Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.09.2023, Az. 2 WD 5/23

2. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2023, 7789

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Gegenstand

Dienstgradherabsetzung wegen Missachtung zweier Befehle zur Wahrnehmung von Terminen zur COVID-19-Schutzimpfung


Leitsatz

Eine Gehorsamsverweigerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 WStG hinsichtlich des Befehls zur Wahrnehmung eines Termins für die im Basisimpfschema der Bundeswehr vorgesehene COVID-19-Schutzimpfung ist im Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen mit einer Dienstgradherabsetzung zu ahnden.

Tenor

Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil der [X.] des [X.] vom 16. März 2023 aufgehoben.

Der frühere Soldat wird in den Dienstgrad eines Jägers der Reserve herabgesetzt.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden dem früheren Soldaten auferlegt, der auch die ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der dem früheren Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen trägt der frühere Soldat zu 2/3 und der [X.]3.

Tatbestand

1

Das Verfahren betrifft die disziplinarische Ahndung der Missachtung zweier Befehle zur [X.]-Schutzimpfung.

2

1. Der ... geborene, ledige und kinderlose frühere Soldat war von Juli 2015 bis Ende Juni 2023 Zeitsoldat. Zuletzt wurde er 2019 zum Oberstabsgefreiten befördert. Seit Oktober 2021 gehörte er der ... in ... an, wo er Hilfsausbilder in der Grundausbildung war. Er bezieht bis Ende Juni 2026 Übergangsgebührnisse von monatlich rund 1 900 € netto. Eine Übergangsbeihilfe von etwa 17 000 € wurde einbehalten.

3

2. Im sachgleichen Strafverfahren verhängte das Amtsgericht ... mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 22. Februar 2022 gegen den ansonsten disziplinarisch und strafrechtlich nicht in Erscheinung getretenen früheren Soldaten wegen Gehorsamsverweigerung (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) eine Geldstrafe.

4

3. In dem am 12. April 2022 eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren wurde der frühere Soldat am 9. September 2022 wie folgt angeschuldigt:

"Der Soldat (Angehöriger der ...) unterließ es bewusst und gewollt, den ihm durch seinen Kompaniechef (Zeuge Major ...) in der ... (... in ...) gegebenen Befehl, sich gegen [X.] impfen zu lassen, zu befolgen, indem er sich

a) weder wie am [X.] befohlen am selben Tag

b) noch aufgrund auch nicht zwischenzeitlich anderweitig erfolgter entsprechender Impfung bis dahin wie am 18.01.2022 befohlen am 20.01.2022

gegen [X.] impfen ließ, ohne dass bei ihm eine diesbezügliche medizinische Kontraindikation vorlag oder er bereits vollständig geimpft/immunisiert war."

5

4. [X.] hat gegen den damals aktiven Soldaten mit Urteil vom 16. März 2023 ein [X.] für die Dauer von zwölf Monaten, verbunden mit einer Kürzung der Dienstbezüge um 1/20 für dieselbe Dauer, verhängt. Im rechtskräftigen Strafbefehl sei festgestellt worden:

"Am [X.] zu einem nicht mehr näher ermittelbaren Zeitpunkt zwischen 12.30 Uhr und 13.00 Uhr erhielten Sie als Soldat durch Ihren Vorgesetzten Major ... in der ... [ ... ] den mündlichen Befehl, einen Termin zur [X.]-Impfung am selben Tag um 13.30 Uhr in der [X.] der Kaserne wahrzunehmen. Am 18.01.2022 erhielten Sie von Ihrem Vorgesetzten Major ... den schriftlichen Befehl, sich am 20.01.2022 zu Ihrem Termin zur [X.]-Impfung einzufinden. Beiden Befehlen kamen Sie ohne entschuldigenden oder rechtfertigenden Grund nicht nach."

6

Diese Feststellungen unterlägen keinen Zweifeln. Der Zeuge Major ... habe ausgeführt, dass nach einem Impftermin in der Kaserne am 15./16. Dezember 2021, zu dem der frühere Soldat krankheitsbedingt nicht erschienen sei, nur drei Angehörige der Einheit ungeimpft gewesen seien. Die Bedenken der [X.] hätten mit Ausnahme derjenigen des früheren Soldaten ausgeräumt werden können, so dass alle anderen den Basisimpfschutz gehabt hätten. Nach dem Weihnachtsurlaub sei der neue Impftermin für den früheren Soldaten zwar kurzfristig gekommen. Er habe aber genug Zeit gehabt, sich zu informieren, [X.] zu führen und medizinische Bedenken vorzubringen. Durch die wiederholte Weigerung, seinen Basisimpfschutz zu vervollständigen, habe der frühere Soldat nach Ansicht des Zeugen die militärische Ordnung nicht gefährdet. Er sei weiter korrekt aufgetreten und als Ausbilder eingesetzt worden. Er habe im Dienst wie alle anderen Maske getragen, wenn die Situation dies erfordert habe. Da man in Kohorten gearbeitet habe, habe der Zeuge weitere Auflagen nicht für erforderlich gehalten.

7

Der frühere Soldat habe seine Gehorsamspflicht verletzt. Der Befehl, sich gegen den [X.]-Erreger impfen zu lassen, sei verbindlich gewesen. Die [X.]-Schutzimpfung sei am 24. November 2021 in das Basisimpfschema der [X.] aufgenommen worden. Daher könne der Dienstherr grundsätzlich eine Impfung verlangen, die nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG zu dulden sei, soweit - wie hier - keine medizinische Kontraindikation nachgewiesen sei. Das [X.] habe die Duldungspflicht mit Beschlüssen vom 7. Juli 2022 - 1 [X.] 2.22 und 1 [X.] 5.22 - für verfassungsgemäß erklärt. Das [X.] habe mit Beschluss vom 10. Februar 2022 - 1 BvR 2649/21 - festgestellt, dass Nebenwirkungen oder Folgen, die über die durch die Verabreichung des Impfstoffs induzierte Immunantwort hinausgingen, nach damaligem Kenntnisstand sehr selten gewesen seien. Der frühere Soldat habe ferner seine Pflicht zum treuen Dienen verletzt. Er sei der daraus folgenden Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung nicht gerecht geworden, weil er eine Wehrstraftat begangen habe. Damit einher gehe ein Verstoß gegen die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht.

