Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2012, Az. VI ZR 123/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8011

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]
Verkündet am:

20. März 2012

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1 ([X.]), § 812 Abs. 1, § 818 Abs. 2
a)
Zur Frage, ob den Eltern einer bei einem Verkehrsunfall Getöteten eine Geldentschädigung zusteht, wenn die Presse über das Unfallgeschehen be-richtet und dabei ein ihr von dritter Seite übergebenes neutrales Porträtfoto des Unfallopfers verbreitet hat, obwohl die Eltern die [X.] eines Bildes ihrer Tochter abgelehnt hatten.
b)
Berichtet die Presse über einen die Öffentlichkeit interessierenden schweren Verkehrsunfall mit Todesopfer, stellt die [X.] eines kontextneut-ralen Porträtfotos des Unfallopfers im Rahmen der Berichterstattung in der Regel keine "kommerzielle Verwertung" im Sinne einer Ausnutzung der dem Bild zukommenden Verwertungsmöglichkeiten dar. Auf eine Lizenzgebühr gerichtete Bereicherungs-
oder Schadensersatzansprüche des Abgebildeten bzw. seiner Erben bestehen in einem solchen Fall nicht.

[X.], Urteil vom 20. März 2012 -
VI [X.] -
OLG [X.] in [X.]

LG Waldshut-Tiengen

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
20.
März
2012
durch den Vorsitzenden [X.],
die
Richter Zoll
und Wellner,
die Richterin Diederichsen
und
den Richter Stöhr

für Recht erkannt:
Die
Revision gegen
das Urteil des 14.
Zivilsenats des Oberlan-desgerichts [X.]
vom 25.
März
2011
wird auf
Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Kläger machen als Erben ihrer am 27.
Oktober 2005 bei einem [X.] tödlich verunglückten Tochter gegen das beklagte [X.] Ansprüche auf Lizenzzahlung, Geldentschädigung und Erstattung vorge-richtlicher Anwaltskosten wegen der mehrfachen [X.] einer [X.]-grafie ihrer Tochter in der von der Beklagten herausgegebenen [X.], der Bild am Sonntag
und auf einer Webseite geltend.
Die damals 32-jährige kinderlose und nicht verheiratete Tochter der Klä-ger wurde am genannten Tag schuldlos in einen Verkehrsunfall verwickelt, bei dem ihr Fahrzeug von einem entgegenkommenden schleudernden Fahrzeug erfasst
und von der Straße eine Böschung hinuntergestoßen wurde. Sie erlag noch an der [X.] ihren schweren Verletzungen. In dem Fahrzeug des 1
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-

Unfallverursachers hatte sich als Beifahrer der damals insbesondere wegen seiner Teilnahme am "[X.]" bekannt gewordene Mu-siker Max
Mutzke
befunden. Fahrer und Beifahrer dieses Fahrzeugs überlebten den Unfall.
Zwei Tage nach dem Unfall wurde ein Mitarbeiter der im Verlag der [X.] erscheinenden [X.] bei den Klägern vorstellig und bat
an der Haustür um Informationen über die Getötete und ein [X.] von ihr. Die Kläger verweigerten jegliche Angaben und erklärten ausdrücklich, dass sie kein [X.] zur Verfügung stellen wollten und mit einer [X.] eines [X.]s ihrer Tochter in der [X.] nicht einverstanden seien. In der Folge beschaffte sich die Beklagte von
unbekannter dritter Seite eine Porträtaufnahme der Getö-teten. Dieses [X.] veröffentlichte die Beklagte jeweils in Verbindung mit aus-führlichen Berichten über die an dem
Unfall beteiligten Personen und den Un-fallhergang in den genannten Zeitungen. In dem Beitrag in der [X.] wurde auch über diverse Einzelheiten aus dem Privatleben der Getöteten be-richtet, u.a. von einer zum Unfallzeitpunkt bestehenden Schwangerschaft.

