geeignet seien. Allerdings könne die Beigeladene zur Erprobung von Vermeidungsbzw. Verminderungsmaßnahmen nicht das älteste und damit wertvollste Netz zur Verfügung stellen. Nach dem jetzigen Stand der Technik und Wissenschaft bestünden keine geeigneten Möglichkeiten. Die durch die Klägerin vorgeschlagenen Maßnahmen seien nicht geeignet, die erhebliche Beeinträchtigung der Station GRB 5 durch die beantragte Windenergieanlage zu beseitigen. Es gebe keine derzeit umsetzbaren Maßnahmen, welche nachweisbar die Übertragung von Signalen einer Wellenlänge im Bereich von 1 km vermeiden würden. Die Idee der Klägerin, Erschütterungssignale der Windenergieanlagen heraus zu rechnen, scheitere daran, dass das Störsignal, das am seismologischen Messort ankomme, nicht bekannt sei. Aber selbst wenn es gelänge, die Quellsignale quantitativ ausreichend genau zu erfassen, wäre eine Herausrechnung nicht möglich, weil die Untergrundstruktur im relevanten Bereich zwischen Windenergieanlage und Messstation nicht genügend bekannt sei und sich die Störsignale der Windenergieanlage mit dem natürlichen Rauschen überlagern und in dem Bereich, in dem sie vergleichbare Amplituden hätten, nicht mehr zu trennen seien, wenn beide in gleicher Größenordnung zu den Signaleinträgen beitrügen. Soweit die Klägerin meine, eine ausreichende Prävention zur Ausbreitung von Störsignalen könne mit einer steifen Gründung bei der Windenergieanlage bzw. durch den Einbau von Schwingungsdämpfern erreicht werden, und auch auf die Möglichkeit einer Abschaltung der Windkraftanlage verweise, wird von Beigeladenenseite Folgendes dargelegt: Die Abschaltungslösung scheitere bereits daran, dass die erhebliche Beeinträchtigung durch Windenergieanlagen gerade darin bestehe, dass verdächtige Signale gar nicht erst wahrgenommen werden könnten. Maßnahmen zur Dämpfung seien nicht Gegenstand des Genehmigungsantrags und auch nicht nachgewiesen wirksam. Der Auffassung der Klägerin, die Beigeladene könne sich nicht auf den Belang „Wissenschaft“ berufen, werde entgegengetreten. Als geowissenschaftliches Kompetenzzentrum berate und informiere die BGR die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft in allen geowissenschaftlichen und rohstoffwissenschaftlichen Fragen. Ihre Arbeit diene einer ökonomisch und ökologisch vertretbaren Nutzung und Sicherung natürlicher Ressourcen und somit der Daseinsvorsorge. Als Bundesoberbehörde sei die BGR Bestandteil der wissenschaftlich-technischen Infrastruktur Deutschlands und übernehme auch gesetzlich festgelegte Aufgaben. Die GBR sei darüber hinaus Träger des nationalen seismologischen Dienstes und Betreiber seismologischer Messeinrichtungen. Sie habe die Funktion des Nationalen Datenzentrums übernommen. Dieses erfasse alle Verifikationstechnologien. Darüber hinaus erfülle sie im Zusammenhang mit dem Kernwaffenteststoppvertrag Beratungsleistungen in geologischen und geophysikalischen Fragestellungen gegenüber der Bundesregierung, der Industrie und der Öffentlichkeit. Dass der Kernwaffenteststoppvertrag nicht in Kraft sei, treffe zwar zu, jedoch seien Deutschland im Vorfeld des Inkrafttretens bereits Verpflichtungen auferlegt worden. Nicht zuletzt stehe die BGR in der Verantwortung, den Datenschatz auch für internationale seismologische Communities bereit zu halten. Eine Vielzahl internationaler Forschungsprojekte nutze den Datensatz. Soweit die Klägerin behauptet, die seismologischen Stationen seien baurechtlich illegal, entbehre dies jeglicher Grundlage. Die Stationen bedürften keiner Baugenehmigung.
Am 29. Februar 2016 hat das Verwaltungsgericht mit den Beteiligten die Streitsache mündlich verhandelt.
Am 1. Juli 2016 ist durch das Gericht ein Beweisbeschluss erlassen worden. In seiner Nr. I.1 bezieht er sich auf die Fragen, ob die von der GuD vorgenommene Messung geeignet ist, die von der streitgegenständlichen Windkraftanlage ausgelösten Schwingungen abzuschätzen, falls nein, ob es eine wissenschaftliche Methode gibt, die Übertragung der Schwingungen von Windkraftanlagen auf den Boden zu ermitteln, falls ja, ob die vorgenommenen Ermittlungen zu den Geländeverhältnissen am streitgegenständlichen Standort ... geeignet sind, das Schwingungsverhalten der Anlagen an diesem Standard abzuschätzen, und ob in diesem Fall die vorgenommenen Ermittlungen auch geeignet sind, die Schwingungen in weiterer Entfernung vom Standort der Anlage abzuschätzen. Nr. I.2 des Beweisbeschlusses betrifft die Frage, ob eine Tiefengründung wie im Gutachten beschrieben, die an den Boden übertragenen Schwingungen relevant verringert, wie stark dies von den konkreten Standortbedingungen abhängig ist und bis in welche Tiefe diese für die Beurteilung bekannt sein müssen.
