Bundespatentgericht, Urteil vom 11.03.2010, Az. 5 Ni 89/09

5. Senat | REWIS RS 2010, 8520

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Gegenstand

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das [X.] Patent 197 22 349

hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2010 durch [X.] als Vorsitzenden, Richterin [X.] sowie die Richter [X.], [X.] und Dipl.-Ing. Küest

für Recht erkannt:

[X.] Das [X.] Patent 197 22 349 wird im Umfang der Patentansprüche 1 und 2 für nichtig erklärt.

I[X.] [X.] trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II[X.] [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 28. Mai 1997 angemeldeten [X.] Patents, dessen Erteilung am 19. Dezember 2002 veröffentlicht worden ist. Es trägt die Bezeichnung "Untergrundseitig anzuklebendes Profil zum Abschluss von verlegten Keramikplatten oder dergleichen" und umfasst 4 Ansprüche. Der erteilte Patentanspruch 1 lautet wie folgt:

2

dadurch gekennzeichnet, dass am freien Ende des zweiten Schenkels (23) eine Verbreiterung (26) angeformt ist, die zusammen mit den ebenfalls an dem zweiten Schenkel (23) angeformten Abstand haltenden Mitteln (24) eine zur abzuschließende Keramikplattenseite hin einseitig offene Kammer bildet, wobei die Verbreiterung (26) um die Breite (B) der zu bildenden Fuge kürzer ist als das mit Abstand dazu angeformte abstandshaltende Mittel (24)."

3

Wegen des Wortlauts des auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentanspruchs 2 wird auf die [X.] 197 22 349 C2 verwiesen.

4

[X.] der Klägerin richtet sich gegen die Ansprüche 1 und 2 des Streitpatents. Die Klägerin ist der Meinung, dass der Gegenstand der beiden angegriffenen Ansprüche nicht neu sei und sich für den Fachmann jedenfalls in naheliegender Weise aus dem [X.] Stand der Technik ergebe. Dazu beruft sich die Klägerin auf folgende Druckschriften:

5

GB 2 203 996 A (Anlage [X.])

6

DE 31 21 823 C2 (Anlage T4).

7

Die Klägerin beantragt,

8

das [X.] Patent 197 22 349 im Umfang der Patentansprüche 1 und 2 für nichtig zu erklären.

9

Die Beklagte verteidigt die beiden angegriffenen Patentansprüche 1 und 2 in der erteilten Fassung und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit tritt die Beklagte der Klägerin in allen Punkten entgegen.

Entscheidungsgründe

[X.], mit der der in § 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 [X.] vorgesehene [X.] der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist zulässig und begründet.

I.

[X.] angegriffenen Patentansprüche betrifft untergrundseitig anzuklebende Winkelprofile zum Abschließen von verlegten Keramikplatten oder dergleichen.

Es ist bekannt, am Boden oder an der Wand verlegte Keramikplatten an ihren freiliegenden Außenkanten mit Hilfe von [X.] zu schützen, die gleichzeitig dazu dienen, eine gleichbleibende Fuge zwischen dem [X.] und der zu schützenden Keramikplatte herzustellen. Für diesen Zweck ist aus der [X.] 21 823 ein Profil mit einem L-förmigen Querschnitt bekannt, bei dem der längere Schenkel der Befestigung des Profils auf dem Untergrund dient und der senkrecht dazu stehende kürzere Schenkel der [X.] ist. An seinem freien Ende ist nach innen zur Plattenseite hin gerichtet eine Verbreiterung zur Festlegung der Fugenbreite vorgesehen, unter der eine Kammer gebildet ist. Bei diesen Profilen hat sich sowohl die Befüllung der unter der Verbreiterung gelegenen Kammer mit Fugenmörtel als auch die sichere Herstellung einer einheitlichen Fugenbreite als schwierig erwiesen (Absatz [0002] der Streitpatentschrift).

