Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.01.2012, Az. III B 42/11

3. Senat | REWIS RS 2012, 10367

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Gegenstand

Grundsätzliche Bedeutung in Bezug auf Klagebefugnis des Ehegatten eines Kindergeldberechtigten und inländischen Wohnsitz bei einem ins Ausland entsandten Arbeitnehmer


Leitsatz

1. NV: Es ist nicht klärungsbedürftig, ob für die Klagebefugnis (§ 40 Abs. 2 FGO) auch wirtschaftliche Nachteile genügen. Insoweit liegt keine rechtliche Betroffenheit vor .

2. NV: Es ist geklärt, dass für einen Wohnsitz (§ 8 AO) ein gelegentliches Verweilen im Inland zu Erholungszwecken nicht genügt. Bei einem ins Ausland entsandten Arbeitnehmer gelten insoweit keine anderen Maßstäbe .

Tatbestand

1

I. Die Kläger und [[X.].]eschwerdeführer (Kläger) sind die Eltern von [[X.].], [[X.].], [[X.].] und [[X.].] Der Kläger ist [[X.].] Staatsangehöriger, die Klägerin besitzt die [[X.].] Staatsangehörigkeit und lebt zusammen mit den Kindern seit [[X.].]ugust 2004 in [[X.].]. Der Kläger ist [[X.].] tätig und wurde von seinem in der [[X.].]undesrepublik Deutschland ansässigen [[X.].]rbeitgeber zunächst nach [[X.].], von [[X.].]pril 2008 bis März 2009 nach [[X.].] ([[X.].]usland) und von Mai 2009 bis Dezember 2010 nach [[X.].] ([[X.].]usland) entsandt. In der [[X.].] von Juli 2008 bis Juli 2010 hielt er sich --teilweise allein, teilweise mit der [[X.].] tage- oder wochenweise am Sitz seines [[X.].]rbeitgebers in [X.] (Inland) oder im Eigenheim in [X.](Inland) auf.

2

Die [[X.].]eklagte und [[X.].]eschwerdegegnerin (Familienkasse) hob das auf [[X.].]ntrag des [X.] diesem zunächst bewilligte Kindergeld ab [[X.].]pril 2008 auf.

3

Das Finanzgericht wies die von beiden Klägern erhobene Klage ab. Die Klage der Klägerin sei mangels Klagebefugnis bereits unzulässig. Die insoweit geltend gemachte finanzielle [[X.].]etroffenheit dadurch, dass das Kindergeld für den Familienunterhalt bestimmt sei, reiche nicht aus. Die Klage sei jedoch auch unbegründet, weil Kindergeld nur an einen [[X.].]erechtigten gezahlt werde und die Kläger den Kläger als [[X.].]erechtigten bestimmt hätten. Die Klage des [X.] sei unbegründet, da der Kläger mangels inländischen Wohnsitzes (§ 8 der [[X.].]bgabenordnung --[[X.].]O--) nicht nach § 62 [[X.].]bs. 1 [[X.].]r. 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) anspruchsberechtigt sei und auch die Voraussetzungen des § 62 [[X.].]bs. 1 [[X.].]r. 2 EStG nicht vorlägen.

4

Mit der [[X.].]ichtzulassungsbeschwerde begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [[X.].]edeutung (§ 115 [[X.].]bs. 2 [[X.].]r. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entscheidungsgründe

5

II. [X.] ist unzulässig und wird durch Beschluss verworfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Die Kläger haben den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) nicht in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Art und Weise dargelegt.

6

1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) sind substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage erforderlich, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärungsfähig ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] ([X.]), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen (Senatsbeschluss vom 17. August 2004 [X.]/03, [X.]/NV 2005, 46). Es sind Ausführungen erforderlich, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (z.B. [X.]-Beschlüsse vom 22. Januar 2008 [X.]/07, [X.]/NV 2008, 603, und vom 19. Mai 2008 [X.], [X.]/NV 2008, 1501, unter [X.]). Hat der [X.] über die Rechtsfrage bereits entschieden, ist darzulegen, weshalb eine erneute oder weitere Entscheidung für erforderlich gehalten wird (z.B. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2003 [X.]/03, [X.]/NV 2004, 166). Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen (z.B. Senatsbeschluss in [X.]/NV 2005, 46, m.w.N.).

7

2. Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen in der Beschwerdebegründung nicht.

8

a) Die Klägerin hält zunächst die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob eine rechtliche Betroffenheit gemäß § 40 Abs. 2 FGO sich nicht nur bei einer Stellung als Adressat eines Verwaltungsakts, sondern auch bei einer materiell-rechtlichen Betroffenheit ergebe, insbesondere wenn der Betroffene von der Entscheidung wirtschaftliche Nachteile zu gewärtigen habe.