Mit Schreiben vom 5. August 2016, bei Gericht eingegangen am 11. August 2016, hat der mit dem Gutachten beauftragte Prof. Dr. W... zu den vorstehenden Fragen Stellung genommen. Zur Nr. I.1 des Beweisbeschlusses wird ausgeführt, dass die von der GuD benutzten Messungen und deren Auswertung nicht in der Lage seien, die von der streitgegenständlichen Windkraftanlage verursachten Schwingungen an der seismologischen Messstation GRB 5 abzuschätzen. Die Methodik der GuD, die Schwingungen modellhaft im Nahfeld der Windkraftanlage zu erfassen, sei mit den sie validierenden Messungen prinzipiell akzeptabel, erfordere aber eine Fehleranalyse, die nicht geleistet worden sei. Unabhängig davon könne dieser modellierte Eintrag in die Erde nicht ohne Kenntnisse der elastischen Struktur und der Dämpfungseigenschaften auf dem Ausbreitungs Weg von der Windkraftanlage in 3 oder 4 km Entfernung prognostiziert werden. Die erforderlichen Kenntnisse müssten einen Tiefenbereich von ca. 2 km einbeziehen. Die sicherlich zuverlässigste Methode für die Prognose von Bodenschwingungen sei die direkte Messung der Auswirkung in den relevanten Entfernungen, wobei der Einfluss der Baugrundeigenschaft auf das Signal am Standort der seismologischen Station berücksichtigt werden sollte. Die Nr. I.2 des Beweisbeschlusses wurde dahingehend beantwortet, dass das in Bild 8-5 gezeigte Ergebnis einer Rechnung der GuD für den Standort ... mit sechs 15 mtiefen Pfählen einen reduzierten Übertragungsfaktor einer horizontalen Einheitskraft am Turmkopf auf die Fundamentschwingungen zeige, daraus aber keine Reduzierung der Bodenbewegung in mehreren Kilometer Entfernung folge.
Die Richtigkeit dieser Begutachtung wurde von Klägerseite infrage gestellt. Die Klägerin trägt nach Vorlage einer Sensitivitätsanalyse u.a. vor, dass einen endgültigen Aufschluss eine messtechnische Untersuchung vor Ort erbringen könnte. Dabei könnte mittels einer künstlichen Anregungsquelle direkt am geplanten Standort der Windenergieanlage eine hohe dynamische Kraft in den Untergrund eingeprägt werden und die hieraus resultierenden Bodenschwingungen auch bis Entfernungen von 1 bis 2 km messtechnisch ermittelt werden.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 7. April 2017 ist der Gutachter gebeten worden, zu den hinsichtlich seiner Begutachtung erfolgten Einwendungen der Klägerseite Stellung zu nehmen.
Am 6. Juni 2017 hat das Verwaltungsgericht Regensburg die Beteiligten auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 24. Januar 2017 (M 1 K 14.1682 – juris) hingewiesen und dieses zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Seitens des Gerichts ist ausgeführt worden, dass die Berufsrichter der 7. Kammer nach vorläufiger Einschätzung der Auffassung des Verwaltungsgerichts München folgen, wonach Nr. 7.3.4 des Bayerischen Windenergieerlasses vom 19. Juni 2016 als ein antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität anzusehen sei, das nicht ohne fachlichen Grund außer Acht gelassen werden dürfe. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu gegeben und mitgeteilt worden, dass das Gericht im Hinblick auf diese vorläufige Rechtsauffassung den Gutachter gebeten hat, einstweilen von der angeforderten Stellungnahme abzusehen.
Am 19., 28. und 30. Juni 2017 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne (weitere) mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf die Inhalte der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO), hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid des Landratsamtes ... vom ..., in dem der Genehmigungsantrag der Klägerin hinsichtlich der Errichtung und des Betriebs einer Windkraftanlage vom Typ REpower 3.2 M/114/143m mit einer Leistung von 3,2 MW und einer Gesamthöhe von 200 mauf dem Grundstück FlNr. 386/2 der Gemarkung ..., Gemeinde S..., abgelehnt wurde, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die mit der Klage zuletzt begehrte Verpflichtung des Beklagten, über ihren Genehmigungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO). Vom Landratsamt wurde nämlich – auch zum bei Verbescheidungsklagen maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 113 Rn. 217, 218) – zu Recht die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens verneint.
Die Errichtung und der Betrieb der streitgegenständlichen Windkraftanlage sind aufgrund ihrer Gesamthöhe von 200 mgemäß § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 4. BImSchV i.V.m. Nr. 1.6.2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig, aber nicht genehmigungsfähig. Denn die Einhaltung des § 6 BImSchG ist nicht sichergestellt.
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG hat die zuständige Behörde eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass unter anderem die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ist eine genehmigungsbedürftige Anlage so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Die Formulierung „können“ drückt hierbei aus, dass die Grundpflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG bereits die Abwehr potenzieller Risiken bezweckt, es also um einen vorbeugenden Gefahrenschutz geht (vgl. Dietlein in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand 1. Mai 2017, Rn. 61 zu § 5 BImSchG).
Hieran gemessen erweist sich das Vorhaben der Klägerin als nicht genehmigungsfähig. Denn es ist mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die beantragte Windkraftanlage die Messstation GRB 5 der Beigeladenen (bei Ö...B...) und damit das Gräfenberg-Array als Gesamtanlage in seiner Funktion erheblich beeinträchtigt und dadurch erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG hervorruft. Zu diesem Ergebnis kommt das Gericht ohne dem Beklagten oder Beigeladenen einen Beurteilungsspielraum oder eine Einschätzungsprärogative einzuräumen.