8

Ausgangspunkt der [X.] sei bei [X.] - je nach Schwere des Verstoßes - eine Bezügekürzung, ein [X.] oder eine Dienstgradherabsetzung. Der Fall wiege mittelschwer, so dass von einem [X.] auszugehen sei. Da eine Wehrstraftat vorliege, handele es sich nicht um einen weniger schwerwiegenden Fall. Auch sei das disziplinare Gewicht eines Ungehorsams umso höher, je größer die dadurch drohenden Gefahren für ein bedeutsames Rechtsgut, insbesondere Leib und Leben von Kameraden, seien. Es sei aber weder ein "offener Ungehorsam" vor Anderen gewesen noch seien negative Folgen des Ungehorsams zu erkennen.

9

Auf der zweiten Stufe der [X.] sei vom [X.] nicht abzuweichen. Zu Gunsten des früheren Soldaten stritten seine Persönlichkeit, Führung und dienstlichen Leistungen. Der Ungehorsam habe keine nachteiligen Auswirkungen auf die Truppe gehabt. Der frühere Soldat sei wie zuvor eingesetzt worden und das Dienstvergehen sei nicht über die Einheitsführung hinaus bekannt geworden. Es dürfe auch nicht außer [X.] bleiben, in welchem Ausmaß damals über die Impfpflicht diskutiert worden sei. In dieser brisanten Gemengelage sei es auch einem Staatsdiener nicht gänzlich zu versagen, sich um seine Gesundheit zu sorgen.

Das [X.] sei am unteren Rand zu bemessen, weil die genannten Kriterien überwiegend für den früheren Soldaten sprächen. Mangels Auswirkungen auf den dienstlichen Werdegang sei es mit einer Bezügekürzung zu verbinden. Bei der Höhe seien die finanziellen Verhältnisse und die bereits eingetretene erzieherische Wirkung der Geldstrafe berücksichtigt worden.

5. Der [X.]disziplinaranwalt hat gegen das Urteil eine unbeschränkte Berufung mit dem Ziel der Aberkennung des Ruhegehalts eingelegt. Ausgangspunkt der [X.] müsse die [X.] sein. Das Dienstvergehen wiege sehr schwer, weil der frühere Soldat zweimal zwei Kernpflichten - die Pflicht zum Gehorsam und die Pflicht zur Duldung ärztlicher Maßnahmen - verletzt habe. Die Pflichtverletzungen seien angesichts der damaligen Infektionslage von erheblichem Gewicht. Ende 2021 sei die Lage nach Einschätzung des [X.] sehr besorgniserregend gewesen. Der frühere Soldat habe seine Kameraden vorsätzlich einer erheblichen Gesundheitsgefährdung ausgesetzt. Wären andere seinem schlechten Beispiel gefolgt, hätte dies massive Auswirkungen auf die [X.] gehabt. Auch aus [X.] Gründen sei daher von der [X.] auszugehen. Davon sei auf der zweiten Stufe der [X.] nicht abzuweichen. Darauf, dass alle anderen Soldaten seiner Einheit geimpft gewesen seien, habe der frühere Soldat keinen Einfluss gehabt. Er habe sich uneinsichtig gezeigt, sich jeder aufklärenden Beratung entzogen und den Eindruck erweckt, Befehle stünden zur Disposition. Er sei nur aus der "Not der Lage" heraus unverändert weiterverwendet worden.

6. Der frühere Soldat hat auf die Berufung nicht erwidert und ist zur Berufungshauptverhandlung nicht erschienen.

7. Hinsichtlich der Einzelheiten zu seiner Person, zur Anschuldigung und zur Begründung des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses, für die im Berufungsverfahren eingeführten Unterlagen und das Ergebnis der Zeugenvernehmung auf das Protokoll der Berufungshauptverhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung, über die gemäß § 124 [X.] in Abwesenheit des früheren Soldaten verhandelt werden konnte, ist zulässig und teilweise begründet. Da sie in vollem Umfang eingelegt worden ist, hat der Senat im Rahmen der Anschuldigung aufgrund eigener Tat- und Schuldfeststellungen über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden. Danach ist eine Herabsetzung des früheren Soldaten in den Dienstgrad eines Jägers der Reserve angemessen.

1. In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass der frühere Soldat am 13. Januar 2022 zwischen 12:30 Uhr und 13:00 Uhr vom Kompaniechef [X.] in der ... den mündlichen Befehl erhielt, einen Termin zur [X.] am selben Tag um 13:30 Uhr in der [X.] der Kaserne wahrzunehmen, und am 18. Januar 2022 von [X.] den schriftlichen Befehl erhielt, sich am 20. Januar 2022 zu seinem Termin zur [X.] einzufinden, und dass der frühere Soldat beiden Befehlen nicht nachkam. Dies folgt aus den tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Strafbefehl vom 22. Februar 2022. Diese können gemäß § 84 Abs. 2 [X.] ohne nochmalige Prüfung zugrunde gelegt werden, weil die Indizwirkung des Strafbefehls nicht entkräftet wurde (vgl. [X.], Urteil vom 8. Juli 2021 - 2 WD 22.20 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 95 Rn. 13 m. w. N.). Denn der frühere Soldat ist weder gegen den Strafbefehl vorgegangen noch gegen das Urteil des Truppendienstgerichts, in dem die tatsächlichen Feststellungen aus dem Strafbefehl zugrunde gelegt wurden. [X.] hat er die Richtigkeit des schriftlichen Befehls vom 18. Januar 2022 bestätigt, der mit den tatsächlichen Feststellungen im Strafbefehl übereinstimmt, und hat auf die Frage des Vorsitzenden, ob er Sorge vor gesundheitlichen Nachteilen gehabt habe, "richtig" geantwortet.

