Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2007, Az. XII ZR 54/05

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 3220

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 27. Juni 2007 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB §§ 307 Bb, [X.], 309 Nr. 3, 310 Zur Unwirksamkeit einer formularmäßigen Beschränkung der Aufrechnung des gewerblichen Mieters (Unternehmers) auf Forderungen, die rechtskräftig fest-gestellt sind, oder zu denen der Vermieter im Einzelfall jeweils seine Zustim-mung erklärt. [X.], Urteil vom 27. Juni 2007 - [X.] - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2007 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.], [X.], Dr. [X.] und die Richterin Dr. [X.] für Recht erkannt: Auf die Revisionen des [X.]n werden das Urteil des [X.] in [X.] des [X.] vom 1. März 2005 und das Ergänzungsurteil vom 3. Mai 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Die Klägerin verlangt von dem [X.]n rückständige Miete aus einem Mietvertrag über Gewerberäume. Gegen die Klageforderung hat der [X.] die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen erklärt. 1 Die Klägerin hält die Aufrechnung im Hinblick auf folgende [X.] im Mietvertrag für unzulässig: 2 "§ 6.5 Der Mieter kann nur mit solchen Zahlungen aus dem Mietverhältnis [X.] 3 - rechnen oder die Zurückbehaltung erklären, die entweder rechtskräftig festgestellt sind oder zu denen die Vermieterin im Einzelfall jeweils ihre Zustimmung erklärt." 3 Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung des [X.]n mit Urteil vom 1. März 2005 zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit Ergänzungsurteil vom 3. Mai 2005 hat es das Ur-teil vom 1. März 2005 dahin ergänzt, dass der [X.] auch die der Streithelfe-rin im Berufungsverfahren entstandenen Kosten zu tragen hat. Gegen beide Urteile hat der [X.] Revision eingelegt. Der [X.] hat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Entscheidungsgründe: Die Revisionen führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidun-gen und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 4 I. Die Revisionen sind gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung erstreckt sich die Zulässigkeit der [X.] gegen das Haupturteil auch auf das Ergänzungsurteil. Zwar ist das Ergän-zungsurteil ein selbständiges Teilurteil, bei dem sich die [X.] und Zu-lässigkeit des Rechtsmittels in der Regel allein nach diesem Urteil richtet ([X.] Beschluss vom 20. Juni 2000 - [X.]/00 - NJW 2000, 3008 m.w.N.). Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn das Ergänzungsurteil nur eine [X.] - 4 - scheidung enthält. Dann ist die Revision gegen das Ergänzungsurteil statthaft und zulässig, wenn auch Revision gegen das Haupturteil eingelegt worden und diese statthaft und zulässig ist ([X.] Urteil vom 4. April 1984 - [X.] - ZIP 1984, 1107, 1113; [X.]/Vollkommer ZPO 26. Aufl. § 321 Rdn. 11; [X.]/Musielak ZPO 5. Aufl. § 321 Rdn. 13, § 301 Rdn. 27). Daran hat sich entge-gen der Ansicht der [X.] durch das Gesetz zur Reform des Zi-vilprozesses vom 27. Juli 2001 nichts geändert. [X.] Die Revisionen sind auch begründet. Sie führen zur Aufhebung der an-gefochtenen Entscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]. 6 1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Aufrechnung des [X.]n mit den streitigen Gegenforderungen sei bereits aufgrund des in § 6.5 des [X.] vereinbarten [X.] nicht zulässig. 