Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.03.2007, Az. NotZ 46/06

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2007, 4554

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[X.] [X.]/06 Verkündet am: 26. März 2007 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Verfahren wegen Bestellung zum Notar - 2 - Der [X.], [X.], hat auf die mündliche Verhand-lung vom 26. März 2007 durch [X.], [X.] und die Richterin Dr. [X.] sowie die Notarin Dr. Doyé und den Notar Eule beschlossen: Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Notarsenats des [X.] vom 20. Okto-ber 2006 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und dem Antragsgegner sowie dem weiteren Beteiligten die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] 1 Der Antragsteller bewarb sich neben 16 anderen Rechtsanwälten um eine vom Antragsgegner am 10. Oktober 2005 - mit einer Bewerbungsfrist bis zum 7. November 2005 - ausgeschriebene Anwaltsnotarstelle im Bezirk des Amtsgerichts S.

. Mit Bescheid vom 28. April 2006 gab der Antragsgegner dem Antragsteller unter Beifügung eines Auszugs aus dem Besetzungsvermerk - 3 - [vom 11. April 2006; Sammelakten] bekannt, dass er sich entschieden habe, den weiteren Beteiligten zum Anwaltsnotar zu bestellen. 2 Zu seiner Beurteilung, der weitere Beteiligte sei fachlich besser für das Notaramt geeignet als der Antragsteller, gelangte der Antragsgegner in [X.] folgender Umstände: - Der weitere Beteiligte hat das Zweite Staatsexamen mit der Note vollbefrie-digend (10,23 Punkte) abgelegt. Er war bis zum Ende der Bewerbungsfrist 146 Monate hauptberuflich als Rechtsanwalt tätig. Er ist seit 1. Juli 2005 [X.] des Prüfungsausschusses Fachanwalt für Erbrecht der [X.]. Er hat 1999 und 2000 erfolgreich am [X.] für Notare des [X.] teilgenommen und 2000 an 50 Halbtagen er-folgreich notarspezifische Fortbildungskurse besucht. Seit 1994 war der wei-tere Beteiligte vielfach als [X.] tätig, davon in acht Fällen länger als jeweils zwei Wochen. Dabei wurden 2.538 Urkundsge[X.] erledigt, [X.] gemäß §§ 8, 36, 38 [X.] Der weitere Beteiligte ist seit September 2000 Dozent an der [X.]. Seit 2003 wirkt er bei den Notarprüfungen mit. Er beteiligt sich ferner durch Vortragstätigkeit an der Fortbildung von Notaren. - Der Antragsteller hat das Zweite Staatsexamen mit der Note gut (12,06 Punkte) abgelegt. Er war bis zum Ende der Bewerbungsfrist 134 Monate hauptberuflich als Rechtsanwalt tätig. Er absolvierte Anfang 2004 den [X.] der [X.] und nahm seit 1999 an insgesamt 18 Halbtagen an Fortbildungsveranstaltungen der [X.] teil. Der Antragsteller hat seit 2003 insgesamt 48 Urkundsge-- 4 - [X.] getätigt, davon 22 Niederschriften gemäß §§ 8, 36, 38 [X.] Eine Notarvertretung währte länger als zwei Wochen. 3 In der Gesamtschau hielt der Antragsgegner "die höhere spezifische fachliche Eignung des (weiteren Beteiligten)" für gewichtiger als die "höhere allgemeine für juristische Berufe" des Antragstellers. Mit seinem gegen den Bescheid vom 28. April 2006 gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Antragsteller insbesondere geltend ge-macht, die vom Antragsgegner getroffene Auswahl sei nicht verfassungs- und gesetzeskonform. Erforderlich sei ein transparentes Berechnungs- und [X.] für die einzelnen Beurteilungskriterien und deren Gewichtung. Der Antragsgegner hätte längst die erforderlichen Grundlagen für [X.], einschließlich Qualitätskontrollen für eine differen-zierte Bewertung der bei der Vorbereitung auf das Notaramt gezeigten