Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.09.2023, Az. 1 WB 11/22

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2023, 9344

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Gegenstand

Unzulässiger Fortsetzungsfeststellungsantrag einer entlassenen Soldatin gegen die Covid-19-Impfpflicht für Soldaten


Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Das Verfahren betrifft die Regelungen zur Duldung einer Covid-19-Impfung.

2

Die ... geborene Antragstellerin war am 26. November ... zur Berufssoldatin im Dienstgrad eines Hauptbootsmanns ernannt worden.

3

Mit Wirkung vom 24. November 2021 war zuvor im Geschäftsbereich des [X.] nach Beteiligung des [X.], des [X.] und der Hauptschwerbehindertenvertretung eine Änderung der Allgemeinen Regelung (AR) [X.]-840/8-4000 "Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen - Fachlicher Teil" in [X.] getreten. Dadurch wurde die Impfung gegen den Covid-19-Erreger in die Liste der Basisimpfungen in Nr. 2001 AR [X.]-840/8-4000 aufgenommen.

4

In einem Schreiben an ihren damaligen [X.] vom 15. Dezember 2021 bat die Antragstellerin um Entlassung aus dem Dienstverhältnis. Zur Begründung führte sie aus, die Aufnahme der [X.] in das Basisimpfschema und die daraus resultierende Duldungspflicht hätten zu einem Vertrauensverlust in die [X.] geführt. Aufgrund dieses Antrages wurde die Antragstellerin mit Ablauf des 28. Februar 2022 aus dem Dienstverhältnis einer Berufssoldatin entlassen.

5

Mit einem weiteren Schreiben vom 15. Dezember 2021 beschwerte sich die Antragstellerin gegen die Aufnahme der [X.] in das Basisimpfschema mit der daraus folgenden Duldungspflicht und beantragte die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.

6

Am 12. Januar 2022 wurde gegen die Antragstellerin eine [X.] wegen des Nichtbefolgens des Befehls, sich immunisieren zu lassen, verhängt. Hiergegen hat diese weitere Beschwerde beim [X.] ..., ..., erhoben. Mit Beschluss vom 5. April 2022 hat die ... Kammer des [X.]s ... die aufschiebende Wirkung der weiteren Beschwerde bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache angeordnet.

7

Das [X.] hat die Beschwerde der Antragstellerin vom 15. Dezember 2021 als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet und ihn zusammen mit seiner Stellungnahme vom 9. März 2022 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

8

Nach Ausscheiden der Antragstellerin aus der [X.] hat diese mit Schreiben vom 13. Mai 2022 den Antrag im Eilverfahren zurückgenommen.

9

Die Antragstellerin macht geltend, dass sie in der Hauptsache weiterhin Klärungsbedarf habe, da die Duldungspflicht zur Grundlage der [X.] gemacht worden und ihre weitere Beschwerde gegen diese [X.] vor dem [X.] anhängig sei. Auf Nachfrage des Gerichts zu ihrem Rechtsschutzbedürfnis erklärte die Antragstellerin, an [X.] teilnehmen und im Fall der Landesverteidigung eingezogen werden zu wollen. Insofern halte sie eine Prüfung der Rechtmäßigkeit um die Entscheidung der Duldungspflicht zum damaligen Zeitpunkt weiter für geboten.

Die Antragstellerin hat keinen Sachantrag gestellt.

Das [X.] beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antrag sei bereits unzulässig, da der Antragstellerin mit Ausscheiden aus dem aktiven Dienstverhältnis das Rechtsschutzinteresse für ihr Begehren fehle. Mit ihrer Entlassung unterliege sie derzeit keiner Dienstpflicht und sie sei hinsichtlich etwaiger Impfungen nicht duldungspflichtig. Die Antragstellerin sei nach ihrem Ausscheiden nicht grundbeordert worden. Es liege auch kein Antrag eines anderen Truppenteils auf Beorderung vor. Eine Heranziehung zu Dienstpflichten sei derzeit nicht beabsichtigt. Als Reservistin, die nicht zu Dienstleistungen herangezogen sei, unterliege sie keiner Duldungspflicht nach § 17a Abs. 2 [X.]. Erst im Vorfeld einer Heranziehung sei eine Erklärung des Reservedienstleistenden im Hinblick auf die Duldungspflicht für Impfungen des Basisimpfschemas erforderlich. Fehle es an dieser Erklärung, [X.] die Heranziehung. Ferner ändere auch die ausstehende Entscheidung des [X.]s am fehlenden Rechtsschutzinteresse nichts, da die Rechts- und Weisungslage inzident in diesem Verfahren zu überprüfen sei.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des [X.], die Personalakte der Antragstellerin sowie die Gerichtsakte im Verfahren BVerwG 1 W-VR 6.22 haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

Er ist bereits unzulässig.