Für die Eckausbildung eines Wandbereiches, an dem senkrecht zueinander Keramikplattenbeläge anzubringen sind, ist im Stand der Technik außerdem ein anderes [X.] vorgeschlagen worden ([X.] 2 203 996 [X.]). Dieses Profil weist beabstandet zwei zueinander senkrechte Befestigungsschenkel auf, die jeweils an beiden Wänden unter den entsprechenden äußeren Keramikplatten unterzubringen sind und mittig vorstehende Stegleisten haben, deren Stärke den Fugenabstand zwischen dem [X.] und der jeweils benachbarten [X.] bestimmt. Die Einbringung eines solchen Profils ist jedoch schwierig. Der Einbau setzt eine so exakte rechtwinklige Ausrichtung der [X.] zueinander voraus, dass ein Winkeltoleranzausgleich nicht möglich zu sein scheint. Außerdem fehlt diesen Profilen die Verbreiterung am Ende der [X.], die zu einer Kammerbildung führt und die die Verklammerung des [X.] und den Schutz der benachbarten [X.]n in starkem Maße fördern soll (Absatz [0004] der Streitpatentschrift).

Ausgehend von diesem Stand der Technik besteht die Aufgabe der streitpatentgemäßen Weiterbildung gemäß Streitpatentschrift darin,

Diese Aufgabe soll durch ein Winkelprofil gemäß Anspruch 1 gelöst werden, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

Untergrundseitig anzuklebendes Winkelprofil zum Abschließen von verlegten Keramikplatten oder dergleichen

1. mit einem ersten mit Durchbrechungen (21) versehenen Schenkel (22) zur Befestigung und

2. einem daran etwa senkrecht angebundenen zweiten Schenkel (23),

3. mit an dem zweiten Schenkel (23) angeformten abstandshaltenden Mitteln (24),

3.1 welche zu den benachbarten Keramikplatten (5, 6) gerichtet sind und

3.2 welche die sichtbare Fugenbreite zwischen dem zweiten Schenkel (23) und den benachbarten Keramikplatten (5, 6) bestimmen, sowie

4. mit einer Verbreiterung (26),

4.1 welche am freien Ende des zweiten Schenkels (23) angeformt ist,

4.2 welche zusammen mit den ebenfalls an dem zweiten Schenkel (23) angeformten Abstand haltenden Mitteln (24) eine zur abzuschließende Keramikplattenseite hin einseitig offene Kammer bildet, und

4.3 wobei die Verbreiterung (26) um die Breite (B) der zu bildenden Fuge kürzer ist als das mit Abstand dazu angeformte abstandshaltende Mittel (24).

II.

1. Es mag dahinstehen, ob der Gegenstand nach Patentanspruch 1 des Streitpatents neu ist, er ist zumindest nicht das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ergebe sich für den zuständigen Fachmann, einen Fachhochschulingenieur mit einschlägiger Erfahrung im Bereich des Innenausbaus von Bauwerken, aus einer naheliegenden Zusammenschau der [X.] und [X.].

Nach der übereinstimmenden Ansicht der Beteiligten und auch des Senats kommt die Druckschrift [X.] dem Streitgegenstand am nächsten, da das dort erläuterte Profil die meisten Gemeinsamkeiten mit dem Streitgegenstand aufweist. Dies ergibt sich auch aus dem seitens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überreichten Blatt mit verschiedenen Skizzen von Winkelprofilen, welche die unterschiedlichen Entwicklungsstufen aufzeigen, welche letztendlich zum Streitgegenstand geführt haben. Während das Profil nach der [X.] demjenigen nach der Entwicklungsstufe 3 entspricht, stellt der Streitgegenstand die Entwicklungsstufe 4 und damit eine Weiterentwicklung des Profils der [X.] bzw. der Entwicklungsstufe 3 dar.

Aus der [X.] ist bekannt ein (vgl. die einzige Figur)

Winkelprofil zum Abschließen von verlegten Keramikplatten oder dergleichen ([X.], [X.] 45/46)

1. mit einem ersten mit Durchbrechungen 11 versehenen Schenkel 1 zur Befestigung und

2. einem daran etwa senkrecht angebundenen zweiten Schenkel 2, sowie

4. mit einer Verbreiterung 3,

4.1 welche am freien Ende des zweiten Schenkels 2 angeformt ist.

