Bundesfinanzhof, EuGH-Vorlage vom 09.02.2011, Az. I R 71/10

1. Senat | REWIS RS 2011, 9654

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Gegenstand

Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH: Höchstbetragsberechnung gemäß § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 gemeinschaftsrechtswidrig?


Leitsatz

Dem EuGH wird die folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Steht Art. 56 EG der Regelung eines Mitgliedstaates entgegen, nach welcher - in Einklang mit zwischenstaatlichen Abkommen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung - bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, die mit ausländischen Einkünften in dem Staat, aus dem die Einkünfte stammen, zu einer der inländischen Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen werden, die ausländische Steuer auf die inländische Einkommensteuer, die auf die Einkünfte aus diesem Staat entfällt, in der Weise angerechnet wird, dass die sich bei der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens - einschließlich der ausländischen Einkünfte - ergebende inländische Einkommensteuer im Verhältnis dieser ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte - und damit unter Nichtberücksichtigung von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen als Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände - aufgeteilt wird?

Tatbestand

1

I. Sach- und Streitstand

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2007 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Im Streitjahr erzielten sie Kapitaleinkünfte u.a. aus Beteiligungen (sog. Streubesitz) an ausländischen Kapitalgesellschaften, und zwar Dividenden von insgesamt 24.111,29 [X.] bei [X.] von insgesamt 2.129,43 [X.]. Die darauf entfallenden ausländischen Steuern beliefen sich auf insgesamt 2.853,02 [X.]. Im Einzelnen (Beträge in [X.]):

3

Kläger:

Staat

Dividende

anzurechnende ausländische Steuer ([X.]. 15 v.H.)

Werbungskosten

Niederlande

544,10

81,62

61,39

577,60

86,64

44,61

[X.]

5.096,85

764,53

573,00

[X.]

6.175,94

926,42

694,24

1.021,98

153,28

144,76

1.490,48

258,48

[X.]

2.631,44

394,71

152,47

Japan

5,02

0,35

1,00

[X.]

9.45

1,41

übrige Erträge

2.356,94

195,58

ohne Steuern

12,25

Gesamt

19.922,05

2.667,44

1.867,05

4

Klägerin:

Niederlande

1.030,50

154,58

38,47

[X.]

206,66

31,00

8,29

übrige Erträge

2.952,08

215,62

ohne Steuern

Gesamt

4.189,24

185,58

262,38

5

Die Kläger beanstanden, dass der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) die anrechenbare ausländische Steuer im Rahmen der Höchstbetragsberechnung gemäß § 34c Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) nur mit 1.282 [X.] ermittelte; die Nichtberücksichtigung der "überschießenden" ausländischen Quellensteuern von 1.571,02 [X.] sei jedenfalls insoweit gemeinschafts- (und ggf. verfassungs-)rechtswidrig, als sich infolge der entsprechenden ausländischen Einkünfte die [X.] Einkommensteuer erhöhe. Ihre Klage gegen die hiernach ergangene Steuerfestsetzung blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) [X.] wies sie mit Urteil vom 21. Juli 2010  1 K 332/09 als unbegründet ab; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2010, 1689 veröffentlicht.

6

Mit ihrer Revision beantragen die Kläger (sinngemäß), das [X.] aufzuheben und unter Abänderung des angefochtenen Steuerbescheides die Einkommensteuer 2007 um 1.200 [X.] zu ermäßigen, hilfsweise die Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) wegen Verstoßes von § 34c EStG 2002 gegen die Kapitalverkehrsfreiheit, wiederum hilfsweise die Entscheidung des [X.] wegen Verletzung des Folgerichtigkeitsgebots einzuholen.

