Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.03.2012, Az. V ZR 174/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8590

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V [X.]
Verkündet am:

2. März 2012

Langendörfer-Kunz,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 21 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 2
Weist die [X.]sordnung die Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung der Fenster nebst Rahmen in dem räumlichen Bereich des Sondereigentums den einzelnen Wohnungseigentümern zu und nimmt dabei den Außenanstrich aus, ist eine vollständige Erneuerung der Fenster im Zweifel Sache der [X.].

[X.], Urteil vom 2. März 2012 -
V [X.] -
LG [X.] I

AG [X.]

-
2 -
Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 2. März 2012 durch [X.]
Dr.
Krüger, die Richter [X.] und Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr.
[X.] und Weinland

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts [X.]
I vom 27. Juni 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Abweisung der Klage im Hinblick auf den Antrag, das in der Wohnung des [X.] vorhandene Dachflächenfenster auszutauschen und entstandene [X.] zu erstatten (Berufungsanträge zu III Nr. 1 und 3) sowie im Hinblick auf die Ungültigerklärung
der entsprechenden Beschlüsse der Eigentümerversammlung (Berufungsantrag zu II) bestätigt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil des Amtsgerichts [X.] vom 14.
Dezember 2010 auf die Berufung des [X.] teil-weise geändert.
Der Beschluss der
Wohnungseigentümer vom 7. Juli 2010 zu [X.] 5a, [X.] wird für ungültig erklärt.
Die Beklagten werden verurteilt, folgenden Maßnahmen zuzu-stimmen:
Das in der Küche der Wohnung des [X.] vorhandene Dachflä-chenfenster und die dazugehörige Laibung sind auf
Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft auszubauen. Es ist ein voll-wertiges [X.] fachgerecht mit einer standard-gemäßen Isolierung einzubauen.
Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Be-rufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen
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3 -
Tatbestand:
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Gemäß §
6 Abs. 1 der [X.]sordnung hat jeder Wohnungseigentümer unter ande-rem die von ihm allein genutzten Gegenstände auf eigene Rechnung [X.] zu pflegen, instandzuhalten und instandzusetzen. In dem räumli-chen Bereich seines Sondereigentums treffen den einzelnen Wohnungseigen-tümer deshalb unabhängig von der Zuordnung zu dem Sonder-
und Gemein-schaftseigentum bestimmte Instandhaltungs-
und Instandsetzungspflichten, die beispielhaft genannt werden. Dazu gehören zunächst Schönheitsreparaturen einschließlich des Anstrichs der Innenseite der Fenster samt Rahmen. Weiter wird die Behebung von Glasschäden und die Instandhaltung und Instandset-zung der Außenfenster samt Fensterrahmen und Rollläden aufgeführt. In die-sem Zusammenhang heißt es, soweit dabei die Außenansicht betroffen werde, sei eine einheitliche Ausführung unabdingbar; daher sei die Erneuerung des Außenanstrichs der Fenster samt Rahmen und Rollläden Sache der Eigentü-mergemeinschaft.
Im Juni 2006 traten in der Wohnung des [X.] Feuchtigkeitsschäden auf. Nachdem die Verwaltung keine Maßnahmen zur Ermittlung der Schadens-ursache ergriff, beauftragte der Kläger einen Privatgutachter. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass das in der Küche eingebaute Dachflächenfenster für eine solche Verwendung ungeeignet und durch ein [X.] zu [X.] sei. In einer Eigentümerversammlung im [X.] beantragte der Kläger erfolglos sowohl den Ersatz der Gutachterkosten als auch den Ausbau und die fachgerechte Erneuerung des Dachfensters. In der Versammlung vom 14. Juli 2010 wiederholte der Kläger seine Anträge, die erneut abgelehnt wurden. Mit der Klage will er unter anderem die ablehnenden Beschlüsse für ungültig erklä-ren lassen und die Zustimmung der Beklagten zu der Durchführung der begehr-1
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ten Maßnahmen erreichen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des [X.] ist -
soweit hier von Interesse
-
erfolg-los geblieben. Mit der insoweit zugelassenen Revision verfolgt er seine zuletzt gestellten, auf Ausbau und Erneuerung des Dachfensters nebst Laibung sowie Ersatz der Gutachterkosten bezogenen Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, die nicht angefochtenen [X.] aus dem [X.] stünden der Klage nicht entgegen, weil sie sich in der Ab-lehnung der Anträge erschöpften. Die Erneuerung des Dachfensters sei gemäß § 6 Abs. 1 der [X.]sordnung Sache des [X.], der demzufolge auch die Gutachterkosten zu tragen habe. Eine derartige Bestimmung erfasse entge-gen einer verbreiteten Auffassung auch die Beseitigung eines -
dem Privatgut-achten zufolge hier vorliegenden
-
anfänglichen Mangels. Der Begriff der In-standsetzung beziehe sich nach dem Wortlaut ebenso wie nach Sinn und Zweck der Regelung auch auf die erstmalige ordnungsmäßige Herstellung.

