Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.12.2011, Az. 5 StR 488/11

5. Strafsenat | REWIS RS 2011, 422

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5 [X.]/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

vom 14. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen

wegen Betruges

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 14. Dezember 2011
beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 5. September 2011 gemäß §
349 Abs. 4 StPO aufgehoben, soweit die Un-terbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist; die Maßregelan-ordnung entfällt.

2.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Ausla-gen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

3.
Die Entscheidung über die Entschädigung des Angeklag-ten wegen zu Unrecht erlittener
einstweiliger
Unterbrin-gung bleibt dem [X.] vorbehalten.

4.
Der Unterbringungsbefehl des [X.] vom 16. März 2011 wird aufgehoben. Der Ange-klagte ist in dieser Sache sofort aus der einstweiligen Un-terbringung zu entlassen.

[X.]e

Das [X.] hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf des Betruges in fünf Fällen freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Auf die mit der allgemei-nen Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hebt der Senat die Maßre-gelanordnung auf; diese entfällt.

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1. Nach den Feststellungen des [X.] (UA S.
3) leidet der [X.] ehesten in der Subklassifizierung als undifferenzierte Schizophrenie ([X.]

. Insbesondere ist er wahnhaft der Auffassung, dass er [X.] einer nach seiner Ansicht unrechtmäßigen Kündigung seines früheren Arbeitsverhältnisses durch die V.

AG von dieser bis zu 1,6
Mio.

zu erhalten habe und auch erhalten werde. Vor diesem Hintergrund hält sich der

4). [X.] lebt er in sehr beschränkten finanziellen Verhältnissen.

Zu den Taten, die der Angeklagte im Zustand der Schuldunfähigkeit beging, kam es zwischen September 2007 und Oktober 2008:

Der Angeklagte ist Eigentümer eines leerh-eine Abrissverfügung erlassen und schließlich die Ersatzvornahme [X.] worden war, entschloss sich der Angeklagte, zunächst das Dach und den Dachstuhl des Gebäudes abtragen und neu errichten zu lassen. In die-sem Zusammenhang beauftragte er zwei Handwerksbetriebe, die
die verein-barten Werkleistungen im Vertrauen auf die Zahlungsfähigkeit des Angeklag-ten erbrachten. [X.] unbezahlt.

Nachdem sich die Baubehörde mit der Durchführung der genannten Arbeiten zufrieden gegeben hatte, entschloss sich der Angeklagte, das Ob-jekt weiter zu sanieren. In der Folgezeit beauftragte er in drei weiteren Fällen Handwerksbetriebe
mit der Erbringung von Werkleistungen. Zwei Rechnun-weiteren Fall kam es nicht zu dem von dem Angeklagten in Auftrag gegebe-nen Einbau von Fenstern und einer Haustür, nachdem eine Nachbarin den h-2
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Bei der Begehung aller Taten ging der Angeklagte infolge seines Wahns davon aus, dass er die entsprechenden Rechnungen zeitnah würde seitens der V.

AG rechnete.

2. Der [X.] hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Voraussetzungen für die Unterbringung in einem psychiatrischen Kran-kenhaus liegen nicht vor.

Zwar begegnet die Annahme der fehlenden Einsichtsfähigkeit des [X.] keinen rechtlichen Bedenken. Ohne Rechtsfehler ist das [X.] ferner davon ausgegangen, dass die weitere Voraussetzung
eines fort-dauernden Zustandes nach § 20 StGB beim Angeklagten gegeben ist. Indes tragen die Urteilsfeststellungen nicht die für die Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB erforderliche Gefährlichkeitsprognose.

a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn die Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechts-widrige Taten begehen;
die zu erwartenden Taten müssen schwere Störun-gen des Rechtsfriedens besorgen lassen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 18.
März 2008

4 StR 6/08, Rn. 5; vom 16.
Juli 2008

2 [X.], Rn. 7;
jeweils mwN). Die bloße Möglichkeit zukünftiger Straftaten reicht nicht aus ([X.], Beschlüsse vom 10. September 2008

2 [X.], Rn. 7; vom 11.
März 2009

2 StR 42/09, Rn. 10, [X.], 198).
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b) Diese Anordnungsvoraussetzungen liegen
hier nicht vor.