Auf Aufforderung des Prozessbevollmächtigten der Kläger gab die [X.] hinsichtlich der erneuten Verbreitung des beanstandeten [X.]s eine [X.] ab. Den daneben geltend gemachten Zah-lungsanspruch wies die Beklagte zurück. [X.] haben die Kläger die Zahlung von 15.000

Das [X.] hat die Beklagte verurteilt,
an die Kläger 3.000

650,53

die weitergehende Klage hat es
abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten unter Zurückweisung der auf Zahlung von 10.000

e-richteten Anschlussberufung die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Be-3
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rufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgen
die Kläger
ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht führt u.a. aus:
Ein Anspruch auf Geldentschädigung zum Ausgleich immaterieller [X.] wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts der verstorbenen Tochter der Kläger bestehe nicht. Das Grundrecht aus Art.
2 Abs.
1 GG könne nur einer
lebenden Person zukommen. Demgegenüber wirke der Schutz durch das [X.] (Art.
1 Abs.
1 GG) über den Tod hinaus. Im Streitfall scheide die geltend gemachte Geldentschädigung schon deshalb aus, weil ein Anspruch auf Ausgleich erlittener immaterieller Schäden nur dem noch lebenden Träger des Persönlichkeitsrechts zustehen könne. Denn bei der Zubilligung einer Geldentschädigung wegen schwerer Persönlich-keitsrechtsverletzung stehe regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung für das Opfer im Vordergrund, die einem Verstorbenen nicht mehr verschafft wer-den könne. Der Gedanke der Prävention allein vermöge die Gewährung einer Geldentschädigung nach dem Tod einer Person nicht zu tragen. Im Übrigen würde der Anspruch vorliegend auch deshalb scheitern, weil in der Veröffentli-chung des Porträtfotos kein die Menschenwürde der Tochter der Kläger verlet-zender Eingriff gesehen werden könne. Das Bildnis zeige
eine sympathische, hübsche junge Frau, die im Kontext der Berichterstattung als unschuldiges Op-fer eines Verkehrsunfalles dargestellt werde.

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Der Klageanspruch sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer schwerwiegenden Verletzung des eigenen Persönlichkeitsrechts der Kläger als Eltern der Abgebildeten begründet. Gegen Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht könne nur der
unmittelbar Verletzte, nicht auch derjenige vorgehen, der von den Fernwirkungen eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht eines anderen nur mittelbar belastet werde, solange diese Auswirkungen nicht auch als Verletzung des eigenen
Persönlichkeitsrechts zu qualifizieren seien. Im Streitfall sei die den Persönlichkeitsschutz der verstorbenen Tochter berührende Veröffentli-chung von deren Bild nicht mit einer unmittelbaren Verletzung des [X.] als Eltern verbunden. Selbst wenn man annehmen wolle, dass ein Teil der Leser aus der Abbildung den Schluss ziehen könnte, dass die Kläger der [X.] des [X.]s ihrer Tochter zugestimmt hätten, und dies missbilligen könnte, läge darin jedenfalls keine Beeinträchtigung des [X.] der Kläger von nennenswertem Gewicht.
Den Klägern stehe ebenfalls kein Anspruch auf eine fiktive Lizenzgebühr unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes oder der [X.]
zu.
Die unbefugte kommerzielle Nutzung eines Bildnisses greife in den vermö-gensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild wie auch des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein und begründe grundsätzlich neben dem Verschulden voraussetzenden Schadensersatzanspruch einen Anspruch aus [X.] auf Zahlung der üblichen Lizenzgebühr. Der Bereicherungs-anspruch bestehe
unabhängig davon, ob der Abgebildete bereit oder in der [X.] ist, gegen Entgelt Lizenzen für die Verbreitung und öffentliche Wiedergabe seiner Abbildung zu gewähren. Unstreitig hätten kommerzielle Interessen in der Person der Verstorbenen zu deren Lebzeiten nicht bestanden. Sie sei der [X.] nicht bekannt gewesen und ihrer Abbildung sei weder vor noch nach
ihrem Tod ein wirtschaftlicher Wert im Sinne etwa eines [X.]. Allein die Umstände ihres Todes bei einem schweren Verkehrsunfall, an 8
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dem ein bekannter Musiker beteiligt gewesen sei, hätten im Rahmen der Be-richterstattung über dieses tragische Ereignis zu einem publizistischen [X.] an ihrer Person geführt. Nur
in dieser Weise habe auch die Beklagte das Porträtfoto der Tochter der Kläger verwendet. Bei dieser Fallgestaltung könne nicht von einer kommerziellen Nutzung des Bildnisses der Verstorbenen und einem daraus resultierenden Bereicherungsanspruch ausgegangen werden. Bei der rein publizistischen Verwendung einer ansonsten kommerziell nicht ver-wertbaren Abbildung zur Erläuterung eines redaktionellen Beitrags über ein zeitgeschichtliches Ereignis wie hier verkörpere das veröffentlichte Bild für den Abgebildeten keinen wirtschaftlichen Wert, der bei unbefugter Benutzung aus-zugleichen wäre.
Ein Schadensersatzanspruch nach §
823 Abs.
2 BGB in Verbindung mit §
22 KUG komme nicht in Betracht. Zwar wirke das Recht am eigenen Bild nach §
22 Satz 3 KUG über den Tod hinaus fort. Jedoch seien dem [X.] aus diesem Recht lediglich Abwehransprüche zuzuerken-nen. Im Übrigen setze ein deliktischer Schadensersatzanspruch ebenfalls den Eingriff in ein Ausschließlichkeitsrecht voraus, der üblicherweise nur gegen Entgelt gestattet zu werden pflege, woran es hier fehle. Dies gelte auch für den von den Klägern weiter geltend gemachten Schadensersatzanspruch nach §
823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §
263 StGB.

