Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2011, Az. IV ZR 171/10

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1601

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 171/10

Verkündet am:

9. November 2011

Heinekamp

[X.]

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

ZPO § 538 Abs.
2 Satz
1 Nr.
7

Zur Zurückverweisung nach §
538 Abs.
2 Satz
1 Nr.
7 ZPO (Fortführung von [X.], Urteil vom 13.
Juli 2011
VIII
ZR 342/09, NJW
2011, 2800).

[X.], Urteil vom 9. November 2011 -
IV ZR 171/10 -
OLG Hamm

LG Essen

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Kessal-Wulf, [X.], [X.], [X.] und die Richterin Dr. Brockmöller
auf die mündliche Verhandlung vom 9. Novem-ber 2011

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zi-vilsenats des [X.] vom 16. Juli 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerinnen begehren Versicherungsleistungen im [X.] mit einer von der A.

S.

GmbH (im Folgenden: A.

GmbH) bei den Beklagten im Wege der offenen Mitversicherung im Jahr
2005 genommenen Geld-
und Werttransportversicherung (Ver-trag CLS
100-03). Die zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen (im Folgenden:
[X.]) sind im Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV
ZR 251/08 auszugsweise wiedergegeben. Versicherte dieses Vertra-ges sind die jeweiligen Auftraggeber der Geldentsorgung und -versor-gung.
1
-
3
-

Geschäftsführer der A.

GmbH verwendeten seit dem [X.] dieser zum Transport überlassenes Bargeld zweckwidrig, indem sie damit unter anderem Verbindlichkeiten der A.

GmbH gegenüber anderen Auftraggebern beglichen. Nach Aufdeckung dieser Geschäfts-praktiken im [X.] 2006 fochten die Beklagten den Versicherungsver-trag wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss an.

Die Klägerinnen machen

teilweise nach Aufrechnung mit Entgelt-forderungen gegenüber der A.

GmbH und unter Berücksichtigung erhaltener Gutschriften

Schäden im Zusammenhang mit der von ihnen bei der A.

GmbH in Auftrag gegebenen Bargeldentsorgung und
-versorgung in Höhe von insgesamt knapp 4,2
Mio.

Im Hauptantrag berufen sich die Klägerinnen auf einen
jeweils am Mitversicherungsanteil orientierten

Leistungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag, hilfsweise auf einen Schadensersatzanspruch aus §
280 Abs.
1 BGB. Mit einem
zusätzlichen
Hilfsantrag begehren sie die Feststellung einer weitergehenden Leistungspflicht des Beklagten zu
1, falls die Verurteilung der Beklagten zu
2 nicht antragsgemäß erfolgt.

Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob die Beklagten schon infolge der Anfechtung leistungsfrei sind sowie ob die A.

GmbH im Umgang mit dem ihr anvertrauten Bargeld gegen vertragliche Verpflichtungen verstoßen und dadurch einen Versicherungsfall ausge-löst hat.
Zur Begründung
des Schadensersatzanspruches machen die Klägerinnen geltend, die Beklagten hätten ihnen gegenüber bestehende Schutzpflichten dadurch verletzt, dass sie trotz frühzeitiger Kenntnis von 2
3
4
5
-
4
-

Unregelmäßigkeiten bei der A.

GmbH den Versicherungsvertrag weiterhin unterhalten und die Klägerinnen
nicht aufgeklärt hätten.

Das [X.] hat
mit Teil-
und Grundurteil die Klage gegen die Beklagte zu
2 sowie hinsichtlich des von der Klägerin zu
1 verfolgten [X.] aus der von der A.