Von diesem bekannten Winkelprofil unterscheidet sich das streitgegenständliche Winkelprofil dadurch, dass

3. an dem zweiten Schenkel abstandshaltende Mitteln angeformt sind,

3.1 welche zu den benachbarten Keramikplatten gerichtet sind und

3.2 welche die sichtbare Fugenbreite zwischen dem zweiten Schenkel und den benachbarten Keramikplatten bestimmen, sowie

4.2 dass die Verbreiterung zusammen mit den ebenfalls an dem zweiten Schenkel angeformten Abstand haltenden Mitteln eine zur abzuschließende Keramikplattenseite hin einseitig offene Kammer bildet, und

4.3 wobei die Verbreiterung um die Breite der zu bildenden Fuge kürzer ist als das mit Abstand dazu angeformte abstandshaltende Mittel.

Ausgehend vom einem Stand der Technik nach der [X.] sieht der Senat die objektive Aufgabe darin, das Winkelprofil derart weiterzuentwickeln, dass eine gleichbleibende Fugenbreite zwischen dem zweiten Schenkel und der Keramikplatte erreicht wird und dass eine ausreichende Sicherung des [X.] gewährleistet ist.

Zur Lösung eben dieser Aufgabe ist aus der [X.] bereits ein Winkelprofil zum Abschließen von verlegten Keramikplatten oder dergleichen bekannt, bei dem

3. an dem zweiten Schenkel 3a abstandshaltende Mitteln 9 angeformt sind,

3.1 welche zu den benachbarten Keramikplatten 6 gerichtet sind und

3.2 welche die sichtbare Fugenbreite zwischen dem zweiten Schenkel 3a und den benachbarten Keramikplatten 6 bestimmen.

In der [X.] wird außerdem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass durch die abstandshaltenden Mittel 9 eine gleichbleibende Fugenbreite zwischen allen Keramikplatten gewährleistet werden kann (vgl. insbes. [X.], [X.] 22 bis [X.], [X.] 4).

Wenn der Fachmann nun diese aus der [X.] bekannte Ausgestaltung auf ein Winkelprofil nach der [X.] überträgt, erhält er ohne weitere Umwege ein Winkelprofil mit sämtlichen im Patentanspruch 1 genannten Merkmalen. Denn das Merkmal 4.2, wonach die Verbreiterung zusammen mit den ebenfalls an dem zweiten Schenkel angeformten Abstand haltenden Mitteln eine zur abzuschließende Keramikplattenseite hin einseitig offene Kammer bildet, und das Merkmal 4.3, wonach die Verbreiterung um die Breite der zu bildenden Fuge kürzer ist als das mit Abstand dazu angeformte abstandshaltende Mittel, ergeben sich zwangsläufig, wenn der zweite Schenkel gemäß [X.] mit einem abstandshaltenden Mittel gemäß [X.] versehen wird.

Die Beklagte tritt dieser Auffassung zwar entgegen und führt aus, der Fachmann würde nicht auf die [X.] zurückgreifen, da die [X.] mangels entsprechender Hinweise keine Anregungen zu der erfindungsgemäßen Aufgabe, ein Winkelprofil zu schaffen, welches sich spannungsfrei unter Keramikplatten einbauen lässt und welches eine die Fugenausfüllung sichernde und damit die [X.]n schützende und abstützende Funktion erfüllt (Abs. [0005] der Streitpatentschrift), liefern könne. Denn dort gehe es ausschließlich um die Schaffung einer gleichbleibende Fugenbreite zwischen allen Keramikplatten.

Bei ihrer Argumentation übersieht die Beklagte jedoch, dass die in der Streitpatentschrift genannte Aufgabe bereits vollständig durch das aus der [X.] bekannte Winkelprofil gelöst ist.

