Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.06.2018, Az. IX ZR 80/17

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 7393

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:210618UIXZR80.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IX ZR 80/17

Verkündet am:

21. Juni 2018

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 675; [X.] § 33 Abs. 3
a)
Der Rechtsanwalt ist nur dann zu Warnungen und Hinweisen außerhalb des ihm erteilten Mandats verpflichtet, wenn er die tatsächlichen und rechtlichen Gege-benheiten kannte, aus denen die dem Mandanten drohende Gefahr folgte, oder wenn diese offenkundig waren.
b)
Darlegungs-
und beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen einer über das Mandat hinausgehenden Warn-
und Hinweispflicht des rechtlichen Beraters ist der Mandant.
[X.], Urteil vom 21. Juni 2018 -
IX ZR 80/17 -
OLG Celle

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2018
durch [X.] [X.], die [X.] [X.], [X.] [X.], [X.] und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Auf die Revision
der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 16. März 2017 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten
er-kannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die beklagte Rechtsanwältin vertrat die Klägerin gegenüber der [X.] ([X.]). Die Klägerin, eine langjährige Spar-kassenangestellte, hatte eine Erwerbsunfähigkeitsrente beantragt, die [X.] worden war. Die Beklagte legte für die Klägerin Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid ein. Mit ([X.] vom 10.
April 2014 bewil-ligte die [X.] der Klägerin eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 1.
Oktober 2012 bis
zum
30.
September 2015. Diesen [X.]
-
3
-
scheid leitete die Beklagte an die Klägerin unter Hinweis darauf weiter, dass die Möglichkeit eines weiteren Widerspruchs bestehe. Mit Schreiben vom 11.
April 2014
erteilte die [X.] der
Klägerin folgende Hinweise:

"Bei Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Arbeitgeber prüfen muss, ob ein leistungs-gerechter Teilzeitarbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden kann. Teilweise Erwerbsgeminderte können aufgrund tarifvertraglicher Bestimmungen (z.B. § 33 Abs. 3 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst -
[X.]) beim Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung auf ei-nem geeigneten Teilzeitarbeitsplatz
schriftlich
beantragen.
[X.] gilt für Arbeitnehmer außerhalb des Öffentlichen Dienstes, in dessen Arbeitsvertrag auf die Bestimmungen des [X.] oder [X.] Regelungen eines anderen Tarifvertrages Bezug genommen wird.

Ihre arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit übersteigt ihr Leis-tungsvermögen. Wir fordern Sie daher auf, innerhalb von 14 Ta-gen nach Zugang dieses Schreiben bei Ihrem Arbeitgeber prüfen zu lassen, ob eine Teilzeitbeschäftigung im Rahmen der zumutba-ren Zeitspanne von 3 bis unter 6 Stunden täglich, ggf. auch auf ei-nem anderen Arbeitsplatz möglich ist.

Sollte die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung nicht gegeben sein, könnte
ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminde-rung -
auf Zeit
-
bestehen (§ 43 Abs. 2 i.V.m.
§ 102 Abs. 2 [X.]). Um den Anspruch hierauf prüfen zu können, bitten wir Sie, die Rückseite dieses Schreibens möglichst umgehend von Ihrem Ar-beitgeber ausfüllen zu lassen und zurückzusenden."

Dieses Schreiben übersandte die Beklagte der Klägerin mit der Bitte, es ihrer
Arbeitgeberin
vorzulegen.
Die Sparkasse füllte die Rückseite des zitierten Schreibens zunächst dahingehend aus, dass der Klägerin vom 1.
Juli 2014 an ein Teilzeitarbeitsplatz angeboten werden könne, dass Zeitdruck und Stressbe-lastung aber nicht ausgeschlossen werden könnten. Mit weiteren Schreiben vom 26.
August 2014 und vom 26.
September 2014 erklärte die Sparkasse, der 2
-
4
-
Klägerin werde kein Teilzeitarbeitsplatz angeboten, weil sie entgegen §
33 Abs.
3 [X.]-S nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des [X.] einen Weiterbeschäftigungsantrag gestellt habe; gemäß §
33 Abs.
2 [X.]-S ruhe das Arbeitsverhältnis während des Zeitraums, in welchem die Rente gewährt werde. Der Antrag
der Klägerin
auf Zuerkennung einer Ren-te wegen vollständiger Erwerbsminderung
wurde durch Bescheid vom 26.
November 2014 endgültig abgelehnt. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Bescheid vom 9.
April 2015 zurückgewiesen.
Im Juni 2015 einigte sich die Klägerin mit ihrer Arbeitgeberin dahingehend, dass
das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.
September 2015 endete und sie eine Abfindung von 70.000

erhielt.