II.
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Klä-ger auf Zahlung des begehrten Geldbetrags verneint.
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a) Gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, dass den [X.] als Erben ihrer getöteten Tochter kein Anspruch auf Geldentschädigung wegen der Verletzung deren Persönlichkeitsrechts zustehe, wendet sich die Revision nicht.
b) Entgegen der Ansicht der Revision ist auch die Auffassung des [X.], dass den Klägern kein Anspruch auf Geldersatz wegen der [X.] ihres eigenen Persönlichkeitsrechts zustehe, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
[X.]) Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet ei-nen Anspruch auf Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegen-den Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedi-gend ausgeglichen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erfor-derlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines [X.] zu berücksichtigen (st. Rechtsprechung, vgl. etwa Senatsurteile vom 15.
November 1994 -
VI
ZR
56/94, [X.]Z 128, 1, 12;
vom 30.
Januar 1996
-
VI
ZR
386/94,
[X.]Z 132, 13, 27;
vom 5.
Oktober 2004 -
VI
ZR
255/03, [X.]Z
160, 298, 306; vom 6. Dezember 2005 -
VI
ZR
265/04, [X.]Z 165,
203, 210; vom 24. November 2009 -
VI
ZR 219/08, [X.]Z
183, 227 Rn.
11).
Bei der gebo-tenen Gesamtwürdigung ist ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen, weil dieser und die damit zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar aus-schließen können (vgl. Senatsurteil vom 24. November 2009 -
VI
ZR 219/08, [X.]O). Die Gewährung einer
Geldentschädigung
hängt demnach nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab, es kommt vielmehr auf die gesamten Umstände 13
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des Einzelfalls an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedi-gender Ausgleich für die Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt (vgl. [X.] vom 15.
November 1994 -
VI
ZR
56/94, [X.]O S. 12 f.; vom 24. November 2009 -
VI
ZR 219/08, [X.]O).
bb) Ein Anspruch der Kläger bestünde nur, wenn sie selbst durch die Be-richterstattung mit dem Porträtfoto ihrer tödlich verletzten Tochter in ihrem all-gemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden wären. Denn gegen Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht kann nur der unmittelbar Verletzte, nicht auch derjeni-ge vorgehen, der von den Fernwirkungen eines Eingriffs in das Persönlichkeits-recht eines anderen nur mittelbar belastet wird, solange diese Auswirkungen nicht auch als Verletzung des eigenen Persönlichkeitsrechts zu qualifizieren sind. Eine Verletzung des postmortalen Schutzbereichs Verstorbener verletzt für sich genommen noch nicht die Würde der Angehörigen, so dass allein die Abbildung der Tochter der Kläger in für Dritte identifizierbarer Weise nicht in das Persönlichkeitsrecht der Kläger eingreift. Selbst
aus einer spezifischen [X.] würde noch kein eigener Anspruch auf eine Geldentschädi-gung erwachsen. Erforderlich ist vielmehr, dass mit der Verletzung des Persön-lichkeitsschutzes des Verstorbenen zugleich das Persönlichkeitsrecht des [X.] unmittelbar tangiert wird (vgl.
Senatsurteil
vom 6. Dezember 2005
-
VI
ZR
265/04, [X.]O S.
211; [X.], Beschluss vom 19. Oktober 2006 -
1
BvR 402/06, ZUM
2007, 380, 382).
cc) Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht unter den [X.] rechtsfehlerfrei verneint.
Zutreffend ist die Erwägung, dass selbst dann
keine Beeinträchtigung des [X.] der Kläger von nennenswertem Gewicht vorläge, wenn 16