7

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Rechtslage nach [X.] Recht

9

Die Entscheidung über die Revision ist von der Beantwortung der im Leitsatz genannten Vorlagefrage abhängig. Sofern diese Frage zu bejahen ist, muss das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und der Klage entsprochen werden. Ist die Frage aber zu verneinen, ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

1. Für die im Streitfall in Rede stehenden Kapitaleinkünfte (§ 20 Abs. 1 [X.] 2002) der im Inland wohnenden und mit ihrem Welteinkommen unbeschränkt steuerpflichtigen Kläger (§ 1 Abs. 1 [X.] 2002) sehen die einschlägigen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ([X.]) bei einer in der [X.] ansässigen Person die Anrechnung der im jeweils anderen Vertragsstaat einbehaltenen Quellensteuern auf die [X.] Einkommensteuer, die auf die betreffenden Einkünfte entfällt, vor: Art. 20 Abs. 2 i.V.m. Art. 13 [X.]-Niederlande, Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 10 [X.]-[X.] 1971/1989, Art. 20 Abs. 1 Buchst. c Satz 1 i.V.m. Art. 9 [X.]-[X.], Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 13 [X.]-[X.], Art. 23 Buchst. [X.]. Art. 10 [X.]-[X.], Art. 23 Abs. 3 Buchst. [X.]. Art. 10 [X.]-[X.] 1989 a.F.

2. Für die hiernach im Streitfall gebotene Anrechnung der von den Klägern gezahlten ausländischen Quellensteuern auf die [X.] Einkommensteuer, die auf die entsprechenden ausländischen Einkünfte entfällt, enthalten die erwähnten zwischenstaatlich vereinbarten Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung keine Vorgaben. Die Anrechnung und deren Modalitäten richten sich deswegen allein nach innerstaatlichem ([X.]) Recht (vgl. § 34c Abs. 6 Satz 2 [X.] 2002) und damit für natürliche Personen, die --wie die Kläger-- in [X.] ansässig sind, nach § 34c Abs. 1 i.V.m. § 34d [X.] 2002 (vgl. Senatsurteile vom 16. März 1994 [X.], [X.], 509, [X.] 1994, 799; vom 9. April 1997 [X.]/94, [X.], 114, [X.] 1997, 657; vom 29. März 2000 [X.], [X.], 521, [X.] 2000, 577). Die Voraussetzungen dieser Regelungen liegen vor und darüber wird nicht gestritten. Die Anrechnung ist auch ihrer Höhe nach nicht zu beanstanden:

Nach § 34c Abs. 1 Satz 2 [X.] 2002 ist die auf die ausländischen Einkünfte entfallende [X.] Einkommensteuer in der Weise zu ermitteln, dass die sich bei der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens einschließlich der ausländischen Einkünfte ergebende [X.] Einkommensteuer im Verhältnis dieser ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte aufgeteilt wird. Die Summe der Einkünfte errechnet sich gemäß § 2 Abs. 3 [X.] 2002 aus den der Einkommensteuer unterliegenden Einkünften i.S. von § 2 Abs. 1 und 2 [X.] 2002 als Gewinn oder Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Zu den in die Berechnung gemäß § 34c Abs. 1 Satz 2 [X.] 2002 einzubeziehenden ausländischen Einkünften gehören nach § 34d Nr. 6 [X.] 2002 auch Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 [X.] 2002, die ihrerseits nach Maßgabe des [X.]n Steuerrechts zu ermitteln sind. Vermindert um weitere Positionen errechnet sich aus der Summe der Einkünfte zunächst der Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 [X.] 2002), sodann das Einkommen (§ 2 Abs. 4 [X.] 2002) und schließlich das zu versteuernde Einkommen als die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer (§ 2 Abs. 5 Satz 1 [X.] 2002). Abzüge, welche nach § 2 Abs. 3 bis 5 [X.] 2002 systematisch nach der Ermittlung der Summe der Einkünfte und des Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 [X.] 2002) für die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens berücksichtigt werden, gehen damit bei der Ermittlung des [X.] gemäß § 34c Abs. 1 Satz 2 [X.] 2002, der sich auf die Summe der Einkünfte als Divisor bezieht, im Verhältnis der jeweiligen Anteile zu Lasten der in- wie der ausländischen Einkünfte verloren. Denn indem diese Abzugspositionen die [X.] Einkommensteuer mindern, werden jene Positionen im Ergebnis rechnerisch anteilig auch den ausländischen [X.] zugeordnet. Betroffen davon sind namentlich steuerlich abziehbare Kosten der Lebensführung wie Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen. In jenem entsprechenden anteiligen Umfang, in welchem diese Abzugspositionen auf die ausländischen Einkünfte entfallen, reduzieren sie rechnerisch den Anrechnungshöchstbetrag.

