Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.02.2014, Az. 1 StR 367/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2014, 7479

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Gegenstand

Versuchter Totschlag: Einvernehmlicher Rücktritt durch mehrere Tatbeteiligte


Tenor

1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 15. Oktober 2012 werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen versuchten Totschlags in zwei weiteren Fällen entfällt. Die Änderung des Schuldspruchs wird auf die Mitangeklagten B.     und [X.].      erstreckt.

2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Neben- und Adhäsionsklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten sowie den Mitangeklagten [X.]und die nicht revidierenden Mitangeklagten B.     und [X.].      jeweils wegen versuchten Totschlags in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung und mit gefährlicher Körperverletzung in sechs tateinheitlich zusammentreffenden Fällen verurteilt. Es hat folgende Strafen verhängt: gegen den Angeklagten [X.].     eine Jugendstrafe von fünf Jahren und neun Monaten, gegen den Angeklagten [X.]eine solche von fünf Jahren, gegen den Angeklagten Er.    eine Jugendstrafe von fünf Jahren und neun Monaten sowie gegen den Angeklagten [X.].      eine [X.] von dieser Dauer, gegen die Angeklagten [X.]und [X.]      jeweils eine Jugendstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten sowie gegen den Angeklagten [X.].    eine Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, gegen den Angeklagten   Y.      eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren; gegen den nicht revidierenden Angeklagten B.     eine [X.] von sieben Jahren und neun Monaten sowie gegen den Angeklagten [X.].          eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten. Der Angeklagte [X.], über dessen Revision der Senat mit gesondertem [X.]schluss vom heutigen Tage entschieden hat, ist zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt worden.

2

Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren überwiegend allein auf die Sachrüge gestützten Revisionen.

3

Die Rechtsmittel haben lediglich in dem aus der [X.]schlussformel ersichtlichen geringen Umfang Erfolg. Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Überprüfung nur insoweit nicht stand, als die Angeklagten tateinheitlich neben dem versuchten Totschlag zu Lasten des [X.]auch wegen [X.] zum Nachteil der Nebenkläger [X.].      und Ö.    verurteilt worden sind. Das [X.] hat einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB in diesen beiden Fällen rechtsfehlerhaft verneint.

4

Die weitergehenden Rechtsmittel sind aus den Gründen der jeweiligen Antragsschriften des [X.] unbegründet.

[X.]

5

Nach den Feststellungen des [X.]s vereinbarten u.a. die Angeklagten [X.].   , [X.]  , Er.   ,   Y.     sowie der Mitangeklagte [X.], bei denen es sich wie bei den übrigen Mitangeklagten um Mitglieder des [X.] „Chapters" der Gruppierung „[X.]" handelt, einen Überfall auf Angehörige der rivalisierenden Gruppe „[X.]". Mit dem Überfall sollte ein massiver Gegenschlag gegen Mitglieder von „[X.]" geführt werden, um vorherige Übergriffe auf Angehörige der „[X.]" zu rächen und die Auflösung der „[X.]" zu erzwingen. Als Angriffsziel wurde der Schulhof der [X.]     schule in [X.]       ausgewählt. Den Angehörigen der „[X.]" war bekannt, dass sich am [X.] Mitglieder der „[X.]" dort aufhalten würden. [X.]i den Planungen des Überfalls war unter den daran beteiligten „[X.]" verabredet worden, mit möglichst vielen Angreifern unter Einsatz von [X.] auf die zu [X.] einzuschlagen. Absprachen dahingehend, lediglich so zuzuschlagen, dass niemand ins Krankenhaus komme, nicht auf die Köpfe zu schlagen oder nicht (weiter) gegen bereits am Boden Liegende vorzugehen, wurden nicht getroffen. Welches Maß an Gewalt angewendet werden würde, sollte vielmehr jedem Tatbeteiligten selbst überlassen bleiben ([X.] 92).