Das Gericht hat keine Zweifel, dass die Funktionsfähigkeit der Messstationen der Beigeladenen im Gräfenberg-Array, zu dem auch die GRB 5 gehört, der Allgemeinheit dient und deswegen von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG geschützt ist. Die Beigeladene hat zur Bedeutung der Messstation GRB 5 und der anderen Messstationen im Gräfenberg-Array Folgendes dargelegt: Die Messstation GRB 5 stelle einen Teil des Verbundes des Gräfenberg-Arrays dar, das aus 13 seismologischen Breitbandstationen bestehe und zwischen den Jahren 1975 und 1980 als weltweit erstes digitales seismologisches Breitband-Array errichtet worden sei. Es liefere die zeitlich am weitesten zurückreichende digitale Breitbanddatenbasis in Deutschland. Sämtliche seit 1976 weltweit stattgefundenen Kernsprengungen würden in diesen Messstationen aufgezeichnet. Die Messstation GRB 5 sei als Teil des Gräfenberg-Arrays ein wesentlicher Baustein der Infrastruktur zur Begegnung nuklearer und radiologischer Bedrohungen. Als solche sei das Gräfenberg-Array auch für die Landesverteidigung von großer Bedeutung, da die Bundeswehr zur Messung von militärischen Nuklearversuchen kein eigenes Netz von Erdbebenmessstationen zur Ortung und Einschätzung von nuklearen und chemischen Explosionen unterhalte. Des Weiteren seien die seismologischen Messeinrichtungen zur Warnung vor Erdbeben für den Zivil- und Katastrophenschutz äußerst wichtig. Die Registrierung der Signale in unveränderter Qualität und Konfiguration sowie der Vergleich mit den bisher aufgezeichneten Daten seien unverzichtbar, auch im Hinblick auf das Kernwaffenteststoppabkommen. Die Erkenntnisse aus den Messstationen würden zur Beratung und Information der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft in allen geowissenschaftlichen und rohstoffwissenschaftlichen Fragen genutzt. Der durch die Messeinrichtungen gewonnene Datenschatz werde auch für internationale seismologische Communities und für internationale Forschungsprojekte bereitgehalten.
Aus diesen Darlegungen ergibt sich für das Gericht nachvollziehbar das Allgemeinwohlinteresse an der Funktionsfähigkeit der Messstation GRB 5 als Teil der Messstationen im Gräfenberg-Array, insbesondere im Hinblick auf die Erdbebenerkennung. Wenn die Klägerseite die Bedeutung der Erdbebenerkennung relativiert, da in Deutschland eine unmittelbare Gefährdung nicht vorliege, überzeugt das nicht; es besteht nämlich auch in nicht unmittelbar gefährdeten Gebieten ein Allgemeinwohlinteresse an der Erdbebenerkennung. Im Übrigen rechtfertigt sich der Allgemeinwohlbezug der Messstationen im Gräfenberg-Array auch aus den anderen genannten Zwecken. Ob die Messstation GRB 5 bzw. das GRF-Array insgesamt im Hinblick auf den Kernwaffenteststoppvertrag relevant ist oder nur – wie von Klägerseite vorgetragen – die Primärstation GERES oder die in der Antarktis, bedarf keiner Würdigung. Denn die Beigeladene hat nachvollziehbar dargelegt, dass die Messstationen im Gräfenberg-Array unabhängig vom Kernwaffenteststoppvertrag unverzichtbare und im Allgemeinwohlinteresse liegende Daten zur Bewertung, Begegnung und Prävention nuklearer und radiologischer Bedrohungen liefern.
Das Gericht geht davon aus, dass die beantragte Windkraftanlage erhebliche Nachteile für das dargelegte Allgemeininteresse an der Funktionsfähigkeit der Messstationen GRB 5 und des Gräfenberg-Arrays als Gesamtsystem hervorruft.
Soweit die Klägerin dem entgegenhält, dass die Messstation GRB 5 aufgrund der Vorbelastungen bzw. Störfaktoren durch eine Windkraftanlage, eine Bundesstraße, eine Staats Straße, eine Betonmischanlage und Deponien für Erdaushub/Schutt nicht mehr funktionsfähig bzw. schutzwürdig ist, vermag sie damit nicht durchzudringen. Die Beigeladene hat insoweit nachvollziehbar erläutert, dass im Bereich der Messstation GRB 5 zwar eine Beeinträchtigung von bestimmten Frequenzbereichen bestehe, insbesondere aber nicht ausschließlich im Frequenzbereich von 2 bis 7 Hz keine Beeinträchtigung vorliege. Diese Erläuterungen hat die Klägerin nicht substantiiert in Frage stellen können. Wenn sie darauf verweist, dass dann auch die beantragte Windkraftanlage unproblematisch sein müsste, verkennt sie, dass die genannten Störfaktoren entweder (auch wegen ihrer Kurzzeitigkeit) gar nicht relevant sind oder von der Relevanz her mit der beantragten Windkraftanlage hinsichtlich ihres durch Höhe und Leistung verursachten Störpotentials nicht vergleichbar sind. Ein Bauwerk wie die beantragte Windkraftanlage mit 200 m Gesamthöhe und 2 MW Nenn-Leistung stellt wegen der Gesamtmasse und der Verbindung mit dem Boden mittels eines Fundaments einen ganz anderen Störfaktor dar als die von Klägerseite aufgezählten Anlagen. Der Energieeintrag in den Boden ist offensichtlich nicht annähernd vergleichbar mit dem angeführten Deponiebetrieb, dem Betonmischwerk und dem Auto- oder LKW-Verkehr auf den Straßen. Gleiches gilt für die in der Nähe befindlichen Windkraftanlagen, da es sich hierbei nur um eine Kleinwindkraftanlage bzw. eine Anlage (ENERCON-40) mit einer Höhe von nur 85 mhandelt. Die Beigeladene bzw. Allgemeinheit hat damit ein schützenswertes Interesse, wenigstens die nicht beeinträchtigten Frequenzbereiche im jetzigen Zustand zu erhalten und Summationswirkungen durch hinzutretende Windenergieanlagen zu vermeiden. An frühere Zustimmungen zu Windkraftanlagen ist die Beigeladene nicht gebunden, erst Recht dann nicht, wenn neue Erkenntnisse zur Störqualität gegeben sind.