Vor diesem Hintergrund hat das [X.] die anzurechnenden Steuern zutreffend mit 1.282 € errechnet. Auch das ist unter den Beteiligten unstreitig. Die Revision wäre danach unbegründet.

III. Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht

1. Ob die verhältnismäßige "Teilhabe" der ausländischen Einkünfte an den beschriebenen Abzugspositionen im Rahmen der beschriebenen Höchstbetragsberechnung zur Begrenzung der Anrechnungsbeträge den unionsrechtlichen Anforderungen des [X.] und Beschränkungsverbots (Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 56 ff. des Vertrages zur Gründung der [X.] nach der Zählung des [X.] zur Änderung des Vertrages über die [X.], der Verträge zur Gründung der [X.]en --[X.]--, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der [X.]en 2002 Nr. [X.], 1, jetzt Art. 63 des Vertrages über die Arbeitsweise der [X.] i.d.[X.] --A[X.]V-- zur Änderung des Vertrages über die [X.] und des Vertrages zur Gründung der [X.], Amtsblatt der [X.] 2007 Nr. [X.]) uneingeschränkt standhält, wird im Schrifttum allerdings bezweifelt. Zwar wird eingeräumt, dass Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen nicht mit bestimmten [X.] in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sondern das Gesamteinkommen belasten. Jedoch sei es prinzipiell Sache des Ansässigkeitsstaates, Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände zu berücksichtigen, nicht aber des [X.] (s. dazu z.B. [X.]-Urteile vom 14. Februar 1995 [X.]/93 "Schumacker", [X.]. 1995, [X.], [X.]. 34; vom 14. September 1999 [X.]/97 "[X.]", [X.]. 1999, [X.], [X.] 1999, 841, [X.]. 23; Senatsurteil vom 10. Januar 2007 [X.]/03, [X.], 312, [X.] 2008, 22; s. aber auch [X.]-Urteil vom 6. Juli 2006 [X.]/04 "[X.]", [X.]. 2006, [X.], [X.]. 16). Dieses Konzept schlage sich im [X.]n Steuerrecht denn auch andernorts folgerichtig nieder: Zum einen in § 36 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 [X.] 2002; danach wird die Kapitalertragsteuer als Quellensteuer bei einem unbeschränkt Steuerpflichtigen mit entsprechenden inländischen Kapitaleinkünften vorbehaltlos auf jene Einkommensteuer angerechnet, welche auf Basis des zu versteuernden Einkommens --und damit des um die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen verminderten Gesamtbetrags der Einkünfte (vgl. § 2 Abs. 4 und 5 [X.] 2002)-- festgesetzt worden ist. Zum anderen in § 50 Abs. 1 Satz 4 [X.] 2002 für die beschränkte Steuerpflicht, also für die umgekehrte Situation, in der [X.] Quellenstaat ist; Vorschriften über Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen bleiben dort unangewandt. So gesehen müsse aber gleichermaßen verfahren werden, wenn [X.] Ansässigkeitsstaat sei und sich bilateral verpflichte, eine Doppelbesteuerung durch Anrechnung im Ausland angefallener Steuer auf ausländische Einkünfte zu vermeiden. Es wäre ein leichtes, dem zu entsprechen, indem im Rahmen der Berechnung des [X.] statt auf die "Summe der Einkünfte" (vgl. § 2 Abs. 3 [X.] 2002) auf das zu versteuernde Einkommen (vgl. § 2 Abs. 5 [X.] 2002) abgestellt werde, um die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen, die ganz überwiegend Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände repräsentieren, als Minderungspositionen einzubeziehen und damit den "richtigen" Höchstbetrag zu bestimmen (vgl. z.B. [X.] in [X.] [Hrsg.], Grundfragen des [X.], [X.], Band 8 [1985], [X.], 162; [X.]/[X.], Steuer und Wirtschaft 2006, 50; [X.], [X.] --[X.]-- 2003, 148 ff.; [X.] in [X.], [X.], § 34c [X.] [X.] 29; [X.], Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., [X.] 15.118 f.; vgl. auch [X.], [X.] 2002, 1235 ff.; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 34c [X.] [X.]; [X.] in [X.], [X.], 9. Aufl., § 34c [X.] 28; [X.], Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., [X.] 182; [X.], Internationales Steuerrecht, [X.] 5.71 ff.; [X.]/[X.] in [X.]/Kempf/[X.], Verluste im Steuerrecht, 2009, S. 130).

