Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.03.2020, Az. VI R 26/18

6. Senat | REWIS RS 2020, 3252

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Gegenstand

Fahrvergünstigungen für Ruhestandsbeamte des Bundeseisenbahnvermögens als Versorgungsbezüge


Leitsatz

1. Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze i.S. von § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG setzen voraus, dass der Steuerpflichtige wegen Erreichens der Altersgrenze von der Verpflichtung zu Dienstleistungen entbunden ist (Anschluss an Senatsurteil vom 06.02.2013 - VI R 28/11, BFHE 240, 546, BStBl II 2013, 572).

2. Fahrvergünstigungen für Ruhestandsbeamte des Bundeseisenbahnvermögens sind Versorgungsbezüge, da sie keine Gegenleistung für Dienstleistungen des Ruhestandsbeamten darstellen, die im gleichen Zeitraum geschuldet und erbracht werden. Dies gilt auch, wenn die Fahrvergünstigungen aufgrund eines vor Erreichens der Altersgrenze abgeschlossenen privatrechtlichen Vertrags geleistet werden.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des [X.], [X.], vom 08.05.2018 - 6 K 2979/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die [X.]läger und Revisionskläger ([X.]läger) sind Ehegatten, die für die Streitjahre (2015 und 2016) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden.

2

Der [X.]läger war bis Ende Juni 1994 als Beamter für die [X.] tätig. Im Juni 1994 schloss er mit der [X.] Aktiengesellschaft ([X.]) einen Anstellungsvertrag mit Wirkung vom …1994. Das Bundeseisenbahnvermögen ([X.]) beurlaubte den [X.]läger ab diesem Tag unter Wegfall der Besoldung aus seinem Beamtenverhältnis.

3

Der Anstellungsvertrag enthielt u.a. folgende Bestimmungen:

"§ 7

Versorgung

(1) Die Versorgung aus dem Beamtenverhältnis bleibt als Grundsicherung aufgrund einer vom Präsidenten des Bundeseisenbahnvermögens getroffenen individuellen Entscheidung auch während der Dauer der Beurlaubung gewährleistet; die Gesellschaft entrichtet dafür den gesetzlich vorgesehenen [X.] (§ 21 Abs. 3 DBGrG).

§ 9

Nebenleistungen

(1) Herr …[[X.]] erhält eine persönliche Fahrkarte 1. [X.]lasse für alle Eisenbahnstrecken und Buslinien der Gesellschaft. Das gilt auch für die Dauer des Bezugs des Ruhegeldes (§ 7).

...  

(2) Soweit es sich bei den Nebenleistungen nach Abs. 1 um einen geldwerten Vorteil im steuerrechtlichen Sinne handelt, trägt [X.] die darauf entfallenden Steuern selbst."

4

Nach § 4 des [X.] endete das Arbeitsverhältnis des [X.]lägers mit der [X.] mit dem Ende des Monats, in dem der [X.]läger das 65. Lebensjahr vollendete.

5

Der [X.]läger arbeitete auf Grundlage des [X.] bis zu seiner Pensionierung im [X.] für die [X.]. Nach seiner Pensionierung erhielt er Versorgungsbezüge vom [X.]. Für die Streitjahre bescheinigte das [X.], dass es sich bei dem Arbeitslohn in voller Höhe um Versorgungsbezüge gehandelt habe. Einen gesonderten Ausweis der geldwerten Vorteile aus Sachbezügen enthielten die [X.] nicht. Die entsprechenden Sachbezugswerte für die Jahresnetzkarte berechnete das [X.] wie folgt:

  

        2015       

       2016       

Wert der Fahrkarte nach 4 % Abschlag gemäß § 8 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG):   

6.411,26 €

6.439,16 €

Freibetrag gemäß § 8 Abs. 3 EStG:

1.080,00 €

1.080,00 €

Arbeitslohn durch Sachbezug

5.331,26 €

5.359,16 €

6

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) veranlagte die [X.]läger entsprechend den [X.]. Den [X.] gemäß § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG in Höhe von 1.000 € berücksichtigte das [X.] nicht. Es setzte lediglich die klägerseits erklärten Werbungskosten in Höhe von 482 € für 2015 und in Höhe von 519 € für 2016 steuermindernd an.

7

Mit ihren Einsprüchen machten die [X.]läger u.a. geltend, dass für die Sachbezüge abweichend von den tatsächlichen Werbungskosten für die Streitjahre jeweils der [X.] in Höhe von 1.000 € zu berücksichtigen sei.

8

Das Finanzgericht ([X.]) wies die nach den im Streitpunkt erfolglosen Vorverfahren erhobene [X.]lage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 1447 veröffentlichten Gründen ab.

9

Mit der Revision rügen die [X.]läger die Verletzung materiellen Rechts.

Die [X.]läger beantragen sinngemäß,
das Urteil des [X.] sowie die Einspruchsentscheidung vom 31.10.2017 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für 2015 vom 22.05.2017 sowie für 2016 vom 12.07.2017 dahin zu ändern, dass die Einkünfte des [X.]lägers aus nichtselbständiger Arbeit in Form von Sachbezügen anstelle der bisher berücksichtigten Werbungskosten um den [X.] von 1.000 € gemindert werden.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Kläger ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger der [X.] gemäß § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG für die Sachbezüge in Gestalt der Jahresnetzkarte nicht zusteht, weil er in den Streitjahren bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ausschließlich Versorgungsbezüge bezogen hat. Die Vorinstanz hat die kostenlose Zurverfügungstellung der [X.] zu Recht als Versorgungsbezug angesehen.

