Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2018, Az. XII ZB 240/17

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 6627

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[X.]:[X.]:BGH:2018:040718B[X.]240.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]/17

vom

4. Juli 2018

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
FamFG § 38 Abs. 3 Satz 3; GG Art. 103 Abs. 1
a)
Eine nicht verkündete Beschwerdeentscheidung ist mit der Übergabe des von den Mitgliedern des [X.] unterzeichneten Beschlusses an die Ge-schäftsstelle erlassen [X.]. §
38 Abs.
3 Satz
3 FamFG.
b)
Bleibt schriftsätzliches Vorbringen, das vor Erlass der Entscheidung [X.] ist, unberücksichtigt, wird der Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör auch dann verletzt, wenn dem Beschwerdegericht der Schriftsatz nicht mehr rechtzeitig vorgelegt wurde (im [X.] an Senatsbe-schluss vom 15.
Juli 2015

XII
ZB 525/14

FamRZ 2015, 1698).

BGH, Beschluss vom 4. Juli 2018 -
XII [X.]/17 -
LG Marburg

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 4.
Juli 2018
durch den

Vorsitzenden Richter Dose, [X.]
Dr.
[X.], Schilling
und
Dr.
[X.] und die Richterin Dr.
Krüger

beschlossen:
Auf die
Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der
Beschluss der 3.
Zivilkammer des [X.]s Marburg
vom 20.
April
2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.
Wert: 5.000

Gründe:
I.
Der 1933 geborene Betroffene erteilte im Jahr 2009 seiner Ehefrau
(Be-teiligte zu 2), seiner Tochter (Beteiligte zu 1) und seinem [X.] (Beteiligter zu 3) eine umfassende Vorsorgevollmacht. Er leidet an einer fortgeschrittenen vasku-lären
Demenz nach einem Mediateilinfarkt sowie weiteren Erkrankungen.
Auf Anregung der Beteiligten zu 1
und mit Einverständnis des [X.] hat das Amtsgericht die Beteiligte zu 4 zur
Kontrollbetreuerin bestellt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Betroffenen hat das [X.] mit am 25.
April 2017 zur Geschäftsstelle gelangtem Beschluss zurückgewiesen. Ein
am 24.
April 2017 bei Gericht eingegangener
Schriftsatz des Betroffenen hat
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3
-
bei der Entscheidung keine Berücksichtigung gefunden. Mit seiner Rechtsbe-schwerde begehrt
der Betroffene die Aufhebung der [X.].

II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der [X.] Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Der Anordnung der [X.] stehe ein abweichender beachtli-cher Wille des Betroffenen im Sinne von §
1896 Abs.
1a BGB nicht entgegen. Auch wenn der Betroffene die [X.] ursprünglich gebilligt habe, sei ein nun ablehnender Wille unbeachtlich, da der Betroffene zur Bildung eines freien Willens nicht mehr in der Lage sei. Er leide ausweislich des psychiatri-schen Sachverständigengutachtens an einer fortgeschrittenen vaskulären De-menz sowie Desorientierung und Sprachverfall. Bei der Anhörung habe die Kammer den Eindruck erlangt, dass der Betroffene nicht mehr in der Lage sei, den Zweck einer [X.] sowie die für und gegen eine solche spre-chenden
Umstände zu erfassen und abzuwägen.
Hinzu kämen ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Beteiligte zu 3 als Bevollmächtigter nicht immer im Interesse des Betroffenen handele. Dieser habe in seiner Funktion als Bevollmächtigter des Betroffenen dessen Geld bei zahlreichen Direktbanken angelegt. Hinsichtlich eines Kontos
bei der [X.] sei der Betroffene jedoch nicht einmal Mitin-haber, obwohl es sich bei den auf diesem Konto angelegten Geldbeträgen um 3
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wesentliche Teile des Vermögens des Betroffenen handele. Da aber der [X.] zu 3 Mitinhaber dieses Kontos sei, sei jedenfalls die greifbare Gefahr der Vermengung von Vermögenszuordnungen begründet. Dass dies dem Interesse oder mutmaßlichen Willen des Betroffenen entspreche, könne nicht festgestellt werden. Auch die Anweisung des Beteiligten zu 3 an die kontoführende Bank, der Beteiligten zu 1 auf Nachfrage Auskünfte zu erteilen, ändere hieran nichts, da der Beteiligte zu 3 nicht gehindert sei, die Auskunftsberechtigung zu ändern. Zudem decke der Beteiligte zu 3 seine monatlichen Fixkosten vom Konto seiner Eltern. Schließlich sei auch der Umstand zu berücksichtigen, dass der Beteiligte zu 3 gegenüber der Beteiligten zu 1 ausdrücklich erklärt habe, dass eine Verfü-gungsbefugnis oder ein Einblick in die Finanzen des Betroffenen nicht erforder-lich und ausschließlich er für die Finanzen der Eltern verantwortlich sei. Diese Anmaßung einer alleinigen Vertretung stehe in Widerspruch zu dem in der Vollmachtsurkunde verkörperten Willen des Betroffenen. Deshalb blieben trotz der vom Beteiligten zu 3 entfalteten Bemühungen um Wiederbegründung des Vertrauens Zweifel daran, dass er die Vollmachtausübung künftig allein am In-teresse des Betroffenen orientieren werde. Dies alles weise darauf hin, dass der Beteiligte zu 3 entweder mit
dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzu-nehmenden Geschäfte überfordert sei, oder dass Zweifel an dessen Redlichkeit oder Tauglichkeit als Bevollmächtigter begründet seien, so dass es zumindest der Bestellung eines Kontrollbetreuers bedürfe. Eine Überwachung durch die Beteiligte zu 1 sei nicht gewährleistet; die Beteiligte zu 2 nehme die Aufgabe einer Kontrolle der Vollmachtausübung durch den Beteiligten zu 3 nicht wahr.
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der
angefochtene Be-schluss
beruht auf einem entscheidungserheblichen Verfahrensfehler.
a) Art.
103 Abs.
1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der [X.] zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ver-7
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stößt gegen diesen Grundsatz, wenn das Gericht einen ordnungsgemäß einge-gangenen Schriftsatz nicht berücksichtigt.
Die gerichtliche Entscheidungsfindung endet mit dem Erlass des [X.]; erst zu diesem Zeitpunkt wird dieser als Rechtsprechungsakt exis-tent. Bis zum Zeitpunkt des Erlasses befindet sich der Beschluss nur im [X.] und kann daher vom Gericht
noch abgeändert werden. Nach §
38 Abs.
3 Satz
3 FamFG ist die nicht verkündete Beschwerdeentscheidung mit der Übergabe des von den Mitgliedern des [X.] unterzeichneten [X.] an die Geschäftsstelle erlassen. Daher sind in [X.] Schriftsätze des Beschwerdeführers, die bis zu diesem Zeitpunkt eingehen, grundsätzlich bei der Beschwerdeentscheidung noch zu berücksichtigen. Dies gilt selbst dann, wenn die Entscheidung im Zeitpunkt des Eingangs des Schrift-satzes von allen Mitgliedern des [X.] bereits unterzeichnet, aber noch nicht an die Geschäftsstelle übergeben worden ist. Bleibt schriftsätzliches Vorbringen, das vor Erlass der Entscheidung [X.]. §
38 Abs.
3 Satz
3 FamFG eingegangen ist, unberücksichtigt, wird der Beschwerdeführer in seinem [X.] auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG) auch dann verletzt, wenn dem Beschwerdegericht der Schriftsatz nicht mehr rechtzeitig vorgelegt worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 15.
Juli 2015