GmbH übernommenen Geldversorgung in Höhe von 34.913,01

1 abgewiesen
und
im Übrigen
ausgesprochen, dass die Klage gegen den
Beklagten zu
1
dem
Grunde nach gerechtfertigt sei. Das Berufungsgericht hat
auf die Berufungen der Parteien das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache an das [X.] zurückverwiesen. Dagegen wenden sich die Beklagten
mit ihrer Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Beru-fungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat im Wesentlichen ausgeführt:

Bei dem erstinstanzlichen
Urteil handle es sich um ein entgegen den Voraussetzungen der
§§
301 Abs.
1 Satz
2, 304
ZPO erlassenes Teil-
und Grundurteil. Zum Grund eines Schadensersatzanspruchs [X.] auch die Feststellung, dass ein aus dem geltend gemachten [X.] resultierender Schaden entstanden sein könne. Das [X.] habe hingegen weder dargelegt, noch sei es ersichtlich, dass [X.] die Wahrscheinlichkeit eines versicherten Schadens bestehe. 6
7
8
9
-
5
-

Dies könne, da die Beklagten die Behauptungen der Klägerinnen zu den der A.

GmbH überlassenen Geldmengen bestritten hätten, derzeit
auch
nicht
festgestellt werden. Ein weiterer Verfahrensfehler liege darin, dass das
[X.] hinsichtlich des abgewiesenen Anspruchs der Klä-gerin zu
1 den hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch übergangen habe. Der Erlass eines unzulässigen Teilurteils führe nach §
538 Abs.
2 Satz
1 Nr.
7 ZPO zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Der Rechtsstreit sei auch aus anderen Gründen noch nicht [X.]:

An die Verpflichtung aus Ziffer
15.4 [X.], Ansprüche nur gegen den führenden Versicherer
entsprechend seiner Beteiligungsquote geltend zu machen, seien
die Klägerinnen, die als Versicherte zur Geltendmachung von Ansprüchen berechtigt seien,
nicht gebunden. Mit der Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung hätten die Beklagten zu-gleich ihre aus Ziffer
15.4 [X.] folgende Verpflichtung infrage gestellt. Nach [X.] und Glauben könnten sie daher von den
Klägerinnen
nicht mehr verlangen, sich ihrerseits daran zu halten.

Hinsichtlich des Bargeldes, das der A.

GmbH
von den [X.] zu
1 bis
4
zur Entsorgung und von den Klägerinnen zu
3, zu
5 und zu
6 im Zuge der Abwicklung der Geldversorgung übergeben worden sei, komme ein Versicherungsfall in
Betracht. Dies ergebe sich aus zwei
voneinander
unabhängigen
Gründen.

Die nach Ziffer
3.1 [X.] versicherte Gefahr für das allein vom Versi-cherungsschutz umfasste Bargeld habe sich
bereits durch eine von der A.

GmbH vorgenommene Vermischung der zu entsorgenden Gelder 10
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12
13
-
6
-

der Klägerinnen
mit denen anderer Auftraggeber verwirklicht, da dies ohne hinreichende Dokumentation erfolgt sei. Das sei mitursächlich für den Schaden der Klägerinnen
und habe den vertraglichen Verpflichtun-gen der A.

GmbH widersprochen. Es habe zumindest stets klar sein müssen, mit welchem Anteil welcher Auftraggeber Bruchteilseigentümer einer bestimmten Geldmenge gewesen sei. Wegen der fehlenden [X.] sei es den
Klägerinnen
hingegen unmöglich, den Verbleib der an die A.

GmbH übergebenen Gelder nachzuweisen.

Ein versicherter Zugriff sei auch in der Einzahlung des Bargeldes der Klägerinnen
auf ein Konto der A.

GmbH bei der [X.]
zu sehen. Darin liege ein Verstoß gegen die im Rahmen der Geldentsorgung übernommenen Verpflichtungen, nach denen die Gelder im Rahmen des sogenannten [X.] einzuzahlen gewe-sen seien. Dass die Klägerinnen davon abweichend

gegebenenfalls auch nur stillschweigend

mit einer Einzahlung auf ein Eigenkonto der A.

GmbH einverstanden gewesen seien, habe diese nicht anneh-men dürfen.

Bezüglich des
von der Klägerin zu
4 zur Geldversorgung überlas-senen Bargeldes
sei ebenfalls ein Versicherungsfall gegeben.
Wenn die-ses
mit dem
Geld
anderer Auftraggeber vermischt oder auf ein Konto der A.

