Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2013, Az. IV ZR 207/13

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 133

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV [X.]/13
vom

18. Dezember 2013

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzen-de Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.]

am 18. Dezember 2013

beschlossen:

Der Senat beabsichtigt, die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 25. Zivilsenats des Kammergerichts in [X.] vom 22.
Mai 2013 gemäß §
552a Satz
1 ZPO zurück-zuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Innerhalb derselben Frist möge zum Streitwert des Verfah-rens auf der Grundlage von §
182 [X.] vorgetragen wer-den.

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Gründe:

[X.] Die Kläger machen gegen den Beklagten einen Kostenerstat-tungsanspruch aus einer [X.] geltend. Die Klägerinnen zu
1 und 2 sowie ihre 2011 verstorbene Mutter [X.] S.

waren zusammen mit dem am 18.
Mai 2003 verstorbenen [X.] S.

Erben zu je 1/4 des 1977 verstorbenen [X.] S.

. Erben der [X.] S.

sind zu je 1/4 die Kläger.

Am 19.
April 2000 trafen die Mitglieder der Erbengemeinschaft nach [X.] S.

eine schriftliche Vereinbarung, nach welcher [X.] S.

gegen Zahlung einer Abfindung von 6
Mio.
[X.] sowie eines bis zu seinem Tode zu leistenden monatlichen Betrags von 10.000
[X.] aus der Erbengemeinschaft ausschied. Über die Wirksamkeit dieser [X.] kam es vor dem [X.] zum Aktenzeichen 36 [X.] zu einem Rechtsstreit zwischen [X.] S.

und den übrigen Mitgliedern der Erbengemeinschaft. In diesem Verfahren
machte [X.] S.

geltend, die Vereinbarung vom 19.
April 2000 sei wegen einer [X.] zu gering bemessenen Abfindung gemäß §
138 Abs.
1 BGB nichtig. Nach dem Tod des [X.] S.

und noch während des [X.] schloss der für die unbekannten Erben des [X.] S.

bestellte Nachlasspfleger am 22.
Dezember 2009 mit den Kläge-rinnen zu
1 und 2 sowie deren Mutter außergerichtlich eine als "Schieds-gutachtervereinbarung/Vergleich" überschriebene Vereinbarung. [X.] sollten im Einzelnen bezeichnete Bestandteile des Immobiliar-
und Mobiliarvermögens des [X.] S.

durch namentlich bezeichnete [X.] bewertet werden. Unter
B
V 2 wurde vereinbart, dass die Erbengemeinschaft die erforderlichen Vorschüsse an die [X.], die Parteien sich jedoch darüber einig sind, dass die 1
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Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung i.S. des §
91 Abs.
1 ZPO notwendig sind und an dem
Kostenausgleich in dem Verfahren 36 [X.] vor dem [X.] entsprechend dem dortigen Obsiegen und Unterliegen teilnehmen. Unter "[X.]" heißt es ferner:

"[X.] Die Entscheidungen der [X.] sind für die Beteiligten für die bereits rechtshängigen und [X.] noch anhängig werdenden Verfahren und Streitigkei-ten abschließend und bindend. Die Bestimmung ist für die [X.] nur dann nicht verbindlich, wenn sie i.
S.
d.
§
319 Abs.
1 Satz
1 BGB offenbar unbillig ist.

I[X.] Die Beteiligten vereinbaren insoweit eine Bindung an die

II[X.] Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass die ein-zuholenden gutachterlichen Feststellungen lediglich der Beseitigung tatsächlicher Unsicherheiten und Unwägbarkei-ten im Hinblick auf den Wert des Nachlasses dienen. Rechtlich verbindliche Aussagen, etwa über die Erben-/Ge-sellschafterstellung der Beteiligten oder deren Anteile, die Wirksamkeit wechselseitiger
Erklärungen oder sonstige Rechtsfragen, hierdurch jedoch nicht getroffen werden sol-len."

Die Erbengemeinschaft nach [X.] S.

leistete Zahlungen von insgesamt 134.097,53

April 2011 wurde das Verfahren 36 [X.] vor dem [X.] durch Rücknah-me
von Klage und Widerklage beendet. Mit Beschluss vom 1.
August 2011 legte das [X.] den vom Nachlasspfleger vertretenen unbekannten Erben des [X.] S.

einen Anteil von 93% und den Klä-gerinnen zu
1 und 2 sowie ihrer Mutter einen Anteil von 7% der Kosten des Rechtsstreits auf. Die Kläger nehmen den Beklagten, der während des Rechtsstreits zum Insolvenzverwalter über den Nachlass des [X.] 3
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S.

bestellt worden ist, auf anteilige Zahlung der Kosten in Höhe von 124.710,70

stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass den Klägern gegen die vom [X.] verwaltete Insolvenzmasse eine Masseforderung in Höhe von 124.710,70

a-siszinssatz seit dem 8.
Oktober 2011 zusteht.
Mit der Revision erstrebt der Beklagte weiter die Abweisung der Klage.