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ein Teil
der Leser aus der Abbildung den Schluss zöge, die Kläger hätten der [X.] des [X.]s ihrer Tochter zugestimmt, und dies missbilligte.
Dem hält die Revision ohne Erfolg entgegen, die schwere Persönlich-keitsrechtsverletzung der Kläger selbst liege im Streitfall deshalb vor, weil sich die Mitarbeiter der Beklagten das später veröffentlichte [X.] beschafft hätten, obwohl die Kläger jegliche Angaben verweigert und ausdrücklich erklärt
hätten, dass sie kein [X.] zur Verfügung stellen wollten und mit einer [X.] eines [X.]s ihrer Tochter in der [X.] nicht einverstanden seien; damit habe sich die Beklagte über den von den Klägern geäußerten Willen mit beson-derer Rücksichts-
und Skrupellosigkeit hinweggesetzt.
Daraus ergibt sich keine eine Geldentschädigung erfordernde Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Kläger. Wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang feststellt, führten allein die Umstände des Todes ihrer
Tochter bei einem schweren Verkehrsunfall, an dem ein bekannter Musiker beteiligt war, im Rahmen der Berichterstattung über dieses tragische Ereignis zu einem publizistischen Interesse an der Person der Tochter und wurde ihr Porträtfoto nur in diesem Zusammenhang verwendet. Auch die von den Klägern missbillig-te Wortberichterstattung über die Tochter ist in diesem Zusammenhang zu se-hen. Dabei ist nichts
ersichtlich, was im Rahmen der Berichterstattung den
Gel-tungsanspruch der Tochter oder der in den Artikeln in keiner Weise erwähnten Kläger in irgendeiner Weise in Frage stellen könnte.
Der Hinweis auf das Selbstbestimmungsrecht der Kläger als Eltern hilft nicht weiter. Die von der Revision zitierte Rechtsprechung zur Ausstrahlungs-wirkung des Art.
6 GG ([X.]E
101, 361, 385 f.)
ist auf die Berichterstattung über den Aufsehen erregenden schweren Verkehrsunfall der 32 Jahre alten Tochter der Kläger ersichtlich nicht zugeschnitten.
Auch der Hinweis darauf, die 19
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Beklagte habe sich das Bild durch eine strafbare Handlung verschafft, [X.] nicht die Annahme, den Klägern stehe eine Geldentschädigung zu. Selbst wenn die Vermutung der Revision zuträfe, die Mitarbeiter der Beklagten hätten gegenüber dem ursprünglichen Besitzer des [X.]s verschwiegen, dass die [X.] ohne die Zustimmung der Kläger erfolgen werde,
und wenn man ihrer rechtlichen Wertung folgte, dass darin eine strafbare Handlung zu sehen sei, könnte eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts, die eine Geldentschädigung erfordert,
nicht bejaht werden.
c) Den Klägern steht auch kein Anspruch
auf Zahlung einer angemesse-nen Lizenzgebühr zu.
[X.]) Nach der Rechtsprechung des [X.] schützen das all-gemeine Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Ausprägungen über die ideellen Interessen hinaus auch vermögenswerte Interessen der Person. [X.] diese vermögenswerten Bestandteile des Rechts durch eine unbefugte Verwendung des Bildnisses, des Namens oder anderer kennzeichnender [X.] schuldhaft verletzt, steht dem Träger des Persönlichkeits-rechts
unabhängig von der Schwere des Eingriffs ein Ersatzanspruch zu. Die vermögenswerten Bestandteile bestehen nach dem Tode des Trägers des [X.] jedenfalls fort, solange die ideellen Interessen noch ge-schützt sind. Die entsprechenden Befugnisse gehen auf den Erben
des Trägers des Persönlichkeitsrechts über und können von diesem entsprechend dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen ausgeübt werden.
([X.], Urteile
vom 1.
Dezember 1999 -
I
ZR 49/97, [X.]Z 143, 214, 220
ff.

