Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.12.2017, Az. 9 AZR 45/17

9. Senat | REWIS RS 2017, 847

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Gegenstand

Abfindung nach Altersteilzeit - Tarifauslegung


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 19. Dezember 2016 - 1 Sa 19/16 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt die Zahlung einer Abfindung gemäß § 6 Abs. 2 des Tarifvertrags zur Altersteilzeit für die Beschäftigten der [X.] vom 11. Dezember 1997 idF des [X.] vom 25. Oktober 2006 ([X.] [X.]).

2

Der am 3. Oktober 1952 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. August 1967 beschäftigt. Am 27./28. November 2006 vereinbarten die Parteien die Fortführung ihres Arbeitsverhältnisses als Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes ([X.]) und des [X.] [X.] im Blockmodell. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des [X.] sollte das Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Oktober 2015 enden. Weiter heißt es in § 9 Abs. 1 Satz 2 des [X.]:

        

„Der Arbeitnehmer ist sich bewusst, dass er dadurch bei seiner Altersrente bzw. Zusatzversorgungsrente, die unmittelbar im [X.] an das Ende des Arbeitsverhältnisses in Anspruch genommen wird, Abschläge hinnehmen muss.“

3

In dem im [X.] in Bezug genommenen [X.] [X.] heißt es, soweit maßgeblich, wie folgt:

        

„§ 6 Aufstockungszahlung

        

…       

        

(2) Beschäftigte, die nach Inanspruchnahme der Altersteilzeit eine Rentenkürzung zu erwarten haben, erhalten eine einmalige Abfindung brutto für netto. Die Abfindung beträgt für Beschäftigte, die bei Beginn der Altersteilzeit

        

-       

das 56. Lebensjahr noch nicht vollendet haben

4 Brutto-Monatsgehälter

        

-       

das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben

3 Brutto-Monatsgehälter

        

-       

das 59. Lebensjahr noch nicht vollendet haben

1,5 Brutto-Monatsgehälter.

        

…       

        

Die Abfindung wird zum Ende der Altersteilzeit gezahlt.“

4

Nach Beendigung seines [X.] bezog der Kläger nach dem [X.] der [X.] vom 17. September 2015 ab dem 1. November 2015 eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte.

5

Mit Schreiben vom 26. Oktober 2015 bat der Kläger die Beklagte erfolglos, die ihm nach dem [X.] [X.] zustehende Abfindung zu zahlen.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der tarifliche Abfindungsanspruch setze nicht voraus, dass tatsächlich eine Rentenkürzung eintrete. Ausreichend sei vielmehr, dass bei Abschluss des [X.] nach der damaligen gesetzlichen Regelung eine Rentenkürzung zu erwarten gewesen wäre.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.092,00 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der [X.] seit dem 1. November 2015 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die dagegen gerichtete Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen [X.] weiter.

Entscheidungsgründe

A. Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abfindung gemäß § 6 Abs. 2 [X.] [X.].

I. Dem Anspruch steht entgegen, dass der Kläger nach Beendigung des [X.] eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte gemäß § 236b Abs. 2 SGB VI in Anspruch nehmen konnte. Denn der Anspruch auf die tarifliche Abfindung setzt voraus, dass nach Beendigung des [X.] tatsächlich eine Rentenkürzung eintritt. Dies ergibt die Tarifauslegung.

1. Entgegen der Auffassung der Revision folgt aus dem Wortlaut der Tarifnorm nicht, dass für den Anspruch auf Abfindung allein das bei Abschluss des [X.] geltende gesetzliche Rentenrecht maßgeblich sein soll. Der Wortlaut des § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.] [X.] spricht eher für eine real eintretende Rentenkürzung nach Beendigung des [X.]. Mit dem Begriff „erwarten“ wird ausgedrückt, dass man fest mit dem Eintreten eines Ereignisses rechnet (vgl. [X.] [X.]. S. 1075). Da das Ereignis in der Zukunft liegt, kann sich die Erwartung auch nur auf die in der Zukunft liegende Rechtslage beziehen. Die Wortwahl „zu erwarten haben“ greift dabei lediglich den Umstand auf, dass die Rentenzahlung sich nicht unmittelbar an die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis anschließt, sondern erst nach der Beendigung des [X.] fällig wird. Deshalb bestimmt § 6 Abs. 2 Satz 4 [X.] [X.], dass die Abfindung zum Ende der Altersteilzeit gezahlt werden soll. Der Auslegung des [X.], es sei der Zeitpunkt des Abschlusses des [X.] maßgeblich, steht der Wortlaut des § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.] [X.] entgegen. Danach kommt es nicht darauf an, ob Beschäftigte bei Abschluss des [X.] Rentenkürzungen zu erwarten haben. Maßgeblich ist vielmehr, ob dies „nach Inanspruchnahme der Altersteilzeit“ der Fall sein wird.