Das sachverständig beratene [X.] geht

insoweit nachvoll-ziehbar

davon aus, dass der in der Vergangenheit bereits wiederholt mit geringeren Delikten strafrechtlich in Erscheinung getretene Angeklagte [X.] seiner chronifizierten psychischen Erkrankung auch weiterhin Strafta-erwartet, kommt es mit Recht zu dem Ergebnis, dass diese auch in ihrer [X.] keine erheblichen Taten im Sinne von § 63 StGB darstellen.

dass der Angeklagte infolge seiner Wahnvorstellung, [X.] zu sein, bei gleichzeitig tatsächlich sehr beschränkten finanziellen Verhältnissen und weiterhin bestehender Sanierungsbedürftigkeit des Gebäudes in Rott-
Gefahr vermag jedoch die [X.] nicht zu begründen.

Die Frage, ob von den künftig zu erwartenden Straftaten schwere [X.] des Rechtsfriedens ausgehen, kann nicht allein mit dem

hier [X.] nicht herausragenden

Gewicht des gesetzlichen Straftatbestandes be-antwortet werden. Vielmehr kommt es grundsätzlich auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an (vgl. [X.], Beschluss vom 3. April 2008

1 [X.]; Urteil vom 12. Juni 2008

4 [X.], [X.], 563, 564). Für etwa konkret existenzbedrohende Schädigungen besteht
hier
kein
Anhalt. Hinweise darauf, dass der Angeklagte in anderen Zusammenhängen als der Sanierung des Gebäudes in [X.] erhebliche [X.] begehen wird, ergeben sich nicht. Aus dem von der [X.] inso-weit ergänzend herangezogenen Umstand, dass sich der Angeklagte in [X.] zwei Häuser (von außen) angeschaut hat, weil er sehen wollte, s-punkte für Gefahren der Verursachung erheblicher Vermögensschäden 10
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durch
Betrugshandlungen des Angeklagten jedenfalls nicht entnommen wer-den.

Hinzu kommt, dass die Feststellungen des [X.] auch nicht die Straftaten tragen. Die angeklagten Taten wurden aus einer besonderen Situ-ation
heraus

Abrissverfügung der Baubehörde

begangen. Dass der An-geklagte auch nach Zufriedenstellung der Behörde weitere Sanierungsleis-tungen in Auftrag gab, ändert nichts daran, dass der Anlass für die Taten maßgeblich von außen gesetzt wurde und sie nicht etwa allein durch den
Wahn des Angeklagten ausgelöst wurden. Weder vor noch nach diesen Ta-ten hat der Angeklagte Betrügereien vergleichbarer Art begangen. Eine Vor-strafe wegen Betruges bezieht sich auf die Erschleichung von Sozialleistun-gen. Auch die weitere durch Strafbefehl des
Amtsgerichts [X.] vom 29.
Februar 2008 geahndete [X.] steht in keinem erkennbaren Zu-sammenhang zu dem Wahn des Angeklagten.

c) Ohne dass es
nach dem Ausgeführten noch darauf ankommt, weist der Senat abschließend darauf hin, dass die Unterbringung in einem psychi-atrischen Krankenhaus gegenüber wirksamen milderen Maßnahmen sub-sidiär ist. Im vorliegenden Fall wäre insbesondere zu prüfen, ob der von dem Angeklagten
ausgehenden
Gefahr durch Bestellung eines Betreuers begeg-net werden kann.

3. Der Senat schließt aus, dass sich noch weitergehende Feststellun-gen treffen lassen, die die Gefährlichkeit des Angeklagten belegen
könnten. Er hebt daher den [X.] in entsprechender Anwendung des §
354 Abs. 1 StPO auf und lässt die Maßregel entfallen (vgl. [X.], Beschluss vom 31. Mai 2005

4 [X.], [X.]R StPO § 354 Abs. 1 Sachentschei-dung 8).

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4. Mit dem [X.] ist auch die Grundlage für die einst-weilige Unterbringung
weggefallen
(§ 126a Abs. 2 Satz 1, § 126 Abs. 3 StPO).

5. Die gemäß § 6
Abs. 1 Nr. 2 StrEG nach [X.] zu treffende Entscheidung über eine Entschädigung des Angeklagten wegen zu Unrecht erlittener einstweiliger Unterbringung bleibt dem [X.] vor-behalten.

Basdorf Brause Schaal

Schneider König

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Meta

5 StR 488/11

14.12.2011

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.12.2011, Az. 5 StR 488/11 (REWIS RS 2011, 422)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 422

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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