GmbH eingezahlt worden sei, ergebe sich die Leistungspflicht der Beklagten aus den Überlegungen zur Geldentsorgung. Im Fall einer Bargeldunterschlagung durch einen Mitarbeiter der A.

GmbH folge die
Pflicht zur Leistung
unmittelbar aus den Ziffern
2.1, 2.1.1, 3.1 und 3.1.2 [X.].

14
15
-
7
-

Die
Klageansprüche seien nicht infolge der von den Beklagten er-klärten Anfechtung der Versicherungsverträge entfallen. Mit der [X.] dieses Einwands seien die Beklagten gegenüber den Klä-gerinnen aufgrund Ziffer
9.3.3 Abs.
2 [X.] ausgeschlossen.

Die Klägerinnen treffe auch kein anrechenbares Mitverschulden; Anhaltspunkte für eine
grob fahrlässige Verursachung des Versiche-rungsfalles i.S. des §
61 VVG
a.[X.] bestünden nicht.
Insbesondere habe trotz der
unterbliebenen
Rückführung einzelner
Beträge keine Veranlas-sung bestanden, auf ein
vertragswidriges
Geschäftsverhalten der A.

GmbH zu schließen. Die Klägerinnen hätten auch keine tatsächlichen
Anhaltspunkte
gehabt, dass sich bei der A.

GmbH ähnliche Um-stände
wie bei der HEROS-Gruppe
zugetragen hätten.

Die Einstandspflicht der Versicherer sei schließlich nicht durch die Vereinbarung einer Höchstsumme von 10
Mio.

9.3.3 Abs.
2 [X.] begrenzt. Auch ein gedehnter Schadenfall liege nicht vor.

[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Das Berufungsgericht hat
zwar zutreffend erkannt, dass das [X.] die Klage der Klägerin zu
1 hinsichtlich des von ihr im [X.] mit der Bargeldversorgung behaupteten Schadens nicht durch Teilurteil abweisen durfte. Der von ihm angenommene Verstoß gegen §
301 Abs.
1 Satz
2 ZPO
liegt jedoch
nicht vor. Die
allein
auf §
538 Abs.
2 Satz
1 Nr.
7 ZPO gestützte Zurückverweisung
an das [X.]
ist daher verfahrensfehlerhaft.

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17
18
19
20
-
8
-

1.
Eine Zurückverweisung nach §
538 Abs.
2 Satz
1 Nr.
7 ZPO kommt als Ausnahme von der
Pflicht des Berufungsgerichts gemäß
§
538 Abs.
1 ZPO, die notwendigen Beweise zu erheben und in der [X.] selbst zu entscheiden, nur in Betracht, wenn
das angefochtene Teil-urteil die
Voraussetzungen des
§
301 ZPO nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war das [X.] nicht nach
§
301 Abs.
1 Satz
2 ZPO gehindert, die Klage gegen die Beklagte zu
2 und wegen
eines Teils des
Schadens der Klägerin
zu
1 gegenüber dem [X.] zu
1
durch Teilurteil abzuweisen und
sie
im Übrigen durch Grundurteil gegenüber dem Beklagten zu
1 als gerechtfertigt anzusehen.

a) §
301 Abs.
1 Satz
2 ZPO setzt voraus, dass über einen einheit-lichen Anspruch, der nach Grund und Höhe streitig ist, zu entscheiden ist. An einem solchen fehlt es hier.

Ein einheitlicher Anspruchsgrund für die mit der Klage geltend ge-machten Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag kann nicht allein da-rin gesehen werden, dass diese aus demselben Vertragsverhältnis [X.] und ihren Grund in dem vertragswidrigen Umgang der A.

GmbH mit dem ihr überlassenen Bargeld haben sollen.
Erforderlich ist
vielmehr, dass sich die geltend gemachten Schäden auf dieselben [X.]voraussetzungen gründen lassen, deren Vorliegen sich aus [X.] Lebenssachverhalt ergibt, und sie daher lediglich Einzelposten eines einheitlichen Schuldverhältnisses sind
(vgl. nur [X.], Urteile
vom 9.
November 2006

VII
ZR 151/05, NJW-RR
2007, 305 Rn.
14;
vom 10.
Oktober 1991

III
ZR 93/90, NJW
1992, 511 unter
III
1,
jeweils m.w.N.).
So liegt der Fall hier nicht.

