Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.03.2011, Az. IX ZB 174/08

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 8541

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[X.]BESCHLUSS [X.] 174/08 vom 17. März 2011 in dem Insolvenzverfahren Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja[X.] § 290 Abs. 1 Nr. 5 Gibt der Schuldner eine im [X.]raum zwischen der Stellung eines ersten [X.] und der Stellung eines weiteren, mit einem [X.] [X.] Insolvenzantrags vorgenommene Grundstücksschenkung auf Frage nicht an, liegt darin ein zumindest grob fahrlässiger Verstoß gegen seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten. [X.], Beschluss vom 17. März 2011 - [X.] 174/08 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], [X.] Dr. Gehrlein und [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] am 17. März 2011 beschlossen: Auf die Rechtsmittel des Gläubigers werden der Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 20. Juni 2008 und der Beschluss des [X.] vom 28. Dezember 2007 aufgehoben. Der Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung wird [X.]. Der Schuldner trägt die Kosten der Rechtsmittel. Der Gegenstandswert wird auf 5.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] Der Schuldner beantragte am 14. Juli 2005 die Eröffnung des [X.] über sein Vermögen. Auf Hinweis des Insolvenzgerichts stellte der Schuldner unter Verwendung von Formblättern am 1. August 2005 1 - 3 - - eingegangen bei dem Insolvenzgericht am 12. August 2005 - abermals einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, den er mit einem Restschuldbe-freiungsantrag verband. In dem mittels handschriftlich vervollständigter Form-blätter eingereichten Vermögensverzeichnis gab der Schuldner durch Ankreu-zen des Kastens "nein" an, in den letzten vier Jahren keine Vermögensgegens-tände verschenkt und in den letzten zwei Jahren keine Vermögensgegenstände an nahe Angehörige veräußert zu haben. Zwischenzeitlich hatte er am 22. Juli 2005 den ihm gehörenden Miteigentumsanteil an einem in [X.] gelege-nen Grundstück auf seine Ehefrau unentgeltlich übertragen. Durch Beschluss vom 28. November 2005 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Den von dem Gläubiger im Schlusstermin vom 25. Oktober 2007 ge-stellten Antrag, dem Schuldner die Restschuldbefreiung im Blick auf die Grund-stücksveräußerung zu versagen, haben Amtsgericht und [X.] [X.]. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger sein Begehren weiter. 2 I[X.] Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6, 289 Abs. 2 Satz 1 [X.] statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Sie hat in der Sache Erfolg, weil der Schuldner den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 [X.] verwirklicht hat. 3 1. Das [X.] hat ausgeführt, es könne nicht ausgeschlossen wer-den, dass der Schuldner die Angaben zu dem Grundstück in [X.] [X.] schuldlos unterlassen habe. Insbesondere stehe nicht fest, dass er tat-4 - 4 - sächlich das Formular vor Augen gehabt habe und ihm die Offenbarungspflicht daher bekannt sein musste. 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Dem Schuldner ist auf den zulässigen Antrag des Gläubigers die Restschuldbefrei-ung zu versagen, weil er nach dem unstreitigen Sachverhalt Aufklärungs- und Mitwirkungspflichten jedenfalls grob fahrlässig verletzt hat (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 [X.]). 5 a) Unrichtige Angaben, die der Schuldner im Rahmen des von ihm ge-stellten Insolvenzantrags abgibt, erfüllen den [X.] des § 290 Abs. 1 Nr. 5 [X.] ([X.], Beschluss vom 9. Oktober 2008 - [X.] 212/07, [X.], 2298 Rn. 8 ff). Der Schuldner hat Auskunftspflichten verletzt, weil er trotz der in dem Antrag enthaltenen ausdrücklichen Fragestellung eine Schenkung oder eine Veräußerung von Vermögensgegenständen an einen nahen [X.] verschwiegen hat. 6 Auskunft ist nach §§ 20, 97 [X.] über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse zu erteilen. Dieser Begriff ist weit auszulegen und umfasst alle rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse, die für das Verfah-ren in irgendeiner Weise von Bedeutung sein können. Die Verpflichtung zur Auskunft ist nicht davon abhängig, dass an den Schuldner entsprechende Fra-gen gerichtet werden. Der Schuldner muss vielmehr die betroffenen Umstände von sich aus, ohne besondere Nachfrage, offen legen, soweit sie offensichtlich für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sein können und nicht klar zu Tage liegen ([X.], Beschluss vom 11. Februar 2009 - [X.] 126/08, [X.], 524 Rn. 5; vom 15. April 2010 - [X.] 175/09, [X.], 976 Rn. 9). Ist der Schuld-ner bereits ohne Nachfrage zu einer erschöpfenden Auskunft verpflichtet, ver-7 - 5 - steht es sich von selbst, dass er konkrete Fragen des Gerichts nach seinen Vermögensverhältnissen stets zutreffend beantworten muss (vgl. [X.], [X.] vom 3. Februar 2011 - [X.] 3/10, Rn. 5; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 290 Rn. 72; [X.]/[X.], [X.] 13. Aufl. § 290 Rn. 67). Die-ser Verpflichtung hat der Schuldner nicht genügt, weil er das Formblatt verwen-det und trotz der dort enthaltenen ausdrücklichen Frage die unentgeltliche Ü-bertragung des in [X.] gelegenen Miteigentumsanteils auf seine Ehefrau nicht angegeben hat. b) Diese Pflichtverletzung beruht zumindest auf grober Fahrlässigkeit. 