Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.11.2005, Az. II ZR 355/03

II. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 618

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL II ZR 355/03 Verkündet am: 28. November 2005 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja HGB § 25 Abs. 1 Satz 1 a) Die Firmenfortführung beim Wechsel des Inhabers ist eine der Voraussetzungen für die Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB, weil in ihr die Kontinuität des Unternehmens nach außen in Erscheinung tritt, die der Grund für die Erstreckung der Haftung für früher im Betrieb des Unternehmens begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers auf seinen Nachfolger ist. b) Eine für die Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB weiter erforderliche Unterneh-mensfortführung ist nach der maßgeblichen Sicht der beteiligten Verkehrskreise gegeben, wenn ein Unternehmen in seinem wesentlichen Bestand fortgeführt wird. Dabei kommt es auf die bloße Tatsache der [X.] an, nicht darauf, ob ihr ein rechtsge-schäftlicher, derivativer Erwerbsvorgang zugrunde liegt. c) Eine Firmenfortführung ist nach der auch hier maßgebenden Sicht des betroffenen Ver-kehrs anzunehmen, wenn die von dem bisherigen Inhaber tatsächlich geführte und von dem Erwerber weitergeführte Firma [X.] besitzt, dass der Verkehr sie mit dem Unternehmen gleichsetzt und in dem Verhalten des Erwerbers eine Fortfüh-rung der bisherigen Firma sieht. Dabei genügt es, dass der prägende Teil der alten Firma in der neuen beibehalten wird. d) Die Tatsache, dass ein zahlungsunfähiges und insolventes Unternehmen fortgeführt wird, steht der Anwendung des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB nicht entgegen. e) Die Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB tritt unabhängig davon ein, ob das übernom-mene und fortgeführte Unternehmen noch einen zur Befriedigung seiner Gläubiger aus-reichenden Wert verkörpert. [X.], Versäumnisurteil vom 28. November 2005 - II ZR 355/03 - [X.]

LG Bielefeld - 2 - [X.] [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2005 durch [X.], [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil des 28. Zivilsenats des [X.] vom 11. September 2003 wird auf Kosten des Streithelfers der [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger nimmt die Beklagte gemäß § 25 Abs. 1 HGB auf Bezahlung von - der Höhe nach unstreitigen - Vergütungsansprüchen aus anwaltlicher Vertretung der P.