6

Nach dem Abschluss der Planungsgespräche wurden weitere Angehörige der [X.] „[X.]" für die [X.]teiligung an dem [X.]. Insgesamt begaben sich die 21 Angeklagten mit wenigstens sieben Fahrzeugen auf den Weg von [X.]nach [X.]        . Spätestens im Zeitpunkt des Aufbruchs nach [X.]        war - mit Ausnahme von zwei nicht wegen [X.] verurteilten Mitangeklagten - allen Angeklagten bekannt, dass den Mitgliedern der „[X.]" durch einen gemeinsamen tätlichen Angriff unter Einsatz von [X.] die Stärke, Entschlossenheit und Überlegenheit der „[X.]" demonstriert und die Auseinandersetzungen mit der rivalisierenden Gruppe endgültig beendet werden sollten. Alle Angeklagten waren mit diesem Angriff einverstanden und zur Mitwirkung daran bereit. Absprachen über [X.]grenzungen der anzuwendenden Gewalt wurden weiterhin nicht getroffen ([X.] 96 und 97).

7

[X.]i dem Eintreffen in [X.]       in der Nähe der [X.]        schule verließ die ganz überwiegende Zahl der Angeklagten ihre Fahrzeuge, viele von ihnen bewaffneten sich mit [X.], einige vermummten sich. [X.] Ange- klagten war dabei bewusst, dass bei dem unmittelbar bevorstehenden Angriff wahllos auf die sich im Schulhof aufhaltenden Personen eingeschlagen werden würde und dabei auch die Köpfe der Angegriffenen nicht ausgespart werden würden. Alle erkannten, dass bei dieser Art des Vorgehens ein oder mehrere Opfer zu Tode kommen könnten. Eine Gruppe unter den beteiligten Angehörigen der [X.] „[X.]", darunter die Angeklagten, wollte durch das abgesprochene schonungslose Vorgehen die Auflösung der „[X.]" erzwingen oder diese jedenfalls dauerhaft von Übergriffen auf Mitglieder der „[X.]" abhalten. Dieser Teil der Angeklagten ging davon aus, das angestrebte Ziel lediglich dann erreichen zu können, wenn die Angegriffenen in Angst und Schrecken versetzt würden, was wiederum einen lebensgefährlichen Angriff erforderlich mache. Die erkannte Möglichkeit des Todes eines oder mehrerer Opfer nahmen sie dabei billigend in [X.]uf ([X.] 102 und 103).

8

Die Gruppe der Angeklagten sowie weitere tatbeteiligte Mitglieder der „[X.]" stürmten anschließend den Hof der [X.]        schule. Der Geschädigte [X.], bei dem es sich nicht um einen Angehörigen der „[X.]" handelte, bemerkte die Angreifer und versuchte durch einen der vier Ausgänge des Hofs zu entkommen. Dabei kam er jedoch zu Fall. Auf den am Boden liegenden Nebenkläger schlugen mindestens vier Angreifer mit [X.] ein. Wenigstens einer der Angreifer versetzte [X.] mit einer Eisenstange mindestens drei massive Schläge auf den Kopf, die zu einer Zertrümmerung des Schädels führten. Nachdem die Angreifer die dadurch entstandenen gravierenden Verletzungen wahrgenommen hatten, ließen sie von ihm ab. Irgendwelche [X.]mühungen, um das Leben des [X.] zu retten, unternahmen die Angreifer nicht ([X.] 109). Der Nebenkläger, dessen Leben durch eine Notoperation gerettet werden konnte, erlitt schwerste und lebensgefährliche Verletzungen, u.a. ein schweres Schädelhirntrauma und eine Mehrfragmentfraktur des [X.]. Aufgrund der erlittenen Verletzungen kam es zu einer massiven Schwellung des Gehirns und einem Austreten von Hirnmasse. Durch die Einwirkungen auf den Schädel sind rund ein Drittel der Gehirnsubstanz seiner rechten Gehirnhälfte abgestorben. Der Nebenkläger ist zu 100 % erwerbsunfähig; eine maßgebliche [X.]sserung seines Zustandes ist nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht zu erwarten.