7 Gegen die Wirksamkeit dieser Vertragsklausel bestünden nach dem [X.] noch geltenden [X.] keine Bedenken. Zwar lasse die [X.] nach ih-rem Wortlaut nur die Aufrechnung mit rechtskräftig festgestellten Forderungen zu. Mit dem [X.] (Urteil vom 27. Januar 1993 - [X.] ZR 141/91 - NJW-RR 1993, 519, 520) sei jedoch davon auszugehen, dass die Zulassung der Aufrechnung mit rechtskräftig festgestellten Forderungen bei zulässiger und gebotener Auslegung auch die Aufrechnung mit - nicht ausdrücklich erwähn-ten - unstreitigen Forderungen umfasse. Ausgehend von dieser Auslegung stel-le der in § 6.5 des [X.] enthaltene Zusatz "... oder zu denen die Ver-mieterin im Einzelfall jeweils ihre Zustimmung erklärt" keine Einschränkung, 8 - 5 - sondern eine Erweiterung der Aufrechnungsmöglichkeiten des Mieters dar, ge-gen die [X.] nicht bestünden. 9 2. Diese Auslegung von § 6.5 des [X.] hält einer revisionsrecht-lichen Prüfung nicht stand. Dabei ist der [X.] an die tatrichterliche Auslegung nicht gebunden, sondern kann diese uneingeschränkt überprüfen. 10 a) Bei der [X.] handelt es sich, wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgeht, um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Denn die Klägerin hat sie ein-seitig für eine Vielzahl von Verträgen vorgegeben. Allgemeine Geschäftsbedin-gungen können vom Revisionsgericht frei ausgelegt werden, wenn sie bestimm-ten Anforderungen in Bezug auf ihren räumlichen Geltungsbereich genügen. Der Grund dafür ist das Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung überörtlich geltender Vertragsklauseln ([X.] 144, 245, 248). Dieses Bedürfnis gebietet es, immer dann, wenn gegen die Urteile verschiedener Berufungsgerichte die Revision zum [X.] eröffnet ist, diesem die Auslegung zu übertra-gen. Da seit Geltung des neuen Revisionsrechts die Revision gegen die Urteile aller Berufungsgerichte, sei es das [X.] oder das [X.], möglich ist (§ 542 Abs. 1 ZPO), entscheidet je nach Streitwert der Klage im Be-rufungsverfahren das [X.] oder das [X.]. Damit besteht, wenn wie hier das [X.] als Berufungsgericht entscheidet, die Ge-fahr widerstreitender Entscheidungen zu Urteilen, die das [X.] als [X.] erlässt ([X.] Urteil vom 5. Juli 2005 - [X.]/04 - NJW 2005, 2919). b) Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht gegen aner-kannte Auslegungsregeln verstoßen hat, indem es bei seiner Auslegung nicht den Wortlaut der gesamten [X.] berücksichtigt und ihr dadurch einen zum Teil sinnlosen Inhalt gegeben hat. 11 - 6 - § 6.5 des [X.] sieht die Zulässigkeit der Aufrechnung entweder mit rechtskräftig festgestellten oder mit solchen Forderungen vor, zu denen die Vermieterin im Einzelfall jeweils ihre Zustimmung erklärt. 12 13 Bei der Auslegung der [X.] dahin, dass sie auch die Aufrechnung mit unbestrittenen Forderungen zulässt, hat das Berufungsgericht nur die erste [X.] der [X.], nämlich die Zulässigkeit der Aufrechnung mit rechtskräftig festgestellten Forderungen berücksichtigt und die zweite Alternative unbeachtet gelassen. Es ist davon ausgegangen, dass die Zulässigkeit einer Aufrechnung mit rechtskräftig festgestellten Forderungen auch unbestrittene Forderungen umfasse, weil bei unbestrittenen Forderungen Einwendungen gegen diese nicht erst, wie bei rechtskräftig festgestellten Forderungen, durch die Rechtskraft ei-ner gerichtlichen Entscheidung