II.
Die Revision ist in zulässiger Weise auf die Erneuerung des Dachfens-ters und Erstattung der Gutachterkosten beschränkt worden. Die darauf bezo-genen Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

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5 -
1. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Bestandskraft der [X.]
aus dem [X.] der Klage nicht entgegensteht. Die unterlassene Anfechtung eines ablehnenden [X.] entfaltet keine Sperrwirkung für inhaltsgleiche Anträge (Senat, [X.] vom 19. September 2002 -
V
ZB 30/02, [X.]Z 152, 46, 51). Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung eines Negativbeschlusses ist regel-mäßig anzunehmen (Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 -
V
ZR 114/09, [X.]Z 184, 88 Rn. 13); zudem hat der Kläger die Anfechtung mit einem Antrag auf Zustimmung zu der Durchführung der begehrten Maßnahmen verbunden.
2. Zu Unrecht sieht das Berufungsgericht die Erneuerung des Dachfens-ters als Aufgabe des [X.] an.
a) [X.] nebst Rahmen stehen gemäß § 5 Abs. 2 [X.] zwingend im [X.]seigentum ([X.], [X.], 204; Armbrüster in [X.], [X.], 11. Aufl., § 5 Rn. 71). Dies hat nach der gesetzlichen Kompe-tenzzuweisung zur Folge, dass die [X.] der Wohnungseigentümer für ihren Austausch zuständig ist (§ 21 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 2 [X.] bzw. § 22 [X.]) und die damit verbundenen Kosten zu tragen hat (§ 16 Abs. 2 [X.]). Durch Vereinbarung können die Wohnungseigentümer hiervon abweichen, sofern sie eine klare und eindeutige Regelung treffen. Im Zweifel bleibt es bei der gesetz-lichen Zuständigkeit
(KG, [X.], 135, 136; [X.], ZMR
2010, 483
f.; [X.], [X.], 157, 158; vgl. auch BayObLG, [X.], 574).
b) Eine solche abweichende Regelung der Instandhaltung und Instand-setzung der Fenster und der damit verbundenen Kosten enthält §
6 Abs. 1 der [X.]sordnung. Die Auslegung einer derartigen, in dem
Grundbuch in Bezug genommenen Bestimmung unterliegt vollen Umfangs der Nachprüfung 5
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durch das Revisionsgericht. Maßgebend sind ihr Wortlaut und ihr Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt, weil sie auch die Sonderrechtsnachfolger der Wohnungseigentümer [X.]. Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (vgl. Senat, Urteil vom 10. September 1998 -
V
ZB 11/98, [X.]Z 139, 288, 291 ff.).
c) Die Auslegung durch den Senat ergibt, dass § 6 Abs. 1 der Gemein-schaftsordnung den Austausch des Fensters nicht dem Kläger, sondern den Beklagten zuweist, und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen anfängli-chen oder um einen nachträglichen Mangel handelt. Ausdrücklich wird nur die "Erneuerung des Außenanstrichs", nicht aber die vollständige Erneuerung der Fenster geregelt. Die erforderliche eindeutige Zuweisung auch dieser Aufgabe an den einzelnen Wohnungseigentümer lässt sich der [X.]sordnung nicht entnehmen. Für eine Zuständigkeit des Sondereigentümers hinsichtlich der Erneuerung spricht zwar auf den ersten Blick, dass ihm nicht nur der Innen-anstrich und die Behebung von Glasschäden, sondern auch die Instandhaltung und Instandsetzung der Außenfenster samt Fensterrahmen obliegen. Damit wird nicht nur die Kostenlast geregelt (zu einer derartigen Regelung vgl. Senat, Urteil vom 10. Juni 2011 -