I[X.] Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß §
543 Abs.
2 Satz
1 ZPO liegen nicht vor und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§
552a Satz
1 ZPO).

1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von §
543 Abs.
2 Satz
1 Nr.
1 ZPO zu. Dies ist nur der Fall, wenn sie ei-ne entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Se-natsbeschluss vom 10.
Dezember 2003
IV ZR 319/02, [X.], 225 unter 2 a). Daran fehlt es.
Die vom Berufungsgericht für grundsätzlich erachtete Frage, ob eine [X.] einer Genehmi-gung nach §
1822 Nr. 12 BGB bedarf,
ist in Rechtsprechung und Schrift-tum nicht umstritten.

a) Gemäß §
1822 Nr.
12 BGB bedarf der Vormund der Genehmi-gung des Familiengerichts zu einem Vergleich oder einem Schiedsver-trag, es sei denn, dass der Gegenstand des Streits oder der Ungewiss-heit in Geld schätzbar ist und den Wert von 3.000

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der Vergleich einem schriftlichen oder protokollierten gerichtlichen [X.] entspricht. Diese Regelung findet entsprechend auf die Nachlassverwaltung gemäß §§
1960, 1962, 1915 BGB Anwendung. [X.] den
Begriff des [X.] von §
1822 Nr.
12 BGB fällt nach allgemeiner und zutreffender Auffassung lediglich die [X.] nach §
1029 ZPO, nicht dagegen die Schiedsgutachtenverein-barung ([X.]/[X.], BGB [2004]
§
1822 Rn.
155; [X.]/
[X.], 12. Aufl. §
1822 Rn.
54 a.E.; [X.], BGB 13.
Aufl. §
1822 Rn.
32; vgl. ferner [X.]/[X.], 6.
Aufl. §
1822 Rn.
70).
Der Wortlaut von §
1822 Nr.
12 BGB erfasst lediglich den
Schiedsvertrag. Dieser Begriff entspricht demjenigen, der bis zum In-krafttreten des [X.] vom 22.
Dezember 1997 ([X.]
I S.
3224) in §
1025 ZPO a.F. verwendet wurde. Auch wenn §
1029 ZPO nunmehr
den Begriff der Schiedsverein-barung
verwendet, ist allgemein anerkannt, dass unter §
1822 Nr.
12 BGB lediglich schiedsrichterliche Verfahren nach §§
1025
ff. ZPO fallen ([X.]/[X.];
[X.]/[X.] aaO Rn.
154). [X.] dafür, dass sich durch die Änderung der Begrifflichkeiten in §§
1025
ff.
ZPO a.F., §
1029 ZPO Änderungen im Anwendungsbereich des §
1822 Nr.
12 BGB ergeben haben, bestehen nicht.

b) Die Einbeziehung einer [X.] in den Anwendungsbereich von §
1822 Nr.
12 BGB scheidet ferner mit [X.] auf Sinn und Zweck der Vorschrift
aus. Mit dem Erfordernis der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zum Abschluss eines Schiedsvertrages verhindert das Gesetz, dass der Vormund (hier der Nachlasspfleger) unkontrolliert den Rechtsschutz, den der Mündel (hier die unbekannten Erben) bei den staatlichen Gerichten erwarten kann, mit dem möglicherweise riskanteren Verfahren vor dem Schiedsgericht, das 7
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7
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nicht an die strengen Vorschriften der Zivilprozessordnung gebunden ist, vertauscht ([X.] aaO). Hierbei
liegt dem Katalog der genehmi-gungsbedürftigen Rechtsgeschäfte nach §
1822 BGB die Überlegung des Gesetzgebers zugrunde, dass diese tendenziell riskant oder nachteilig sein können ([X.]/[X.] aaO Rn.
1). Im Interesse der Rechtssicherheit
ist der Kreis der nach §§
1821, 1822 BGB genehmi-gungspflichtigen Rechtsgeschäfte allerdings formal und nicht nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles zu bestimmen ([X.], Urteile vom 22.
September 1969
[X.], [X.]Z 52, 316, 319; vom 20.
Sep-tember 1962
[X.], [X.]Z 38, 26, 28
f.).

Eine Erstreckung des Anwendungsbereichs des §
1822 Nr.
12 BGB auch auf [X.]en kommt hiernach wegen des grundsätzlichen Unterschieds zwischen einem Schiedsvertrag ge-mäß §
1025 ZPO a.F. und einer [X.] nicht in Betracht. Der Schiedsvertrag hat die Entscheidung des Rechtsstreits durch außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit stehende Schiedsrichter zum Ziel, während die [X.] lediglich auf die Feststel-lung einzelner Tatbestandselemente oder gutachterliche Leistungsbe-stimmungen gerichtet ist ([X.], Urteile vom 26.
April 1991 -
V
ZR 61/90, NJW 1991, 2761 unter I
1; vom 17.
Mai 1967
[X.], [X.]Z 48, 25, 27
f.; vom 25.
Juni 1952
[X.]/51,
[X.]Z 6, 335, 338
f.). Durch den Schiedsvertrag wird dem Schiedsrichter eine Tätigkeit übertragen, die im ordentlichen Rechtsweg [X.] durch Fällung eines Urteils vornimmt. Schiedsgutachten, auf die die §§
317
ff. BGB Anwendung finden, dienen demgegenüber vor allem dazu, den von den Parteien zwar objektiv bestimmten, aber nur mit einer gewissen Sachkunde feststellbaren Vertragsinhalt zu ermitteln. Es handelt sich
insbesondere
um privatrechtlich vereinbarte Sachverständigengutachten 8
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8
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außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, die der Klärung oder Feststel-lung von Tatsachen dienen, etwa zum Wert eines [X.]. Dabei erkennen die Parteien die durch das Gutachten zu [X.] Bestimmung bis an die Grenze offenbarer Unrichtigkeit als verbindlich an ([X.], Urteil vom 17.
Januar 2013
III ZR 10/12, [X.], 1296 Rn.
13).

