Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.09.2008, Az. VIII ZR 192/06

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 1806

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 24. September 2008 [X.], Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja HGB § 25 Abs. 1 Satz 1 Zur Frage der Fortführung eines Handelsgeschäfts i.S. von § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB durch eine sukzessiv erfolgende Übernahme des Unternehmens und Fortführung desselben unter Beibehaltung der prägenden Firmenbestandteile. [X.], Urteil vom 24. September 2008 - [X.] - [X.]

[X.]

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. September 2008 durch den Vorsitzenden [X.], die [X.] und [X.], [X.]in [X.] sowie [X.] Achilles für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats des [X.] vom 9. Mai 2006 aufgehoben. Die Berufung der [X.] gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des [X.] vom 16. September 2005 wird [X.]. Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Die Klägerin nimmt die unter der Bezeichnung "[X.] GmbH" firmierende Beklagte auf Bezahlung von Warenlieferungen nach den Grundsätzen der Haftung für eine Firmenfortführung in Anspruch. 1 Die Klägerin stand mehrere Jahre lang mit der [X.] (im Folgenden: [X.]) in Geschäftsbeziehung. Nach Gründung der [X.] im August 2003 unterhielt die Klägerin auch Geschäftsbeziehungen zu die-ser. Sowohl die Beklagte als auch die [X.] stellen bzw. stellten Industrieböden her. Beide Unternehmen waren unter derselben Adresse ansässig und hatten 2 - 3 - dieselben Telefon- und Faxnummern sowie denselben Geschäftsführer und Gründungsgesellschafter, Herrn S. . Ferner waren mindestens drei Mitarbei-ter der [X.] für die Beklagte tätig. Beide Unternehmen unterhielten jedoch eigene Bankverbindungen. 3 Die [X.] kaufte von der Klägerin in den Jahren 2003 und 2004 mehrere Tonnen [X.] im Gesamtwert von 20.995,63 •. Eine Bezahlung der Waren erfolgte nicht. Die [X.] stellte ihre Geschäfte zum 30. Juni 2004 ein. Über ihr Vermögen ist durch Beschluss vom 15. November 2004 das Insolvenzver-fahren eröffnet worden. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte hafte für ihre Forderungen ge-gen die [X.] gemäß § 25 Abs. 1 HGB, da sie deren Handelsgeschäft fortführe. Die Beklagte habe die [X.] vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten "ausbluten" lassen und dann sukzessive übernommen. Die Beklagte ist der [X.], es fehle an einer Fortführung des Handelsgeschäfts. Beide Unternehmen seien - was unstrittig ist - fast eineinhalb Jahre parallel nebeneinander am Markt werbend tätig gewesen und hätten eigene Aufträge gehabt. 4 Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 20.995,63 • nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der [X.] hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die [X.] des landgerichtlichen Urteils. 5 - 4 - Entscheidungsgründe: 6 Die Revision hat Erfolg. [X.] 7 Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: 8 Die Beklagte hafte nicht für die Forderung der Klägerin gegen die [X.] ge-mäß § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB, da die Beklagte weder das Handelsgeschäft noch die Firma der [X.] fortgeführt habe. Der Erwerber eines Handelsgeschäfts hafte gemäß § 25 HGB, wenn es trotz des Erwerbs nach außen so wirke, als ob ein Unternehmen kontinuierlich am Markt bleibe. Dies sei hier nicht der Fall, da beide Unternehmen zeitweilig ihre Geschäftstätigkeit parallel ausgeübt hätten. Entscheidend sei, dass die [X.] seit Gründung der [X.] im August 2003 auf demselben Geschäftsfeld [X.] tätig geblieben sei und auch nicht unerhebliche Umsätze, wenn auch ge-ringere als zuvor, erzielt habe. Der Rechtsverkehr habe von zwei [X.] Unternehmen ausgehen müssen. 9 Auch fehle es an der Fortführung der Firma der [X.]