Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.09.2013, Az. VI R 8/11

6. Senat | REWIS RS 2013, 2543

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Gegenstand

Zuschüsse zur freiwilligen Rentenversicherung als Arbeitslohn


Leitsatz

Zuschüsse, die eine AG Vorstandsmitgliedern zur freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder einem Versorgungswerk gewährt, sind Arbeitslohn. Es handelt sich hierbei um Vorteile, die im überwiegenden Interesse des Arbeitnehmers gewährt werden und sich auch dann nicht lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen darstellen, wenn die Rentenzahlungen auf die betriebliche Altersversorgung angerechnet werden (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 5. September 2006 VI R 38/04, BFHE 214, 573, BStBl II 2007, 181).

Tatbestand

1

I. [X.]ie Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine [X.]G, erteilte den Mitgliedern ihres Vorstands im Rahmen der betrieblichen [X.]ltersversorgung regelmäßig eine Pensionszusage. [X.]as einzelne Vorstandsmitglied hatte hierzu keine eigenen Beiträge zu leisten. [X.]us der [X.] vor ihrer Vorstandstätigkeit brachten die Vorstandsmitglieder eine andere [X.]ltersversorgung, z.B. aus berufsständischen Versorgungswerken oder als Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung, mit. In den Streitjahren 1997 bis 2001 gewährte die Klägerin fünf Vorstandsmitgliedern Zuschüsse für die freiwillige Weiterversicherung in der bisherigen Versorgungseinrichtung. [X.]abei handelt es sich bei [X.] und B (1997 und 1998) sowie bei [X.] (1999 bis 2001) um Zuschüsse zur freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung und bei [X.] (2001) und [X.] (2000 und 2001) um Zuschüsse zur [X.]rlangung einer Versorgung aus dem [X.]. [X.]ie mit [X.], [X.] und [X.] abgeschlossenen Pensionsverträge sehen eine volle [X.]nrechnung anderweitig bezogener Ruhegelder und Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor. Im Übrigen handelt es sich um sog. [X.]ltdienstverträge, in denen keine [X.]nrechnungsklausel enthalten ist. [X.]er Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --F[X.]--) führte bei der Klägerin für den [X.]raum 1997 bis 2001 eine Lohnsteuer-[X.]ußenprüfung durch, deren [X.]rgebnisse im Bericht vom 11. November 2002 zusammengefasst sind. [X.]as F[X.] behandelte die Zuschüsse als steuerpflichtigen [X.]rbeitslohn und erfasste den Sachverhalt im [X.] vom 25. November 2002, geändert durch den Bescheid vom 10. Januar 2008. [X.]aneben nahm es die Klägerin u.a. für die Lohnsteuer auf die [X.]ifferenz zwischen dem von ihr angesetzten Mietwert für eine der Witwe eines Vorstandsmitglieds überlassene Wohnung und dem laut Prüfung zu berücksichtigenden Mietwert in [X.]aftung.

2

[X.]ie nach erfolglosem [X.]inspruchsverfahren erhobene Klage hatte zum Teil [X.]rfolg. [X.]insichtlich des Mietwerts gab das Finanzgericht ([X.]) der Klage statt und setzte in Übereinstimmung mit den Beteiligten auf der Grundlage des örtlichen Mietspiegels eine Miete in [X.]öhe von 3.707 [X.]M monatlich an. Zudem hatte die Klage insoweit [X.]rfolg, als sich die Klägerin gegen die Inhaftungnahme für Lohnsteuer wegen der Zuschüsse für die Vorstandsmitglieder [X.], [X.] und [X.] wandte. [X.]as [X.] begründete seine [X.]ntscheidung im Wesentlichen damit, dass der mit der Zahlung einhergehende Vorteil im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse gewährt werde, weil die Zuschüsse aufgrund der Minderung der durch die Klägerin später zu erbringenden Versorgungsleistungen infolge der [X.]nrechnung einem betrieblichen Zweck dienten. Im Übrigen wies das [X.] die Klage ab.