Der Zeuge [X.] hat in der Berufungshauptverhandlung nachvollziehbar erläutert, dass seine beiden auf die "Wahrnehmung" der Termine zur [X.] lautenden Befehle dahingehend zu verstehen waren, dass der frühere Soldat jeweils angewiesen wurde, den betreffenden Termin zur [X.] in der [X.] der Kaserne in der üblichen Form zu durchlaufen, d. h. dort zunächst ein Aufklärungsgespräch mit dem [X.] zu führen und sich im Fall der Feststellung der Impftauglichkeit durch den [X.] sodann der [X.] zu unterziehen. Zwar hätte [X.] nach eigenem Bekunden wohl von einer disziplinarischen Ahndung abgesehen, wenn der frühere Soldat sich zumindest dem [X.] vorgestellt hätte. Gleichwohl waren seine Befehle nach seinen Erläuterungen mit einem Anspruch auf Gehorsam auch hinsichtlich der Impfung im Fall der Feststellung der Impftauglichkeit durch den [X.] verbunden. Dass die Befehle auch nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (vgl. [X.], Urteil vom 17. Januar 2013 - 2 WD 25.11 - juris Rn. 45) so zu verstehen waren, folgt daraus, dass sich der frühere Soldat gegenüber dem [X.] nach dessen Angaben in dem Gespräch am 13. Januar 2022 wegen Bedenken gegen die bei der [X.] verwendeten [X.] gegen die [X.] verwehrte. Hierzu hätte kein Anlass bestanden, wenn er nicht auch zur Impfung im Fall der Feststellung seiner Impftauglichkeit angehalten worden wäre.

In subjektiver Hinsicht steht fest, dass der frühere Soldat die Befehle wissentlich und willentlich missachtete. Dies folgt ebenfalls aus den tatsächlichen Feststellungen im Strafbefehl. Zwar verhält dieser sich nicht ausdrücklich zum subjektiven Tatbestand. Jedoch kann der darin angenommene Straftatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nur vorsätzlich verwirklicht werden. Diese offenkundige konkludente Feststellung kann der Senat nach § 84 Abs. 2 [X.] zugrunde legen, weil sie vom früheren Soldaten nicht in Abrede gestellt worden ist.

Fest steht ferner, dass der frühere Soldat im Januar 2022 nicht vollständig gegen den COVID-19-Erreger geimpft oder immunisiert war. Denn der Zeuge [X.] hat erklärt, der frühere Soldat habe bei Aushändigung der Anschuldigungsschrift im September 2022 erklärt, dass er sich nicht mit einem mRNA-Impfstoff impfen lassen wolle, möglicherweise mit einem anderen. Zu dieser Erklärung hätte kein Anlass bestanden, wenn er bereits vollständig gegen den COVID-19-Erreger geimpft oder immunisiert gewesen wäre.

2. Der frühere Soldat hat ein Dienstvergehen begangen (§ 23 Abs. 1 [X.]). Er hat vorsätzlich seine Pflichten zum Gehorsam (§ 11 Abs. 1 [X.]), zur Duldung ärztlicher Maßnahmen (§ 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]), zum treuen Dienen (§ 7 [X.]), zur Wahrung der Disziplin (§ 17 Abs. 1 [X.]) und zum innerdienstlichen Wohlverhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 [X.]) verletzt.

a) Der frühere Soldat hat zweimal vorsätzlich gegen die Gehorsamspflicht nach § 11 Abs. 1 [X.] verstoßen.

aa) Bei den Befehlen vom 13. und 18. Januar 2022 handelte es sich um Befehle [X.] § 11 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Denn der frühere Soldat wurde damit entsprechend der insoweit zugrunde zu legenden Definition in § 2 Nr. 2 [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 21. Juni 2005 - 2 WD 12.04 - [X.]E 127, 302 <310>) von seinem Vorgesetzten, dem [X.], jeweils mit dem Anspruch auf Gehorsam zu einem bestimmten Verhalten angewiesen, nämlich den im jeweiligen Befehl genannten Termin zur [X.] wahrzunehmen.

bb) Beide Befehle hat er nicht ausgeführt. Davon hat sich der Zeuge [X.] jeweils persönlich an der "[X.]" überzeugt.

cc) Die Befehle waren verbindlich.

(1) Ein gesetzlicher Unverbindlichkeitsgrund bestand nicht. Insbesondere wurden die Befehle zu dienstlichen Zwecken [X.] § 11 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 [X.] erteilt (dazu [X.], Urteil vom 21. Juni 2005 - 2 WD 12.04 - [X.]E 127, 302 <311>). Denn sie dienten der Umsetzung der seit dem 24. November 2021 im Grundsatz für alle aktiven Soldatinnen und Soldaten der [X.] unmittelbar geltenden Duldungspflicht hinsichtlich der [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 [X.] 2.22 - juris Rn. 3 , [X.]E 176, 138 Rn. 26 f.). Dass die Befehle der Umsetzung dieser Duldungspflicht dienten, ergibt sich daraus, dass im schriftlichen Befehl vom 18. Januar 2022 auf diese Duldungspflicht verwiesen wurde.

