Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.02.2014, Az. 1 StR 367/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2014, 7499

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Gegenstand

Totschlagsversuch mehrerer Tatbeteiligter: Einvernehmlicher Rücktritt durch einvernehmliches Nichtweiterhandeln; Absehen von weiteren Verletzungshandlungen wegen des Erreichens der außertatbestandlichen Handlungsziele


Tenor

1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 15. Oktober 2012 auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Damit ist der Beschluss des [X.] vom 21. Mai 2013, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen versuchten Totschlags in zwei weiteren Fällen entfällt.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Neben- und Adhäsionsklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung und mit gefährlicher Körperverletzung in sechs tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt.

2

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Zudem begehrt der Angeklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist aus § 345 Abs. 1 [X.] zur Revisionsbegründung.

3

Dem Angeklagten war auf seinen Antrag Wiedereinsetzung (§ 44 Abs. 1 Satz 1 [X.]) zu gewähren und dementsprechend der Verwerfungsbeschluss des [X.]s für gegenstandslos zu erklären (§ 346 Abs. 2 [X.]). Seine Revision führt zu der aus der [X.] ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs (§ 349 Abs. 4 [X.]); im Übrigen ist sie jedoch unbegründet [X.]. § 349 Abs. 2 [X.].

I.

4

Dem Wiedereinsetzungsgesuch liegt folgendes Geschehen zugrunde:

5

Die Verteidiger des Angeklagten hatten fristgerecht (§ 341 Abs. 1 [X.]) Revision gegen das Urteil eingelegt. Dieses war dem Angeklagten am 12. April 2013 zugestellt worden. Eine Revisionsbegründung ging jedoch erst am 15. Mai 2013 ein. Mit Schriftsätzen jeweils vom 3. Juni 2013 haben die beiden Verteidiger des Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der [X.] gestellt. Zur Begründung haben sie vorgetragen, dass die jeweils für die Eintragung der [X.] zuständigen Kanzleimitarbeiterinnen bei der [X.] irrtümlich den Beginn des [X.] mit Zustellung des Urteils an den Angeklagten übersehen hätten und es deshalb zu einer verspäteten Revisionsbegründung gekommen ist.

6

Dem Angeklagten war die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision zu gewähren, weil dieser ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war (§ 44 Abs. 1 [X.]). Das Verschulden der Kanzleikräfte seiner Verteidiger ist ihm nicht zuzurechnen ([X.], [X.], 56. Aufl., § 44 Rn. 20).

7

Der Beschluss des [X.]s vom 21. Mai 2013, mit dem es die Revision des Angeklagten gemäß § 346 Abs. 1 [X.] als unzulässig verworfen hat, ist gegenstandslos. Mit der Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Rechtsmittelbegründungsfrist ist dem Verfahren nach § 346 [X.] die Grundlage entzogen ([X.], Beschluss vom 21. Januar 1958 - 1 [X.], [X.]St 11, 152, 154 f.).

II.

8

Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Überprüfung lediglich insoweit nicht stand, als der Angeklagte tateinheitlich neben dem versuchten Totschlag zu Lasten des [X.]auch wegen [X.] zum Nachteil der Nebenkläger     [X.].    und     [X.]    verurteilt worden ist. Das [X.] hat zwar insoweit in nicht zu beanstandender Weise die Voraussetzungen eines versuchten Totschlags in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen angenommen, jedoch bzgl. der geschädigten Nebenkläger [X.]. und [X.] einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB rechtsfehlerhaft verneint.