XII
ZB 525/14

FamRZ 2015, 1698 Rn.
8 mwN).
b) Gemessen hieran hätte das Beschwerdegericht, wie die Rechtsbe-schwerde zutreffend rügt,
das Vorbringen
aus dem am 24.
April 2017 bei [X.] eingegangenen Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des [X.] bei der Entscheidung über die Beschwerde berücksichtigen müssen.
Zwar haben die Mitglieder der Kammer den Beschluss augenscheinlich nach der am 20.
April 2017 stattgefundenen Anhörung des Betroffenen noch 9
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am gleichen Tag
gefasst und diesen auch unterzeichnet. Der Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen ging dagegen erst am Montag, dem 24.
April 2017,
per Fax und am 25.
April 2017 im Original nebst Anlagen bei Gericht ein. Jedoch ergibt sich aus der Verfahrensakte, dass der Beschluss erst am 25.
April 2017 der Geschäftsstelle des [X.]s übergeben worden ist. Da der Schriftsatz somit vor Erlass der Beschwerdeentscheidung beim [X.] eingegangen war, durfte das darin enthaltene Vorbringen bei der Beschwerdeentscheidung nicht unberücksichtigt bleiben.
In diesem Schriftsatz legt der Betroffene dar
und weist durch eine
beige-fügte Anlage
nach, dass das Konto bei der [X.] durch den Beteiligten zu 3 aufgelöst und das darauf befindliche Guthaben auf ein [X.] überwiesen wurde,
dessen Inhaber allein der Betroffene und seine Ehefrau sind. Damit ist aber einer der Umstände, die für das Beschwerdegericht für die
Einrichtung einer [X.] ausschlaggebend waren, weggefal-len.
3. Diese Rechtsverletzung ist auch entscheidungserheblich, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die auf einer umfassenden Würdigung ver-schiedener Gesichtspunkte beruhende Entscheidung des Beschwerdegerichts
bei Berücksichtigung des Inhalts des Schriftsatzes vom 24.
April 2017 anders ausgefallen wäre.
4. Der angefochtene Beschluss ist daher gemäß §
74 Abs.
5 FamFG aufzuheben und die Sache nach §
74 Abs.
6 Satz
2 FamFG an das [X.] zurückzuverweisen.
5. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeu-12
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tung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung beizutragen (§
74 Abs.
7 FamFG).

Dose
[X.]
Schilling

[X.]
Krüger

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 05.06.2015 -
32 [X.] 1065/14 W -

LG Marburg, Entscheidung vom 20.04.2017 -
3 [X.] -

Meta

XII ZB 240/17

04.07.2018

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2018, Az. XII ZB 240/17 (REWIS RS 2018, 6627)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6627

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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