8 aa) Die Rechtsprechung versteht unter grober Fahrlässigkeit ein Han-deln, bei dem die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Ma-ße verletzt wurde, wenn ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben wurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte. Bei der groben Fahrlässigkeit handelt es sich um eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare [X.]. Die Feststellung dieser Voraussetzungen ist Sache des Tatrichters. Der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht unterliegt nur, ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurtei-lung des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer [X.] gelassen hat ([X.], Beschluss vom 2. Juli 2009 - [X.] 63/08, [X.], 1518 Rn. 13). 9 bb) Das [X.] hat hier wesentliche Umstände nicht in seine Be-urteilung einbezogen. Berücksichtigt man diese, erweist sich der [X.] auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts als grob fahrlässig. 10 - 6 - (1) Bereits im Ausgangspunkt kann dem Beschwerdegericht nicht gefolgt werden, es stehe nicht fest, ob der Schuldner tatsächlich das Formular vor [X.] gehabt habe und ihm daher die Offenbarungspflicht bekannt sein musste. Der Schuldner hat das Formular selbst ausgefüllt und die Richtigkeit der Anga-ben durch seine Unterschrift bestätigt. Angesichts dieser Gegebenheiten muss-te dem Schuldner aufgrund der konkreten Fragestellung in dem Formular der damit bezweckte, auf Schenkungen und Veräußerungen an nahe Angehörige gerichtete Inhalt seiner Auskunftspflicht bewusst, also "vor Augen", sein (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Mai 2010 - [X.] 167/09, [X.], 1236 Rn. 9). Deswegen geht es nicht darum, ob dem Schuldner - was hier durchaus nahe liegt - als grob fahrlässig angelastet werden könnte, nicht aus eigener Initiative auf das Grundstücksgeschäft hingewiesen zu haben. Jedenfalls musste ihm aufgrund der eindeutigen Fragestellung die Verpflichtung bewusst sein, das durchaus nicht alltägliche Grundstücksgeschäft zu offenbaren. 11 Dabei kommt hinzu, dass der Schuldner am 15. Juli 2005 einen ersten Insolvenzantrag gestellt, das Grundstück am 22. Juli 2005 unentgeltlich [X.] und im Zuge mit dem am 1. August 2005 in Verbindung mit einem Rest-schuldbefreiungsgesuch eingereichten weiteren Eröffnungsantrag das Vermö-gensverzeichnis vorgelegt hat. Bei dieser Sachlage ist es schlechthin unent-schuldbar, dass der Schuldner die nur kurze [X.] zurückliegende [X.] nicht angegeben hat. Vielmehr legt der zeitliche Ablauf sogar die weitergehende Annahme nahe, dass der Schuldner das Grundstück durch die-ses Geschäft gegen einen Zugriff im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu si-chern suchte. 12 (2) Die Darstellung des Schuldners gegenüber dem Amtsgericht, wonach das Grundstück der Sicherung einer Forderung seiner Mutter gedient habe und 13 - 7 - auf deren Wunsch im Interesse der Kinder des Schuldners an dessen Ehefrau übereignet worden sei, führt zu keiner anderen Beurteilung. Diese Schilderung erscheint bereits wenig glaubhaft, weil die Mutter des Schuldners offenbar keine Forderung angemeldet hat und deren Interesse, das Grundstück für ihre Enkelkinder zu erhalten, durch eine Übereignung an die Ehefrau des Schuldners kaum gedient war. Selbst wenn man die Richtigkeit dieser Darstellung unterstellt und der Schuldner aus seiner Warte möglicher-weise nicht von einer Schenkung auszugehen brauchte, wäre er zumindest gehalten gewesen, diesen nur kurze [X.] zurückliegenden Vorgang als Veräu-ßerung eines Vermögensgegenstandes an eine nahe stehende Personen zu offenbaren. Auch dies ist jedoch nicht geschehen. 14 (3) Zu keinem anderen Ergebnis führen die Ausführungen der Rechtsbe-schwerdeerwiderung, wonach Rechte an in [X.] gelegenen [X.] formlos übertragen werden können und die Mutter des Schuldners danach bereits im Jahr 1998 das Miteigentum des Schuldners erworben habe. 15 Es ist bereits nicht vorgetragen, dass der Kläger und seine Mutter über das [X.] Recht unterrichtet waren und - anstelle der auch möglichen grundbuchmäßigen Übertragung - eine erleichterte Eigentumsverschaffung tat-sächlich gewollt haben. Dagegen spricht entscheidend der Umstand, dass der Schuldner selbst und nicht seine Mutter als vermeintliche Eigentümerin am 22. Juli 2005 den Eigentumsanteil an die Ehefrau des Schuldners übertragen hat. Selbst wenn der Schuldner seinen Miteigentumsanteil formlos wirksam [X.] übereignet hatte, war er nach dem Inhalt des Vermögensverzeich-nisses verpflichtet, die die tatsächlich in seiner Person vorgenommene dingliche Vermögensübertragung an seine Ehefrau zu offenbaren. Nur dies hätte dem 16 - 8 - Insolvenzverwalter die nähere Prüfung ermöglicht, wer tatsächlich Eigentümer des Grundstücksanteils war und ist und ob dieser - im Wege der Anfechtung - zur Masse gezogen werden kann. c) Bei dieser Sachlage liegt jedenfalls ein grob fahrlässiger Verstoß ge-gen § 290 Abs. 1 Nr. 5 [X.] vor. Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, kann der Senat in der Sache entscheiden und den [X.] ablehnen (§ 577 Abs. 5 ZPO). [X.] [X.]

[X.] [X.]

Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 28.12.2007 - 40 IN 501/05 I - [X.], Entscheidung vom 20.06.2008 - 4 T 68/08 -

Meta

IX ZB 174/08

17.03.2011

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.03.2011, Az. IX ZB 174/08 (REWIS RS 2011, 8541)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8541

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IX ZB 174/08

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