V
ZR 2/10, [X.], 589), sondern auch die Ver-waltungsbefugnis im Hinblick auf diesen Teil des [X.]seigentums. In dem gesetzlichen Sprachgebrauch umfasst die Instandhaltung und Instandset-zung auch einen Austausch (vgl. [X.], [X.], 11. Aufl., § 21 Rn.
89). Die erforderliche Auslegung der differenzierten Regelung in ihrem Ge-samtzusammenhang spricht aber dafür, dass der Begriff der Instandhaltung und Instandsetzung enger gemeint ist und nicht die vollständige Erneuerung, son-dern nur die übliche Pflege, die Wartung und die Reparatur der vorhandenen Fenster erfasst. Denn die Erneuerung des Außenanstrichs der Fenster samt 9
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Rahmen wird der Eigentümergemeinschaft zugewiesen. Das erlaubt nicht den Schluss, dass alle anderen Maßnahmen dem einzelnen Wohnungseigentümer obliegen (so aber -
jeweils für ähnliche Klauseln -
OLG Düsseldorf, [X.], 277; BayObLG, [X.], 562; [X.] 2004, 23
f.), sondern führt im Zweifel da-zu, dass der Austausch der Fenster [X.]saufgabe ist; behält sich die [X.] schon den
Außenanstrich vor, gilt dies erst recht für die vollstän-dige Erneuerung. Mit einer solchen Regelung wollen die Wohnungseigentümer nämlich eine einheitliche Außenansicht des Gebäudes sicherstellen. Ein Aus-tausch der Fenster kann die Außenansicht in gleichem oder noch stärkerem Maße als ein Anstrich beeinflussen. In der hier verwendeten Klausel ist dieser Zweck sogar ausdrücklich festgehalten worden, weil eine einheitliche Ausfüh-rung von Maßnahmen, die die Außenansicht betreffen, als "unabdingbar"
be-zeichnet
und der Außenanstrich aus diesem Grund der [X.] [X.] wird.
3. Ein Anspruch auf Zustimmung zu dem Ersatz der Gutachterkosten scheidet danach nicht -
wie das Berufungsgericht meint
-
schon deshalb aus, weil die Erneuerung des Dachfensters
Sache des [X.] war.

III.
Das Urteil kann aus diesem Grund keinen Bestand haben; es ist [X.] (§ 562 Abs. 1 ZPO). Im Hinblick auf die Zustimmung zu dem Austausch des Dachfensters und die Anfechtung des darauf bezogenen ablehnenden [X.] kann der Senat in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils insoweit nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Nach den in dieser Hinsicht nicht angegriffenen 10
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Feststellungen des Berufungsgerichts ist das Fenster erneuerungsbedürftig; der Kläger kann die Maßnahme gemäß § 21 Abs. 4 [X.] verlangen. Im Übrigen ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil sich das Berufungsgericht -
von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig
-
mit dem Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten bislang nicht näher befasst und insoweit keine ausrei-chenden Feststellungen getroffen hat.
Krüger
Lemke
Schmidt-Räntsch

[X.]
Weinland
Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 14.12.2010 -
484 C 745/10 -

LG [X.] I, Entscheidung vom 27.06.2011 -
1 S 1062/11 [X.] -

Meta

V ZR 174/11

02.03.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.03.2012, Az. V ZR 174/11 (REWIS RS 2012, 8590)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8590

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Wird zitiert von

IV R 5/21

Zitiert

V ZR 174/11

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