21
22
23
-
9
-

b)
Die Klägerinnen machen mehrere prozessual selbständige [X.] geltend, die auf jeweils in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht gesondert zu beurteilenden Vorgängen der Bargeldver-
und -entsorgung durch die A.

GmbH
beruhen
und aus ihrer

voneinander
unabhän-gigen

Stellung als Versicherte der von der A.

GmbH genommenen Versicherung resultieren. Die behaupteten
Schäden sind
darüber hinaus nicht lediglich Schadenposten, die auf eine schadenstiftende Handlung zurückzuführen sind.
Vielmehr begründet jeder "stoffliche"
Zugriff auf versichertes Bargeld einen eigenständigen Versicherungsfall, an den ein selbständiger vertraglicher Leistungs-
oder ein hilfsweise erhobener Schadensersatzanspruch geknüpft werden kann.

c) Das [X.]
war demnach
nicht aufgrund §
301 Abs.
1 Satz
2 ZPO am Erlass eines Teilurteils
gehindert.
Unerheblich ist inso-fern, dass es
fehlerhaft Voraussetzungen bejaht
hat, nach denen der Er-lass eines Grundurteils nach §
304 ZPO zulässig ist.

2. Zutreffend hat das Berufungsgericht indes gesehen, dass das [X.] die Klage der Klägerin zu
1 hinsichtlich des von ihr im Zu-sammenhang mit der Bargeldversorgung behaupteten Schadens nicht durch Teilurteil abweisen durfte, ohne zugleich über den hilfsweise gel-tend gemachten Schadensersatzanspruch nach
§
280 Abs.
1 BGB zu entscheiden.
Allerdings
rechtfertigt dies
keine Zurückverweisung nach §
538 Abs.
2 Satz
1 Nr.
7 ZPO.

Nachdem das [X.] von seinem

insoweit maßgeblichen (vgl. nur [X.], Versäumnisurteil vom 1.
Februar 2010

II
ZR 209/08, NJW-RR
2010, 1048 Rn.
12)

materiell-rechtlichen Standpunkt aus die Klage gegen die Beklagte zu
2 mit Teilurteil als unzulässig abweisen 24
25
26
27
-
10
-

durfte, wäre
insoweit lediglich eine auf den in erster Instanz abgewiese-nen
Anspruch
der Klägerin zu
1
oder auf das
Prozessrechtsverhältnis zum Beklagten zu
1 bezogene Zurückverweisung in Betracht
gekommen.
Eine solche ist hier aber ausgeschlossen, weil das Berufungsgericht hin-sichtlich dieser Aspekte
seinerseits
nicht in zulässiger Weise durch Teil-urteil gemäß §
301 ZPO hätte entscheiden können (vgl. [X.], Urteil vom 13.
Juli 2011

VIII
ZR 342/09, NJW
2011, 2800).

a) Um die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen

auch durch das Rechtsmittelgericht

auszuschließen, ist eine Zurück-verweisung, sofern deren Grund nur einen abtrennbaren Teil des Rechtsstreits betrifft oder nur hinsichtlich eines solchen Teils eine erneu-te oder weitere Verhandlung in der ersten Instanz erforderlich ist, eben-falls nur unter der Voraussetzung zulässig, dass über den zurückverwie-senen
Teil des Rechtsstreits in zulässiger Weise auch durch Teilurteil gemäß §
301 ZPO hätte entschieden werden können (vgl. nur [X.], Ur-teil vom 13.
Juli 2011
VIII
ZR 342/09, NJW
2011, 2800 Rn.
26
m.w.N.).