abgeschnitten seien, sondern gar nicht erhoben würden. Dabei hat sich das Berufungsgericht auf das [X.]surteil vom 27. Januar 1993 (- [X.] ZR 141/91 - NJW-RR 1993, 519) gestützt, dem eine [X.] zugrunde lag, in der der Pächter auf das Recht zur Aufrechnung ver-zichtet hatte, "soweit dies gesetzlich zulässig ist und soweit nicht mit rechtskräf-tig festgestellten Forderungen" die Aufrechnung geltend gemacht wird. Der [X.] hatte jene [X.] unter zusätzlicher Berücksichtigung des dort enthaltenen Hinweises auf die zwingenden Bestimmungen des [X.] dahin ausgelegt, dass sie auch die Aufrechnung mit unbestrittenen Forderungen zulässt. Demgegenüber enthält die hier auszulegende [X.] einen derartigen Hinweis nicht. Sie lässt vielmehr neben der Aufrechnung mit rechtskräftig fest-gestellten Forderungen nur die Aufrechnung mit solchen Forderungen zu, "zu denen die Vermieterin im Einzelfall jeweils ihre Zustimmung erklärt" hat. Bei diesen Forderungen kann es sich dem Sinn nach nur um unbestrittene, nicht aber um bestrittene Forderungen handeln. Denn es kann nicht davon [X.] werden, dass die Vermieterin die Aufrechnung mit von ihr bestrittenen 14 - 7 - Forderungen zulassen wollte. Unter Berücksichtigung der Interessenlage der Parteien wäre ein solches Verständnis vielmehr sinnwidrig (vgl. auch [X.], Ur-teil vom 1. Dezember 1993 - [X.] - NJW 1994, 657, 658). 15 Danach kann die zweite Alternative der [X.] nicht als bloße Erweite-rung der in der ersten Alternative nach Ansicht des Berufungsgerichts bereits enthaltenen Aufrechnungsmöglichkeit mit rechtskräftig festgestellten und unbe-strittenen Forderungen verstanden werden. Vielmehr regelt die zweite Alternati-ve ebenso wie § 11 Nr. 3 [X.] (jetzt: § 309 Nr. 3 BGB) neben der gesondert aufgeführten Aufrechnung mit rechtskräftig festgestellten Forderungen die [X.] mit unbestrittenen Forderungen, die hier aber nur zulässig sein soll, wenn die Vermieterin zustimmt. § 6.5 des [X.] kann folglich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht dahin ausgelegt werden, dass die [X.] mit unbestrittenen Forderungen uneingeschränkt zulässig sein soll. Der [X.] hat vergleichbare [X.]n, nach denen die [X.] nur mit solchen Forderungen zulässig sein sollte, die von dem [X.] anerkannt oder rechtskräftig festgestellt worden sind, wiederholt für un-wirksam erklärt, weil sie dahin auszulegen sind, dass sie die Zulässigkeit der Aufrechnung mit unbestrittenen Gegenforderungen von deren Anerkennung durch den Verwender abhängig machen ([X.] Urteile vom 1. Dezember 1993 - [X.] - NJW 1994, 657, 658; vom 16. März 2006 - [X.]/03 - NJW-RR 2006, 1350). 16 c) Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, kann der [X.] die [X.] selbst auslegen. Ausgehend vom Wortlaut und Sinn und Zweck der [X.] lässt sie die Aufrechnung nur mit rechtskräftig festgestellten und sol-chen unbestrittenen Forderungen zu, zu denen die Vermieterin im Einzelfall jeweils ihre Zustimmung erklärt hat. Die Aufrechnung mit unstreitigen [X.] - 8 - gen, der die Vermieterin nicht zustimmt, ist danach nicht zulässig. Für die Zu-lässigkeit der Aufrechnung bedarf es über das bloße Nichtbestreiten der Forde-rung hinaus einer ausdrücklichen Zustimmung der Vermieterin zu der Aufrech-nung mit der unstreitigen Forderung. 