9

1. Nach den Feststellungen des [X.]s vereinbarten Mittäter des Angeklagten, darunter die Mitangeklagten [X.].    , [X.]  , Er.   , [X.]    und M.  , bei denen es sich wie bei dem Angeklagten selbst um Mitglieder des [X.] „Chapters" der Gruppierung „[X.]" handelt, einen Überfall auf Angehörige der rivalisierenden Gruppe „[X.]". Mit dem Überfall sollte ein massiver Gegenschlag gegen Mitglieder von „[X.]" geführt werden, um vorherige Übergriffe auf Angehörige der „[X.]" zu rächen und die Auflösung der „[X.]" zu erzwingen. Als Angriffsziel wurde der Schulhof der [X.]     schule in [X.]        ausgewählt. Den Angehörigen der „[X.]" war bekannt, dass sich am [X.] Mitglieder der „[X.]" dort aufhalten würden. Bei den Planungen des Überfalls war unter den daran beteiligten „[X.]" verabredet worden, mit möglichst vielen Angreifern unter Einsatz von [X.] auf die zu [X.] einzuschlagen. Absprachen dahingehend, lediglich so zuzuschlagen, dass niemand ins Krankenhaus komme, nicht auf die Köpfe zu schlagen oder nicht (weiter) gegen bereits am Boden Liegende vorzugehen, wurden nicht getroffen. Welches Maß an Gewalt angewendet werden würde, sollte vielmehr jedem Tatbeteiligten selbst überlassen bleiben ([X.] 92).

Nach dem Abschluss der Planungsgespräche wurden weitere Angehörige der [X.] „[X.]", darunter der Angeklagte, für die Beteiligung an dem Überfall gewonnen. Insgesamt begaben sich die 21 Angeklagten mit wenigstens sieben Fahrzeugen auf den Weg von S.              nach [X.]    . Spätestens im Zeitpunkt des Aufbruchs nach [X.]        war - mit Ausnahme von zwei Mitangeklagten - allen Angeklagten bekannt, dass den Mitgliedern der „[X.]" durch einen gemeinsamen tätlichen Angriff unter Einsatz von [X.] die Stärke, Entschlossenheit und Überlegenheit der „[X.]" demonstriert und die Auseinandersetzungen mit der rivalisierenden Gruppe endgültig beendet werden sollten. Alle Angeklagten waren mit diesem Angriff einverstanden und zur Mitwirkung daran bereit. Absprachen über Begrenzungen der anzuwendenden Gewalt wurden weiterhin nicht getroffen ([X.] und 97).

Bei dem Eintreffen in [X.]     in der Nähe der [X.]       schule verließ die ganz überwiegende Zahl der Angeklagten ihre Fahrzeuge, viele von ihnen bewaffneten sich mit [X.], einige vermummten sich. Allen Angeklagten war dabei bewusst, dass bei dem unmittelbar bevorstehenden Angriff wahllos auf die sich im Schulhof aufhaltenden Personen eingeschlagen werden würde und dabei auch die Köpfe der Angegriffenen nicht ausgespart werden würden. Alle erkannten, dass bei dieser Art des Vorgehens ein oder mehrere Opfer zu Tode kommen könnten. Eine Gruppe unter den Angeklagten, darunter der Angeklagte, wollte durch das abgesprochene schonungslose Vorgehen die Auflösung der „[X.]" erzwingen oder diese jedenfalls dauerhaft von Übergriffen auf Mitglieder der „[X.]" abhalten. Dieser Teil der [X.] klagten ging davon aus, das angestrebte Ziel lediglich dann erreichen zu kön- nen, wenn die Angegriffenen in Angst und Schrecken versetzt würden, was wiederum einen lebensgefährlichen Angriff erforderlich mache. Die erkannte Möglichkeit des Todes eines oder mehrerer Opfer nahmen sie dabei billigend in Kauf ([X.] und 103).