9

Ebenso wie der Nebenkläger [X.] bemerkten auch die Nebenkläger [X.].     und Ö.     den [X.]; beide versuchten ebenfalls zu fliehen. [X.]i dieser Flucht stürzte Ö.     zu Boden, kam auf dem Rücken zu liegen und wurde daraufhin von vier bis fünf Angreifern umringt. Diese schlugen mit Schlagstöcken auf ihn ein. Zwei der Angreifer schlugen mit kräftigen Ausholbewegungen mittels Schlagstöcken auf den Kopf des [X.]. Weitere Schläge richteten sich gegen die Arme, die er sich schützend vor das Gesicht gehalten hatte, und die [X.]ine. Er erlitt u.a. mehrere Kopfplatzwunden im Stirnbereich und eine weitere solche Wunde im [X.]reich des [X.]. Der Nebenkläger [X.].      wurde bereits während seiner Flucht von mehreren der angreifenden Angeklagten geschlagen. Als er zu Fall kam, umringten ihn ebenfalls mehrere Angeklagte, die mit [X.] gegen ihn vorgingen. Die Schläge richteten sich auch gegen den Kopf, den der Nebenkläger mit seinen Händen zu schützen versuchte. Einige der Schläge trafen den Hinterkopf, bevor es dem Nebenkläger gelang, aufzustehen und zu flüchten. [X.].      erlitt u.a. drei Kopfplatzwunden am Hinterkopf, einen Nasenbeinbruch sowie zahlreiche Hämatome an unterschiedlichen Partien des Oberkörpers.

Das [X.] hat weiter festgestellt, dass „die Angreifer", nachdem sie in der beschriebenen Weise gegen die Nebenkläger [X.].     und Ö.     vorgegangen waren, „von weiteren Verletzungshandlungen absahen, da sie ihr Ziel der Rache und Machtdemonstration aufgrund der zugefügten Verletzungen und Demütigungen bereits als erreicht ansahen." ([X.] 105).

I[X.]

1. Das Tatgericht hat auf der Grundlage dieser Feststellungen einen Rücktritt vom versuchten Totschlag gemäß § 24 Abs. 2 StGB für alle wegen [X.] in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen verurteilten Angeklagten mit der [X.]gründung verneint, keiner der Angeklagten habe [X.]mühungen zur Rettung des [X.] unternommen. Das Absehen von weiteren Gewaltanwendungen gegen die beiden anderen Nebenkläger genüge nicht, weil der [X.] zu Lasten von      [X.] beendet war und die Mittäter durch bloße Untätigkeit die Vollendung der Tat im Ganzen nicht mehr verhindern konnten ([X.] 544).

2. Diese [X.]gründung trägt die Ablehnung eines strafbefreienden Rücktritts gemäß § 24 Abs. 2 StGB nicht, soweit die Angeklagten sowie die nicht revidierenden Mitangeklagten B.     und [X.].         auch wegen [X.] in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zum Nachteil der Nebenkläger [X.].     und Ö.    verurteilt worden ist.

