Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.04.2014, Az. II B 59/13

2. Senat | REWIS RS 2014, 6253

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Leistungsklage auf Rückzahlung eines auf die Steuerschuld eines Dritten gezahlten Betrags - Abgrenzung zwischen Sachurteil und Prozessurteil - Beurteilung der Zulässigkeit des Finanzrechtswegs durch das FG - Keine Prüfung durch den BFH - Verpflichtung zur Entscheidung über sämtliche Klagegründe


Leitsatz

1. NV: Lässt der Tenor einer Entscheidung keinen Rückschluss auf das Vorliegen eines Sach- oder Prozessurteils zu, ist maßgeblich auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen abzustellen .

2. NV: Bei seiner Entscheidung über eine Revision oder über eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein finanzgerichtliches Urteil prüft der BFH nicht, ob das FG den beschrittenen Finanzrechtsweg zutreffend als zulässig beurteilt hat .

3. NV: Ist ein Klageanspruch auf mehrere, verschiedenen Rechtswegen zuzuordnende Grundlagen gestützt, ist das Gericht zur Entscheidung über sämtliche Klagegründe verpflichtet .

4. NV: Im Anwendungsbereich des § 37 Abs. 2 AO können §§ 812 ff. BGB weder unmittelbar noch analog angewendet werden .

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe liegen, soweit sie überhaupt in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ([[X.].]O) genügenden Weise dargelegt wurden, nicht vor.

2

1. Die Revision ist nicht wegen eines [[X.].] (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [[X.].]O) zuzulassen.

3

a) Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) rügt zu Unrecht, das Finanzgericht ([[X.].]) habe [[X.].] ein klageabweisendes Prozessurteil und daneben zusätzlich auch ein Sachurteil erlassen. Die Vorentscheidung ist bei verständiger Würdigung ein Prozessurteil.

4

Zwar lässt der Tenor der Vorentscheidung keinen Rückschluss auf das Vorliegen eines Sach- oder Prozessurteils zu. In einem solchen Fall ist aber maßgeblich auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen abzustellen (Beschluss des [[X.].] --[[X.].]-- vom 4. Juli 2007 IV B 43/06, [[X.].], 2127). Aus den Entscheidungsgründen des [[X.].]-Urteils ist ersichtlich, dass das [[X.].] die hier erhobene Leistungsklage als nicht statthafte Klageart beurteilt und aus diesem Grunde die Klage als unzulässig abgewiesen hat. Die in den Entscheidungsgründen enthaltenen Ausführungen zur Unbegründetheit der Klage sind ersichtlich nur ergänzende Hinweise auf die materiell-rechtliche Rechtslage und lassen nicht erkennen, dass das [[X.].] auch eine Entscheidung in der Sache hat treffen wollen. Demgemäß beschränkt sich die [[X.].] nur auf die Feststellung, dass für das konkrete [[X.].] keine Sachentscheidung zugelassen wird ([[X.].] in Tipke/ [[X.].], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 110 [[X.].]O Rz 11, m.w.N.).

5

b) Die Revision ist auch nicht deshalb wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen, weil das [[X.].] nach Auffassung des [[X.].] die Zulässigkeit des [[X.].] (§ 33 [[X.].]O) zu Unrecht bejaht hat. Nach § 17a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes ([[X.].]) prüft der [[X.].] bei der Entscheidung über eine Revision oder eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil nicht, ob das [[X.].] den beschrittenen [[X.].] zutreffend als zulässig beurteilt hat (z.B. [[X.].]-Urteil vom 11. Dezember 2012 VII R 13/12, [[X.].]/NV 2013, 897). Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn die unzutreffende Annahme der Zuständigkeit auf Gründen beruht, die offensichtlich unhaltbar und unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Grundsätze nicht mehr verständlich sind und sich deshalb in einer nicht mehr hinnehmbaren, willkürlichen Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) entfernt (vgl. [[X.].]-Beschluss vom 12. Februar 2014 V B 39/13, nicht veröffentlicht). Für einen solchen Ausnahmefall ist vorliegend nichts ersichtlich.

6

c) Die Rüge des [[X.].], das [[X.].] habe die Prüfung eines ihm aus § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ([X.]) zustehenden Anspruchs unterlassen und damit § 17 Abs. 2 [[X.].] verletzt, hat keinen Erfolg. Nach § 17 Abs. 2 [[X.].] entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Ist ein Klageanspruch auf mehrere, verschiedenen Rechtswegen zuzuordnende Grundlagen gestützt, ist das Gericht daher zur Entscheidung über sämtliche Klagegründe verpflichtet (Gräber/[[X.].], Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., Anhang § 33 Rz 14, m.w.N.).