theoreti-schen Kenntnisse und gewonnenen praktischen Erfahrungen, einführen müs-sen. 4 Das [X.] ([X.]) hat den Antrag auf ge-richtliche Entscheidung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers. 5 I[X.] Die nach § 111 Abs. 4 Satz 1 [X.] i.V.m. § 42 Abs. 4 [X.] zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das [X.] hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit Recht zurückgewiesen. Ihm ist jedenfalls im 6 - 5 - Ergebnis darin beizutreten, dass der Antragsgegner sich mit seiner Beurteilung im Sinne einer geringeren fachlichen Eignung des Antragstellers für das Notar-amt im Verhältnis zu dem weiteren Beteiligten im Rahmen des ihm gegebenen [X.] gehalten hat. 7 1. Es ist allerdings nicht unbedenklich, wenn der Antragsgegner und ihm folgend das [X.] meinen, das Gebot der Transparenz der von der [X.] zu treffenden Auswahlentscheidungen werde - auch auf Dauer - ohne eine zugrunde liegende generelle (neue) Verwaltungsvorschrift in [X.] dadurch gewährleistet, dass in der jeweiligen Entschei-dung dargelegt werde, von welchen tatsächlichen Voraussetzungen die Lan-desjustizverwaltung ausgegangen ist und welche Überlegungen ihre Entschei-dung tragen. a) Die Auffassung des Antragsgegners, wonach für die nach "neuem" Recht erforderliche individuelle Prognose über die Eignung der Bewerber ein Punktesystem oder ein sonstiges, wie auch immer geartetes Bewertungssche-ma grundsätzlich ungeeignet sei, lässt sich nicht aufrechterhalten. 8 aa) Ausgangspunkt sind die Beschlüsse des [X.] vom 20. April 2004 ([X.] 110, 304 = NJW 2004, 1935) und vom 8. Oktober 2004 (NJW 2005, 50), in denen die durch die bisherigen Verwaltungsvorschrif-ten einzelner Bundesländer (auch die des Landes [X.]s) kon-kretisierte Auslegung und Anwendung der in § 6 [X.] normierten [X.] für die Bewertung freier Notarstellen für verfassungswidrig erklärt worden ist mit der Begründung, die chancengleiche Bestenauslese, die zur Gewährleistung der verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit geboten sei, sei auf der Grundlage dieser Maßstäbe nicht sichergestellt. 9 - 6 - 10 Der Senat hat zur Umsetzung dieser verfassungsrechtlichen Entschei-dung bereits mehrfach Stellung genommen (siehe die Beschlüsse vom 22. No-vember 2004 - [X.] 16/04 - [X.] 2005, 155; vom 11. Juli 2005 - [X.] 29/04 - D[X.] 2005, 942; vom 24. Juli 2006 - [X.] 3/06 - [X.] 2006, 362 und [X.] 11/06 - [X.] 2006, 435 sowie vom 20. November 2006 - [X.] 4/06 - [X.] 2007, 109). Erforderlich ist eine Bewertung der Bewerber, bei der auch die von ihnen bei der Vorbereitung auf den angestrebten Zweitberuf als Anwaltsnotar gezeigten theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen differenziert zu berücksichtigen sind. Solange es insoweit an einem ausdifferenzierten Be-wertungssystem noch fehlt, ist eine individuelle Eignungsprognose im weiteren Sinne zu treffen, bei der diese beiden notarspezifischen Eignungskriterien mit eigenständigem höheren Gewicht als bisher im Verhältnis zu der Anwaltspraxis und dem Ergebnis des die juristische Ausbildung abschließenden, die [X.] juristische Qualifikation des Bewerbers erfassenden Staatsexamens einflie-ßen müssen. [X.]) Der Senat hat danach, wie bereits mehrfach ausgesprochen (für die neue [X.] in [X.]: Beschlüsse vom 24. Juli 2006 aaO [X.] f Rn. 13 bzw. Rn. 7; für die neue [X.] in [X.]: Beschluss vom 20. November 2006 aaO; vgl. auch - für die neue [X.] in [X.] - Beschluss vom heutigen Tage in [X.] 38/06), keine Bedenken, wenn für das [X.] grundsätzlich