Eine derartige Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschie-den wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere [X.] oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Be-urteilung von bloßen [X.] geht, die weder in Rechtskraft er-wachsen noch das Gericht nach §
318 ZPO für das weitere Verfahren binden. Daher besteht diese Gefahr insbesondere bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt 28
29
-
11
-

sind (vgl. nur [X.], Urteile
vom 13.
Juli 2011

VIII
ZR 342/09, [X.], 2800
Rn.
25; vom 11.
Mai 2011

VIII
ZR 42/10, NJW
2011, 2736 Rn.
13
f.
und vom 29.
März 2011

VI
ZR 117/10, NJW
2011, 1815 Rn.
15
f., jeweils m.w.N.).

b) Die Klägerin zu
1 begehrt neben dem im Zusammenhang mit der Bargeldversorgung behaupteten Schaden

hilfsweise
gemäß §
280 Abs.
1 BGB

Ersatz von
Schäden aus dem Bereich der Geldentsorgung. Dem liegt
zum einen derselbe Vorwurf einer schuldhaft
unterbliebenen Aufklärung
seitens der Beklagten
zugrunde, zum anderen
sind dieselben von den
Beklagten
erhobenen anspruchsmindernden
Einwendungen zu bescheiden. Neben dieser
Verklammerung
der Bereiche der [X.] und -versorgung im Rahmen des Hilfsbegehrens besteht
eine zu-sätzliche Verknüpfung durch die aus dem Eventualverhältnis begründete
prozessuale Abhängigkeit von Haupt-
und Hilfsbegehren.

Die Teilabweisung der Klage der Klägerin zu
1 hätte daher
eine Entscheidung über beide
geltend gemachten Klagegründe erfordert, so dass eine Zurückverweisung, die sich nur auf die Entscheidung über den bezüglich der Geldversorgung verfolgten Anspruch der Klägerin zu
1 be-schränkt,
nicht in Betracht kommt.

c) Dies erhellt zugleich, dass
die
Zurückverweisung nach §
538 Abs.
2 Satz
1 Nr.
7 ZPO
nicht auch
im
Prozessrechtsverhältnis des [X.] zu
1
zu den Klägerinnen
Bestand haben
kann, wenn die Klage gegenüber der Beklagten zu
2

wie vom Berufungsgericht angenom-men

nicht als unzulässig abzuweisen und daher auch dieser gegenüber eine Sachentscheidung zu treffen ist.

30
31
32
-
12
-

Die von den
Klägerinnen
im Rahmen des Haupt-
und Hilfsbegeh-rens
erhobenen Ansprüche
gegenüber beiden Beklagten
werden
aus demselben Versicherungsvertrag
und
denselben Rechtsgründen
abgelei-tet
sowie auf identischen Tatsachenvortrag gestützt. Daher wäre eine gegenüber einem Beklagten zu treffende Sachentscheidung nicht unab-hängig von derjenigen über den restlichen Verfahrensgegenstand. Es besteht mithin auch insoweit
die Gefahr sich widersprechender Entschei-dungen, die eine nur auf den Beklagten zu
1 bezogene teilweise Zurück-verweisung an das [X.]
ausschließt
(vgl. dazu
[X.], Urteile
vom 13.
Juli 2011

VIII
ZR 342/09, NJW
2011, 2800 Rn.
26
und vom 13.
Oktober 2008
II
ZR 112/07, NJW
2009, 230 Rn.
8, jeweils
m.w.N.).

I[X.] Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist nach §
562 Abs.
1 ZPO wegen des aufgezeigten [X.] aufzuheben.

Die Sache
ist
an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO), da dem Senat eine eigene Sachentscheidung schon angesichts fehlender tatsächlicher Feststellungen zu den von den [X.] behaupteten Versicherungsfällen und zur Berechtigung der von den Beklagten erklärten Anfechtung ihrer Vertragserklärungen verwehrt ist.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Die Klägerinnen sind
infolge der erklärten Anfechtung des [X.] durch die Beklagten nicht an die Verpflichtung aus 33
34
35
36
37
-
13
-

Ziffer
15.4 Satz
1 [X.] gebunden, nur gegen den führenden Versicherer Klage zu erheben.

Wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tag im Verfahren IV
ZR 251/08 (unter [X.]) näher dargelegt hat, ist der Anwendungsbereich der in Ziffer
15.4 Satz
1 [X.] vereinbarten

lediglich passiven

Prozessfüh-rungsklausel nicht eröffnet. Es fehlt an dem von ihr vorausgesetzten Gleichlauf
der Einwendungen der Versicherer, die dem Anspruch auf Versicherungsleistung entgegengehalten werden können. Darüber hin-aus stellt sich die Erhebung dieses Einwandes bei gleichzeitigem Beru-fen auf die Unwirksamkeit des Vertrages insgesamt infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss als ein nach §
242 BGB zu missbilligendes Verhalten dar.

2. Die im Hauptantrag von den Klägerinnen verfolgten Ansprüche auf Versicherungsleistung setzen einen innerhalb des nach Ziffer
5.1 Satz
1 [X.] versicherten [X.]raums eingetretenen Versicherungsfall i.S. von Ziffer
3.1 [X.] voraus.

a) Über die hier genommene Geld-
und Werttransport-Versiche-rung ist nur transportiertes Bargeld gegen typische Transportrisiken bei und während des Transports bis zu
dessen Abschluss versichert. [X.] ist dabei lediglich das Sacherhaltungsinteresse des versicherten Auftraggebers. Der Versicherungsschutz erfasst nur einen "stofflichen" Zugriff auf versicherte Sachen, nicht aber einen Zugriff auf Buch-
oder Giralgeld (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21.
November 2007

IV
ZR 48/07, VersR
2008, 395 Rn.
4
ff. und

IV
ZR 70/07, [X.] 2008, 129 Rn.
4
ff.; Senatsurteil vom 25.
Mai 2011, HEROS
I

IV
ZR 117/09, VersR
2011, 918 Rn.
21
ff.; a.[X.], VersR
2011, 1081, 1082
f.).
38
39
40
-
14
-

b) Die Klägerinnen
müssen
als Versicherte darlegen und bewei-sen, dass der geltend gemachte Schaden in den vertraglich abgesteck-ten Schutzbereich der Versicherung fällt; erst dann obliegt es den [X.] als Versicherer nachzuweisen, dass der Verlust nicht auf einer Transportgefahr beruht (vgl. nur Senatsurteil vom 25.
Mai 2011,
HEROS
I

IV
ZR 117/09, VersR
2011, 918 Rn.
41).

aa) Die vom Berufungsgericht vorgenommene abweichende Vertei-lung der Darlegungslast rechtfertigt sich weder daraus, dass die [X.]
behaupten, durch eine vorsätzliche Straftat der A.

GmbH zu Schaden gekommen zu sein, noch aus einer Auslegung des Versiche-rungsvertrages (vgl. dazu Senatsurteil vom 25.
Mai 2011, HEROS
I

IV
ZR 117/09, VersR
2011, 918 Rn.
42
ff.).

bb) Beweiserleichterungen zugunsten der Klägerinnen
sind

entgegen der Annahme des Berufungsgerichts

auch nicht damit zu begründen, dass

wie von den
Klägerinnen
behauptet

die Geldbearbei-tung durch die A.

GmbH nicht hinreichend dokumentiert ist. Eine etwaige unzureichende Dokumentation kann sich jedenfalls nicht zum Nachteil der Versicherer auswirken. Im Gegensatz zu den Auftraggebern ist ihnen nicht bekannt, welche Gelder der A.

GmbH zum Transport anvertraut worden sind. Ihnen steht auch kein Anspruch gegenüber der A.

GmbH auf Auskunft über deren Behandlung, Verbleib und Ver-buchung zu. Dagegen haben es die Auftraggeber selbst in der Hand, ihre Interessen am Erhalt des Transportgutes durch entsprechende vertragli-che
Vereinbarungen und die Überwachung ihrer Einhaltung zu schützen.

41
42
43
-
15
-

c) Der
Nachweis eines innerhalb des nach Ziffer
5.1 Satz
1 [X.] versicherten [X.]raums eingetretenen Versicherungsfalles i.S. von Zif-fer
3.1 [X.]
im Bereich Geldentsorgung erfordert

angesichts des Bestrei-tens der Beklagten

zunächst
Feststellungen zum Umfang des an die A.