In der [X.], welche eine frühere Entwicklungsstufe des streitgegenständlichen Profils und Ausgangspunkt des Streitpatents darstellt, wird als Aufgabe u. a. genannt, ein bekanntes Winkelprofil derart weiterzubilden, dass durch die Einleitung der im Bereich der Anschlussschenkel auftretenden Belastungskräfte keine Beschädigung des Randbereiches der Keramikplatten auftritt ([X.]. 2, [X.] 21 bis 29). Dies entspricht im Wesentlichen der streitgegenständlichen Aufgabe, da eine Vermeidung vor Beschädigungen im Randbereich immer auch mit einer die [X.]n schützenden und abstützenden Funktion einhergeht.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt die [X.] u. a. eine nach innen gerichtete Verbreiterung 3 am freien Ende am [X.] 21 vor (Patentanspruch 1 und die einzige Figur).

Als besonderer Vorteil dieser Verbreiterung wird eine bessere Verklammerung des zwischen [X.] und [X.] eingebrachten Mörtels und eine begünstigte Übertragung der Kräfte auf die [X.] gesehen ([X.]. 2, [X.] 43 bis 52). Infolge dieser Maßnahme traten keine Beschädigungen im Randbereich der Keramikplatten mehr auf ([X.]. 2, [X.] 55 bis 60).

Da somit gemäß den Ausführungen in der [X.] die Verbreiterung am freien Ende des [X.]s sowohl für eine die Fugenausfüllung sichernde als auch eine die [X.]n schützende und abstützende Funktion verantwortlich zeichnet, wird zumindest diese dem Streitgegenstand zugrundeliegende Teilaufgabe bereits durch die aus der [X.] bekannten Maßnahmen gelöst.

Auch die noch verbleibende Teilaufgabe, wonach ein Winkelprofil geschaffen werden soll, welches sich spannungsfrei unter Keramikplatten einbauen lässt, wird durch das Profil nach der [X.] gelöst, da sich auch dieses Profil spannungsfrei einbauen lässt, was von der Beklagten im Übrigen in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zugestanden wurde.

Da somit die in der Streitpatentschrift genannte Aufgabe bereits vollständig durch den Stand der Technik nach der [X.] gelöst ist, kann die objektive Aufgabe nur noch darin gesehen werden, das Winkelprofil derart weiterzuentwickeln, dass eine gleichbleibende Fugenbreite zwischen dem zweiten Schenkel und der Keramikplatte erreicht wird und dass eine ausreichende Sicherung des [X.] gewährleistet ist.

Die entsprechenden Maßnahmen zur Lösung dieser Aufgabe sind dem Fachmann aber - wie bereits ausgeführt - aus der [X.] bekannt.

Selbst unterstellt, es ginge dem Fachmann - wie aufgabengemäß in der Streitpatentschrift angegeben - im vorliegenden Fall ausschließlich um eine die Fugenausfüllung sichernde und damit die [X.]n schützende und abstützende Funktion, welche dadurch erreicht werde, dass an den Schenkel 23 eine aussteifende Rippe 24 angeformt werde, welche zu dem beim Profil nach der Entwicklungsstufe 4 dargestellten Kraft- und Momentenverlauf führen würde (vgl. das in der mündlichen Verhandlung überreichte Blatt mit Skizzen von Winkelprofilen), so würde eben dieser Fachmann auch erkennen, dass die in der [X.] an den Schenkel 3a angeformte [X.] zu einem exakt gleichen Kraft- und Momentenverlauf führen würde, da die [X.] in der [X.] nach Funktion und Lage der Rippe 24 des Streitpatents entspricht und daher einen gleichen Kraft- und Momentenverlauf generieren wird.

[X.] ist somit nicht bestandsfähig.

2. Unteransprüche

Der einzige angegriffene Unteranspruch fällt notwendigerweise mit dem Patentanspruch 1 (vgl. [X.], 103 "Verschlussvorrichtung für Gießpfannen" i. V. m. BGH GRUR 1980, 716 "[X.]"), zumal auch weder seitens der Beklagten ein eigenständiger erfinderischer Gehalt für ihn geltend gemacht worden ist, noch für den Senat Anhaltspunkte für diesen ersichtlich sind, zumal seine Merkmale auch aus der [X.] bekannt sind (vgl. insbes. Figur 1).

III.

[X.] beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 [X.], § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Meta

5 Ni 89/09

11.03.2010

Bundespatentgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 11.03.2010, Az. 5 Ni 89/09 (REWIS RS 2010, 8520)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8520

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