Das [X.] ist zwar angesichts des festgestellten mehraktigen Gesamtgeschehens mit dem von bedingtem Tötungsvorsatz getragenen Vorgehen der Angeklagten sowie der Nichtrevidenten [X.]und [X.].           rechtsfehlerfrei von natürlicher Handlungseinheit ausgegangen. Es hat zudem der Höchstpersönlichkeit des jeweils angegriffenen Rechtsguts Leben der drei Nebenkläger durch die Annahme versuchten Totschlags in drei tateinheitlichen Fällen Rechnung getragen (vgl. [X.], Urteil vom 23. Mai 2012 - 5 StR 54/12, [X.], 562; siehe auch [X.]schluss vom 23. Oktober 2013 - 4 StR 401/13, in [X.], 85 f. nur teilw. abgedruckt). Diese konkurrenzrechtliche [X.]wertung ändert aber nichts daran, dass die Voraussetzungen des Rücktritts vom Versuch gemäß § 24 StGB für jedes der im Versuchsstadium stecken gebliebene [X.] gesondert zu prüfen sind ([X.], aaO, [X.], 562). Das [X.] konnte daher nicht mit dem für den [X.] zu Lasten [X.] [X.] [X.]gründung, mangels auf Vollendungsverhinderung abzielender Aktivitäten fehle es an einem Rücktritt vom (beendeten) Versuch, jeweils einen strafbefreienden Rücktritt von den [X.] zu Lasten der Nebenkläger [X.].      und Ö.    ausschließen.

3. Auf der Grundlage der vom [X.] ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellungen zu den versuchten [X.] zum Nachteil der geschädigten Nebenkläger [X.].     und Ö.    sind für die Angeklagten jeweils die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom [X.] gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB gegeben.

a) Nach dem Wortlaut der genannten Vorschrift wird wegen eines von mehreren [X.]teiligten begangenen Versuchs nicht bestraft, wer die Vollendung der Tat verhindert. Dafür bedarf es grundsätzlich ebenso wie bei dem Rücktritt des [X.] vom beendeten Versuch (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB) einer Mitursächlichkeit des Zurücktretens für das Ausbleiben der Tatvollendung ([X.], [X.]schluss vom 8. Februar 2012 - 4 StR 621/11, [X.], 167, 168). Nach der im Ergebnis einhelligen Rechtsprechung des [X.] erfasst der Rücktritt gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB aber auch solche Konstellationen, in denen die Tatbeteiligten den Rücktritt einvernehmlich durchführen ([X.], Urteil vom 14. Mai 1996 - 1 StR 51/96, [X.]St 42, 158, 162; [X.]schlüsse vom 4. April 1989 - 4 StR 125/89, [X.], 317, 318; vom 8. Februar 2012 - 4 StR 621/11, [X.], 167, 168; im Ergebnis ebenso [X.], [X.]schlüsse vom 9. Januar 2003 - 4 [X.], [X.] 2003, 207; vom 11. Januar 2011 - 1 StR 537/10, [X.], 337, 338). Dafür genügt es, dass die Tatbeteiligten einvernehmlich nicht weiterhandelten, obwohl sie dies hätten tun können ([X.] jeweils aaO, [X.] 2003, 207; [X.], 337, 338; [X.], 167, 168).

b) Nach diesen Grundsätzen sind die an den Tötungstaten zu Lasten der Nebenkläger [X.].     und Ö.    beteiligten Angeklagten einvernehmlich von beiden [X.] gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB zurückgetreten. Das [X.] hat insoweit festgestellt, dass „die Angreifer" nach dem Ende der Schläge und Tritte gegen die beiden Nebenkläger von weiteren Verletzungshandlungen absahen, weil sie die von ihnen verfolgten Ziele, sich zu rächen und ihre Macht zu demonstrieren, aufgrund der u.a. diesen beiden Nebenklägern zugefügten Verletzungen und Demütigungen bereits als erreicht ansahen ([X.] 105).

Auch wenn damit ein ausdrückliches Einvernehmen aller an den [X.] beteiligten Angeklagten, trotz Möglichkeit auf weiteres gewalttätiges Vorgehen gegen die erkennbar nicht gravierend verletzten Nebenkläger zu verzichten, nicht festgestellt ist, liegen die Voraussetzungen eines einvernehmlichen Rücktritts von beiden Versuchstaten vor. Im Gesamtzusammenhang des festgestellten dynamischen, durch das Vorgehen in mehreren Gruppen gekennzeichneten Geschehens genügt eine durch sämtliche Angreifer stillschweigend getroffene Übereinkunft, von weiteren Gewalthandlungen abzusehen, den Anforderungen einvernehmlichen Nichtweiterhandelns beim strafbefreienden Rücktritt von dem durch mehrere Tatbeteiligte begangenen Versuch.