7

Das [[X.].] hat --wie ausgeführt-- die Klage durch Prozessurteil unter Bejahung des [[X.].] (§ 33 Abs. 1 [[X.].]O) wegen Unstatthaftigkeit der erhobenen Leistungsklage als unzulässig verworfen. Einer Entscheidung über die materiell-rechtlichen Streitpunkte bedurfte es danach nicht mehr; dies gilt sowohl im Hinblick auf einen zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch als auch für einen abgabenrechtlichen Erstattungsanspruch.

8

d) Aus dem Vorbringen des [[X.].], der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) hätte das [[X.].] als Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids (§ 218 Abs. 2 der Abgabenordnung --[[X.].]--) behandeln müssen, ergibt sich kein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 [[X.].]O. Als solche kommen nur Verstöße gegen das Gerichtsverfahrensrecht in Betracht, die das [[X.].] bei der Handhabung seines Verfahrens begeht ([[X.].] in Tipke/[[X.].], a.a.[[X.].], § 115 [[X.].]O Rz 89, m.w.N.).

9

Für den vom Kläger sinngemäß geltend gemachten Verstoß des [[X.].] gegen seine Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 [[X.].]O) im Hinblick auf die Unzulässigkeit der erhobenen Leistungsklage fehlt es an  der substantiierten Darlegung eines Verfahrensfehlers, zumal der Kläger bereits im Erörterungstermin vom 19. Februar 2013 vom Berichterstatter auf die Unzulässigkeit der erhobenen Leistungsklage hingewiesen wurde.

2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [[X.].]O) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [[X.].]O) zuzulassen. Aus den Darlegungen des [[X.].] zur materiellen Rechtslage kann sich bereits deshalb kein Revisionszulassungsgrund ergeben, weil das [[X.].] keine Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis getroffen hat und damit die Klärung materiell-rechtlicher Fragen in einem künftigen Revisionsverfahren nicht möglich ist.

Im Übrigen bestehen --soweit es in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren darauf überhaupt ankommen kann-- gegen die materiell-rechtlichen Hinweise des [[X.].] auch keine grundsätzlichen Bedenken. Denn nach den vom [[X.].] getroffenen, nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen hat der Kläger durch seine Zahlung die Steuerrückstände des [[X.].] tilgen wollen. Aufgrund dieser für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 [[X.].]O) ist die fragliche Zahlung des [[X.].] i.S. des § 37 Abs. 2 Satz 1 [[X.].] "auf Rechnung" des [X.] bewirkt worden; im Rahmen des § 37 Abs. [[X.].] kommt es nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist (z.B. [[X.].]-Urteil vom 22. März 2011 VII R 42/10, [[X.].]E 233, 10, [X.], 607; [X.] in Tipke/[[X.].], a.a.[[X.].], § 37 [[X.].] Rz 58, m.w.N.). Im Anwendungsbereich des § 37 Abs. 2 Satz 1 [[X.].] können jedoch §§ 812 ff. [X.] weder unmittelbar noch analog angewendet werden ([X.] in Tipke/[[X.].], a.a.[[X.].], § 37 [[X.].] Rz 102 f., m.w.N.).

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [[X.].]O.

Meta

II B 59/13

16.04.2014

Bundesfinanzhof 2. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 7. Mai 2013, Az: 13 K 3148/10 AO, Urteil

§ 37 Abs 2 AO, § 812ff BGB, § 33 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 17 Abs 2 GVG, § 17 Abs 5 GVG, § 812 BGB, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 118 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.04.2014, Az. II B 59/13 (REWIS RS 2014, 6253)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6253

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VII R 60/20 (Bundesfinanzhof)

Unzulässigkeit einer Leistungsklage mangels Rechtsschutzbedürfnisses


II R 15/20 (Bundesfinanzhof)

Doppelte Rechtshängigkeit


VII R 23/19 (Bundesfinanzhof)

Geschäftsführerhaftung: Überwachungsverschulden, eigenes Unvermögen


III B 144/16 (Bundesfinanzhof)

Tatsächliche Verständigung; Subsidiarität der Feststellungsklage - Anforderungen an das Vorliegen eines Verwaltungsakts


III B 13/09 (Bundesfinanzhof)

Keine Bindung an geltend gemachte Divergenz bei Verfahrensfehler - Unbedingte Klageerhebung


Referenzen
Wird zitiert von

6 K 978/23

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.