GmbH & Co. [X.] (im Folgenden: [X.]) in Anspruch. 1 Die [X.] betrieb seit September 1984 in einer gemieteten [X.] eine Dis-kothek mit Gastronomie. Nachdem ihr wegen [X.] gekündigt worden war, gab sie die Mieträume am 15. November 1999 an die Vermieterin heraus. Diese vermietete die Räumlichkeiten noch am selben Tag an die Getränkefir-ma, die die Diskothek beliefert hatte. Die Getränkefirma schloss ebenfalls noch am 15. November 1999 mit der beklagten eingetragenen Kauffrau, deren [X.] Gesellschafter der - inzwischen im Handelsregister gelöschten - [X.] war 2 - 3 - und die seit 1985 leitende Angestellte dieser Gesellschaft gewesen war, einen Untermietvertrag. Seit diesem Tag hat die Beklagte die Diskothek in derselben Weise und in demselben Umfang betrieben, wie sie vorher von der [X.] geführt worden war. Die Beklagte hat das Inventar der Diskothek, das Sicherungsei-gentum einer Brauerei war, weiter benutzt und den Telefonanschluss, die Telefonanlage, das Faxgerät, die EDV-Anlage und den Warenbestand der [X.] sowie 90 der 220 Mitarbeiter übernommen und den Betrieb ohne Unterbre-chung und im Einverständnis mit der [X.] unter deren Kurzbezeichnung "P." weitergeführt. Das [X.] hat die auf Zahlung von [X.] • nebst Zinsen ge-richtete Klage abgewiesen, das [X.] hat ihr bis auf einen Teil der Zinsforderungen stattgegeben. Mit der vom [X.]at zugelassenen Revision erstrebt der Streithelfer der [X.] für diese die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. 3 Entscheidungsgründe: Über die Revision ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden, weil der Kläger im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Bekanntgabe nicht vertreten war. Die Entscheidung beruht inhaltlich jedoch nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung ([X.] 37, 79, 82). 4 Die Revision des Streithelfers der [X.] ist nicht begründet. 5 Das Berufungsgericht hat die Beklagte mit Recht für verpflichtet gehal-ten, die gegen die [X.] begründeten Vergütungsforderungen des [X.] zu bezahlen. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB liegen vor. Die 6 - 4 - Beklagte hat das Handelsgeschäft der [X.] unter Lebenden erworben und unter der Firma der [X.] fortgeführt. 7 1. Nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.]ats ist die Firmenfort-führung beim Wechsel des Inhabers deswegen eine der Voraussetzungen für die Auslösung der Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB, weil in ihr die Konti-nuität des Unternehmens nach außen in Erscheinung tritt, welche der tragende Grund für die Erstreckung der Haftung für früher im Betrieb des Unternehmens begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers auf seinen Nachfolger ist (vgl. [X.].Urt. v. 15. März 2004 - [X.], [X.], 1103, 1104 m.w.Nachw.). Die Vorschrift greift danach ein, wenn zwar der [X.] wechselt, das Unternehmen selbst aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs aber im Wesentlichen unverändert unter der alten Firmenbezeichnung fortgeführt wird. Das ist hier der Fall. a) Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass die Beklagte das Un-ternehmen der [X.] unter Lebenden erworben und fortgeführt hat. 8 Von Unternehmensfortführung geht der maßgebliche Verkehr aus, wenn ein Betrieb von einem neuen Inhaber in seinem wesentlichen Bestand unverän-dert weitergeführt wird, der Tätigkeitsbereich, die innere Organisation und die Räumlichkeiten ebenso wie Kunden- und Lieferantenbeziehungen jedenfalls im [X.] beibehalten und/oder Teile des Personals übernommen werden (vgl. [X.].Urt. v. 16. Januar 1984 - II ZR 114/83, NJW 1984, 1186, 1187; v. 4. November 1991 - [X.], [X.], 398, 399; [X.], Urt. v. 10. Oktober 1985 - [X.], NJW 1986, 581; [X.], [X.] 1996, 1682, 1683; [X.], NJW-RR 1998, 965). Dabei kommt es nur auf die bloße Tat-sache der [X.] an, nicht hingegen darauf, ob ihr ein rechtsge-9 - 5 - schäftlicher, derivativer Erwerb zugrunde liegt ([X.].Urt. v. 4. November 1991 aaO 400 m.w.Nachw.; [X.], Urt. v. 10. Oktober 1985 aaO 581 f.). 