Dass die Angeklagten ihre außertatbestandlichen Handlungsziele, Rache und Machtdemonstration, bereits aufgrund des vorherigen Vorgehens erreicht hatten, steht dem Rücktritt nicht entgegen [X.], StGB, 61. Aufl., § 24 Rn. 9 mwN).

Da das [X.] Furcht vor der Ergreifung durch die Polizei als Motiv für das Absehen von weiteren Gewalthandlungen ausgeschlossen und dieses vielmehr in dem Erreichen der im vorstehenden Absatz genannten Ziele gesehen hat, erfolgte der Rücktritt auch freiwillig.

c) Der Senat hat daher auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen die Verurteilungen der Angeklagten wegen der zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fälle des [X.] zu Lasten der Nebenkläger [X.].      und Ö.    entfallen lassen und die Schuldsprüche entsprechend geändert.

II[X.]

Der Aufhebung der [X.] bedurfte es dennoch nicht. Der Senat schließt aus, dass das [X.] gegen die Angeklagten jeweils eine niedrigere Strafe verhängt hätte oder bei den zu Jugendstrafe bzw. [X.] verurteilten Angeklagten gar zu einer anderen jugendstrafrechtlichen Sanktion gelangt wäre, wenn es die beiden entfallenen, tateinheitlich [X.] nicht berücksichtigt hätte.

1. Das [X.] hat hinsichtlich der Angeklagten [X.].     , [X.], Er.    , [X.].       , [X.], [X.]      und [X.].     die Jugendstrafen jeweils auf den Anordnungsgrund der „Schwere der Schuld" gemäß § 17 Abs. 2 [X.] gestützt. Es zudem für alle genannten Angeklagten zugrunde gelegt, dass der hohe Unrechtsgehalt der Tat sich bei ihnen auch in vorwerfbarer persönlicher Schuld niedergeschlagen hat. Damit hat es ohne Rechtsfehler den äußeren Unrechtsgehalt der Tat bzw. der Taten lediglich insoweit zum Ausgangspunkt für die [X.]urteilung des jugendspezifisch zu bestimmenden [X.] ge- macht, als sich aus ihm Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des [X.] und die Höhe seiner Schuld gewinnen lassen (st. Rspr.; siehe nur [X.], Urteil vom 23. März 2010 - 5 [X.], [X.], 290, 291; [X.]schluss vom 25. Oktober 2011 - 3 [X.], [X.], 164; weit. Nachw. bei [X.] in [X.] Kommentar zum StGB, Band 6, 2. Aufl., 2013, [X.] § 17 Rn. 64).

Hinsichtlich der für das [X.] bedeutsamen inneren Einstellung der Angeklagten hat das Tatgericht unter näherer Darlegung zu jedem einzelnen Angeklagten u.a. auf das Ausmaß des Zugehörigkeitsgefühls zu den „[X.]" und daraus abgeleitet auf die Art und den Grad des Interesses an der Zerschlagung der konkurrierenden Gruppierung „[X.]" abgestellt. Darüber hinaus hat es zur [X.]stimmung des Schuldumfangs rechtsfehlerfrei jeweils berücksichtigt, in welchem Ausmaß die Angeklagten vor dem Hintergrund ihrer individuellen familiären Situation auf Rückhalt in der Gruppe und Anerkennung durch die anderen Gruppenmitglieder angewiesen waren. Der Wegfall von zwei tateinheitlich begangenen [X.] würde sich auf den derart bestimmten Schweregrad der Schuld nach dem rechtlichen Ausgangspunkt des Tatgerichts nicht auswirken.