GmbH übergebenen Bargeldes sowie dazu, ob es zu dem von den Versicherungsbedingungen vorausgesetzten
"stofflichen"
Zugriff
ge-kommen ist. Für Letzteren
bedarf es eines
nach außen in Erscheinung tretenden Aktes
des Zugreifenden, in dem sich der Zugriff auf eine für den Transport vorgesehene Sache manifestiert. Das wird
hier anzuneh-men
sein, soweit die geschuldete Übergabe an die [X.] aufgrund des von der A.

GmbH mit Unternehmen der R.

-Gruppe abgeschlossenen "Transport-
und Geldbearbeitungsvertrages"
(im Folgenden: Transportvertrag)
auszuführen gewesen und gegen [X.] verstoßen worden ist.

aa) Daher
kommt es nicht darauf an, ob

wie die Klägerinnen be-haupten

bereits vor Einzahlung bei der [X.] ein "stofflicher"
Zugriff erfolgt ist. Denn auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten, den sich die Klägerinnen zu Eigen gemacht haben, steht hier fest, dass die A.

GmbH ihr zur
Entsorgung überlassenes Bargeld jeweils vollständig auf bei der [X.] unterhaltene eige-ne Konten eingezahlt hat. Allein dies begründet schon einen Verstoß ge-gen die im Transportvertrag niedergelegten Pflichten und damit
einen vom Versicherungsschutz umfassten "stofflichen"
Zugriff, da hier eine Einzahlung im Wege des [X.]
vereinbart und damit eine Abwicklung über ein Eigenkonto der A.

GmbH untersagt ist.

Das erschließt sich

wie das Berufungsgericht richtig sieht

aus §
6 Abs.
6 des [X.].
Nach dessen Satz
1 "erfolgt die 44
45
46
-
16
-

Übergabe der Gelder einen Werktag nach Abholung in die Verfügung der [X.] mit der Maßgabe, die Gelder mit gleichtätiger Wertstellung auf das im Leistungsverzeichnis angegebene Konto weiterzuleiten". In Satz
2 ist ergänzend bestimmt, dass "eine vorherige Einzahlung auf ein

bb) Der "stoffliche"
Zugriff durch Einzahlung auf ein eigenes Konto liegt innerhalb des nach
Ziffer
5.1 Satz
1 [X.] versicherten [X.]raums, der erst endet, wenn das Bargeld "in die Obhut des berechtigten Empfängers übergeben" wird. Dazu ist erforderlich, dass zum einen das Transportgut der [X.] überlassen wird und diese zum anderen die

vertragsgemäße

Anweisung erhält, welchem Konto das noch "stoff-lich" vorhandene Bargeld gutzuschreiben ist (vgl. Senatsurteil vom heuti-gen Tag im Verfahren IV
ZR 251/08 unter
II
3
c).

cc) Das Vorgehen der A.

GmbH ist

wie das Berufungsge-richt richtig sieht

auch nicht deshalb vertragsgemäß, weil
eine Abwei-chung von den sich aus dem Wortlaut des [X.] ergeben-den Weisungen stillschweigend geduldet worden
wäre. Selbst bei unter-stellter Kenntnis der Klägerinnen
davon, dass sie
im Zuge der [X.] lediglich
gegebenenfalls verzögerte

Überweisungen von ei-nem Eigenkonto der A.

GmbH erhalten haben, ist nach den festge-stellten Umständen zur Abwicklung des [X.] für die Annahme einer rechtserheblichen Duldung kein Raum. Denn dies hätte dazu ge-führt, dass die zu entsorgenden Gelder einem erweiterten, teils nicht mehr versicherten Zugriff durch die Versicherungsnehmerin ausgesetzt gewesen wären (vgl. Senatsurteil vom heutigen
Tag
im Verfahren IV
ZR 251/08 unter
II
3
d).

47
48
-
17
-

d) Die Annahme eines Versicherungsfalles
im Rahmen der von der A.

GmbH ebenfalls übernommenen Geldversorgung setzt

unter Berücksichtigung der konkreten Vereinbarungen zum Ablauf

Feststel-lungen dazu voraus, ob und wie auf zu wechselndes, an die A.