9

Insoweit hat die Klägerin weder die Klärungsbedürftigkeit der Frage noch deren Klärungsfähigkeit ausreichend dargelegt. Insbesondere ist aus dem Hinweis, die Rechtsfrage habe erhebliche Bedeutung für die Allgemeinheit, weil sich die Frage des Rechtsschutzes des einen Elternteils gegen nachteilige, an den anderen Elternteil adressierte Entscheidungen sehr häufig stelle, nicht ersichtlich, dass die Frage inhaltlich klärungsbedürftig ist. Beides ist tatsächlich auch nicht der Fall.

Bereits aus dem Wortlaut des § 40 Abs. 2 FGO ergibt sich, dass --wie vorliegend-- im Fall einer Anfechtungsklage (nur) derjenige klagebefugt ist, der geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Der Gesetzeswortlaut verlangt demzufolge zwar keine Adressatenstellung, wohl aber eine mögliche Verletzung in eigenen Rechten.

Dass die Klägerin durch die Aufhebung der gegenüber dem Kläger erfolgten Kindergeldfestsetzung in irgendeiner Form in eigenen Rechten verletzt sein soll, macht sie jedoch nicht geltend. Vielmehr versucht die Klägerin ihre Klagebefugnis allein aus ihrer wirtschaftlichen Betroffenheit durch das (auch) ihr gegenüber geminderte Familieneinkommen zu begründen. Ein lediglich wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Prozesses genügt jedoch nicht (z.B. [X.]-Urteil vom 12. Januar 2001 [X.], [X.]E 194, 368, [X.] 2001, 443; [X.]-Beschluss vom 12. Juli 1994 [X.]/94, [X.]/NV 1995, 229; Gräber/ von [X.], Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 40 Rz 56). Vielmehr soll sich nur derjenige der Anfechtungsklage bedienen können, der durch einen Verwaltungsakt unmittelbar in seiner Rechtsstellung betroffen ist (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 194, 368, [X.] 2001, 443, m.w.N.). Anders als die Klägerin offenbar meint, ist ein wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits nicht mit einer rechtlichen Betroffenheit gleichzusetzen.

b) Auch die von dem Kläger für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage, ob bei einem entsandten Arbeitnehmer, der im Ausland arbeite, ein gelegentliches Verweilen in der im Inland belegenen Wohnung zu Erholungszwecken als Wohnsitz gemäß § 8 [X.] ausreiche, rechtfertigt keine Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

[X.]begründung setzt sich insoweit nicht mit der umfangreichen Rechtsprechung zum Wohnsitz i.S. von § 8 [X.] auseinander. Danach setzt der [X.] neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten das Innehaben der Wohnung in dem Sinne voraus, dass der Betreffende tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit aufsucht. Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Besuchs- oder Erholungszwecken genügt nicht (z.B. Senatsurteil vom 5. Juni 2003 [X.]/02, [X.]E 202, 331, [X.] 2003, 714, unter II.2.; [X.]-Urteile vom 12. Januar 2001 [X.], [X.]/NV 2001, 1231; vom 23. November 2000 [X.]/99, [X.]E 193, 569, [X.] 2001, 279, unter [X.], m.w.N.).

Warum bei einem ins Ausland entsandten Arbeitnehmer, der --wie die Beschwerdebegründung ausführt-- seine im Inland belegene Wohnung typischerweise im Wesentlichen nur zu Erholungszwecken aufsuchen könne, andere Maßstäbe anzulegen sein sollen, wird nicht dargelegt.

Letzteres ergibt sich insbesondere nicht aus dem Hinweis auf Art. 12 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 883/2004 des [X.] und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der [X.] Sicherheit --[X.] 883/2004-- ([X.] --[X.]-- 2004 Nr. L 166, S. 1).

Diese gilt nach ihrem Art. 91 Abs. 2 erst ab dem Tag des Inkrafttretens der zu ihrer Durchführung erlassenen Verordnung. Diese --die Verordnung ([X.]) Nr. 987/2009 des [X.] und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der [X.] 883/2004 ([X.] 2009 Nr. L 284, S. 1)-- trat nach ihrem Art. 97 Satz 2 erst am 1. Mai 2010 in [X.]. Zu dieser Zeit war der Kläger jedoch nicht in einen (anderen) Mitgliedstaat entsandt, sondern nach L (außereuropäisches Ausland).

Meta

III B 42/11

05.01.2012

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 25. Januar 2011, Az: 2 K 1055/10 (Kg), Urteil

§ 8 AO, § 40 Abs 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 62 Abs 1 EStG 2002, § 62 Abs 1 EStG 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.01.2012, Az. III B 42/11 (REWIS RS 2012, 10367)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10367

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

B 10 EG 7/18 R

B 10 EG 6/19 R

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