an einem Punktesystem festgehalten wird. Auch das [X.] (aaO) hat ein solches Punktesystem prinzipiell nicht beanstandet; es ist durch die gesetzlichen Auswahlkriterien des § 6 Abs. 3 [X.] gedeckt ([X.], 327, 335). Das Punktesystem ermöglicht ein [X.] nach objektiven, nachvollziehbaren und transparenten Bewer-tungskriterien (Examensnote, Dauer der anwaltlichen Tätigkeit, theoretische 11 - 7 - Fortbildung, praktische Beurkundungserfahrungen). Der einzelne Bewerber kann sich auf feste und für ihn durchschaubare Auswahlkriterien einstellen. Er kann ihnen entnehmen, welches Anforderungsprofil zu erfüllen ist und auf die-ser Grundlage beantworten, ob eine Bewerbung Erfolg verspricht und welche Nachweise er für die von ihm erworbenen theoretischen und praktischen Fähig-keiten in das Bewerbungsverfahren einzuführen hat. Der [X.] wie-derum erlaubt das Punktesystem eine verlässliche Sichtung des [X.]. Er kann die Bewerber erfassen, die nach ihrer fachlichen Eignung für die Besetzung der ausgeschriebenen Notarstelle in Frage kommen; anhand der nach dem Punktesystem vorgegebenen Kriterien ist eine Vergleichbarkeit ihrer Leistungen und sonstigen Eignungsmerkmale gewährleistet. Dieser Vergleich mit den Verhältnissen anderer Bewerber setzt ein gewisses Maß an Abstrakti-on, Generalisierung und Schematisierung notwendig voraus, damit ein einheitli-cher und nachprüfbarer Maßstab gewonnen werden kann, nach dem sich die [X.] zu richten hat (vgl. Senatsbeschluss vom 18. März 2002 - [X.] 19/01 - NJW-RR 2002, 1142, 1143).
b) Freilich bergen, wie der Senat in seinen Beschlüssen vom 24. Juli (aaO S. 394 Rn. 14 ff bzw. Rn. 11 ff) und 20. November 2006 (aaO [X.] Rn. 21 ff) ebenfalls betont hat, die Ausrichtung auf ein Punktesystem und die darauf beruhende Einordnung von fachlichen Qualifikationsmerkmalen die [X.] in sich, dass den Besonderheiten des Einzelfalls nicht immer ausreichend Rechnung getragen und das Maß der Eignung des einzelnen Bewerbers nicht vollständig ermittelt wird. Die Landesjustizverwaltung hat daher, bevor sie eine endgültige Auswahl trifft, zum einen danach zu fragen, ob für die jeweiligen Be-werber Umstände ersichtlich sind, die in das an den genannten festen Kriterien ausgerichtete Punktesystem keinen Eingang gefunden haben, aber dennoch zu berücksichtigen sind, um die Kenntnisse und Fähigkeiten des Bewerbers [X.] - 8 - fend und vollständig zu erfassen. Zum anderen hat sie mit einer wertenden [X.] das über das Punktesystem gewonnene Ergebnis, das sich regel-mäßig in einer nach der erreichten Gesamtpunktzahl bestimmten Rangfolge der Bewerber ausdrückt, auf seine Richtigkeit zu hinterfragen (Senat aaO). 13 Letzteres stellt aber die Geeignetheit einer grundsätzlichen Ausrichtung auf ein Punktesystem bei der Bestenauslese nicht in Frage.
c) Vor diesem Hintergrund ist es zweifelhaft, ob die baden-württember-gische [X.] ihren Standpunkt, ohne ein (neues) Auswahlsystem, wie es beispielsweise (in teilweise unterschiedlichen Ausgestaltungen) [X.], [X.], [X.] und [X.] praktizieren, aus-kommen zu wollen, auf Dauer - wenn etwa die Gesetzesinitiative der Länder [X.], [X.], [X.] und [X.] zur Neuordnung des Zugangs vom Anwaltsnotariat ([X.]. 