. Der Rechtsverkehr habe über ein Jahr beide Firmen parallel am Markt gekannt, was der Fortfüh-rung einer einzigen Firma widerspreche. Im Übrigen seien die benutzten Worte zu unterschiedlich, als dass von einer einzigen Firma ausgegangen werden könne. 10 I[X.] Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Klä-gerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises von 20.995,63 • gemäß § 433 BGB i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB aus den Waren-11 - 5 - lieferungen an die [X.] zu. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht die Haftung der [X.] für die Forderung der Klägerin gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB. Die Beklagte hat das Handelsgeschäft der [X.] unter Lebenden erworben und es unter deren Firma fortgeführt. 12 Nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] greift die [X.] gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB ein, wenn zwar der [X.] wechselt, das Unternehmen selbst aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs aber im Wesentlichen unverändert unter der alten Firmenbezeichnung [X.] wird ([X.], Urteil vom 28. November 2005 - II ZR 355/03, [X.], 1002, [X.]. 7 m.w.[X.]). So ist es hier. 1. Von einer Unternehmensfortführung geht der maßgebliche Verkehr aus, wenn ein Betrieb von einem neuen Inhaber in seinem wesentlichen [X.] unverändert weitergeführt wird, der Tätigkeitsbereich, die innere Organi-sation und die Räumlichkeiten ebenso wie Kunden- und Lieferantenbeziehun-gen jedenfalls im [X.] beibehalten und/oder Teile des Personals übernommen werden ([X.], aaO, [X.]. 9 m.w.[X.]). Entgegen der Auffassung der [X.] kommt es für den Erwerb im Sinne von § 25 Abs. 1 HGB auch nicht darauf an, ob ein rechtsgeschäftlicher, derivativer Erwerb zugrunde liegt. Erforderlich ist nur die bloße Tatsache der Geschäftsfortführung ([X.], aaO, [X.]. 9; [X.], Urteil vom 4. November 1991 - [X.], [X.], 911, unter [X.]). Die Beklagte hat das Handelsgeschäft der [X.] im vorgenannten Sinne übernommen und [X.]. 13 a) Nach den insoweit unangegriffenen Tatsachenfeststellungen des [X.]s, auf die sich das Berufungsgericht beruft, haben die Beklagte und die [X.] denselben Unternehmensgegenstand, nämlich die Herstellung von [X.]; sie benutzten dieselben Betriebsräumlichkeiten (inklusive der 14 - 6 - Büroorganisation) und Fax- und Telefonanschlüsse, ferner hat die Beklagte zumindest drei Angestellte der [X.] übernommen. Darüber hinaus warb die [X.], obwohl sie selbst erst im August 2003 gegründet wurde, auch gegen-über Kunden der [X.] mit ihrer langjährigen Fachkompetenz und verwies auf [X.], die die [X.] erstellt hatte. 15 b) Der Unternehmensfortführung der [X.] durch die Beklagte steht auch nicht - anders als das Berufungsgericht meint - entgegen, dass die [X.] und die Beklagte vom Zeitpunkt der Gründung der [X.] im August 2003 bis zur Aufgabe des Geschäftsbetriebs durch die [X.] zum 30. Juni 2004 etwa ein Jahr lang parallel auf dem Markt werbend tätig blieben. Auch eine sukzessiv erfol-gende Unternehmensübernahme kann eine Fortführung des Handelsgeschäfts im Sinne von § 25 Abs. 1 HGB sein. Maßgeblich dafür ist, ob sich für den Rechtsverkehr die Betätigung des übernehmenden Unternehmens als Weiterführung des ursprünglichen [X.] in seinem wesentlichen Bestand darstellt (vgl. [X.], Urteil vom 4. November 1991, aaO, unter [X.] 1 m.w.[X.]). Dies war hier, wie ausgeführt, der Fall. 16 Da die Beklagte unter der gleichen Anschrift und Telefonnummer wie die [X.] und teils mit Mitarbeitern der [X.] gegenüber den Kunden der [X.] mit deren [X.]n warb, musste der Rechtsverkehr - entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts - gerade nicht von zwei konkurrierenden Unternehmen, son-dern von einem einheitlichen Unternehmen ausgehen. Hinzu kommt, dass die von der [X.] einerseits und der [X.] andererseits verwendeten Briefbögen sich in ihrer optischen Aufmachung und inhaltlichen Gestaltung so ähneln, dass auch insoweit die Kontinuität eines einzigen Unternehmens aus der maßgebli-chen Sicht des Rechtsverkehrs nach außen in Erscheinung tritt. Da es dazu 17 - 7 - keiner zusätzlichen tatrichterlichen Feststellungen bedarf, kann der [X.] dies selbst entscheiden. Unter Berücksichtigung dieser konkreten Verhältnisse tra-ten die [X.] und die Beklagte nicht wie zwei konkurrierende Unternehmen auf, sondern wie ein einheitliches. 