Entgegen der Ansicht der Revision ist die Schutzbedürftigkeit ei-nes [X.] im Rahmen eines Schiedsverfahrens nach §§
1025
ff.
ZPO nicht mit derjenigen in einem Schiedsgutachtenverfahren vergleichbar. Zwar mag es vergleichbare Risiken bei der Auswahl der Schiedsrichter, dem einzuhaltenden Verfahren und den Verfahrenskosten geben. Der maßgebliche
Unterschied besteht aber darin, dass die staatlichen Ge-richte an einen im Verfahren nach §§
1025
ff.
ZPO ergangenen [X.] grundsätzlich gebunden sind. Eine Aufhebung
kann nur unter den Voraussetzungen von §
1059 Abs.
2 und Abs.
3 ZPO beantragt werden. Hierbei geht es im Wesentlichen um gravierende Verfahrensmängel oder einen Widerspruch zur öffentlichen Ordnung (ordre public). Eine Über-prüfung der sachlichen Richtigkeit des Schiedsspruchs durch staatliche Gerichte findet nicht statt ([X.]/[X.], ZPO 30.
Aufl. §
1059 Rn.
47). Demgegenüber ersetzt eine [X.] eine Ent-scheidung des Rechtsstreits durch ein staatliches Gericht nicht. [X.] kann lediglich im Rahmen der Feststellung einzelner [X.] eintreten, wobei die Feststellungen des Inhalts des Gutachtens dann nicht verbindlich sind, wenn sie offenbar unrichtig
sind (vgl.
[X.], Urteil vom 17.
Januar 2013 -
III
ZR 10/12, [X.], 1296 Rn.
13). Im Falle einer [X.] sind staatliche Eingriffs-
und Kontrollrechte zugunsten des [X.] mithin in wesentlich stärkerem 9
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9
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Umfang gegeben als bei einem gemäß §§
1025
ff. ZPO ergangenen Schiedsspruch.

2. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

a) Zutreffend ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegan-gen, dass es sich bei der Vereinbarung vom 22.
Dezember 2009 um eine [X.] handelt. Ziel der dort getroffenen Rege-lung war es, den Verkehrswert für einzelne aufgeführte Grundstücke so-wie den Marktpreis
für bestimmte
Gesellschaftsanteile durch einen Sachverständigen zu bestimmen. In [X.] der Vereinbarung ist [X.] geregelt, dass die gutachterlichen Feststellungen lediglich der Besei-tigung tatsächlicher Unsicherheiten im Hinblick auf den Wert des Nach-lasses dienen. Rechtlich verbindliche Aussagen sollten durch die
Gut-achten demgegenüber nicht getroffen werden. Ferner haben die [X.] in [X.] vereinbart, dass die Feststellungen für die [X.] abschließend und bindend sein sollen unter dem Vorbehalt offenbarer Unbilligkeit gemäß §
319 Abs.
1 Satz
1 BGB. Insoweit ist die Vereinbarung ausdrücklich an die Bindungswirkung für Schiedsgutachten angelehnt.

b) Ohne Erfolg macht die Revision ferner geltend, die Vereinba-rung vom 22.
Dezember 2009 stelle einen Vergleich i.S. von § 1822 Nr.
12 BGB dar. Das Revisionsgericht überprüft die Auslegung derartiger Individualvereinbarungen nur daraufhin, ob Verstöße gegen anerkannte Auslegungsregeln, Verfahrensvorschriften, anerkannte Denkgesetze
oder Erfahrungssätze vorliegen und ob der Tatrichter sich mit dem [X.] umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat ([X.], Urteil vom 30.
Oktober 2012
[X.], [X.], 59 10
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10
-

Rn.
12). Derartige Rechtsfehler liegen nicht vor und werden von der [X.] nicht aufgezeigt.

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]

Hinweis:
Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme

erledigt worden.

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.10.2012 -
27 [X.]/12 -

KG Berlin, Entscheidung vom 22.05.2013 -
25 [X.] -

Meta

IV ZR 207/13

18.12.2013

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2013, Az. IV ZR 207/13 (REWIS RS 2013, 133)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 133

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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III ZR 10/12

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