Dem lässt sich zwar entgegenhalten, dass vom Steuerpflichtigen bei der Steuerveranlagung statt der Anrechnung gemäß § 34c Abs. 1 [X.] 2002 der Abzug der ausländischen Steuern gemäß § 34c Abs. 2 [X.] 2002 gewählt werden kann (so z.B. [X.] in [X.], [X.], [X.], [X.], § 34c [X.] [X.] 14). Das hätte die Einbeziehung der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen zur Folge; der Steuerpflichtige hätte es damit in der Hand, sich für die ihm rechnerisch vorteilhafte Vorgehensweise zu entscheiden. Wiederum ist jedoch fraglich, ob diese Alternative unionsrechtlichen Anforderungen genügt. Denn danach gilt grundsätzlich ein Kompensationsverbot, wonach diskriminierende oder beschränkende Nachteile auf der einen Seite nicht mit Vorteilen auf der anderen Seite "eingekauft" werden können (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 27. November 2008 [X.]/07 "[X.]", [X.]. 2008, [X.], [X.]. 44, m.w.N.: "Ein auf diesen Rechtfertigungsgrund [der Kohärenz] gestütztes Argument kann jedoch nur Erfolg haben, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung besteht ..., wobei die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs im Hinblick auf das mit der fraglichen Regelung verfolgte Ziel beurteilt werden muss"). Überdies bedürfte es, um das beschriebene Wahlrecht sachgerecht auszuüben, einer differenzierten Belastungsberechnung, ob und wie sich der Unterschied vor dem Hintergrund des [X.] rechnerisch tatsächlich auswirkt (s. [X.], Der Betrieb 1997, 131; [X.], Betriebs-Berater 1999, 613). Auch darin könnte eine beschränkende Wirkung gesehen werden.