Die demnach noch gegebene Funktionalität der Messstation wird – davon geht das Gericht aus – durch die beantragte Windkraftanlage auch erheblich beeinträchtigt mit im Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblichen nachteiligen Folgen für die Allgemeinheit. Dies ergibt sich daraus, dass die streitgegenständliche Windkraftanlage bezogen auf die Breitbandmessstation GRB 5 den in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. bder Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen (Windenergie-Erlass – BayWEE) vom 19. Juli 2016 (AllMBl 2016 S. 1642) genannten absoluten Mindestabstand von 5 km nicht einhält.
Der Windenergie-Erlass enthält zu den Erdbebenmessstationen folgende Festlegungen:
„7.3.4 Erdbebenmessstationen
1Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover (BGR) und der Erdbebendienst Bayern betreiben im Rahmen völkerrechtlicher Vereinbarungen, der staatlichen Daseinsvorsorge und im internationalen wissenschaftlichen Verbund mehrere seismische Messstationen. 2Die durch WEA erzeugten Erschütterungen führen über die Erhöhung des Rausch- und Störpegels in jedem Fall zu einer Verschlechterung der Detektions- und Auswertegenauigkeit der seismischen Messdaten bis hin zum Ausschluss der Nutzbarkeit der Anlage. 3Zur Vermeidung dieser Auswirkung bleibt als wirksames Gegenmittel bis auf Weiteres einzig der genügend große Abstand der WEA zu den Erdbebenmessstationen. 4Folgende Abstandsflächen sind daher einzuhalten:
a) Station GERES bei ... der BGR; (...); es ist ein Mindestabstand von 15 km einzuhalten, innerhalb dessen die Errichtung von WEA unzulässig ist;
b) Breitbandstationen der BGR (Gräfenberg-Array): (...), Ö... (GRB5), (...); es ist ein Mindestabstand von 5 km einzuhalten, innerhalb dessen die Errichtung von WEA unzulässig ist;
c) Breitbandstationen des Bayerischen Erdbebendienstes: (...); es ist ein Mindestabstand von 3 km einzuhalten, innerhalb dessen die Errichtung von WEA unzulässig ist; im weiteren Bereich bis 5 km sind Einzelfallprüfungen vorzunehmen;
d) Weitere Messstationen des Bayerischen Erdbebendienstes: (...); es ist ein Mindestabstand von 1 km einzuhalten, innerhalb dessen die Errichtung von WEA unzulässig ist; im weiteren Bereich bis 2 km sind Einzelfallprüfungen vorzunehmen.
5Die vorstehenden Abstandsradien ergeben sich aus dem bekannten seismischen, akustischen und seismo-akustischen Störverhalten der WEA. 6Sie spiegeln die unterschiedlichen Mindestanforderungen der verschiedenen seismischen Netzwerke entsprechend der jeweiligen Aufgabenstellung und der daraus resultierenden Anforderungen an den Frequenzbereich, die Empfindlichkeit und die Qualität der Aufzeichnung wider. 7Die Positionen der Messstationen inklusive der Schutzradien und der Links zu den jeweiligen Betreibern finden sich im Energie-Atlas Bayern.“
Diese Bestimmungen in Nr. 7.3.4 BayWEE beanspruchen zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung Geltung, da sie nach Nr. 12 Satz 1 BayWEE am 1. September 2016 in Kraft und die bis dahin anwendbaren Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen vom 20. Dezember 2011 (AllMBl 2012 S. 34) mit Ablauf des 31. August 2016 außer Kraft getreten sind (Nr. 12 Satz 2 BayWEE).
Der Windenergie-Erlass unterscheidet zwischen absoluter Unzulässigkeit von Windkraftanlagen innerhalb eines bestimmten Kilometer-Radius und zwischen Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit nach einer Einzelfallprüfung. Bezogen auf die Messstation der Beigeladenen mit der Bezeichnung GRB 5 (bei Ö...) sind nach Nr. 7.3.4 Satz 4 b) BayWEE Windkraftanlagen absolut unzulässig im Umkreis von einem Radius von 5 km. Eine Einzelfallprüfung ist nicht vorgesehen.