2. Nur diese Auslegung entspricht Sinn und Zweck der Tarifregelung. Wie schon aus dem Wortlaut von § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.] [X.] („eine Rentenkürzung zu erwarten haben“) folgt, soll die Abfindung eine spätere Rentenkürzung pauschal abmildern. Dem entspricht auch die Staffelung nach dem Lebensalter, die bei höherem Lebensalter zu Beginn der Altersteilzeit niedrigere Abfindungen vorsieht. Die Tarifvertragsparteien sind ersichtlich von der Annahme ausgegangen, dass jüngere Arbeitnehmer wegen früheren Rentenbeginns höhere Rentenkürzungen hinnehmen müssen als ältere Arbeitnehmer. In diesem Zusammenhang versteht sich auch die Wortwahl „zu erwarten haben“. Denn insoweit knüpft die Regelung für die Berechnung der Abfindung mit ihrer Staffelung nicht an die tatsächliche, sondern an die aufgrund des Lebensalters üblicherweise zu erwartende Rentenkürzung an. Zudem stellt die Tarifregelung für die Höhe der Abfindung nicht auf die Dauer des beendeten Arbeitsverhältnisses ab, was für eine Entlassungsabfindung zum Ausgleich des Verlusts des Arbeitsplatzes typisch wäre.

Der Kläger beruft sich ohne Erfolg darauf, der [X.] [X.] hätte, falls eine tatsächlich eintretende Rentenkürzung für den Anspruch auf Abfindung erforderlich sei, wie § 5 Abs. 7 des Tarifvertrags zur Regelung der Altersteilzeitarbeit idF des [X.] Nr. 2 vom 30. Juni 2000 ([X.]) den konkreten Rentennachteil für die Berechnung der Abfindung zugrunde legen müssen. Er verkennt hierbei, dass die Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer [X.] einen Ausgleich für Nachteile - wie hier - pauschalieren können.

3. Letztlich führte die Auslegung des [X.] auch zu sinnwidrigen Ergebnissen. Folgte aus dem bei Abschluss des [X.] geltenden gesetzlichen Rentenrecht keine Rentenkürzung bei Renteneintritt nach Beendigung des [X.], stände dem Arbeitnehmer auch dann keine Abfindung zu, wenn sich das Rentenrecht zu seinem Nachteil änderte und er tatsächlich eine Rentenkürzung hinnehmen müsste.

II. Unionsrechtliche Erwägungen stehen dieser Auslegung nicht entgegen.

Der Kläger beruft sich ohne Erfolg darauf, der [X.] habe entschieden, dem Diskriminierungsverbot wegen des Alters stehe es entgegen, wenn eine Regelung vorsehe, dass Arbeitnehmer keine Entlassungsabfindung beziehen könnten, allein weil sie Anspruch auf Altersrente hätten ([X.] 19. April 2016 - [X.]/14 - [Dansk Industri] Rn. 27). Diese Rechtsprechung ist hier nicht einschlägig. Das [X.] hat zutreffend angenommen, dass es sich bei der Abfindung gemäß § 6 Abs. 2 [X.] [X.] nicht um eine Entlassungsabfindung handelt. Wie bereits ausgeführt, ist die Abfindung nicht wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes zu zahlen. Sie ist vielmehr ein pauschaler Ausgleich für eintretende Rentenkürzungen.

B. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Lipphaus    

        

    [X.]    

                 

Meta

9 AZR 45/17

12.12.2017

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Stuttgart, 7. Juni 2016, Az: 30 Ca 8181/15, Urteil

§ 1 TVG, AltTZG 1996

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.12.2017, Az. 9 AZR 45/17 (REWIS RS 2017, 847)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 847

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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