1. Das ursprüngliche - bei rechtsschutzfreundlicher Auslegung auf eine Aufhebung der Anweisung der [X.] vom 24. November 2021 zur Aufnahme der [X.]ovid-19-Impfung in das Basisimpfschema der [X.] "[X.] und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen - Fachlicher Teil - [X.]-840/8-4000" gerichtete - Anfechtungsbegehren hat sich - ungeachtet der in § 15 [X.] enthaltenen Regelung - erledigt, weil die Antragstellerin mit ihrer Entlassung aus dem [X.] nicht mehr der angefochtenen Anweisung unterliegt.

Die Antragstellerin gehört nicht zum impfpflichtigen Personenkreis. Die in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG geregelte Pflicht, ärztliche Maßnahmen, die zur Verhütung oder Bekämpfung übertragbarer Krankheiten dienen, dulden zu müssen, trifft nur Soldaten. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SG ist Soldat, wer aufgrund der Wehrpflicht oder freiwilliger Verpflichtung in einem [X.] steht. Mit ihrer Entlassung endete das mit der Antragstellerin bestehende [X.], das zuletzt als Dienstverhältnis eines Berufssoldaten bestand (vgl. § 49 Abs. 1 SG). Auch nach der Regelungstechnik des Erlasses [X.]-840/8-4000 richtet sich die Pflicht zur Duldung der [X.]ovid-19-Impfung nach deren Aufnahme in das Basisimpfschema der [X.] lediglich an aktive Soldaten. Die [X.] sind danach für alle militärischen Kräfte vorgeschrieben, die im Inland im Rahmen der Hilfs- und Katastrophenschutzaufgaben der [X.] (Art. 35 GG) zum Einsatz kommen (Nr. 2023 und 2024 [X.]-840/8-4000). Zum "Hilfs- und Katastrophenschutz Inland" zählen nach Nr. 406 Satz 3 der Zentralen Dienstvorschrift [X.]/8 "Impf- und weitere ausgewählte Prophylaxemaßnahmen" alle aktiven Soldatinnen und Soldaten (s. dazu [X.], Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 [X.] 2.22 - [X.]E 176, 138 Rn. 26).

Als Reservistin unterliegt sie der Pflicht nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ebenfalls nicht, weil sie in keinem [X.] steht. Ein solches Dienstverhältnis setzt eine Heranziehung zur Dienstleistung voraus (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 59 Abs. 2 SG), die hier nicht erfolgt ist.

2. Der im Falle der Erledigung grundsätzlich statthafte Fortsetzungsfeststellungsantrag (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 3 [X.]) ist hier unzulässig, weil der Antragstellerin kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur Seite steht.

a) Hat sich eine truppendienstliche Maßnahme, die - wie hier die Verpflichtung aus der Dienstvorschrift - keinen Befehl im Sinne von § 2 Nr. 2 [X.] darstellt, vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt, so entscheidet das Wehrdienstgericht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 [X.], ob die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Das Interesse, das Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage ist, kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein. Es ist typischerweise in den auch in der Rechtsprechung des Senats ([X.], Beschluss vom 25. November 2021 - 1 [X.] 28.20 - juris Rn. 17 m. w. N.) anerkannten Fallgruppen der Wiederholungsgefahr, des [X.] sowie der Absicht zum Führen eines Schadensersatzprozesses gegeben, kann aber auch aus anderen besonderen Umständen des Einzelfalls hergeleitet werden, sofern die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die klägerische Position in rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Hinsicht zu verbessern (s. dazu [X.], Urteil vom 29. März 2017 - 6 [X.] 1.16 - [X.]E 158, 301 Rn. 29 m. w. N.).

b) Dem Antragsvorbringen der Antragstellerin lässt sich kein Anhaltspunkt für ein mögliches Feststellungsinteresse entnehmen, das hier ohnehin allenfalls im Hinblick auf eine Wiederholungsgefahr oder eine präjudizielle Wirkung des hiesigen Prozesses für das gegen die Antragstellerin geführte wehrdisziplinargerichtliche Verfahren in Betracht gezogen werden könnte.