Damit folgt aus dieser Bestimmung die absolute Unzulässigkeit der beantragten Windkraftanlage, nachdem sie nur einen Abstand von 3,4 km zur Messstation GRB 5 aufweist. Aus den Sätzen 2 und 3 von Nr. 7.3.4 BayWEE ergibt sich, dass die durch Windkraftanlagen erzeugten Erschütterungen über die Erhöhung des Rausch- und Störpegels in jedem Fall zu einer Verschlechterung der Detektions- und Auswertegenauigkeit der seismischen Messdaten bis hin zum Ausschluss der Nutzbarkeit der Anlage führen, wenn sie nicht den in Nr. 7.3.4 Satz 4 BayWEE geforderten Abstand zu den Erdbebenmessstationen einhalten. Unter Zugrundelegung dieser Aussagen kommt damit die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der streitgegenständlichen Windkraftanlage nicht in Betracht.
Die Bewertungen des Windenergie-Erlasses in Nr. 7.3.4 stellen nach Auffassung des Gerichts keine lediglich normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, sondern ein für die Gerichte grundsätzlich verbindliches „antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität“ dar, wie es der Bayerische Verwaltungsgerichtshof schon für andere Regelungen im Windenergie-Erlass angenommen hat (vgl. BayVGH, B.v. 29.12.2016 – 22 CS 16.2162 unter Verweis auf U.v. 18.6.2014 – 22 B 13.1358 – jeweils juris). Ein solches „antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität“ darf von der zuständigen Genehmigungsbehörde und auch vom Gericht nicht ohne fachlichen Grund oder ohne gleichwertigen Ersatz außer Acht gelassen werden (vgl. BayVGH, U.v. 18.6.2014 – 22 B 13.1358 – NuR 2014, 736 – juris).
Dies gilt (wie bei den Vorgaben zur artenschutzfachlichen Prüfung) auch für die Vorgaben zu den Messstationen, weil insoweit besonderer Sachverstand und besondere Erfahrungswerte in die Regelung Nr. 7.3.4 BayWEE eingeflossen sind. Zur Begründung wird auf folgende Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts München (U.v. 24.1.2017 – M 1 K 14.1682 – juris) verwiesen, das zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurde:
„Die in Nr. 7.3.4 BayWEE enthaltene Aussage, dass zur Vermeidung der genannten Störauswirkungen als einziges wirksames Gegenmittel bis auf Weiteres der genügend große Abstand der Windkraftanlage zu den dort im Einzelnen näher genannten Erdbebenmessstationen einzuhalten ist, beruht – wie die Erläuterungen des Vertreters des Erdbebendienstes Bayern in der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2017 ergeben haben – auf landesweit fachlichen Erkenntnissen und Erfahrungen und lässt – jedenfalls bezogen auf das Gräfenberg-Array (Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE) – regionale und lokale Partikularinteressen in den Hintergrund treten (vgl. BayVGH, U.v. 18.6.2014 – 22 B 13.1358 – NuR 2014, 736 – juris Rn. 45). Das LfU Bayern hat in Zusammenarbeit mit der LMU München landesweit die Erfahrungen der in Bayern tätigen Erdbebenmessdienste einschließlich der Bundesanstalt ausgewertet. Dabei wurden Erkenntnisse über Störeinträge durch bereits bestehende Windkraftanlagen berücksichtigt. Ferner wurde nach Funktion und Technik der verschiedenen Arten von Messstationen differenziert. Auf dieser Grundlage wurde bestimmt, wie groß die Entfernung zwischen den Messstationen und Windkraftanlagen sein muss, um nicht hinnehmbare Störungen zu vermeiden.
Nach den Erläuterungen des Seismologen Dr. J. W. in der letzten mündlichen Verhandlung haben Untersuchungen des Erdbebendienstes Bayern und der LMU München seit 2011 ergeben, dass bereits Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von bis zu 70 mdurch die von ihnen erzeugten Erschütterungen auf Erdbebenmessstationen einwirken und die Messergebnisse dieser Stationen beeinflussen können. Der Vertreter des Erdbebendienstes Bayern hat schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass aus heutiger Sicht bereits die für Erdbebenmessstationen außerhalb des Gräfenberg-Array vorgesehenen Mindestabstände (Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. c BayWEE: Breitbandstationen des Erdbebendienstes Bayern – Mindestabstand: 3 km; Einzelfallprüfung im Bereich zwischen 3 km und 5 km; Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. d BayWEE: Weitere Messstationen – Mindestabstand: 1 km; Einzelfallprüfung im Bereich zwischen 1 km und 2 km Mindestabstand) zu gering gewählt wurden. Zur Sicherung des aus 13 aufeinander bezogenen Breitbandmessstationen bestehenden Gräfenberg-Array ist es in Anbetracht dieses Befundes nachvollziehbar, im Unterschied zu den Vorgaben unter Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. c und d BayWEE zu den dort genannten Messstationen für die Breitbandstationen der Bundesanstalt einen Mindestabstand von einheitlich 5 km ohne Einzelfallprüfung innerhalb dieses Bereichs vorzusehen. (...).
Die Staffelung der Mindestabstände je nach Bedeutung der Messstationen und ihrer Messergebnisse zwischen 1 und 15 km und die Zulassung von Einzelfallprüfungen – jedenfalls bei bestimmten Mindestabständen bestimmter Messstationen des Erdbebendienstes Bayern – zeigt das Bestreben des Beklagten, bei Erlass von Nr. 7.3.4 BayWEE einen differenzierten und verhältnismäßigen Ausgleich zwischen der Notwendigkeit sicherer und störungsfreier seismologischer Messungen einerseits und der Zulassung von Windkraftanlagen andererseits auch in der Nähe zu solchen Messstationen vorzunehmen.“
Auf Grund des antizipierten seismologischen Sachverständigengutachtens in Nr. 7.3.4 BayWEE, wonach erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG bei Nichteinhaltung des Mindestabstands von 5 km zur Station GRB 5 hervorgerufen werden, kommt es auf einen konkreten Nachweis der Störung der Messergebnisse der GRB 5-Station durch die beantragte Windkraftanlage nicht an (so auch VG München a.a.O.). Zudem ist zu berücksichtigen, dass der in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE genannte Mindestabstand von 5 km im vorliegenden Fall erheblich (um 1,6 km) unterschritten wird.
