Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.01.2019, Az. 3 StR 448/18

3. Strafsenat | REWIS RS 2019, 11648

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Gegenstand

Tateinheitliche Handlungen im Rahmen des Abwicklung eines Betäubungsmittelgeschäfts


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. Mai 2018, soweit es ihn betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte in den Fällen II.1. der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei tatmehrheitlichen Fällen verurteilt worden ist;

b) in den Aussprüchen über die

aa) Gesamtfreiheitsstrafe,

bb) Einziehung des Wertes der [X.].

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen sowie wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und die Einziehung des Wertes der [X.] in Höhe von 7.500 € angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner nicht ausgeführten Revision, die er allgemein auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts stützt.

2

Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und schon deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 StPO). Auch die Erhebung der allgemeinen Sachrüge führt nicht zum Erfolg der Revision, soweit sie sich gegen die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II.2. und 3. der Urteilsgründe richtet. Insoweit hat die umfassende Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten ergeben. Dagegen hält die Verurteilung in den unter [X.] der Urteilsgründe festgestellten Fällen revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

3

1. Nach den unter [X.] der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen übergab der Angeklagte an drei Tagen im September 2017 dem gesondert Verfolgten [X.]jeweils 100 Gramm Heroin mit einem HHCl-Gehalt von 30 %, das er zuvor aus seinem Schrebergarten geholt hatte. Der gesondert Verfolgte [X.]lieferte das Rauschgift sodann im Auftrag des Angeklagten an den Zeugen [X.], der den Kaufpreis von je 2.500 € in bar vor Ort leistete. Dieses Geld überbrachte der gesondert Verfolgte [X.]unmittelbar danach dem Angeklagten.

4

2. Die konkurrenzrechtliche Beurteilung des festgestellten Geschehens als drei tatmehrheitlich begangene Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge begegnet aus zwei Gründen rechtlichen Bedenken. Im Einzelnen:

5

a) Die aufgeführten Feststellungen lassen das Vorliegen einer Bewertungseinheit zwischen den drei Einzelverkäufen als naheliegend erscheinen, so dass insoweit möglicherweise nur ein Fall des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gegeben ist.

6

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ist jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit, wobei verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, eine tatbestandliche Bewertungseinheit bilden (st. Rspr.; etwa [X.], Beschluss vom 31. Juli 2013 - 4 StR 223/13, [X.], 144, 145; [X.], BtMG, 5. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 596 ff. [X.]). Soweit sie dieselbe Rauschgiftmenge betreffen, sind mehrere Akte des [X.] zu einer einheitlichen Tat des Handeltreibens verbunden ([X.], Urteile vom 13. Dezember 1994 - 1 StR 720/94, [X.]R BtMG § 29 Bewertungseinheit 1; vom 23. März 1995 - 4 StR 746/94, [X.]R BtMG § 29 Bewertungseinheit 4). Dies gilt auch, wenn der Täter Rauschgift sukzessiv aus einer einheitlich von zu Verkaufszwecken erworbenen [X.] weiterverkauft. Dann werden die Einzelverkäufe durch den Erwerb der hierfür erworbenen Gesamtmenge zu einer Bewertungseinheit verbunden ([X.], aaO Rn. 621 [X.]). Zwar ist es nicht geboten, festgestellte Einzelverkäufe zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen, nur weil die nicht näher konkretisierte Möglichkeit besteht, dass sie ganz oder teilweise aus einem Verkaufsvorrat stammen. Liegen aber nach den Feststellungen konkrete Anhaltspunkte für eine Bewertungseinheit vor, darf das Tatgericht darüber ohne Erörterung nicht hinweggehen ([X.], Beschluss vom 9. Mai 2012 - 4 StR 67/12, [X.], 279, 280).

7

Solche Anhaltspunkte sind hier gegeben. Nach den Feststellungen begab sich der Angeklagte in rund wöchentlichem Abstand nach dem Anbahnen des [X.] jeweils zu seinem [X.], von wo er dann zum Treffpunkt mit dem gesondert Verfolgten [X.]fuhr und diesem das für den Zeugen [X.]bestimmte Rauschgift übergab. Nach der Festnahme des Angeklagten konnten auf dem Gartengrundstück auch typische Betäubungsmittelutensilien gefunden werden. Dies lässt es als naheliegend erscheinen, dass der Angeklagte die an den gesondert Verfolgten [X.]übergebene [X.] jeweils einem einzigen, auf dem Grundstück "gebunkerten" Verkaufsvorrat entnahm und somit eine Bewertungseinheit gegeben ist.

8

b) Auch kommt - selbst wenn sich die Taten nicht auf denselben Güterumsatz bezogen - auf der Grundlage einer Gesamtschau der Urteilsgründe das Vorliegen gleichartiger Tateinheit zwischen den einzelnen [X.] in Betracht.