(2) Es lag auch kein in der Rechtsprechung des Senats anerkannter, ungeschriebener Unverbindlichkeitsgrund vor. Zwar ist ein Befehl, der eine so große Gefahr für Leib oder Leben von Untergebenen herbeiführt, dass diese Gefahr in keinem Verhältnis zu dem dienstlichen Zweck des Befehls steht, unverbindlich (vgl. [X.], Urteil vom 10. März 2022 - 2 WD 7.21 - [X.]E 175, 118 Rn. 50 m. w. N.). Dementsprechend sind auch ärztliche [X.] nach § 17a Abs. 4 Satz 2 [X.] unzumutbar, wenn sie mit einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden sind. Dabei kommt es jedoch nicht auf die subjektive Einschätzung des betroffenen Soldaten an. Denn die in Art. 87a Abs. 1 GG vorausgesetzte Funktionsfähigkeit der [X.] wäre gefährdet, wenn die Frage der Zumutbarkeit von mit gesundheitlichen Risiken verbundenen Befehlen von der individuellen Risikoeinschätzung der einzelnen Soldaten abhängig wäre ([X.], Beschluss vom 22. Dezember 2020 - 2 [X.] 8.20 - [X.] 2021, 129 Rn. 7 ). Vielmehr kommt es nach dem eindeutigen Wortlaut des § 17a Abs. 4 Satz 2 [X.] auf das objektive Bestehen einer solchen Gefahr bei Durchführung der ärztlichen Maßnahme an (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Dezember 2020 - 2 [X.] 8.20 - [X.] 449 § 17a [X.] Rn. 14).

Auch danach waren die in Rede stehenden Befehle zur Wahrnehmung der Termine zur [X.] verbindlich. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der ihr zu entnehmenden Anweisung, zunächst das Aufklärungsgespräch mit dem [X.] zu führen, sondern auch für die darin enthaltene weitere Anweisung, sich im Fall der Feststellung der Impftauglichkeit durch den [X.] sodann der [X.] zu unterziehen. Der Erste Wehrdienstsenat des [X.] hat in seinen Beschlüssen vom 7. Juli 2022 - 1 [X.] 2.22 und 1 [X.] 5.22 - festgestellt, dass die Aufnahme der COVID-19-Impfung in die Liste der duldungspflichtigen Basisimpfungen mit Wirkung vom 24. November 2021 unter Berücksichtigung des von Art. 2 Abs. 2 GG geschützten körperlichen Integritätsinteresses der Soldatinnen und Soldaten der [X.] rechtmäßig war und sich daran bis zur Beschlussfassung nichts geändert hat. Dabei hat er die zu erwartenden Risiken und Nebenwirkungen, die bei den zur Verfügung stehenden und nach Mitteilung des Dienstherrn eingesetzten [X.]n auftreten, in die Rechtmäßigkeitsprüfung einbezogen (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 [X.] 2.22 - [X.]E 176, 138 Rn. 32). Dem hat er den Nutzen der [X.], namentlich ihre gewichtigen Vorteile für die Einsatzbereitschaft der [X.], gegenübergestellt. Er hat erläutert, weshalb der Dienstherr bei der Abwägung der privaten Interessen eines Soldaten, sich nicht dem Nebenwirkungsrisiko einer COVID-19-Impfung auszusetzen und seine persönliche Abwägungsentscheidung zwischen dem Impf- und dem Erkrankungsrisiko zu treffen, von einem Überwiegen des öffentlichen Interesses ausgehen durfte. Auf die diesbezüglichen ausführlichen Erwägungen des [X.] in den Beschlüssen vom 7. Juli 2022, denen sich der Zweite Wehrdienstsenat anschließt, wird Bezug genommen.

dd) Der frühere Soldat handelte vorsätzlich, weil er die Befehle und seine Verpflichtung zum Gehorsam kannte und die [X.] dennoch nicht wahrnahm.

ee) Er ist nicht nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 [X.] von der Verantwortung befreit. Denn es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er irrig annahm, es handele sich um Befehle, welche die Menschenwürde verletzen oder nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt wurden. Entsprechendes gilt für die Annahme eines unvermeidbaren Irrtums über das Vorliegen eines ungeschriebenen [X.] entsprechend § 17 Satz 1 StGB.

b) Der frühere Soldat hat darüber hinaus zweimal vorsätzlich die Pflicht zur Duldung ärztlicher Maßnahmen nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] verletzt. Danach müssen Soldatinnen und Soldaten ärztliche Maßnahmen gegen ihren Willen dulden, wenn sie der Verhütung oder Bekämpfung übertragbarer Krankheiten dienen.

aa) Mit § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.], gegen dessen Verfassungsmäßigkeit keine Bedenken bestehen (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 [X.] 2.22 - [X.]E 176, 138 Rn. 35 ff.), hat der Gesetzgeber die wesentliche Grundentscheidung für die Impfpflicht von Soldatinnen und Soldaten getroffen (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 [X.] 2.22 - [X.]E 176, 138 Rn. 40; vgl. auch [X.]. 2/2140 S. 8). Die Vorschrift ermöglicht es dem Dienstherrn, dem Soldaten "gegen seinen Willen" Schutzimpfungen und andere [X.] im Interesse der Einsatzfähigkeit der [X.] verpflichtend auf der Grundlage einer das Einzel- wie das Gesamtinteresse berücksichtigenden Nutzen-Risiko-Abwägung aufzuerlegen (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 [X.] 2.22 - [X.]E 176, 138 Rn. 45). Dies hat der Dienstherr hinsichtlich der [X.] durch deren Aufnahme in die Liste der Basisimpfungen in Nr. 2001 [X.]-840/8-4000 mit Wirkung vom 24. November 2021 getan.

bb) Der frühere Soldat hat auf die damit für die [X.] aktivierte Duldungspflicht bezogene ärztliche Maßnahmen [X.] § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] nicht geduldet.