Ungeachtet der absoluten Unzulässigkeitsvorgabe in Nr. 7.3.4 Satz 4 b) BayWEE dürfte aber dann etwas anderes gelten, wenn die Annahmen bzw. Vorgaben des Windenergie-Erlasses im Einzelfall substantiiert erschüttert werden. Das folgt daraus, dass es sich beim Windenergie-Erlass nicht um Rechtsnormen handelt, sondern um ein antizipiertes Sachverständigengutachten, das im Hinblick auf Mindestabstände – wie aufgeführt – nach Bedeutung und Funktion der Messstationen differenziert und aufgrund der bisher vorliegenden Erkenntnisse grundsätzlich – also im Sinne einer Vermutung – davon ausgeht, dass sich die Detektions- und Auswertgenauigkeit der seismischen Messdaten der Messstationen des Gräfenberg-Arrays bei Unterschreitung dieses Mindestabstandes so verschlechtern, dass damit erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit verbunden sind.
Die Annahmen des Windenergie-Erlasses sind vorliegend jedoch nicht substantiiert erschüttert. Die Klägerin hat sich mit den Hinweisen in Nr. 7.3.4 BayWEE und den Erkenntnissen des LfU, der LMU München, des Bayerischen Erdbebendienstes und der Beigeladenen, die als besondere fachliche Expertise in die Regelung der Nr. 7.3.4 BayWEE eingeflossen ist, nicht hinreichend fachlich konkret auseinandergesetzt, geschweige denn ihre Richtigkeit erschüttert. Es wird lediglich darauf verwiesen, dass pauschale Mindestabstände nicht zulässig seien, sondern im Einzelfall eine erhebliche Störung nachzuweisen sei. Dies genügt jedoch wie dargestellt angesichts der Qualifizierung der Nr. 7.3.4 Satz 4 b) BayWEE als „antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität“ nicht.
Vielmehr hat vorliegend die Beigeladene als für derartige Fachfragen zuständige Bundesbehörde und geowissenschaftliches Kompetenzzentrum plausibel dargelegt, dass die angenommenen erheblichen Beeinträchtigungen der Funktion der einzelnen Messstationen und des Arrays als Gesamtsystem auf systematischen Untersuchungen und Auswertungen des Einflusses von hinzukommenden Windkraftanlagen gerade auf das Gräfenberg-Array beruht. Der sich daraus für die BGR ergebende Abstand von 5 km sei ausschließlich für das Gräfenberg-Array ermittelt worden. Dies sei mit der vergleichbaren geologischen Struktur der obersten Erdschichten (bis in eine Tiefe von mehreren hundert Metern begründet). Innerhalb dieses Radius seien erhebliche Störeinträge auf die Messungen festgestellt worden. Die Erhaltung der bisherigen hohen Auflösungsfähigkeit des GRF-Arrays, die sich in einer möglichst niedrigen Detektionsschwelle äußert, ist danach für die Aufgabenwahrnehmung essentiell. Hinzu kommt, dass die Beigeladene auf einen historischen Datenbestand des GRF-Arrays als Referenz zurückgreifen und Dritten zur Verfügung stellen kann, dessen Wert durch weitere Verschlechterungen der Funktion des Arrays weiter verliert. Nach den Erkenntnissen des Gerichts besteht schließlich auch kein Anlass, die Aussage der BGR in Zweifel zu ziehen, dass es bisher keine verlässliche, allgemein anerkannte Methode gibt, um die Auswirkungen von geplanten Windkraftanlagen auf benachbarte seismologische Messstationen berechnen zu können.
Auch das von der Klägerin vorgelegte Gutachten der GuD ändert hieran nichts, zum einen, weil es sich mit den fachlichen Erkenntnissen und über einen längeren Zeitraum gewonnenen Erfahrungen, die der Regelung in Nr. 7.3.4 BayWEE zugrunde liegt, nicht hinreichend inhaltlich auseinandersetzt, zum anderen weil es einen Ansatz verfolgt, der aus Sicht des Gerichts einen geringen Erkenntniswert hat. Denn das Gutachten hat, unabhängig davon, ob ihm angesichts der Beurteilung durch den gerichtlichen Gutachter Prof. Dr. W... und der Beigeladenen überhaupt gefolgt werden kann, nur Aussagekraft im Hinblick auf die Erschütterungsauswirkungen einer Windkraftanlage im Nahbereich (1 km). Für eine Beurteilung eines größeren Wirkbereichs bemüht es eine Prognose, der erhebliche Unsicherheiten immanent sind. Dies gesteht auch die Klägerseite ein, wenn sie im Schriftsatz vom 31. Oktober 2016 ausführt, dass einen endgültigen Aufschluss eine messtechnische Untersuchung vor Ort erbringen könnte, wenn mittels einer künstlichen Anregungsquelle direkt am geplanten Standort der Windenergieanlage eine hohe dynamische Kraft in den Untergrund eingeprägt wird und die hieraus resultierenden Bodenschwingungen auch bis Entfernungen von 1 bis 2 km messtechnisch ermittelt werden. Im Übrigen beruhen die Erkenntnisse der Beigeladenen bzw. die aus dem Windenergie-Erlass auf über viele Jahre in verschiedenen Abstandsbereichen gemessenen Werten bezogen auf mehrere Windkraftanlagen, die Ergebnisse aus dem GuD-Gutachten nur auf zwei- bis dreitägigen Messungen bezogen auf einen Standort. Vor diesem Hintergrund kann es dahingestellt bleiben, ob die Kritik am GuD-Gutachten durch den gerichtlichen Gutachter berechtigt ist oder nicht.