-
Marlene Dietrich
-
und -
I
ZR 226/97, [X.], 1160, 1161
-
Der Blaue En-gel; vgl. auch [X.], Beschluss vom 22. August 2006 -
1
BvR 1168/04, NJW
2006, 3409, 3410).

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Insoweit kann ein Bereicherungsanspruch unabhängig davon bestehen, ob der Abgebildete bereit oder in der Lage ist, gegen Entgelt Lizenzen für die Verbreitung und öffentliche Wiedergabe seiner Abbildung zu gewähren. Die unbefugte kommerzielle Nutzung eines Bildnisses stellt einen Eingriff in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild wie
auch des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar und begründet grundsätzlich -
neben dem Verschulden voraussetzenden Schadensersatzanspruch
-
einen Anspruch aus [X.] auf Zahlung der üblichen Lizenzgebühr. [X.] ist die Nutzung des Bildnisses. Da diese nicht herausgegeben wer-den kann, ist nach §
818 Abs.
2 BGB Wertersatz zu leisten. Wer das Bildnis eines [X.] unberechtigt für kommerzielle Zwecke ausnutzt, zeigt damit, dass er ihm einen wirtschaftlichen Wert beimisst. An der
damit geschaffenen vermö-gensrechtlichen Zuordnung muss sich der Verletzer festhalten lassen und einen der Nutzung entsprechenden Wertersatz leisten. Dies gilt unabhängig davon, ob der Abgebildete bereit und in der Lage gewesen wäre, die Abbildung gegen Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr zu gestatten; denn der [X.] fingiert nicht eine Zustimmung des Betroffenen, er stellt vielmehr den Ausgleich für einen rechtswidrigen Eingriff in eine dem Betroffenen ausschließ-lich zugewiesene Dispositionsbefugnis dar ([X.], Urteil vom 26.
Oktober 2006 -
I
ZR
182/04, [X.]Z 169, 340 Rn.
12
-
Rücktritt des Finanzministers).

bb) Die Revision meint, mit dieser Rechtsprechung stehe die Rechtspre-chung des erkennenden Senats in Widerspruch. Das Berufungsgericht,
das letztlich der Senatsrechtsprechung folgt, sieht, wie seine Ausführungen zeigen, zumindest [X.]. Ein Widerspruch zwischen der Recht-sprechung des erkennenden Senats und der des [X.] besteht indes nicht.

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(1) Der erkennende Senat hat entschieden, dass die zum Ersatz bei [X.] vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts auch nach dem Tod entwickelten Grundsätze sich nicht auf Fallgestaltungen übertragen lassen, bei denen es -
wie im Streitfall
-
um die Presseberichterstattung über die Öffentlichkeit interessierende Ereignisse geht und bei denen kommerzielle Inte-ressen einer (verstorbenen) Person, die Gegenstand der Berichterstattung war, nicht bestanden (Senatsurteil vom 6. Dezember 2005 -
VI
ZR
265/04, [X.]O
S.
209 f.). Der Grund liegt darin, dass bei beiden Fallgestaltungen Schutzgut und Interessenlage unterschiedlich sind.
(2) Die Ersatzpflicht bei der Verletzung vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts
beruht auf folgender Überlegung: Der Abbildung, dem Namen sowie sonstigen Merkmalen der Persönlichkeit wie etwa der Stimme kann ein beträchtlicher wirtschaftlicher Wert zukommen, der im Allgemeinen auf der Bekanntheit und dem Ansehen der Person in der Öffentlichkeit -
meist durch besondere Leistungen etwa auf sportlichem oder künstlerischem Gebiet erworben
-
beruht. Die bekannte Persönlichkeit kann diese Popularität und ein damit verbundenes Image dadurch wirtschaftlich verwerten, dass sie [X.] gegen Entgelt gestattet, ihr Bildnis oder ihren Namen, aber auch andere Merk-male der Persönlichkeit, die ein Wiedererkennen ermöglichen, in der Werbung für Waren oder Dienstleistungen einzusetzen. Durch eine unerlaubte Verwer-tung ihrer Persönlichkeitsmerkmale etwa für Werbezwecke werden daher häufig weniger ideelle als kommerzielle Interessen der Betroffenen beeinträchtigt, weil diese sich weniger in ihrer Ehre und ihrem Ansehen verletzt fühlen, als vielmehr finanziell benachteiligt sehen ([X.], Urteil vom 1.
Dezember 1999 -
I
ZR 49/97, [X.]O S.
219 -
Marlene Dietrich).
(3) Diese Erwägungen spielen dann keine maßgebliche Rolle, wenn die Presse über die Öffentlichkeit interessierende Ereignisse berichtet und nicht 26
27
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ersichtlich ist, dass kommerzielle Interessen einer
-
der Öffentlichkeit bislang unbekannten
-
(verstorbenen) Person, die Gegenstand der Berichterstattung war, bestanden haben könnten. In solchen Fällen geht es der Presse nicht da-rum, sich die kommerzielle Verwertungsbefugnis der Person, über die berichtet wird,
anzumaßen. Vielmehr steht das Berichterstattungsinteresse im [X.]. Die möglicherweise bestehende Absicht, durch die Gestaltung der Nach-richt mit einem Bild des Betroffenen zusätzlichen Gewinn durch eine Steigerung der Auflage zu erzielen, ist nur ein mitwirkendes Element. Die [X.] des Bildes stellt in solchen Fällen keine "kommerzielle Verwertung"
im Sinne einer Ausnutzung der
dem Bild zukommenden Verwertungsmöglichkeiten
dar.
Auch der I. Zivilsenat geht davon aus, dass eine Verletzung der vermö-genswerten Bestandteile
des postmortalen Persönlichkeitsrechts nur nach sorg-fältiger Abwägung angenommen werden kann, was insbesondere gilt, wenn sich der in Anspruch Genommene für seine Handlungen auf Grundrechte wie die Freiheit der Meinungsäußerung (Art.
5 Abs.
1 GG) und die Freiheit der Kunst (Art.
5 Abs.
3 GG) berufen kann, wobei die mitwirkende Absicht der Ge-winnerzielung die Unbedenklichkeit des Vorgehens nicht ohne weiteres [X.] ([X.], Urteil vom 5.
Oktober 2006 -
I
ZR
277/03, [X.]Z 169, 193 Rn.
14 -
kinski-klaus.de
-
unter Berufung auch auf das Senatsurteil vom 14. No-vember 1995 -
VI
ZR 410/94, [X.], 204
-
Willy Brandt-Medaille).
Auch nimmt der I. Zivilsenat zutreffend an, dass den nur einfachrechtlich geschützten vermögensrechtlichen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts gegenüber der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsäußerungsfreiheit grundsätzlich kein Vorrang zukommt ([X.], Urteil vom 5. Juni 2008 -
I
ZR 96/07, VersR
2009, 1543 Rn.
14 -
Zerknitterte Zigarettenschachtel).