Die Gruppe der Angeklagten stürmte anschließend den Hof der [X.]     schule. Der Geschädigte A.  , bei dem es sich nicht um einen Angehörigen der „[X.]" handelte, bemerkte die Angreifer und versuchte durch einen der vier Ausgänge des Hofs zu entkommen. Dabei kam er jedoch zu Fall. Auf den am Boden liegenden Nebenkläger schlugen mindestens vier Angreifer mit [X.] ein. Einer der Angeklagten versetzte [X.]mit einer Eisenstange mindestens drei massive Schläge auf den Kopf, die zu einer Zertrümmerung des Schädels führten. Nachdem die Angreifer die dadurch entstandenen gravierenden Verletzungen wahrgenommen hatten, ließen sie von ihm ab. [X.] hat zugunsten des Angeklagten nicht auszuschließen vermocht, dass dieser den Personen, die auf den Nebenkläger [X.]einschlugen, zurief, die sollten aufhören, es reiche ([X.]). Irgendwelche Bemühungen, um das Leben des [X.] zu retten, unternahmen die Angreifer nicht ([X.]). Der Nebenkläger, dessen Leben durch eine Notoperation gerettet werden konnte, erlitt schwerste und lebensgefährliche Verletzungen, u.a. ein schweres Schädelhirntrauma und eine Mehrfragmentfraktur des [X.]. Aufgrund der erlittenen Verletzungen kam es zu einer massiven Schwellung des Gehirns und einem Austreten von Hirnmasse. Durch die Einwirkungen auf den Schädel sind rund ein Drittel der Gehirnsubstanz seiner rechten Gehirnhälfte abgestorben. Der Nebenkläger ist zu 100 % erwerbsunfähig; eine maßgebliche Besserung seines Zustandes ist nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht zu erwarten.

Ebenso wie der Nebenkläger [X.]bemerkten auch die Nebenkläger [X.].     und [X.]    den [X.]; beide versuchten ebenfalls zu fliehen. Bei dieser Flucht stürzte [X.] zu Boden, kam auf dem Rücken zu liegen und wurde daraufhin von vier bis fünf Angreifern umringt. Diese schlugen mit Schlagstöcken auf ihn ein. Zwei der Angreifer schlugen mit kräftigen Ausholbewegungen mittels Schlagstöcken auf den Kopf des [X.]. Weitere Schläge richteten sich gegen die Arme, die er sich schützend vor das Gesicht gehalten hatte, und die Beine. Er erlitt u.a. mehrere Kopfplatzwunden im Stirnbereich und eine weitere solche Wunde im Bereich des [X.]. Der Nebenkläger [X.].    wurde bereits während seiner Flucht von mehreren der angreifenden Angeklagten geschlagen. Als er zu Fall kam, umringten ihn ebenfalls mehrere Angeklagte, die mit [X.] gegen ihn vorgingen. Die Schläge richteten sich auch gegen den Kopf, den der Nebenkläger mit seinen Händen zu schützen versuchte. Einige der Schläge trafen den Hinterkopf, bevor es dem Nebenkläger gelang, aufzustehen und zu flüchten. [X.].    erlitt u.a. drei Kopfplatzwunden am Hinterkopf, einen Nasenbeinbruch sowie zahlreiche Hämatome an unterschiedlichen Partien des Oberkörpers.

Das [X.] hat weiter festgestellt, dass „die Angreifer", nachdem sie in der beschriebenen Weise gegen die Nebenkläger [X.].     und [X.]   vorgegangen waren, „von weiteren Verletzungshandlungen absahen, da sie ihr Ziel der Rache und Machtdemonstration aufgrund der zugefügten Verletzungen und Demütigungen bereits als erreicht ansahen" ([X.] 105).

2. [X.] hat einen Rücktritt vom versuchten Totschlag gemäß § 24 Abs. 2 StGB insgesamt mit der Begründung verneint, keiner der Angeklagten habe Bemühungen zur Rettung des [X.] [X.]unternommen. Das Absehen von weiteren Gewaltanwendungen gegen die beiden anderen Nebenkläger genüge nicht, weil der Totschlagsversuch zu Lasten von [X.]beendet war und die Mittäter durch bloße Untätigkeit die Vollendung der Tat im Ganzen nicht mehr verhindern konnten ([X.] 544).