aa) Eine Wiederholungsgefahr lässt sich nicht feststellen. Dies würde voraussetzen, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige dienstliche Maßnahme ergehen wird (vgl. [X.], Beschluss vom 23. November 2022 - 6 B 22.22 - NVwZ-RR 2023, 342 Rn. 13 m. w. N.). Die lediglich theoretische Möglichkeit einer Wiederholung des maßgeblichen Verwaltungshandelns genügt hingegen nicht, um ein entsprechendes Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu begründen ([X.], Beschluss vom 25. März 1999 - 1 [X.] 56.98 - [X.] 311 § 17 [X.] Nr. 31 S. 2 f. m. w. N.).

Nach Auskunft des [X.] ist nicht beabsichtigt, die Antragstellerin als Reservistin zu einer Dienstleistung bei der [X.] heranzuziehen. Es liegt auch keine Grundbeorderung für die Antragstellerin vor. Vor diesem Hintergrund ist nicht damit zu rechnen, dass die Antragstellerin wieder in den Kreis der nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG pflichtigen Soldaten gelangen wird.

bb) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Antragstellerin ist auch nicht zu bejahen, soweit in dem hier anhängigen gerichtlichen Verfahren mit präjudizieller Wirkung die Frage geklärt werden könnte, ob die Anweisung der [X.] vom 24. November 2021 zur Aufnahme der [X.]ovid-19-Impfung in das Basisimpfschema der [X.] "[X.] und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen - Fachlicher Teil - [X.]-840/8-4000" rechtmäßig ist. Diese Frage kann die Antragstellerin in dem derzeit beim [X.] anhängigen Verfahren über ihre Beschwerde gegen die verhängte [X.] wegen des Nichtbefolgens des Befehls, sich immunisieren zu lassen, inzident prüfen und beantworten lassen.

Auf das truppendienstgerichtliche Verfahren kann sie deshalb verwiesen werden, weil ihr in dem hiesigen Verfahren nicht der Verlust von "Früchten des Prozesses" droht, die mit einer Fortsetzung des Verfahrens gesichert werden müssten. Dem bisherigen Vortrag der Antragstellerin lassen sich keinerlei Erwägungen entnehmen, die dem Senat Anlass gäben, seine bereits geäußerte Rechtsauffassung zu der von der Antragstellerin aufgeworfenen Frage (vgl. [X.], Beschlüsse vom 7. Juli 2022 - 1 [X.] 2.22 - [X.]E 176, 138 und - 1 [X.] 5.22 - juris) zu überdenken. Es liegt auch sonst kein Prozessstoff vor, wie beispielsweise Ergebnisse gerichtlicher Ermittlungen, der verloren gehen könnte, wenn das Verfahren vor dem Senat nicht fortgesetzt werden würde.

c) Nach alledem muss die Antragstellerin keine Nachteile für sich befürchten. Die Zurückweisung ihres Antrages durch den Senat beruht allein auf prozessrechtlichen und nicht auf sachlich-rechtlichen Gründen. Eine Rechtskraftwirkung von Erwägungen des Senats in der Sache zu Lasten der Antragstellerin kann von dem hiesigen Beschluss also nicht ausgehen (zur Verschiedenheit der Rechtskraftwirkung einer Prozess- und einer Sachabweisung s. [X.], Beschluss vom 14. Dezember 2018 - 6 B 133.18 - [X.] 442.066 § 47 TKG Nr. 5 Rn. 21 m. w. N.). Da die Beschlüsse des Senats vom 7. Juli 2022 (a. a. [X.]) zudem nicht zugunsten oder Ungunsten von jedermann ("inter omnes") wirken, bleibt es der Antragstellerin unbenommen, ihre Kritik an der Impfpflicht für Soldaten in Auseinandersetzung mit der besagten Senatsrechtsprechung vor dem [X.] vorzutragen.

Meta

1 WB 11/22

27.09.2023

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WB

§ 2 Abs 2 Nr 1 SG, § 17a Abs 2 S 1 Nr 1 SG, § 49 Abs 1 SG, § 59 Abs 2 SG, § 21 Abs 2 S 1 WBO, § 19 Abs 1 S 3 WBO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.09.2023, Az. 1 WB 11/22 (REWIS RS 2023, 9344)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9344

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