9

Bei aufeinanderfolgenden, sich auf unterschiedliche [X.]n beziehenden [X.] liegt eine jedenfalls teilweise, Tateinheit begründende Überschneidung der objektiven Ausführungshandlungen darin, dass sich der Täter zu seinem Lieferanten begibt, um einerseits die vorangegangene Lieferung zu bezahlen und dabei zugleich eine neue, zuvor bestellte Lieferung abzuholen. In diesen Fällen dient das Aufsuchen des Lieferanten als verbindendes Element gleichermaßen beiden [X.], so dass dieses als teilidentische Ausführungshandlung die Annahme von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB begründet ([X.], Beschlüsse vom 10. Juli 2017 - [X.], NJW 2018, 2905 Rn. 23; vom 24. Juli 2018 - 3 StR 88/17, NStZ-RR 2018, 351; vom 24. Juli 2018 - 3 [X.], juris Rn. 9). Selbst ohne eine für alle Umsatzgeschäfte teilidentische Ausführungshandlung verbinden sich mehrere Handelsgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit, wenn es im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung zur Entgegennahme weiterer Betäubungsmittel aus Anlass der Bezahlung bereits zuvor "auf [X.]" erhaltener Rauschgiftmengen kommt (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Juli 2017 - [X.], aaO Rn. 28). Nichts anderes hat zu gelten, wenn ein Lieferant seinerseits im Rahmen einer bestehenden Handelsbeziehung Rauschmittel an seinen Abnehmer übergibt und gleichzeitig das Geld für vorangegangene Lieferungen entgegennimmt.

Damit käme vorliegend jedenfalls hinsichtlich der letzten beiden Lieferungen ein tateinheitliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (in der jeweiligen Anzahl der Einzelgeschäfte) in Betracht, wenn im Rahmen einer bestehenden Handelsbeziehung bei Lieferung der neuen [X.] die vorangegangene bezahlt worden wäre. Dies würde nach oben aufgezeigtem Maßstab selbst dann gelten, wenn eine teilidentische Ausführungshandlung in der Person des Angeklagten nicht festzustellen wäre, weil dieser seinen Abnehmer nicht selbst aufsuchte, sondern die Lieferung durch seinen Boten [X.]erbrachte.

Allerdings verhalten sich die Urteilsgründe nicht eindeutig zu den Voraussetzungen einer natürlichen Handlungseinheit. Ausweislich der Beweiswürdigung hat der Zeuge [X.]ausgesagt, das Heroin jeweils "auf [X.]" erhalten zu haben. Jedoch bleibt offen, ob das [X.] diese Angaben seinen Feststellungen zugrunde gelegt hat. Denn danach entrichtete der Zeuge [X.] bei jeder einzelnen Lieferung den Kaufpreis in bar, was eher für einen Zug-um-Zug-Verkauf als für eine nachträgliche Zahlung einer zuvor ohne Bezahlung erlangten Lieferung spricht.

Die Sache bedarf deshalb in den Fällen [X.] der Urteilsgründe neuer Verhandlung und Entscheidung.

3. Der Wegfall der für diese Fälle ausgesprochenen Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.

4. Mit der Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen [X.] der Urteilsgründe ist auch die Grundlage für die Anordnung der Einziehung des Wertes der [X.] in Höhe von 7.500 € entfallen. Für die neu zu treffende Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:

Sollte das nunmehr zur Entscheidung berufene Gericht erneut die Einziehung von [X.] für die dem Angeklagten aus den unter [X.] der Urteilsgründe aufgeführten Taten erwachsenen [X.] nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB anordnen, wird es zu erwägen haben, ob insoweit nicht eine gesamtschuldnerische Haftung in Betracht kommt. Denn nach den bisherigen Feststellungen erlangte diesen Betrag nicht allein der Angeklagte, sondern auch der gesondert Verfolgte [X.]. Der von dem Zeugen [X.]dem gesondert Verfolgten [X.]ausgehändigte Kaufpreis könnte somit auch bei diesem - unabhängig von den zivilrechtlichen Besitz- und Eigentumsverhältnissen zwischen den Tatbeteiligten - in voller Höhe der Einziehung unterliegen (vgl. [X.], Urteil vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06, [X.]St 51, 65 Rn. 14). Somit kommt für diesen Betrag eine gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten und des gesondert Verfolgten [X.]in Betracht.

Schäfer     

        

Spaniol     

        

Ri’in[X.] Wimmer
befindet sich im
Urlaub und ist
deshalb gehindert
zu unterschreiben.

                                   

Schäfer

        

Berg     

        

Hoch     

        

Meta

3 StR 448/18

10.01.2019

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 10. Januar 2019, Az: 3 StR 448/18, Urteil

§ 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 52 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.01.2019, Az. 3 StR 448/18 (REWIS RS 2019, 11648)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 11648


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 3 StR 448/18

Bundesgerichtshof, 3 StR 448/18, 10.01.2019.


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