18 Für dieses Verständnis der [X.] spricht auch, dass die Klägerin er-sichtlich von der Regelung in § 11 Nr. 3 [X.], nach der der Ausschluss der Aufrechnung mit unstreitigen und rechtskräftig festgestellten Forderungen un-wirksam ist, abgewichen ist, indem sie neben den rechtskräftig festgestellten Forderungen nicht alle unbestrittenen Forderungen zur Aufrechnung zugelas-sen hat, sondern deren Aufrechenbarkeit von ihrer ausdrücklichen Zustimmung im Einzelfall abhängig gemacht hat. 3. Mit diesem Inhalt hält die [X.] einer Inhaltskontrolle am Maßstab von § 9 [X.] (jetzt: § 307 BGB) nicht stand. 19 Nach § 11 Nr. 3 [X.] (jetzt: § 309 Nr. 3 BGB) ist eine Bestimmung in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen. Diese Bestimmung ist zwar im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar, weil der [X.] die Räume zum Betrieb seiner Zahnarztpraxis gemietet und somit als Unternehmer gehandelt hat (§ 24 [X.], jetzt: § 310 Abs. 1 BGB, [X.]. § 14 BGB). Sie stellt aber eine konkretisierte Ausgestaltung des [X.] des § 9 [X.] (jetzt: § 307 BGB) dar, da es sich bei dem Ausschluss der Aufrechnung in den genannten Fällen um eine besonders schwerwiegende Verkürzung der Rechte des Vertragspartners handelt, die auch im Geschäftsverkehr nicht hin-genommen werden kann ([X.] 91, 375, 383; 92, 312, 316; [X.], Urteil vom 1. Dezember 1993 - [X.] - NJW 1994, 657, 658). 20 - 9 - Der danach inhaltlich an § 11 Nr. 3 [X.] (jetzt: § 309 Nr. 3 BGB) aus-zurichtenden Inhaltskontrolle hält das in § 6.5 des [X.] geregelte [X.]sverbot nicht stand, denn es macht die Zulässigkeit der Aufrechnung auch mit unbestrittenen Gegenforderungen im Einzelfall jeweils von der [X.] abhängig. Die [X.] stellt es damit in das Belieben der Klägerin, dem [X.]n die Aufrechnung selbst mit unbestrittenen Gegen-forderungen zu versagen und dessen Aufrechnungsbefugnis im Ergebnis auf rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen zu beschränken. Eine derartige empfindliche Verkürzung der Gegenrechte des [X.]n benachteiligt diesen entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher gemäß § 9 Abs. 1 [X.] (jetzt: § 307 BGB) unwirksam. Der Verstoß hat zur Folge, dass die [X.] insgesamt unwirksam ist. Eine geltungserhaltende Re-duktion des [X.] auf ein inhaltlich noch zulässiges Maß kommt nicht in Betracht ([X.] 92, 312, 315; 115, 324, 326; [X.], Urteile vom 1. Dezember 1993 - [X.] - NJW 1994, 657, 658; vom 16. März 2006 - [X.]/03 - NJW-RR 2006, 1350). 21 - 10 - 4. Der [X.] kann in der Sache selbst nicht entscheiden, da das [X.] zur Berechtigung der von dem [X.]n zur Aufrechnung gestell-ten Forderungen keine Feststellungen getroffen hat. 22 Hahne [X.] [X.] [X.] [X.]
Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom 12.08.2003 - 13 O 328/00 - [X.] in [X.], Entscheidung vom 01.03.2005 - 22 U 187/03 -

Meta

XII ZR 54/05

27.06.2007

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2007, Az. XII ZR 54/05 (REWIS RS 2007, 3220)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 3220

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

12 U 126/99 (Oberlandesgericht Köln)


XII ZR 29/15 (Bundesgerichtshof)

Gewerberaumietvertrag: Einschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen


XII ZR 30/15 (Bundesgerichtshof)

Gewerberaummietvertrag: Inhaltskontrolle eines Aufrechnungsverbots


XII ZR 30/15 (Bundesgerichtshof)


XII ZR 29/15 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

XII ZR 30/15

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.