3

Mit der Revision rügt das F[X.] die Verletzung von § 19 [X.]bs. 1 des [X.]inkommensteuergesetzes ([X.]StG).

4

[X.]as F[X.] beantragt,
das Urteil des [X.] [X.]üsseldorf vom 22. [X.]pril 2010  8 K 3052/07 [X.](L) aufzuheben, soweit es die von der Klägerin gezahlten [X.]rbeitgeberzuschüsse zur Rentenversicherung bzw. zum Versorgungswerk für die Vorstandsmitglieder [X.], [X.] und [X.] nicht als steuerpflichtigen [X.]rbeitslohn behandelt hat, und die Klage insoweit abzuweisen.

5

[X.]ie Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

II. [X.]ie Revision des [X.] ist begründet. [X.]ie Zuschüsse zu Beiträgen der Vorstandsmitglieder [X.], [X.] und [X.] zur [X.]rlangung einer Altersvorsorge sind steuerpflichtiger Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]StG. [X.]er Haftungsbescheid ist mithin --entgegen der Auffassung des [X.] auch insoweit rechtmäßig, als das [X.] die Klägerin hinsichtlich der streitigen Zuschüsse in Haftung genommen hat. [X.]ie Revision führt daher zur Änderung des angefochtenen Urteils und auch insoweit zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

7

1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 [X.]StG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 [X.]StG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]StG abzuführen hat.

8

2. Zu den [X.]inkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]StG u.a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten [X.]ienst gewährt werden. [X.]ie Leistung des Arbeitgebers muss sich im weitesten Sinne als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der individuellen Arbeitskraft erweisen. [X.]agegen sind solche Vorteile nicht als Arbeitslohn anzusehen, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als [X.]ntlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen. Vorteile besitzen danach keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. [X.]as ist der Fall, wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit [X.] eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden kann (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile des [X.] --[X.]-- vom 30. Mai 2001 VI R 177/99, [X.][X.] 195, 373, [X.] 2001, 671; vom 7. Juli 2004 VI R 29/00, [X.][X.] 208, 104, [X.] 2005, 367; vom 11. März 2010 VI R 7/08, [X.][X.] 228, 505, [X.] 2010, 763).

9

3. a) Im Streitfall ist den Vorstandsmitgliedern durch die Zahlung der Zuschüsse ein Vorteil zugeflossen.

Mitglieder des [X.] sind nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig (§ 1 Satz 4 des [X.] in der in den Streitjahren geltenden Fassung --SGB VI--). Nicht versicherungspflichtige Personen können sich freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung versichern (§ 7 Abs. 1 SGB VI). Freiwillig Versicherte haben ihre Beiträge als Versicherungsnehmer selbst zu tragen (§ 171 SGB VI). [X.]iese Regelung schließt jedoch eine Übernahme der Beitragszahlung durch [X.]ritte oder eine [X.]rstattung der Beiträge nicht aus (vgl. [X.]/[X.] in SGB VI, 3. Aufl., § 7 Rz 42 bis 45, § 171 Rz 3). Leistet der Arbeitgeber einen Zuschuss zur Beitragszahlung, so fließt dem Arbeitnehmer der Betrag bei Zahlung --ggf. im abgekürzten Zahlungsweg bei direkter Zahlung an die gesetzliche Rentenversicherung-- zu. [X.]asselbe gilt bei freiwilliger Fortführung der Mitgliedschaft in einem Rechtsanwaltsversorgungswerk, soweit der Arbeitgeber einen Zuschuss zu den vom Arbeitnehmer und Beitragsschuldner zu zahlenden Beiträgen leistet.

b) [X.]ie den Vorstandsmitgliedern zugeflossenen Zuschüsse sind auch als [X.]ntlohnung für ihre Tätigkeit anzusehen.

aa) [X.]ie Zuschussleistung stellt sich im Streitfall nicht lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen dar.