Soweit sich die Klägerin auf ein Herausrechnen der Störsignale beruft, vermag sie damit nicht durchzudringen. Denn aus den genannten Bestimmungen des Windenergie-Erlasses, die die Klägerin nicht durch substantiierte Einwendungen mit vergleichbarer fachlicher Art und Qualität erschüttern konnte, folgt, dass Mindestabstände bis auf Weiteres die einzige Möglichkeit zum Schutz der Messstationen darstellen. Gleiches gilt hinsichtlich des Einwands auf Klägerseite, es müssten als milderes Mittel Schutzauflagen verfügt werden. Im Übrigen führt in diesem Zusammenhang die Beigeladene nachvollziehbar im Sinne der Regelungen des Windenergie-Erlasses aus, dass die von Klägerseite vorgeschlagenen Maßnahmen nicht geeignet seien, die erhebliche Beeinträchtigung der Station GRB 5 durch die beantragte Windenergieanlage zu beseitigen. Die Störsignale würden Wellenanteile mit einer Wellenlänge im Bereich von mehreren hundert Metern bis 1 km besitzen. Diese würden in den vorkommenden Frequenzteilen bei etwa 1 Hz und der S-Wellenausbreitungsgeschwindigkeit in den oberen 300 bis 400 mder Kalkschicht von grob 1 km/s liegen. Es gebe derzeit keine umsetzbaren Maßnahmen, welche nachweisbar die Übertragung von Signalen dieser Wellenlänge vermeiden würden. Solche Maßnahmen seien weder im Gräfenberg-Array noch im sonstigen Bundesgebiet erprobt. Die Erschütterungssignale der Windenergieanlagen heraus zu rechnen, wie von Klägerseite vorgebracht, ist nach den Ausführungen der Beigeladenen nicht zielführend. Grund sei ein Inversionsproblem, das in der Seismologie häufig thematisiert werde und worüber ausreichende Erfahrungen vorlägen. Das Quellsignal könne nur mäßig gut bzw. nicht hinreichend genau erfasst werden wegen der ungenauen Kenntnis des Ausbreitungsmediums bis in 1 km Tiefe. Aber selbst wenn es gelänge, die Quellsignale quantitativ ausreichend genau zu erfassen, wäre eine Herausrechnung nicht möglich, weil die Untergrundstruktur im relevanten Bereich zwischen Windenergieanlage und Messstation nicht genügend bekannt sei und sich die Störsignale der Windenergieanlage mit dem natürlichen Rauschen überlagern würden. Sie könnten dann in dem Bereich, in dem sie vergleichbare Amplituden hätten, nicht mehr getrennt werden, wenn beide in gleicher Größenordnung zu den Signaleinträgen beitrügen. Die Abschaltungslösung scheitere bereits daran, dass die erhebliche Beeinträchtigung durch Windenergieanlagen gerade darin bestehe, dass verdächtige Signale gar nicht erst wahrgenommen werden könnten.
Auch diese Stellungnahme der Beigeladenen hält das Gericht, zumal sie im Einklang mit dem antizipierten Sachverständigengutachten von hohem Gewicht stehen, für hinreichend plausibel und nicht durch substantiierte Einlassungen der Klägerin für erschüttert. Soweit die Klägerin hinsichtlich der Dämpfungsmöglichkeiten auf eine Studie von Styles et al. verweist, macht die Beigeladene zu Recht geltend, dass solche Maßnahmen nicht Antragsgegenstand sind; im Übrigen beruft sich die Beigeladene nachvollziehbar darauf, dass damit die Wirksamkeit von Dämpfungsmaßnahmen am konkret beantragten Standort im Gräfenberg-Array mit einem Abstand von 3,4 km nicht nachgewiesen ist, nachdem sich die Studie auf Windkraftanlagen mit einem Mindestabstand von 15 km Radius bezog.
Da es aus den dargelegten Gründen an den Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG fehlt, kommt es auf die Frage der Genehmigungsfähigkeit nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 35 BauGB, worauf der Beklagte maßgeblich rechtlich abgestellt hat, an sich nicht mehr an. Das Gericht stützt seine Entscheidung dennoch selbständig tragend auch darauf, dass das Vorhaben zudem nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 35 BauGB nicht genehmigungsfähig ist.