Ärztliche Maßnahmen in diesem Sinne sind Maßnahmen, die durch eine Ärztin oder einen Arzt durchgeführt oder angeordnet werden (vgl. [X.]. 19/9491 [X.]). Dazu zählt neben einer ärztlich durchgeführten oder angeordneten Impfung, die der Verhütung oder Bekämpfung übertragbarer Krankheiten dient, auch die ärztliche Untersuchung vor einer solchen Impfung zur Feststellung der Impftauglichkeit (siehe auch [X.], Beschluss vom 13. April 1961 - [X.] 21/60 - [X.]E 5, 235 <236> zu § 17 Abs. 4 [X.] a. F. für ärztliche Untersuchungen zur Feststellung der Dienst- oder Verwendungstauglichkeit). Denn der Begriff "ärztliche Maßnahmen" ist weit gefasst. Dass er Untersuchungen durch einen Arzt zu den in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] genannten Zwecken erfassen soll, ergibt sich auch aus § 17a Abs. 3 [X.], der als einfache ärztliche Maßnahmen beispielhaft bestimmte ärztliche Untersuchungen hervorhebt.

Die dem früheren Soldaten erteilten Befehle zur Wahrnehmung der Termine zur [X.] umfassten als in jedem Fall zu duldende ärztliche Maßnahme die Untersuchung durch den [X.] auf die Impftauglichkeit hinsichtlich der [X.]. Diese ärztliche Maßnahme hat der frühere Soldat vorsätzlich nicht geduldet, weil er zu den befohlenen Terminen wissentlich und willentlich nicht erschien. Die ärztliche Untersuchung auf Impftauglichkeit war ihm nicht unzumutbar [X.] § 17a Abs. 4 Satz 2 [X.]. Durch sein Fernbleiben bei den befohlenen [X.]n hat der frühere Soldat auch entgegen seiner Duldungspflicht die Durchführung der [X.] vereitelt. Denn er ist vorsätzlich zu beiden Terminen nicht erschienen, um der [X.] zu entgehen.

c) Der frühere Soldat hat ferner vorsätzlich seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 [X.]) verletzt. Er hat der davon umfassten Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung (vgl. [X.], Urteil vom 28. August 2019 - 2 WD 28.18 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 68 Rn. 37 m. w. N.) nicht entsprochen, weil er eine Wehrstraftat begangen hat.

aa) Er hat sich nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 [X.] strafbar gemacht, weil er darauf beharrte, einen Befehl nicht zu befolgen, nachdem dieser wiederholt worden war. Denn mit den beiden missachteten Befehlen war ihm der Sache nach dasselbe - die Wahrnehmung eines Termins zur [X.] - aufgegeben worden. Dementsprechend heißt es im Befehl vom 18. Januar 2022, damit werde der Befehl vom 13. Januar 2022 "wiederholt". Der Befehl vom 18. Januar 2022 erging auch erst, nachdem der frühere Soldat den Befehl vom 13. Januar 2022, sich am selben Tag impfen zu lassen, nicht befolgt hatte. Ein "Beharren" [X.] § 20 Abs. 1 Nr. 2 [X.] setzt nur voraus, dass der Untergebene - wie hier - dem wiederholt gegebenen Befehl wiederum nicht nachkommt; eine Auflehnung gegen den Befehl oder eine ausdrückliche Verweigerung des Gehorsams ist nicht erforderlich (vgl. [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl. 2023, § 20 Rn. 7). Der frühere Soldat handelte dadurch vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.

bb) Nicht hingegen hat sich der frühere Soldat zudem nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 [X.] strafbar gemacht. Er hat die Befolgung der Befehle nicht durch ein Auflehnen dagegen mit Wort oder Tat verweigert. Ein nur passives Nichtbefolgen des Befehls genügt insoweit nicht (vgl. [X.], Beschluss vom 8. November 2012 - (2) 53 Ss 133/12 (62/12) - juris Rn. 8; [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl. 2023, § 20 Rn. 5 und 6). Den schriftlichen Befehl hat der frühere Soldat lediglich passiv nicht befolgt. Auch gegen den mündlichen Befehl hat er sich nicht aufgelehnt. Denn der Zeuge [X.] konnte sich in der Berufungshauptverhandlung nicht erinnern, ob der frühere Soldat in dem Gespräch am 13. Januar 2022 lediglich vor oder auch nach Erteilung des Befehls den Widerwillen zur Befolgung zum Ausdruck brachte.

cc) Ebenso wenig hat sich der frühere Soldat nach § 19 Abs. 1 [X.] strafbar gemacht. Er hat durch das Nichtbefolgen der Befehle keine schwerwiegende Folge verursacht. Darunter ist nach § 2 Nr. 3 [X.] eine Gefahr für die Sicherheit der [X.], die Schlagkraft der Truppe, Leib oder Leben eines Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert, die dem Täter nicht gehören, zu verstehen. Zwar muss sich die Gefahr nicht in Gestalt eines Schadens realisiert haben. Insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergibt sich aber, dass es sich um eine "vom Täter herbeigeführte konkrete, wirklich eingetretene Gefahr handeln muss" (vgl. [X.], Urteil vom 13. März 2008 - 2 WD 6.07 - [X.] 449 § 10 [X.] Nr. 59 Rn. 54). Der frühere Soldat führte mit der Nichtwahrnehmung der [X.] keine solche konkrete Gefahr herbei. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er sich mit dem COVID-19-Erreger infiziert und dadurch andere einer konkreten Ansteckungsgefahr ausgesetzt hatte.

d) Der frühere Soldat hat des Weiteren vorsätzlich seine Pflicht zur Wahrung der Disziplin (§ 17 Abs. 1 [X.]) verletzt. Wer - wie der frühere Soldat - eine Gehorsamsverweigerung begeht, lehnt sich damit gegen das hierarchische Gefüge auf und verweigert dem Vorgesetzten die Anerkennung seiner Autorität ([X.], Urteil vom 28. September 2018 - 2 WD 14.17 - [X.] 449 § 11 [X.] Nr. 3 Rn. 73).

e) Schließlich hat der frühere Soldat vorsätzlich die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 [X.]) verletzt, weil sein Verhalten nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht wurde, die sein Dienst als Soldat erforderte. Insoweit genügt es, dass das Verhalten geeignet war, eine ansehensschädigende Wirkung auszulösen (vgl. [X.], Urteil vom 22. April 2021 - 2 WD 15.20 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 91 Rn. 25 m. w. N.). Dies ist der Fall. Denn mit der Gehorsamsverweigerung brachte der frühere Soldat zum Ausdruck, dass er bereit war, einen verbindlichen Befehl aus Eigeninteressen zu missachten.

f) Hingegen ist eine Verletzung der Kameradschaftspflicht (§ 12 Satz 2 [X.]) nicht festzustellen, weil sie weder ausdrücklich noch mit den in der Anschuldigungsschrift dargestellten Tatsachen angeschuldigt worden ist (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Januar 2019 - 2 [X.] 1.18 - [X.] 449 § 23 [X.] Rn. 9).