Gleiches gilt auch für die [X.]stimmung des [X.], soweit diesem nach dem vorgenannten Maßstab [X.]deutung für das Ausmaß der Schuld zukommt. Das [X.] hat für diesen vor allem die sehr schweren Verletzungen des [X.], aber auch die Verletzungen der Nebenkläger [X.].     und Ö.    als ausschlaggebend erachtet. Zudem hat es auf die Vielzahl der beteiligten Täter, die [X.]gehung der Tat auf einem öffentlichen Platz durch maskierte Täter sowie die generalstabsmäßige Planung der Tat abgestellt ([X.] 548 f.). Für keinen dieser Umstände kommt es entscheidend darauf an, ob die Delikte zu Lasten der Geschädigten [X.].     und Ö.    allein als gefährliche Körperverletzung oder zudem tateinheitlich als versuchter Totschlag gewertet wurden.

Der Senat kann demnach ausschließen, dass das Tatgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung bei einem der Angeklagten nicht zu einer Jugendstrafe gelangt wäre.

2. Ebenso vermag der Senat die Verhängung jeweils niedrigerer Jugendstrafen bei Wegfall der zwei tateinheitlich verwirklichten [X.]e ausschließen. Das [X.] ist ohne Rechtsfehler bei der Strafzumessung von § 18 Abs. 2 [X.] ausgegangen und hat sich bei der [X.]messung von dem Erziehungsgedanken leiten lassen, ohne den auch bei Verhängung von Jugendstrafe gebotenen gerechten Schuldausgleich (vgl. [X.], [X.]schluss vom 7. Mai 1996 - 4 StR 182/96, [X.], 496 mwN) zu vernachlässigen. Es hat für jeden Angeklagten unter Würdigung der konkreten Tatbeteiligung, eventueller früherer Straffälligkeit sowie der daraus für den individuellen Schuldgehalt zu ziehenden Schlüsse geprüft, ob bei Anwendung von allgemeinem Strafrecht bzgl. der versuchten [X.]e der Strafrahmen des § 213 StGB und ob hinsichtlich der schweren Körperverletzung derjenige von § 226 Abs. 3 StGB anzuwenden wäre. In diese Erwägungen hat es für alle genannten Angeklagten gesondert einbezogen, ob neben § 23 Abs. 2 StGB weitere vertypte Milderungsgründe wie etwa diejenigen aus § 46a und § 46b StGB zu berücksichtigen wären, wenn allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre. In [X.] Weise hat es die Voraussetzungen eines minderschweren Falls gemäß § 213 StGB lediglich für die Angeklagten [X.]  und [X.].     im Hinblick auf die für sie individuell maßgeblichen Strafzumessungsgesichtspunkte angenommen. Die Notwendigkeit erzieherischer Einwirkung hat es zudem bei allen genannten Angeklagten gesondert in [X.]dacht genommen. Keine der vorstehend genannten [X.] Erwägungen wird durch den geänderten Schuldspruch beeinflusst.

3. In [X.]zug auf den zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilten Angeklagten   Y.     schließt der Senat ebenfalls aus, dass das Tatgericht zu einer niedrigeren Einzelstrafe und zu einer geringeren Gesamtstrafe gelangt wäre, wenn es lediglich von einem tateinheitlich neben den Körperverletzungsdelikten verwirklichten [X.] ausgegangen wäre. Das [X.] hat ohne Rechtsfehler auch unter [X.]rücksichtigung des vertypten [X.] aus § 23 Abs. 2 StGB einen minderschweren Fall des (versuchten) Totschlags verneint und den gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen von § 212 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt. Auf diese Strafrahmenwahl wirkt sich die vom Senat vorgenommene Schuldspruchänderung nicht aus. Innerhalb dieses Strafrahmens hat das Tatgericht den hohen Unrechtsgehalt der Tat berücksichtigt, den es - wie der Senat in seinem den Mitangeklagten [X.] betreffenden [X.]schluss vom heutigen Tage näher ausgeführt hat - gerade nicht als durch das Vorliegen mehrerer tateinheitlicher [X.]e geprägt erachtet hat. Die übrigen vom Tatgericht als bestimmend genannten Strafzumessungsgründe betreffen das [X.]währungsversagen des Angeklagten und seine konkrete Rolle bei der Ausführung der Tat (u.a. Kontakt zu dem als Späher eingesetzten Mitangeklagten [X.]    ; Teilnahme bereits an der [X.] im Clubhaus; Einweisung der Tatbeteiligten in die Fahrzeuge). Keine dieser Erwägungen zur konkreten Strafbemessung nimmt [X.]zug auf die vom Tatgericht rechtsfehlerhaft angenommene mehrfache Verwirklichung des versuchten Totschlags. Auswirkungen auf die Höhe der Einzelstrafe sind daher ausgeschlossen.