3. Diese Begründung trägt die Ablehnung eines strafbefreienden Rücktritts gemäß § 24 Abs. 2 StGB nicht, soweit der Angeklagte auch wegen Totschlagsversuchs in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zum Nachteil der Nebenkläger [X.].   und [X.]  verurteilt worden ist.

Das [X.] ist zwar angesichts des festgestellten mehraktigen Gesamtgeschehens mit dem von bedingtem Tötungsvorsatz getragenen Vorgehen mehrerer Angeklagter, darunter der Angeklagte P.    , rechtsfehlerfrei von natürlicher Handlungseinheit ausgegangen. Es hat zudem der Höchstpersönlichkeit des jeweils angegriffenen Rechtsguts Leben der drei Nebenkläger durch die Annahme versuchten Totschlags in drei tateinheitlichen Fällen Rechnung getragen (vgl. [X.], Urteil vom 23. Mai 2012 - 5 StR 54/12, [X.], 562; siehe auch Beschluss vom 23. Oktober 2013 - 4 StR 401/13, in [X.], 85 f. nur teilw. abgedruckt). Diese konkurrenzrechtliche Bewertung ändert aber nichts daran, dass die Voraussetzungen des Rücktritts vom Versuch gemäß § 24 StGB für jedes der im Versuchsstadium stecken gebliebene [X.] gesondert zu prüfen sind ([X.], aaO, [X.], 562). Das [X.] konnte daher nicht mit dem für den Totschlagsversuch zu Lasten [X.][X.] Begründung, mangels auf Vollendungsverhinderung abzielender Aktivitäten fehle es an einem Rücktritt vom (beendeten) Versuch, jeweils einen strafbefreienden Rücktritt von den [X.] zu Lasten der Nebenkläger [X.].    und [X.]   ausschließen.

4. Auf der Grundlage der vom [X.] ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellungen zu den versuchten [X.] zum Nachteil der geschädigten Nebenkläger [X.].    und [X.]    sind für den Angeklagten [X.]- wie auch für die übrigen wegen versuchten Totschlags in diesen zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen verurteilten Mitangeklagten - jeweils die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Totschlagsversuch gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB gegeben.

a) Nach dem Wortlaut der genannten Vorschrift wird wegen eines von mehreren Beteiligten begangenen Versuchs nicht bestraft, wer die Vollendung der Tat verhindert. Dafür bedarf es grundsätzlich ebenso wie bei dem Rücktritt des [X.] vom beendeten Versuch (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB) einer Mitursächlichkeit des Zurücktretens für das Ausbleiben der Tatvollendung ([X.], Beschluss vom 8. Februar 2012 - 4 StR 621/11, [X.], 167, 168). Nach der im Ergebnis einhelligen Rechtsprechung des [X.] erfasst der Rücktritt gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB aber auch solche Konstellationen, in denen die Tatbeteiligten den Rücktritt einvernehmlich durchführen ([X.], Urteil vom 14. Mai 1996 - 1 StR 51/96, [X.]St 42, 158, 162; Beschlüsse vom 4. April 1989 - 4 StR 125/89, [X.], 317, 318; vom 8. Februar 2012 - 4 StR 621/11, [X.], 167, 168; im Ergebnis ebenso [X.], Beschlüsse vom 9. Januar 2003 - 4 [X.], [X.] 2003, 207; vom 11. Januar 2011 - 1 StR 537/10, [X.], 337, 338). Dafür genügt es, dass die Tatbeteiligten einvernehmlich nicht weiterhandelten, obwohl sie dies hätten tun können ([X.] jeweils aaO, [X.] 2003, 207; [X.], 337, 338; [X.], 167, 168).

b) Nach diesen Grundsätzen sind die an den Tötungstaten zu Lasten der Nebenkläger [X.].    und [X.]    beteiligten Angeklagten und damit auch der Angeklagte P.    einvernehmlich von beiden [X.] gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB zurückgetreten. Das [X.] hat insoweit festgestellt, dass „die Angreifer" nach dem Ende der Schläge und Tritte gegen die beiden Nebenkläger von weiteren Verletzungshandlungen absahen, weil sie die von ihnen verfolgten Ziele, sich zu rächen und ihre Macht zu demonstrieren, aufgrund der u.a. diesen beiden Nebenklägern zugefügten Verletzungen und Demütigungen bereits als erreicht ansahen ([X.] 105).