2. Dass die ausländischen Einkünfte und die darauf entfallenden ausländischen Steuern, um deren Anrechnung im Streitfall gestritten wird, nur teilweise aus Mitgliedstaaten der [X.] stammen [X.], [X.], [X.]), teilweise aber aus sog. Drittstaaten ([X.], [X.], [X.]), muss einer gemeinschaftsrechtlichen Beurteilung nicht entgegenstehen. Art. 56 [X.] (Art. 63 A[X.]V) bezieht ausdrücklich Drittstaaten ein. Der insoweit eröffnete Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit wird jedenfalls unter den Gegebenheiten des Streitfalls auch nicht durch die --vorrangige-- Niederlassungsfreiheit (Art. 43 [X.], Art. 49 A[X.]V) verdrängt (s. dazu auch Senatsurteil vom 26. November 2008 [X.], [X.], 50, m.w.N.), weil die Kapitalbeteiligungen der Kläger lediglich sog. Streubesitz darstellen, der der Niederlassungsfreiheit nicht unterfällt. Aus im Ergebnis gleichem Grund ist auch die sog. Stand still-Klausel des Art. 57 Abs. 1 [X.] (Art. 64 Abs. 1 A[X.]V) nicht einschlägig: Bei § 34c Abs. 1 [X.] 2002 handelt es sich zwar um eine --schon vor dem 31. Dezember 1993 [X.] steuerliche [X.], die dem Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit in Bezug auf Drittstaaten prinzipiell entzogen ist. Das gilt indessen --soweit hier einschlägig-- nur für qualifizierte Direktinvestitionen, die es nach den vom [X.] entwickelten Maßstäben (z.B. [X.]-Beschluss vom 10. Mai 2007 [X.]/04 "[X.]", [X.]. 2007, [X.]) ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeit zu bestimmen, nicht aber für bloße Streubesitzbeteiligungen.

3. Die Kläger erwirtschafteten ihre gesamten Einkünfte im Streitjahr nahezu ausnahmslos in [X.]. Anhaltspunkte dafür, dass sie in den betroffenen [X.], aus denen die in Rede stehenden Kapitaleinkünfte stammen, oder auch in anderen [X.], über weitere Einkünfte verfügt haben, fehlen. Ein Grund dafür, dass die steuerliche Berücksichtigung der persönlichen Lebensverhältnisse nach der Spruchpraxis des [X.] (z.B. [X.]-Urteile in [X.]. 1995, [X.], "Schumacker", [X.]. 36 f.; in [X.]. 1999, [X.], "[X.]", [X.] 1999, 841, [X.]. 27 f.) mangels hinreichender Einkünfte im Ansässigkeitsstaat ausnahmsweise dem Quellenstaat zu überantworten wäre, ist sonach nicht gegeben.

4. Schließlich haben die Kläger darauf verzichtet, eine weitergehende Erstattung der (höheren) ausländischen Quellensteuern zu begehren; ihr Klage- und Revisionsantrag wurde ausdrücklich auf den Unterschiedsbetrag beschränkt, der sich ergibt, wenn bei der beschriebenen [X.]berechnung die steuerlich abziehbaren Kosten der Lebensführung einbezogen werden. Der Senat ist aus [X.] daran gehindert, über diesen Antrag hinauszugehen (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), so dass sich die Frage einer Erstattung ausländischer Quellensteuern durch den Ansässigkeitsstaat nicht stellt. Sie wäre wohl auch zu verneinen (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 20. Mai 2008 [X.]/06 "[X.] NV", [X.]. 2008, I-3747).

IV. Vorlage an den [X.]

Der vorlegende Senat erachtet die Gesetzeslage angesichts dessen aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht nicht als zweifelsfrei. Da die Auslegung des Gemeinschaftsrechts dem [X.] vorbehalten ist (vgl. Art. 267 Abs. 1 Buchst. a. A[X.]V), setzt der Senat das Revisionsverfahren deshalb gemäß § 74 FGO aus und legt dem [X.] die im Leitsatz formulierte Rechtsfrage gemäß Art. 267 Abs. 3 A[X.]V zur Vorabentscheidung vor.

Meta

I R 71/10

09.02.2011

Bundesfinanzhof 1. Senat

EuGH-Vorlage

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 21. Juli 2010, Az: 1 K 332/09, Urteil

§ 34c Abs 1 EStG 2002, § 34c Abs 2 EStG 2002, § 34c Abs 6 S 2 EStG 2002, § 34d Nr 6 EStG 2002, Art 56 EG, Art 57 Abs 1 EG, Art 63 AEUV, Art 64 Abs 1 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, EuGH-Vorlage vom 09.02.2011, Az. I R 71/10 (REWIS RS 2011, 9654)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9654

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