Die Bildung der Gesamtstrafe ist ebenfalls ohne Rechtsfehler erfolgt.

IV.

1. Die Änderung des Schuldspruchs ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die nicht revidierenden Mitangeklagten [X.]und [X.].        zu erstrecken. Da diese ebenfalls u.a. wegen versuchten Totschlags in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen verurteilt worden sind, betrifft sie der aufgezeigte materiell-rechtliche Fehler in gleicher Weise.

2. Auswirkungen auf die Auswahl der jugendstrafrechtlichen Sanktion (Jugendstrafe) bei dem Angeklagten B.     sowie solche auf die Höhe der verhängten Jugend- bzw. Freiheitsstrafe - letztere hinsichtlich des Angeklagten [X.].         - kann der Senat aus den vorstehend für die Revisionsführer genannten entsprechenden Gründen ausschließen.

[X.]i dem Angeklagten [X.].          hat das Tatgericht innerhalb des rechtsfehlerfrei doppelt (§ 23 Abs. 2, § 46b StGB) gemilderten Strafrahmens von § 212 Abs. 1 StGB dessen konkrete Tatbeteiligung (Teilnahme an der [X.]; Fahrer; eigenhändige Ausführung von Schlägen gegen Opfer mit einem Schlagstock) gewürdigt. Die Verwirklichung von drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen des versuchten Totschlags war kein bestimmender Strafzumessungsfaktor.

Hinsichtlich des Angeklagten B.     hat das [X.] im Rahmen der [X.]messung der Jugendstrafe rechtlich unbedenklich bestimmend auch auf den Umstand abgestellt, dass dieser wenigstens einen der massiven Schläge ausgeführt hat, die die schweren Verletzungen des [X.]verursacht haben. Das betrifft die materiell-rechtliche [X.]wertung der Gewalthandlungen zum Nachteil der Nebenkläger [X.].     und Ö.    nicht.

3. Die Erstreckung ist auch dann vorzunehmen, wenn sich die Schuldspruchberichtigung wie hier nicht auf den Rechtsfolgenausspruch auswirkt (Senat, [X.]schlüsse vom 7. Oktober 2003 - 1 [X.] und vom 6. Mai 2013 - 1 StR 178/13 mwN).

V.

Die Revisionen haben lediglich in so geringem Umfang Erfolg, dass es nicht unbillig ist, die [X.]schwerdeführer mit den jeweiligen gesamten Kosten ihres Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).

Ri[X.] Dr. Wahl ist
urlaubsbedingt an der
Unterschriftsleistung
gehindert.

Raum     

Raum

Rothfuß

Jäger     

     [X.]     

Meta

1 StR 367/13

27.02.2014

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stuttgart, 15. Oktober 2012, Az: 2 KLs 50 Js 399/09 Hw

§ 22 StGB, § 23 Abs 1 StGB, § 24 Abs 2 S 1 StGB, § 25 Abs 2 StGB, § 212 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.02.2014, Az. 1 StR 367/13 (REWIS RS 2014, 7479)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7479

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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