18 2. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht auch die Fortführung der Firma der [X.] durch die Beklagte. Beim Wechsel des Inhabers ist die Firmenfortführung deshalb eine Vor-aussetzung für die in § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB vorgesehene Haftung, weil in ihr die Kontinuität des Unternehmens nach außen in Erscheinung tritt, welche der tragende Grund für die Erstreckung der Haftung für früher im Betrieb des [X.] begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers auf seinen Nachfol-ger ist ([X.], Urteil vom 28. November 2005, aaO, [X.]. 7; [X.], Urteil vom 4. November 1991, aaO, unter [X.]). Dabei kommt es nicht auf eine wort- und buchstabengetreue Übereinstimmung zwischen alter und neuer Firma, sondern nur darauf an, ob aus der Sicht des Verkehrs trotz vorgenommener Änderungen noch eine Fortführung der Firma vorliegt ([X.], Urteil vom 4. November 1991, aaO). Dies ist dann der Fall, wenn der prägende Teil der alten Firma in der neuen beibehalten wird ([X.], Urteil vom 15. März 2004 - [X.], NJW-RR 2004, 1172, unter 2; [X.], Urteil vom 28. November 2005, aaO, [X.]. 12). 19 Der prägende Teil der Firma der [X.] bestand in der Bezeichnung des Tä-tigkeitsbereichs "Industrieböden" in Verbindung mit dem Namen "[X.]". In der Firma der [X.] wird der annähernd gleiche Tätigkeitsbereich "Fussboden-bau" ebenfalls mit dem Namen "[X.]" verknüpft. Dies reicht zur Annahme einer Firmenfortführung aus. Dadurch wird es dem Träger des Namens "[X.]" - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht verwehrt, sich auf dem Gebiet der Herstellung von Fußböden seines Namens zu bedienen. Insoweit 20 - 8 - weist die Revision zutreffend auf die Möglichkeit eines Haftungsausschlusses gemäß § 25 Abs. 2 HGB durch eine Eintragung in das Handelsregister hin. 21 3. Die Insolvenz der [X.] schließlich ist für die Haftung der [X.] aus § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB unerheblich. 22 Zutreffend weist das Berufungsgericht ([X.]) zwar darauf hin, dass der Erwerb von Vermögenswerten der [X.] durch die Beklagte, soweit er vom [X.] der [X.] erfolgte, keine Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB aus-löst ([X.], Urteil vom 4. November 1991, aaO, unter II 2 m.w.[X.]; vgl. auch [X.], Urteil vom 28. November 2005, aaO, [X.]. 14). Hier ist das Unternehmen der [X.] jedoch - wie oben dargelegt - schon vor der Eröffnung des [X.] über das Vermögen der [X.] in seinem wesentlichen Bestand unverän-dert von der [X.] fortgeführt worden. Dass die [X.] möglicherweise auch schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens insolvent war, ist für die [X.] aus § 25 Abs. 1 HGB demgegenüber irrelevant ([X.], Urteil vom 28. November 2005, aaO, [X.]). II[X.] Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben; es ist daher auf-zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden, weil es weiterer Feststellungen nicht bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die Klage
23 - 9 - begründet ist, ist die Berufung der [X.] gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen. [X.][X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 16.09.2005 - 10 O 560/04 - [X.], Entscheidung vom [X.] - 19 U 157/05 -

Meta

VIII ZR 192/06

24.09.2008

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.09.2008, Az. VIII ZR 192/06 (REWIS RS 2008, 1806)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 1806

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