[X.]ie [X.]rlangung eines Anspruchs auf Versorgungsleistungen liegt grundsätzlich im Interesse desjenigen, dessen Versorgung sichergestellt werden soll (vgl. [X.]-Urteil vom 7. Mai 2009 VI R 16/07, [X.][X.] 225, 78, [X.] 2010, 130). Zwar mag es ein betriebliches Anliegen der Klägerin gewesen sein, durch gegenwärtige Leistung von Zuschüssen später zu erbringende Pensionslasten zu reduzieren. Angesichts der erheblichen Bedeutung, die die Sicherung seiner Altersversorgung für den Arbeitnehmer hat, und der Höhe der betrieblichen Leistungen, tritt das Interesse des Arbeitgebers an der Finanzierung und Sicherung seiner Versorgungszusage nicht derart in den Vordergrund, dass der Vorteil des Arbeitnehmers durch die Zuschüsse zur Rentenversicherung oder zu den Versorgungswerken als bloße Begleiterscheinung des vom Arbeitgeber mit der Leistung verfolgten betrieblichen Zwecks anzusehen wäre (vgl. [X.]-Urteil in [X.][X.] 225, 78, [X.] 2010, 130).

Soweit diese Beurteilung nicht mit der in der [X.]ntscheidung des [X.] vom 5. September 2006 VI R 38/04 ([X.][X.] 214, 573, [X.] 2007, 181) vertretenen Auffassung übereinstimmt, hält der Senat daran nicht mehr fest.

bb) [X.]ie Zuschussleistung ist auch nicht einem gesetzlichen Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung gleichzustellen.

Im Falle einer gesetzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers zur Abführung eines Beitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung handelt es sich beim Arbeitgeberanteil nicht um Arbeitslohn, weil die [X.]ntrichtung des [X.] nicht als Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu beurteilen ist ([X.]-Urteil vom 6. Juni 2002 VI R 178/97, [X.][X.] 199, 524, [X.] 2003, 34). [X.]er Arbeitgeber erfüllt hiermit vielmehr eine eigene ihm unmittelbar auferlegte öffentliche Verpflichtung.

Im Streitfall bestand keine gesetzliche Verpflichtung der Klägerin, für die Vorstandsmitglieder Anteile zu einer Rentenversicherung zu tragen. Mithin erfüllte die Klägerin hiermit nicht eine eigene öffentliche Verpflichtung.

4. [X.]ie Zuschüsse zur Rentenversicherung bzw. zu den Beiträgen zum Versorgungswerk sind auch nicht nach § 3 Nr. 62 Satz 1 [X.]StG steuerfrei. [X.]enn die Steuerbefreiung betrifft nur Zukunftssicherungsleistungen, zu denen der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet ist ([X.]-Urteil vom 9. Oktober 1992 VI R 47/91, [X.][X.] 169, 208, [X.] 1993, 169; [X.]-Beschluss vom 30. April 2002 VI B 237/01, [X.]/NV 2002, 1029). [X.]s liegt auch nicht der in § 3 Nr. 62 Satz 2 [X.]StG geregelte Fall vor, dass Zuschüsse zu den Aufwendungen eines von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreiten Arbeitnehmers gezahlt worden sind. [X.]enn bei Vorstandsmitgliedern handelt es sich nicht um von der gesetzlichen Versicherungspflicht befreite Arbeitnehmer; sie gehören vielmehr zu dem kraft Gesetzes nicht versicherungspflichtigen Personenkreis ([X.]-Urteil in [X.][X.] 169, 208, [X.] 1993, 169).

Meta

VI R 8/11

24.09.2013

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 22. April 2010, Az: 8 K 3052/07 H (L), Urteil

§ 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 1997, § 3 Nr 62 EStG 1997, § 1 S 4 SGB 6, § 7 Abs 1 SGB 6, § 42d Abs 1 Nr 1 EStG 1997, § 38 Abs 1 EStG 1997, § 38 Abs 3 S 1 EStG 1997, § 41a Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.09.2013, Az. VI R 8/11 (REWIS RS 2013, 2543)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2543

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