1. Werden --wie im [X.] keine höheren Werbungskosten nachgewiesen, ist nach § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG bei der Ermittlung der Einkünfte von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit vorbehaltlich § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG ein [X.] von 1.000 € abzuziehen. Nach § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG ist von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, soweit es sich um Versorgungsbezüge i.S. von § 19 Abs. 2 EStG handelt, ein Pauschbetrag von 102 € abzuziehen, wenn keine höheren Werbungskosten nachgewiesen werden.

2. Versorgungsbezüge sind u.a. gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerbare Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze, verminderter Erwerbsfähigkeit oder Hinterbliebenenbezüge (§ 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG). Bezüge wegen Erreichens einer Altersgrenze gelten erst dann als Versorgungsbezüge, wenn der Steuerpflichtige das 63. Lebensjahr oder, wenn er schwerbehindert ist, das 60. Lebensjahr vollendet hat. Sie können gemäß § 8 Abs. 1 EStG in Geld und als Sachbezug auch in Geldeswert bestehen ([X.]/[X.], EStG, 38. Aufl., § 19 Rz 96).

a) Entscheidend für das Merkmal von Bezügen aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG ist, dass der Steuerpflichtige wegen Erreichens dieser Altersgrenze von der Verpflichtung zu Dienstleistungen entbunden worden ist (Senatsurteil vom 06.02.2013 - VI R 28/11, [X.], 546, [X.], 572, Rz 12, m.w.N.). Das vom Arbeitgeber geleistete Entgelt stellt damit keine Gegenleistung für Dienstleistungen des Arbeitnehmers dar, die im gleichen Zeitraum geschuldet und erbracht werden (Senatsurteil in [X.], 546, [X.], 572, Rz 12).

b) Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der kostenlosen Zurverfügungstellung der [X.] um einen Versorgungsbezug i.S. von § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG.

aa) Der Kläger, der das 63. Lebensjahr vollendet hatte, war in den Streitjahren Versorgungsempfänger und als solcher nicht mehr zu Dienstleistungen verpflichtet. Den Anspruch auf die kostenlosen [X.] hatte er aufgrund des mit der [X.] im Juni 1994 geschlossenen [X.] erworben. Es handelt sich damit um einen Bezug aus früheren Dienstleistungen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 des [X.] erhielt der Kläger die [X.] auch für die Dauer des Bezugs des [X.]. Damit knüpft der Bezug der [X.] für die Zeiträume nach Erreichen der Altersgrenze gemäß § 4 des [X.] --um die es im Streitfall geht-- (auch) an den Status des [X.] als Versorgungsempfänger an. Der Bezug der [X.] ergänzt (als Nebenleistung) des früheren Arbeitgebers des [X.] dessen Versorgung nach Eintritt in den Ruhestand.

bb) Der Besteuerung der [X.] als Versorgungsbezug steht --anders als die Kläger meinen-- weder entgegen, dass der Kläger bereits während seiner aktiven Tätigkeit für die [X.] einen Anspruch auf die [X.] hatte, noch, dass der Anspruch in dem Arbeitsvertrag des [X.] mit der [X.] geregelt war. Vielmehr hat die Zurverfügungstellung der [X.] mit Eintritt des [X.] in den Ruhestand [X.], weil sie --ungeachtet ihrer Vereinbarung im [X.] keine Gegenleistung für Dienstleistungen des [X.] (mehr) darstellt, die im gleichen Zeitraum geschuldet und erbracht wurden. Die kostenlose Zurverfügungstellung der [X.] ist damit in den Streitjahren wie das [X.] selbst als Versorgungsbezug anzusehen.

cc) Die kostenlosen [X.] stellen vorliegend Versorgungsbezüge nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG dar, die "in anderen Fällen" aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze geleistet wurden. Der Kläger erhielt die kostenlosen Netzkarten im Streitfall insbesondere nicht aufgrund beamtenrechtlicher oder entsprechender gesetzlicher Vorschriften oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen (s. dazu [X.]/[X.], § 19 EStG Rz 339), sondern aufgrund seines Anspruchs aus § 9 Abs. 1 Satz 2 des privatrechtlichen [X.] mit der [X.].

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI R 26/18

11.03.2020

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 8. Mai 2018, Az: 6 K 2979/17, Urteil

§ 9a S 1 Nr 1 Buchst a EStG 2009, § 9a S 1 Nr 1 Buchst b EStG 2009, § 19 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2009, § 19 Abs 2 S 2 Nr 1 Buchst a EStG 2009, § 19 Abs 2 S 2 Nr 1 Buchst b EStG 2009, § 19 Abs 2 S 2 Nr 2 EStG 2009, EStG VZ 2015, EStG VZ 2016

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.03.2020, Az. VI R 26/18 (REWIS RS 2020, 3252)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3252


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VI R 26/18

Bundesfinanzhof, VI R 26/18, 11.03.2020.


Az. 6 K 2979/17

FG München, 6 K 2979/17, 08.05.2018.


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