Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.06.2022, Az. 2 StR 134/22

2. Strafsenat | REWIS RS 2022, 6523

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Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 2. Dezember 2021 im Schuldspruch dahin geändert, dass er wegen vorsätzlicher Körperverletzung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, wegen Bedrohung und wegen sexueller Belästigung verurteilt ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Beleidigung und wegen Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung sowie wegen sexueller Belästigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten, die er wirksam auf den Strafausspruch beschränkt hat, führt zur aus der [X.] ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

2

1. Trotz der Rechtsmittelbeschränkung auf den Strafausspruch muss die tateinheitliche Verurteilung wegen Beleidigung in den Fällen [X.]) (Tat zum Nachteil der Geschädigten [X.]) und II. 3. der Urteilsgründe (Tat zum Nachteil der Geschädigten H.     ) entfallen, weil insoweit ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis besteht (vgl. [X.], Beschluss vom 1. September 1993 – 3 StR 468/93, juris Rn. 3 mwN). Es fehlt jeweils an einem wirksamen Strafantrag.

3

a) Eine Verurteilung wegen Beleidigung setzt nach § 194 Abs. 1 Satz 1 StGB einen Strafantrag voraus. Da die geschädigten Mädchen in den Fällen [X.]) und II. 3. der Urteilsgründe noch nicht 18 Jahre alt waren ([X.], 14), müssen nach § 77 Abs. 3 StGB die Personen den Antrag stellen, denen jeweils die Sorge für die Person des Minderjährigen obliegt. Das sind in der Regel beide Eltern (vgl. § 1629 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz BGB).

4

b) Im Fall II. 3. der Urteilsgründe hat ausschließlich die minderjährige Geschädigte den Strafantrag gestellt (191 [X.]. 28 f. d.A.). Im Fall [X.]) der Urteilsgründe hat die Strafanzeige neben der Minderjährigen nur deren Vater erstattet (251 Js 8/21 Bl. 5 d.A.). Ob und wann die Mutter von der Tat des Angeklagten erfahren hatte, ist nicht bekannt. Darauf kommt es indes nicht an, da die dreimonatige Antragsfrist (§ 77b Abs. 1 Satz 1 StGB) zu laufen beginnt, sobald der Vater oder die Mutter von der Tat oder dem Täter Kenntnis erlangt haben ([X.], Beschluss vom 6. Juli 1993 – 1 [X.], [X.]R StGB § 77b Abs. 2 Satz 1 Eltern 1; Urteil vom 12. März 1968 – 5 StR 722/67, [X.]St 22, 103, 104). Der Vater hat aber schon am Tattag (18. November 2020) von der Tat des Angeklagten erfahren. Die Mutter hätte deshalb bis zum 18. Februar 2021 ihre Zustimmung zu der Strafanzeige erklären müssen ([X.], Beschluss vom 6. Juli 1993 – 1 [X.], [X.]R StGB § 77b Abs. 2 Satz 1 Eltern 1 mwN). Dies ist nicht geschehen.

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2. Weitere [X.] bestehen nicht. Durch die Anklage der Tat vom 18. November 2020 zum Nachteil der Geschädigten [X.]wegen § 184i Abs. 1 StGB hat die Staatsanwaltschaft zumindest konkludent das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung im Sinne von § 184i Abs. 3 StGB bejaht (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Mai 2020 – 5 [X.], juris Rn. 14; Senat, Beschluss vom 20. April 2017 – 2 StR 79/17, [X.]R StGB § 230 Abs. 1 Satz 1 besonderes öffentliches Interesse 1), so dass es insoweit auf die Frage der Wirksamkeit des [X.] vom 18. November 2020 nicht ankommt.

6

3. Es ist mit Blick auf die übrigen Strafzumessungserwägungen, insbesondere die gewichtigen strafschärfenden Gesichtspunkte, auszuschließen, dass das [X.] bei Wegfall der als tateinheitlich begangenen ausgeurteilten Beleidigungen auf niedrigere als die verhängten Strafen (sechs Monate Freiheitsstrafe im Fall [X.]) der Urteilsgründe und Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 10 Euro im Fall II. 3. der Urteilsgründe) erkannt hätte. Denn auch Gesetzesverletzungen, die wegen des Fehlens einer Prozessvoraussetzung oder wegen eines Prozesshindernisses nicht verfolgt werden können, können bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten verwertet werden (vgl. [X.], Urteil vom 17. September 2009 – 5 [X.], juris Rn. 78 [insoweit in [X.]St 54, 148 nicht abgedruckt]; Senat, Beschlüsse vom 29. Juni 1994 – 2 StR 253/94, [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 12, und vom 10. Februar 1993 – 2 StR 608/92).

7

Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der allgemeinen Sachrüge keinen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler im Strafausspruch einschließlich der Versagung der Bewährung ergeben.

8

4. Angesichts des geringen Teilerfolgs ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

[X.]     

      

Appl     

      

Zeng   

      

Grube     

      

Schmidt     

      

Meta

2 StR 134/22

23.06.2022

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Köln, 2. Dezember 2021, Az: 110 KLs 6/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.06.2022, Az. 2 StR 134/22 (REWIS RS 2022, 6523)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6523

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