Auch wenn damit ein ausdrückliches Einvernehmen aller an den [X.] beteiligten Angeklagten, trotz Möglichkeit auf weiteres gewalttätiges Vorgehen gegen die erkennbar nicht gravierend verletzten Nebenkläger zu verzichten, nicht festgestellt ist, liegen die Voraussetzungen eines einvernehmlichen Rücktritts von beiden Versuchstaten vor. Im Gesamtzusammenhang des festgestellten dynamischen, durch das Vorgehen in mehreren Gruppen gekennzeichneten Geschehens genügt eine durch sämtliche Angreifer stillschweigend getroffene Übereinkunft, von weiteren Gewalthandlungen abzusehen, den Anforderungen einvernehmlichen Nichtweiterhandelns beim strafbefreienden Rücktritt von dem durch mehrere Tatbeteiligte begangenen Versuch.

Dass die Angeklagten unter Einschluss des Angeklagten P.    ihre außertatbestandlichen Handlungsziele, Rache und Machtdemonstration, bereits aufgrund des vorherigen Vorgehens erreicht hatten, steht dem Rücktritt nicht entgegen [X.], StGB, 61. Aufl., § 24 Rn. 9 mwN).

Da das [X.] Furcht vor der Ergreifung durch die Polizei als Motiv für das Absehen von weiteren Gewalthandlungen ausgeschlossen und dieses vielmehr in dem Erreichen der im vorstehenden Absatz genannten Ziele gesehen hat, erfolgte der Rücktritt auch freiwillig.

c) Der Senat hat daher auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen die Verurteilungen des Angeklagten wegen der zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fälle des Totschlagsversuchs zu Lasten der Nebenkläger [X.].    und [X.]   entfallen lassen und den Schuldspruch entsprechend geändert.

III.

Der Aufhebung des Strafausspruchs bedurfte es dennoch nicht. Der Senat schließt aus, dass das [X.] gegen den Angeklagten eine niedrigere Jugendstrafe verhängt hätte oder gar zu einer anderen jugendstrafrechtlichen Sanktion gelangt wäre, wenn es die beiden entfallenen, tateinheitlich [X.] nicht berücksichtigt hätte.

1. Das [X.] hat die Jugendstrafe auf den Anordnungsgrund der „Schwere der Schuld" gemäß § 17 Abs. 2 [X.] gestützt. Es hat zugrunde gelegt, dass der hohe Unrechtsgehalt der Tat sich bei dem Angeklagten auch in vorwerfbarer persönlicher Schuld niedergeschlagen hat ([X.] 582). Damit hat es ohne Rechtsfehler den äußeren Unrechtsgehalt der Tat bzw. der Taten lediglich insoweit zum Ausgangspunkt für die Beurteilung des jugendspezifisch zu bestimmenden [X.] gemacht, als sich aus ihm Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des [X.] und die Höhe seiner Schuld gewinnen lassen (st. Rspr.; siehe nur [X.], Urteil vom 23. März 2010 - 5 [X.], [X.], 290, 291; Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 3 [X.], [X.], 164; weit. Nachw. bei [X.] in [X.] Kommentar zum StGB, Band 6, 2. Aufl., 2013, [X.] § 17 Rn. 64).