Dem von der Revision herausgestellten Urteil des [X.] vom 26. Oktober 2006 (I
ZR
182/04, [X.]O) ist nichts Abweichendes zu entneh-29
30
-

14

-

men. Dort ging es darum, dass ein Leasingunternehmen ein [X.] von [X.] unter Bezugnahme auf dessen Rücktritt als Finanzminister für eine Werbeanzeige verwendet hatte. Der [X.] hat die auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr gerichtete Klage [X.]s zwar deshalb abgewiesen, weil die Verbreitung der [X.]grafie in der Werbeanzeige gemäß §
23 Abs.
1 Nr.
1, Abs.
2
KUG erlaubt gewesen sei.
Es ist aber nicht ersichtlich, dass die allgemeinen, für die Entscheidung des Rechtsstreits letztlich unerheb-lichen Erwägungen (Rn.
12) als Abweichung von den oben erläuterten [X.] auch des [X.] zur Geltendmachung von Ansprüchen bei der Verletzung der vermögenswerten Bestandteile des postmortalen Persönlich-keitsrechts verstanden werden sollen.
cc) Danach ist der von den Klägern im Streitfall geltend gemachte [X.] auf Zahlung einer Lizenzgebühr zu verneinen.
Das Berufungsgericht stellt fest, kommerzielle Interessen in der Person der verstorbenen Tochter der Kläger
an einer Vermarktung ihrer Person
hätten zu deren Lebzeiten nicht be-standen. Sie sei der Öffentlichkeit nicht bekannt gewesen, ihrer Abbildung sei weder vor noch nach ihrem Tod ein wirtschaftlicher Wert im Sinne etwa eines [X.] zugekommen. Diese Feststellungen stellt die Revision nicht in [X.].
Unter diesen Umständen nimmt das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei an, dass bei der rein publizistischen Verwendung einer ansonsten kommerziell nicht verwertbaren Abbildung zur Erläuterung eines redaktionellen Beitrags über ein zeitgeschichtliches Ereignis das veröffentlichte Bild für den Abgebilde-ten keinen wirtschaftlichen Wert verkörpert, der bei unbefugter Benutzung aus-zugleichen wäre.

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-

dd) Der Anspruch auf eine Lizenzentschädigung scheidet danach auch dann aus, wenn als Anspruchsgrundlage nicht die Vorschriften über die unge-rechtfertigte Bereicherung, sondern deliktsrechtliche Vorschriften in Betracht gezogen werden.

Galke
Zoll
Wellner

Diederichsen
Stöhr

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.07.2009 -
2 O 223/07 -

OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom 25.03.2011
-
14 U 158/09 -

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Meta

VI ZR 123/11

20.03.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2012, Az. VI ZR 123/11 (REWIS RS 2012, 8011)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8011

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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