895/06) nicht zum Erfolg führen soll-te - "durchhalten" kann. Eine solche Verfahrensweise birgt die Gefahr, dass die - abstrakten - Maßstäbe der Beurteilung, insbesondere auch die Gewichtung der in den Blick genommenen Beurteilungsfelder (im Wesentlichen: das [X.] der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung; die Dauer der [X.], in der der Bewerber hauptberuflich als Rechtsanwalt tätig war; die bei der Vorbereitung auf den angestrebten Zweitberuf als Anwaltsnotar gezeigten theo-retischen Kenntnisse sowie die diesbezüglich vorzuweisenden praktischen Er-fahrungen) untereinander nicht hinreichend offenbar werden und dass die Wer-tigkeit dieser Kriterien wandel- und austauschbar bleibt; insbesondere für den Fall, dass die Bewerber auf allen einzelnen Feldern leistungsmäßig eng [X.] liegen sollten, dürfte es zweckmäßig sein, die dauerhafte gleichmäßi-ge Abgrenzung durch ein Punktesystem oder ein vergleichbares Auswahlsys-tem sicherzustellen. 14 - 9 - 15 2. Für den vorliegenden Fall kommt es darauf letztlich nicht an. Denn die hier von der Antragsgegnerin getroffene Auswahlentscheidung ist angesichts der darin erkennbar angelegten Maßstäbe und der Nachvollziehbarkeit der kon-kreten Gewichtung sowohl der einzelnen Leistungsgruppen untereinander als auch der darin jeweils gezeigten Leistungen der hier zu vergleichenden Konkur-renten im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass die [X.] ihrer Auswahlentscheidung im vorliegenden Fall keine generelle [X.] vorausgeschickt hat, erweist sich deshalb als jedenfalls un-schädlich und ihre Entscheidung, dem weiteren Beteiligten den Vorzug vor dem Antragsteller zu geben, beeinträchtigt den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Der Antragsgegner ist - wie das [X.] in dem angefochte-nen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, im Einzelnen ausgeführt hat - rechtsfehlerfrei von einem erheblichen Vorsprung des weiteren Beteiligten hin-sichtlich der notarspezifischen theoretischen Kenntnisse und insbesondere der (beim weiteren Beteiligten "überragenden") praktischen Erfahrungen [X.]. Dieser Befund, der unter anderem an die Zahl der notarspezifischen Fortbildungskurse und an die [X.] anknüpft, lässt sich durch die Beanstandungen der Beschwerde, insbesondere auch durch den Hinweis auf den - zu unbestimmten, im Einzelnen nicht nachprüfbaren - Vortrag des [X.], er habe im Rahmen seiner Anwaltstätigkeit im Zivilrecht zahlreiche notarielle Urkunden selbst entworfen, rechtlich geprüft und auch in zahlreichen Beurkundungen mitgewirkt, nicht entkräften. Ausgehend von einem - deutli-chen - Vorsprung des weiteren Beteiligten vor dem Antragsteller, was die [X.] fachliche Eignung angeht, durfte der Antragsgegner dem weiteren Beteiligten insgesamt den Vorzug geben, indem er angesichts der beiderseits vorzuweisenden langen Berufszeiten der (um ein Jahr) längeren Dauer der [X.] - 10 - waltstätigkeit des Antragstellers keine Bedeutung und dem besseren (von [X.] erheblich überdurchschnittlichen) zweiten Staatsexamen des [X.] nur ein geringeres Gewicht beigemessen hat. In diesem [X.] ist es entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner den Bewerbern, die die Note gut erzielt haben, nicht allein schon deswegen, weil diese Notenstufe nur von wenigen Examenskandi-daten erreicht wird, einen besonderen Bewertungsvorsprung vor den [X.] eingeräumt hat, die - wie der weitere Beteiligte - das Zweite Staatsexamen mit der Note vollbefriedigend abgelegt haben. [X.]
[X.] [X.] Doyé Eule Vorinstanz: [X.], Entscheidung vom 20.10.2006 - 22 Not 6/06 -

Meta

NotZ 46/06

26.03.2007

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.03.2007, Az. NotZ 46/06 (REWIS RS 2007, 4554)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 4554

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