GmbH zu übereignendes
oder bereits übereignetes
Geld, auf Wechsel-geld
oder auf dessen zur Entsorgung überlassenen Gegenwert während der versicherten [X.] zugegriffen worden ist.

Soweit es im Rahmen der für die Klägerin zu
1 durchzuführenden Geldversorgung an einer Übergabe von Bargeld an die A.

GmbH fehlt, wird die Klägerin zu
1
weiter vorzutragen haben, worauf
sich ein "stofflicher"
Zugriff auf eine zum Transport überlassene versicherte [X.] gründen kann.

3. Die Beklagten sind auch nicht

wie die Revision meint

deshalb nach §§
130, 131 VVG
a.[X.] i.V.m. §
79 Abs.
1 VVG
a.[X.] leistungsfrei, weil die Klägerinnen
mit Blick auf eine etwaige Kenntnis von Pflichtver-letzungen die Fortsetzung der Geschäftspraktiken der A.

GmbH ermöglicht oder zumindest begünstigt hätten.

Selbst bei einer

wie von der Revision behauptet

fahrlässigen Schadenverursachung durch die Klägerinnen
ist Versicherungsschutz zu gewähren. Die §§
130, 131 VVG
a.[X.] sind gemäß Ziffer
4.2.1 [X.] zuguns-ten der Versicherten abbedungen. Diese Regelung schließt vom Versi-cherungsschutz Schäden aus, "die vom Auftraggeber oder seinen Reprä-sentanten vorsätzlich herbeigeführt werden". Dem entnimmt ein durch-schnittlicher, juristisch nicht vorgebildeter
Versicherungsnehmer einer Transportversicherung, der zudem die [X.] und In-teressen der Versicherten beachtet (vgl. dazu Senatsurteil vom 25.
Mai 49
50
51
52
-
18
-

2011, HEROS
I

IV
ZR 117/09, VersR
2011, 918 Rn.
22), dass nur [X.] vom versicherten Auftraggeber herbeigeführte Schäden ausge-nommen sind. Das darf er dahin verstehen, dass eine lediglich fahrlässi-ge oder grob fahrlässige Verursachung eines Schadens den zu gewäh-renden Versicherungsschutz nicht beeinträchtigt.

4. Die in Ziffer
9.3.3
Abs.
2 [X.] vereinbarte Haftungshöchstgrenze von 10

berührt den Anspruch der Klägerinnen
nicht. Jeder einzelne vertragswidrige Umgang mit zur Ent-
oder Versor-gung überlassenem Bargeld begründet einen "stofflichen"
Zugriff infolge separaten Verstoßes gegen die sich aus dem Transportvertrag ergeben-den Pflichten und damit einen getrennt zu beurteilenden Versicherungs-fall.

5. Die Beklagten
sind nicht
aufgrund Ziffer
9.3.3 Abs.
2 [X.] mit dem Einwand der Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung i.S. von §
123 Abs.
1 BGB ausgeschlossen.

Wie der Senat mit Beschluss vom 21.
September 2011 (HEROS
II

IV
ZR 38/09 Rn.
26
ff.) entschieden hat, ist ein vertraglicher, im Voraus erklärter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss unwirksam, wenn die Täuschung von dem [X.] selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter i.S. des §
123 Abs.
2 BGB ist. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen den Beklagten als Versicherer und den Versicherten einer Versicherung 53
54
55
-
19
-

für fremde Rechnung. Es kann daher offenbleiben, ob Ziffer
9.3.3 Abs.
2 [X.] durch Auslegung ein solcher, gegenüber diesen wirkender Verzicht zu entnehmen ist.

Dr. [X.][X.] [X.]

[X.] Dr. Brockmöller

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.08.2008 -
19 O 35/08 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 16.07.2010 -
I-20 U 166/08 -

Meta

IV ZR 171/10

09.11.2011

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2011, Az. IV ZR 171/10 (REWIS RS 2011, 1601)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1601

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IV ZR 171/10 (Bundesgerichtshof)

Berufungsverfahren: Zurückverweisung wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Erlasses eines Teilurteils


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IV ZR 171/10

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