3. Bei Art und Maß der für das Dienstvergehen zu verhängenden Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i. V. m. § 38 Abs. 1 [X.] Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen. Insoweit legt der Senat ein zweistufiges Prüfungsschema zugrunde. Es führt dazu, dass der frühere Soldat in den Dienstgrad eines Jägers der Reserve herabzusetzen ist.

a) Auf der ersten Stufe bestimmt der Senat zwecks Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle und im Interesse der Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine [X.] für die betreffende Fallgruppe als Ausgangspunkt der [X.].

Danach bildet bei Verstößen gegen die hier im Zentrum der Würdigung stehende Gehorsamspflicht - je nach Schwere des Verstoßes - eine Gehaltskürzung, ein Beförderungsverbot oder auch eine Dienstgradherabsetzung den Ausgangspunkt der [X.], wobei bei einer Kombination von Pflichtverletzungen den Umständen des Falles auf der zweiten Stufe der [X.] getragen wird. Dabei hat der Senat das disziplinare Gewicht eines Ungehorsams umso höher eingestuft, je größer die dadurch drohenden Gefahren für ein bedeutsames Rechtsgut, insbesondere Leib und Leben von [X.], sind (vgl. [X.], Urteil vom 4. Juli 2019 - 2 WD 20.18 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 66 Rn. 61 m. w. N.). So stellt etwa ein wehrstrafrechtlich relevanter Ungehorsam durch einen Offizier, durch den Leib und Leben von [X.] konkret gefährdet werden, eine schwere Verletzung der Gehorsamspflicht dar, für die Ausgangspunkt der [X.] eine Dienstgradherabsetzung ist (vgl. [X.], Urteil vom 23. April 2015 - 2 WD 7.14 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 48 LS).

Ausgehend davon stellt auch eine Gehorsamsverweigerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 [X.] hinsichtlich des Befehls zur Wahrnehmung der [X.] eine schwere Verletzung der Gehorsamspflicht dar, für die Ausgangspunkt der [X.] eine Dienstgradherabsetzung ist. Denn es handelt sich um eine Wehrstraftat. Zwar hat sie nicht zu konkreten Gefahren für Leib und Leben anderer geführt, aber zu insoweit erhöhten abstrakten Gefahren insbesondere für die [X.], wodurch zugleich die allgemein-militärische Einsatzfähigkeit des früheren Soldaten selbst und seiner [X.] abstrakt gefährdet wurde. Zwar versprach die Impfung unter der damaligen Dominanz der Deltavariante keinen vollständigen Schutz, sondern nur einen 90%igen Schutz gegen schwere Verläufe und einen 75%igen Schutz gegen symptomatische Erkrankungen. Unter dem Gesichtspunkt der allgemein-militärischen Einsatzfähigkeit ist aber auch schon eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Verhinderung eines schweren Verlaufs einer COVID-19-Erkrankung als bedeutender Vorteil einzustufen. Eine Reduzierung schwerer Verläufe bewirkt nicht nur für die infizierten Soldatinnen und Soldaten einen geringeren Leidensdruck und eine kürzere Leidenszeit. Zugleich bedeutet dies für den Dienstherrn kürzere Ausfallzeiten mit insgesamt höherer Einsatzbereitschaft. Hinzu kommt, dass eine 75%ige Reduzierung symptomatischer Erkrankungen ein gewichtiges Weniger an Ausfallzeiten durch Erkrankung und Quarantäne verspricht. Gleichzeitig wird mit der Reduzierung symptomatischer Erkrankungen auch eine Verringerung der Transmission des [X.] innerhalb der Truppe erreicht, was die Gefahr einer Infektion anderer Soldaten mindert, Angehörige vulnerabler Gruppen innerhalb der [X.] schützt und der Einsatzbereitschaft der Verbände insgesamt zugutekommt (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 [X.] 2.22 - [X.]E 176, 138 Rn. 124).

b) Auf der zweiten Stufe der [X.] ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 [X.] Umstände vorliegen, die eine Milderung oder Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe angesetzten [X.] gebieten. Liegt angesichts der be- und entlastenden Umstände ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlichen Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Situation zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der [X.] bildet, dem Wehrdienstgericht hinsichtlich des Disziplinarmaßes - wie eine Dienstgradherabsetzung - einen Spielraum eröffnet. Dabei müssen Milderungsgründe umso gewichtiger sein, je schwerer ein Dienstvergehen wiegt ([X.], Urteil vom 7. Oktober 2021 - 2 WD 23.20 - [X.]E 173, 352 Rn. 29 m. w. N.). Danach ist eine Herabsetzung des früheren Soldaten um fünf Dienstgrade in den untersten Mannschaftsdienstgrad der Reserve angemessen.

aa) Gegen den früheren Soldaten sprechen folgende Umstände:

(1) Das Dienstvergehen wiegt nach Art und Schwere sehr schwer. Denn der frühere Soldat hat nicht nur - wie es typischerweise bei einer Gehorsamsverweigerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 [X.] der Fall ist - die Pflichten zum treuen Dienen, zur Wahrung der Disziplin und zum innerdienstlichen Wohlverhalten verletzt, sondern zudem zweimal seine Pflicht zur Duldung ärztlicher Maßnahmen nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]. Darüber hinaus bestand zur Tatzeit ein besonderes militärisches Interesse an der [X.]. Denn vor dem Hintergrund der drohenden Verschärfung der pandemischen Lage im Winter 2021/2022 war die größtmögliche Erhaltung der Einsatzfähigkeit der [X.] besonders vordringlich, weil mit einer Fortführung einer erheblichen Anzahl von [X.] und diverser Auslandseinsätze zu rechnen war (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 [X.] 2.22 - [X.]E 176, 138 Rn. 123).