Die für das Schuldausmaß bedeutsame innere Einstellung des Angeklagten hat das Tatgericht u.a. dadurch charakterisiert gesehen, dass er um der Zugehörigkeit zu den „[X.]" willen ein eminentes Interesse an der Zerschlagung der konkurrierenden Gruppierung „[X.]" hatte und den Angriff gegen diese aus innerer Überzeugung gebilligt hat. Darüber hinaus hat es zur Bestimmung des Schuldumfangs rechtsfehlerfrei berücksichtigt, dass der Angeklagte anders als andere Mitglieder der „[X.]" angesichts seiner geordneten Familienverhältnisse weniger auf den Rückhalt in der Gruppe angewiesen war. Der Wegfall von zwei tateinheitlich begangenen [X.] würde sich auf den derart bestimmten Schweregrad der Schuld nach dem rechtlichen Ausgangspunkt des Tatgerichts nicht auswirken.

Gleiches gilt auch für die Bestimmung des [X.], soweit diesem nach dem vorgenannten Maßstab Bedeutung für das Ausmaß der Schuld zukommt. Das [X.] hat für diesen vor allem die sehr schweren Verletzungen des [X.] [X.], aber auch die Verletzungen der Nebenkläger [X.].     und [X.]    als ausschlaggebend erachtet. Zudem hat es auf die Vielzahl der beteiligten Täter, die Begehung der Tat auf einem öffentlichen Platz durch maskierte Täter sowie die generalstabsmäßige Planung der Tat abgestellt ([X.] 548 f.). Für keinen dieser Umstände kommt es entscheidend darauf an, ob die Delikte zu Lasten der Geschädigten [X.].     und [X.]    allein als gefährliche Körperverletzung oder zudem tateinheitlich als versuchter Totschlag gewertet wurden.

Der Senat kann demnach ausschließen, dass das Tatgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung nicht zu einer Jugendstrafe gelangt wäre.

2. Ebenso lässt sich die Verhängung einer niedrigeren Jugendstrafe bei Wegfall der zwei tateinheitlich verwirklichten Totschlagsversuche ausschließen. Das [X.] ist ohne Rechtsfehler bei der Strafzumessung von § 18 Abs. 2 [X.] ausgegangen und hat sich bei der Bemessung von dem Erziehungsgedanken leiten lassen, ohne den auch bei Verhängung von Jugendstrafe gebotenen gerechten Schuldausgleich (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Mai 1996 - 4 StR 182/96, [X.], 496 mwN) zu vernachlässigen. Es hat zugunsten des Angeklagten ohnehin bereits berücksichtigt, dass bei Anwendung von allgemeinem Strafrecht bzgl. der versuchten Totschlagsversuche der Strafrahmen des § 213 StGB anzuwenden wäre. Dagegen hat es hinsichtlich der schweren Körperverletzung in seinen Erwägungen zu den bei nach allgemeinem Strafrecht anzustellenden [X.] einen minder schweren Fall verneint, aber zugunsten des Angeklagten die Bemühungen um Schadenswiedergutmachung - trotz Fehlens der Voraussetzungen von § 46a StGB - berücksichtigt. Hinsichtlich der Notwendigkeit erzieherischer Einwirkung hat es zudem in Bedacht genommen, dass die Länge der verhängten Jugendstrafe, unter Berücksichtigung der Dauer der Untersuchungshaft, den Schulbesuch des Angeklagten nicht in Frage stellen wird. Keine der [X.] Erwägungen wird durch den geänderten Schuldspruch beeinflusst.

IV.

Die Revision hat lediglich in so geringem Umfang Erfolg, dass es nicht unbillig ist, den Angeklagten mit den gesamten Kosten des Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 [X.]).

Ri[X.] Dr. Wahl ist
urlaubsbedingt an der
Unterschriftsleistung
gehindert.

Raum     

Raum

Rothfuß

Jäger     

     [X.]     

Meta

1 StR 367/13

27.02.2014

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stuttgart, 15. Oktober 2012, Az: 2 KLs 50 Js 399/09 Hw

§ 24 Abs 2 S 1 StGB, § 212 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.02.2014, Az. 1 StR 367/13 (REWIS RS 2014, 7499)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7499

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