Die Funktionsfähigkeit von Erdbebenmessstationen stellt nach Auffassung der Kammer einen ungeschriebenen öffentlichen Belang im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB dar, der privilegierten Vorhaben wie Windkraftanlagen nach § 35 Abs. 1 BauGB entgegenstehen kann. Dabei kann im Ergebnis vorliegend dahinstehen, ob man insoweit auf eine entsprechende Anwendung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB zurückgreift (so VG Aachen, B.v. 02.09.2016 – 6 L 38/16; wohl auch OVG Münster, B.v. 09.06.2017 – jeweils juris) oder auf das Rücksichtnahmegebot als ungeschriebenen Belang abstellt. Nach den vorstehenden Ausführungen ist von einer Störung der Funktionsfähigkeit der Messstation GRB 5 und des Gesamt-Arrays mit hinreichender Gewichtigkeit auszugehen. Im Hinblick darauf kommt das Gericht auch zu dem Ergebnis, dass dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung weiterer Verschlechterungen der Funktionsfähigkeit der Messstation als Teil des GRF-Arrays bei der nachvollziehenden Abwägung im Rahmen des „Entgegenstehens“ nach § 35 Abs. 3 BauGB bzw. der Bewertung der Zumutbarkeit beim Rücksichtnahmegebot der Vorrang gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der Klägerin und dem öffentlichen Interesse am Ausbau der Gewinnung erneuerbarer Energie einzuräumen ist.
Insoweit ist von Belang, dass hier jeweils nach § 35 Abs. 1 BauGB im Außenbereich privilegiert zulässige Vorhaben in Konflikt stehen. Insoweit hat die Klägerin nachvollziehbar dargestellt, dass die hochsensiblen Messstationen zur Vermeidung von Erschütterung des Bodens durch anthropogene Einflüsse im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB wegen ihrer besonderen Anforderungen an die Umgebung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen. Soweit die Klägerin einwendet, die Messstation sei nicht schutzwürdig, weil sie baurechtlich nicht genehmigt sei, so folgt dem das Gericht nicht. Es spricht bereits viel dafür, dass die Messstationen jedenfalls zum Zeitpunkt ihrer Errichtung nicht genehmigungspflichtig waren. Art. 83 Abs. 1 Nr. 22 BayBO i.d.F. vom 1.10.1974 (GVBl 1974, 513) sah nämlich vor, dass die Errichtung von künstlichen Hohlräumen unter der Erdoberfläche mit einem Rauminhalt bis zu 50 cbm genehmigungsfrei war. Die Messstationen bestehen aus einem Seismometer als technisches Gerät, der sich zum Schutz vor Beschädigungen in einem Schacht unter der Erdoberfläche mit einer Tiefe von 3 m – 5 m und einem Durchmesser von ca. 2 m befindet, so dass die genannte Ausnahme greifen könnte. Dies bedarf aber keiner abschließenden Prüfung. Denn jedenfalls ist der Betrieb der Messstationen, die seit Jahrzehnten bestehen, von den zuständigen Bauaufsichtsbehörden zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt worden. Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass von Seiten des Beklagten zukünftig Beseitigungsverlangen gestellt werden würden. Vielmehr geht der Beklagte nach dem Windenergie-Erlass offenbar von der Schutzwürdigkeit der bestehenden Messstationen aus. Das Gericht nimmt infolge der baurechtlichen Privilegierung und der im Hinblick auf die angesprochene Beschaffenheit der Messstationen geringen Auswirkungen auf die Umgebung auch die Genehmigungsfähigkeit der Messstationen an, sollte eine Genehmigungspflicht dennoch gegeben sein. Eine eventuelle bloße formelle Baurechtswidrigkeit der Messstation vermag das Gewicht des mit ihrem Betrieb verbundenen öffentlichen Interessen im nachbarlichen Verhältnis zum Außenbereichsvorhaben der Klägerin nicht entscheidend zu schwächen (vgl. OVG Koblenz, U.v.13.1.2016 – 8 A 10535/15 – juris Rn. 115 zu einer Wetterradarstation). Im Rahmen der nachvollziehenden Abwägung streiten schließlich zugunsten des Schutzes des GRF-Arrays das angesprochene öffentliche Interesse am Betrieb der Messstationen sowie der besondere Umstand, dass neben der hohen Registrierqualität des GRF-Arrays der erfasste und verarbeitete Datenbestand über Jahrzehnte eine hohe Bedeutung als Referenzmaterial für aktuelle und künftige Ereignisse hat. Demgegenüber ergibt sich nicht, dass die geplante Windkraftanlage auf den konkret vorgesehenen Standort angewiesen ist, so dass es auch im Hinblick auf den Prioritätsgrundsatz geboten ist, dass die Windkraftanlage den geforderten Abstand von 5 km einhält.
Nach alledem hat das Landratsamt ... mit Bescheid vom ... auch zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu Recht den Genehmigungsantrag abgelehnt.
Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt (§ 154 Abs. 3 VwGO), weshalb es angemessen ist, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.
Die Berufung wurde gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, da es nach Auffassung des Gerichts grundsätzliche Bedeutung hat, ob bzw. inwieweit die Regelungen in Nr. 7.3.4 BayWEE Bindungswirkung für das Gericht haben.
Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht
Meta
27.07.2017
Urteil
Sachgebiet: K
Zitiervorschlag: VG Regensburg, Urteil vom 27.07.2017, Az. RO 7 K 14.1558 (REWIS RS 2017, 7195)
Papierfundstellen: REWIS RS 2017, 7195
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
Versagung der Genehmigung für Windkraftanlagen in der Nähe einer Erdbebenmessstation
RO 7 K 15.1736 (VG Regensburg)
Erforderlicher Mindestabstand zwischen Windkraftanlagen und Erdbebenmessstationen
Beeinträchtigung einer Erdbebenmessstation durch eine Windenergieanlage
Beeinträchtigung einer Erdbebenmessstation durch eine Windenergieanlage
4 B 24/20 (Bundesverwaltungsgericht)
Funktionsfähigkeit einer Erdbeben-Messstation als öffentlicher Belang
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