(2) Die eigennützigen Beweggründe des früheren Soldaten sprechen ebenfalls gegen ihn. Er hat erstinstanzlich erklärt, sich um gesundheitlich nachteilige Auswirkungen der [X.] gesorgt zu haben. Diese Befürchtung hat er über die Belange seines Dienstherrn und seiner [X.] gestellt. Die Rechtsordnung legt einem Soldaten jedoch im Interesse des militärischen Dienstes (§ 6 Satz 2 [X.]) nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] weitere Einschränkungen des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit auf als anderen Staatsbürgern und verlangt von ihm zudem, sich höheren Risiken auszusetzen. So entschuldigt die Furcht vor persönlicher Gefahr eine Tat nicht, wenn die soldatische Pflicht verlangt, sie zu bestehen (§ 6 [X.]). Von einem Soldaten wird mehr als von anderen Staatsbürgern verlangt, Ängste und Befindlichkeiten zurückzustellen und zu akzeptieren, dass der Gesetzgeber seine Freiheit - gerichtlich überprüfbar - beschränkt, individuell eine Abwägung zwischen den mit einer COVID-19-Impfung verbundenen Gefahren und den Chancen und Risiken einer Schutzimpfung vorzunehmen ([X.], Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 [X.] 2.22 - [X.]E 176, 138 Rn. 45).

(3) Gegen die Persönlichkeit des früheren Soldaten spricht erheblich, dass er nicht einmal das ihm vom [X.] mehrfach angebotene ärztliche Aufklärungsgespräch wahrnahm. Zudem überreichte er dem Zeugen nach dessen glaubhafter Aussage ein "Pamphlet", in dem der frühere Soldat Geimpften ein unsolidarisches Handeln vorwarf, weil sie z. B. ins Kino gehen könnten. Zwar ist der frühere Soldat nicht dem Spektrum der [X.] zuzuordnen. Vielmehr hat er dem Zeugen zufolge alle weiteren vom Dienstherrn vorgesehenen [X.] wie die tägliche Testung und das [X.], soweit angeordnet, befolgt. Er hat sich jedoch als entschiedener Impfgegner erwiesen, der sich dem Gespräch mit Ärzten der [X.] verschließt und seine ablehnende Haltung gegenüber der COVID-19-Impfung kompromisslos verfolgt.

bb) Weitere nachteilige Umstände liegen nicht vor.

(1) Insbesondere hatte das Dienstvergehen keine konkreten nachteiligen Auswirkungen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der frühere Soldat sich mit dem COVID-19-Erreger infizierte und andere ansteckte. Er wurde bis zu seinem Dienstzeitende unverändert auf seinem Dienstposten weiterverwendet. Für ihn waren auch keine anderweitigen Verwendungen geplant, von denen aufgrund des Dienstvergehens abgesehen wurde. Nach den Angaben des [X.] wurde das Dienstvergehen innerhalb der [X.] nur ihm und dem Kompaniefeldwebel bekannt.

(2) Es ist auch nicht erschwerend zu berücksichtigen, dass der frühere Soldat auch nach dem im Januar 2022 begangenen Dienstvergehen ungeimpft blieb und dass die dadurch erhöhte abstrakte Gefahrenlage für die [X.] noch bis zum Dienstzeitende des früheren Soldaten Ende Juni 2023 andauerte. Denn der frühere Soldat war zum Dienst verpflichtet und sein Dienstherr verhielte sich widersprüchlich, wenn er ihn einerseits unverändert weiterverwendete und ihm andererseits die damit verbundene Gefährdung disziplinarisch zum Vorwurf machen würde.

(3) Der frühere Soldat war auch nicht Vorgesetzter, was nach § 10 [X.] verschärfend zu berücksichtigen gewesen wäre (vgl. [X.], Urteil vom 14. Januar 2021 - 2 WD 7.20 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 89 Rn. 40 m. w. N.). Das Fehlen der [X.] ist allerdings auch kein [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 3. Juni 2021 - 2 WD 18.20 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 93 Rn. 29 m. w. N.).

cc) Für den früheren Soldaten spricht, dass er durchweg sehr gute dienstliche Leistungen erbracht hat. Dies folgt aus den Stellungnahmen von [X.] vom 3. November 2020 und von [X.] vom 31. Mai 2023, den erst- und zweitinstanzlichen Aussagen von [X.], der 2018 gewährten [X.], dem Tätigkeitsabzeichen Scharfschütze/Präzisionsschütze Stufe II, dem Sonderabzeichen Fallschirmspringer in Gold und der Eignung zum Einsatz mit Spezialkräften. Nach den Angaben von [X.] sind die dienstlichen Leistungen auch unter dem Eindruck des laufenden Verfahrens gleichgeblieben und bewegten sich dauerhaft im gehobenen oberen Drittel der Vergleichsgruppe.