10 Die Beklagte hat das Unternehmen der [X.] in diesem Sinne übernom-men und fortgeführt. Sie hat unstreitig ohne zeitliche Unterbrechung den Betrieb der [X.] unter Übernahme der Räumlichkeiten samt Inventar und kommunikati-onstechnischen Einrichtungen sowie der Lieferantenbeziehungen und eines Teils der Mitarbeiter der [X.] fortgesetzt. b) Ebenfalls zutreffend ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte den Diskothekbetrieb der [X.] unter deren Firma fortgeführt hat. 11 Aus der - maßgebenden - Sicht der beteiligten Verkehrskreise ist eine Firmenfortführung anzunehmen, wenn die von dem bisherigen Geschäftsinha-ber tatsächlich geführte und von dem Erwerber weitergeführte Firma [X.] besitzt, dass der Verkehr sie mit dem Unternehmen gleichsetzt und in dem Verhalten des Erwerbers eine Fortführung der bisherigen Firma sieht ([X.].Urt. v. 15. März 2004 - [X.], [X.], 1103, 1104 m.w.Nachw.). Dabei kommt es nicht darauf an, dass die alte Firma unverändert fortgeführt wird; es genügt, dass der prägende Teil der alten Firma in der neuen beibehalten wird ([X.].Urt. v. 15. März 2004 aaO). Danach liegt hier Firmenfort-führung vor. Der prägende Teil der Firma der [X.] bestand in der [X.] "P. ", unter der die Diskothek so eingeführt und bekannt war, dass für die Beklagte nach ihrem Vortrag in einem anderen Rechtsstreit ein Erwerb des Unternehmens ohne diese Bezeichnung nicht in Frage gekom-men wäre. Die Firma der [X.] enthält genau diese, dem Verkehr als Kurzbezeichnung für den Diskothekbetrieb bekannte Buchstaben- und Zahlen-folge. Das reicht zur Annahme einer Firmenfortführung aus. 12 - 6 - c) Demgegenüber beruft sich die Revision ohne Erfolg darauf, dass die Anwendbarkeit von § 25 HGB kraft teleologischer Reduktion hier ausscheiden müsse, jedenfalls aber der Kläger von der Anwendbarkeit dieser Vorschrift auszunehmen sei. 13 14 Dass die [X.] insolvent ist, rechtfertigt es nicht, den Kläger so zu [X.], als habe die Beklagte das Unternehmen in der Insolvenz erworben (vgl. [X.].Urt. v. 4. November 1991 aaO 399 m.w.Nachw.). § 25 HGB findet hinsicht-lich der Verbindlichkeiten der [X.] gegenüber dem Kläger Anwendung, obwohl diesem bei Begründung seiner Honorarforderungen bekannt war, dass die [X.] erhebliche Verbindlichkeiten hatte und weitgehend [X.] war. Die Revision verkennt, dass § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB eine typisierende Vorschrift ist, die die Haftung des Nachfolgers für Verbindlichkeiten des Vorinhabers allein an die durch Fortführung von Unternehmen und Firma nach außen zum Ausdruck kommende Unternehmenskontinuität knüpft. Die Haftung des Nachfolgers tritt deshalb unabhängig davon ein, ob das übernommene Unternehmen noch einen zur Befriedigung seiner Gläubiger ausreichenden Wert verkörpert ([X.].Urt. v. 4. November 1991 aaO). 2. Die Ansprüche des [X.] sind nicht verjährt. 15 Die Revision ist zu Unrecht der Auffassung, die unstreitig am 31. Dezember 2001 ablaufende Verjährungsfrist sei durch das am 3. Dezember 2001 eingegangene Mahngesuch des [X.] nicht unterbrochen worden. Der Mahnbescheid ist zwar erst am 7. März 2002 zugestellt worden. Das [X.] hat jedoch mit Recht angenommen, dass die Zustellung damit noch "demnächst" i.S. des § 693 ZPO a.F. vorgenommen wurde, weil ihre Verzögerung auf vom Kläger nicht zu vertretenden Umständen beruhte. Das Berufungsgericht hat in der Angabe der Geschäftsanschrift der [X.] statt 16 - 7 - der Privatadresse ihrer Inhaberin mit Recht keine vom Kläger zu vertretende Nachlässigkeit gesehen. Der Kläger hat sich, wie das Berufungsgericht mit [X.] festgestellt hat, unwidersprochen darauf berufen, dass das Geschäftslokal der [X.] nach der früheren Übung zu den üblichen Zustell-zeiten der Post besetzt gewesen sei. [X.][X.]

Strohn

[X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 11.03.2003 - 2 O 280/02 - [X.], Entscheidung vom 11.09.2003 - 28 U 72/03 -

Meta

II ZR 355/03

28.11.2005

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.11.2005, Az. II ZR 355/03 (REWIS RS 2005, 618)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 618

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