Allerdings ist nicht von einer erheblich mildernd zu berücksichtigenden Nachbewährung auszugehen. Sie setzt nicht nur in fachlicher Hinsicht eine deutliche Leistungssteigerung oder die Beibehaltung eines hohen Leistungsniveaus voraus (vgl. [X.], Urteile vom 14. Februar 2019 - 2 WD 18.18 - [X.] 450.2 § 63 [X.] 2002 Nr. 3 Rn. 31 m. w. N. und vom 14. Januar 2021 - 2 WD 7.20 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 89 Rn. 37). Zusätzlich ist erforderlich, dass der betreffende Soldat sich während des Verfahrens in jeder Hinsicht ohne Anlass zu Beanstandungen durch seine Vorgesetzten führt. Denn von einer Nachbewährung kann nur gesprochen werden, wenn durch das Gesamtverhalten des Soldaten im Laufe des gerichtlichen Disziplinarverfahrens deutlich wird, dass das Verfahren selbst nachhaltig pflichtenmahnend auf ihn wirkt und er unter dem Eindruck des Verfahrens durch seine dienstliche Führung in jeder Hinsicht dokumentiert, dass er die durch die [X.] begründeten Zweifel an seiner charakterlichen Integrität und fachlichen Eignung durch besonders korrekte Pflichterfüllung ausräumen will ([X.], Urteil vom 29. November 2012 - 2 WD 10.12 - juris Rn. 48). An Letzterem fehlt es hier. Denn der frühere Soldat ist nach dem Dienstvergehen jedenfalls bis zur Aushändigung der Anschuldigungsschrift ohne [X.] geblieben. In seinem [X.] machte der frühere Soldat nach Aussage des [X.] den Eindruck, dass er sich immer noch im Recht fühlte.

dd) Weitere mildernde Umstände liegen nicht vor.

(1) Einsicht und Reue hat der frühere Soldat nicht gezeigt, so dass sie nicht mildernd berücksichtigt werden können. Dieses Verhalten bildet allerdings auch keinen nachteiligen Umstand (vgl. [X.], Urteil vom 15. Juli 2021 - 2 WD 6.21 - juris Rn. 43 m. w. N.).

(2) Eine Fürsorgepflichtverletzung des Dienstherrn ist nicht festzustellen. Vielmehr hat der Zeuge [X.] dem früheren Soldaten wiederholt [X.] beim [X.] angeboten. Diese Angebote hat der frühere Soldat nicht angenommen. Auch hat der Zeuge [X.] bereits am 13. Januar 2022 die Möglichkeit aufgezeigt, sich privat mit einem anderen Impfstoff impfen zu lassen.

ee) Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände ist eine Herabsetzung in den untersten Mannschaftsdienstgrad der Reserve angemessen.

Von einem die Höchstmaßnahme rechtfertigenden vollständigen Vertrauensverlust ist nicht schon deshalb auszugehen, weil nach den Aussagen von [X.] das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem früheren Soldaten durch dessen Fehlverhalten irreparabel beschädigt worden sei. Denn ob das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und persönliche Integrität des betroffenen Soldaten erschüttert oder gar zerstört ist, ist nach einem objektiven Maßstab, also aus der Perspektive eines objektiv und vorurteilsfrei den Sachverhalt betrachtenden Dritten zu prüfen und zu bewerten (vgl. [X.], Urteil vom 16. Dezember 2010 - 2 WD 43.09 - [X.] 2012, 122 <125> Rn. 48 m. w. N.).

Danach rechtfertigen die Gesamtumstände die Annahme eines vollständigen Vertrauensverlustes noch nicht. Es handelt es sich noch nicht um einen Extremfall einer wiederholten Befehlsverweigerung, in dem eine Verweigerung der Duldung von [X.] zur Höchstmaßnahme führen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 [X.] 2.22 - [X.]E 176, 138 Rn. 55 und 116). Denn es fehlen bei Art und Schwere des Dienstvergehens erheblich erschwerende Umstände oder Auswirkungen; der frühere Soldat war kein Vorgesetzter, das Dienstvergehen war nicht Ausdruck einer gefestigten [X.]schaft, wurde nicht vor gesammelter Mannschaft begangen, wurde außerhalb der Einheitsführung nicht bekannt und hatte keine konkreten nachteiligen Folgen; die Missachtung des zweiten Befehls erfolgte auch nicht unter dem Eindruck einer vorherigen Disziplinierung.

c) Eine mildernd zu berücksichtigende Überlänge des Verfahrens (dazu [X.], Urteil vom 8. September 2020 - 2 WD 18.19 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 82 Rn. 75 m. w. N.) liegt nicht vor.

4. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten auf § 138 Abs. 1 Satz 1 [X.]; es liegen keine Gründe vor, die dem verurteilten früheren Soldaten im erstinstanzlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Auslagen ganz oder teilweise nach § 140 Abs. 2 Satz 1 [X.] dem Bund aufzuerlegen. Hinsichtlich der zweitinstanzlichen Kosten beruht die Kostenentscheidung auf § 139 Abs. 3, § 140 Abs. 5 Satz 1 [X.].

Meta

2 WD 5/23

21.09.2023

Bundesverwaltungsgericht 2. Wehrdienstsenat

Urteil

Sachgebiet: WD

vorgehend Truppendienstgericht Süd, 16. März 2023, Az: S 8 VL 33/22, Urteil

Art 2 Abs 2 GG, Art 87a Abs 1 GG, § 7 SG, § 10 SG, § 11 Abs 1 S 2 SG, § 11 Abs 3 Halbs 1 SG, § 11 Abs 3 Halbs 2 SG, § 17 Abs 1 SG, § 17 Abs 2 S 1 Alt 2 SG, § 17a Abs 2 S 1 Nr 1 SG, § 17a Abs 3 SG, § 17a Abs 4 S 2 SG, § 23 Abs 1 SG, § 2 Nr 2 WStrG, § 2 Nr 3 WStrG, § 19 Abs 1 WStrG, § 20 Abs 1 Nr 1 WStrG, § 20 Abs 1 Nr 2 WStrG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.09.2023, Az. 2 WD 5/23 (REWIS RS 2023, 7789)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7789

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