Die Klägerin wirft der Beklagten vor, sie nicht auf die Notwendigkeit eines schriftlichen [X.] innerhalb der [X.] des §
33 Abs.
3 [X.]-S
hingewiesen zu haben. Sie
hat Schadensersatz aus eigenem und fremdem
Recht in Höhe von insgesamt 28.138,97

sowie die Erstattung vorgerichtlich entstandener Anwaltskosten verlangt sowie beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr alle künftigen [X.] zu ersetzen, die aus der unterbliebenen Weiterbeschäftigung entstanden seien. Die Klage ist in erster Instanz erfolglos geblieben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht
die beantragte Feststellung getroffen und
die Beklagte verurteilt, an die Klägerin wegen des [X.] im Zeitraum vom 1.
April 2015 bis zum 30.
Juni 2016 insgesamt
1.665,20

nebst Zinsen zu
zahlen.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision will die [X.] die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

3
-
5
-
Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, und zur Zurückverweisung der Sa-che an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Beklagte habe eine Neben-pflicht aus dem Anwaltsvertrag mit der Klägerin verletzt, indem sie nicht auf die [X.] des §
33 Abs.
3
[X.]-S hingewiesen habe. Auch bei einem eingeschränkten Mandat bestehe die Pflicht, den Mandanten vor offenkundigen Gefahren zu warnen, wenn dieser sich erkennbar der ihm drohenden Nachteile nicht bewusst sei. Die Klägerin habe die Frist des §
33 Abs.
3 [X.]-S ersicht-lich nicht gekannt.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen lässt sich eine Pflichtverlet-zung der Beklagten nicht bejahen.

1. Ihre Hauptpflichten aus dem Anwaltsvertrag hat die Beklagte nicht ver-letzt.
4
5
6
7
-
6
-

a) Umfang und Inhalt der vertraglichen Pflichten eines Rechtsanwalts richten
sich nach dem jeweiligen
Mandat
und den Umständen des einzelnen Falls
([X.], Urteil vom 1.
März 2007 -
IX
ZR 261/03, [X.]Z 171, 261 Rn. 10). In den Grenzen des ihm erteilten Auftrags ist
der Rechtsanwalt grundsätzlich zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des [X.] verpflichtet. Unkundige muss er über die Folgen ihrer Erklärungen belehren und vor Irrtümern bewahren. Er hat dem Mandanten diejenigen Schrit-te anzuraten, die zu dem erstrebten Ziele führen, und den Eintritt von Nachtei-len oder Schäden zu verhindern, die voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er ihn auch über mögliche Risiken aufzuklären ([X.], Urteil vom 1.

März 2007, [X.]O Rn. 9; [X.] in G. Fischer/[X.]/D.
Fischer/[X.]/[X.], Handbuch der Anwaltshaftung, 4.
Aufl., §
2 Rn. 5 mwN in Fn.
48; [X.] in [X.]/
Gehrlein/[X.], Handbuch der Beraterhaftung, [X.].
3 Rn.
92).

b) Die Klägerin hatte die Beklagte mit der Wahrnehmung ihrer Interessen gegenüber der [X.] beauftragt. Die Beklagte hatte der [X.] im November 2012 die Vertretung der Klägerin angezeigt. Sie hatte namens und in Vollmacht der Klägerin Widerspruch gegen einen ablehnenden Bescheid der [X.] eingelegt und den Widerspruch begründet. Der Bescheid vom 10.
April 2014, mit [X.] die [X.] eine zeitlich befristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminde-rung bewilligt hatte, und das Begleitschreiben vom 11.
April 2014 wurden
der Beklagten übersandt.

c) Die Frist des §
33 Abs.
3 [X.]-S, deren Versäumung die Klägerin der Beklagten anlastet,
betraf nicht den Rentenanspruch der Klägerin.
Sie regelte vielmehr die Wahrung der Rechte eines teilweise
erwerbsgeminderten [X.] gegenüber dem Arbeitgeber.
Nach §
33 Abs.
2 [X.]-S endet ein Ar-8
9
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-
7
-
beitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem ein Rentenbescheid zugestellt wird, nach welchem der Beschäftigte ganz oder teilweise erwerbsgemindert ist. Im Fall teilweiser Erwerbsminderung endet oder
ruht das Arbeitsverhältnis ge-mäß §
33 Abs.
3 [X.]-S nicht, wenn der Beschäftigte nach seinem vom [X.] festgestellten Leistungsvermögen auf seinem bisheri-gen oder einem anderen geeigneten und freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann, soweit dringende dienstliche oder
betriebliche Gründe nicht [X.], und der Beschäftigte innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Rentenbescheids seine Weiterbeschäftigung schriftlich beantragt. Die
Klä-gerin hätte
also -
jedenfalls dem Wortlaut der Vorschrift
des §
33 Abs. 3
[X.]-S
nach
(vgl. dazu das erst später ergangene Urteil
BAGE 148, 357 = [X.], 1341 Rn. 66)
-
innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des [X.] bei der Sparkasse
schriftlich die Weiterbeschäftigung auf einen Teilzeitarbeitsplatz beantragen
müssen, um ein Ende oder ein Ruhen des Ar-beitsverhältnisses zu verhindern. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin war jedoch nicht Gegenstand des Mandats. Die Klägerin hatte die Beklagte
nicht mit der Wahrung ihrer Rechte gegenüber
ihrer Arbeitgeberin beauftragt.

2. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen lässt sich die
Verlet-zung vertraglicher Nebenpflichten aus dem Anwaltsvertrag
nicht bejahen.

a) Bei einem
gegenständlich
beschränkten Mandat kann
der Rechtsan-walt
zu Hinweisen und Warnungen außerhalb des eigentlichen [X.] verpflichtet sein. Solche Warn-
und Hinweispflichten knüpfen an das Informations-
und Wissensgefälle zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten an. Sie folgen aus §
242 BGB und
sollen verhindern, dass das Ziel des Bera-tungsvertrages
trotz der für sich genommen vertragsgemäßen Beraterleistung verfehlt wird. Voraussetzung
derartiger Pflichten
ist, dass die
dem Mandanten 11
12
-
8
-
drohenden
Gefahren dem Anwalt bekannt oder für ihn offenkundig sind oder sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Mandats aufdrängen; Voraus-setzung ist weiter, dass der Anwalt Grund zu der Annahme hat, dass sein Auf-traggeber sich der Gefahren
nicht bewusst ist
([X.], Urteil
vom 9. Juli 1998
-
IX ZR 324/97, [X.], 2246, 2247
mwN; vgl. auch [X.], Urteil vom 26. Juni 2008 -
IX ZR 145/05, [X.], 1563 Rn. 15; vom 20. April 2017
-
III ZR 470/16, [X.], 31 Rn. 48 mwN; [X.] in G. Fischer/[X.]/[X.]/
[X.]/[X.], Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., §
2 Rn. 20; Zugehör, in: Festschrift
für Hans Gerhard Ganter, [X.] ff, 576 f;
[X.] in [X.]/
Gehrlein/[X.], Handbuch der Beraterhaftung, [X.]. 3 Rn. 307;
vgl. auch [X.], Urteil vom 7. Dezember 2017 -
IX ZR 25/17, [X.], 378
Rn. 16
zu entsprechenden Pflichten eines Steuerberaters).

b) Das Berufungsgericht hat
angenommen, dass die Klägerin die kurze Frist des § 33 Abs. 3 [X.]-S
nicht kannte. Es hat die Hinweise der Beklagten
nach Zugang des [X.], insbesondere die Bitte, die Klägerin möge das Schreiben der [X.]
vom 11.
April 2014
der Arbeitgeberin vorlegen, für un-zulänglich gehalten. Die Klägerin habe weder dieser Bitte noch dem Inhalt des Schreibens der [X.] die Notwendigkeit eines schriftlichen [X.] innerhalb
der Frist
von 14 Tagen entnehmen können.
Es fehlen jedoch Feststellungen, welche den Schluss darauf zuließen, dass
die Beklagte die Gefahr kannte, welche der Klägerin aufgrund der kurzen Frist des §
33 Abs.
3 [X.]-S drohte, dass diese Gefahr offenkundig war oder dass sie sich ihr bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des sozialversicherungsrechtlichen Man-dats hätte aufdrängen müssen.

[X.])
Nach dem revisionsrechtlich maßgeblichen Sachverhalt hat die [X.] die der Klägerin drohende Gefahr nicht erkannt. Darlegungs-
und be-13
14
-
9
-
weispflichtig für die tatsächlichen Umstände, aus denen Warn-
und Hinweis-pflichten des Beraters über das
ihm erteilte Mandat hinaus folgen, ist der [X.]. Es handelt sich um haftungsbegründende Umstände. Entsprechender
Vortrag der Klägerin aus den Tatsacheninstanzen ist in den Entscheidungen der Vorinstanzen nicht dokumentiert
und weist auch die Revisionserwiderung nicht nach. Die Klägerin
hat
also
nicht behauptet, dass die Beklagte die
Vor-schrift
des §
33 Abs. 3
[X.]-S
und die tatsächlichen Voraussetzungen ihrer Anwendbarkeit
im vorliegenden Fall
gekannt
hätte.

bb) Offenkundig sind
die Gefahren, die Warn-
und Hinweispflichten des Anwalts auslösen,
wenn sie in engem Zusammenhang mit dem beschränkten
Auftragsgegenstand stehen und für einen durchschnittlichen Berater auf den ersten Blick ersichtlich sind; sie müssen sich bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Mandates aufdrängen ([X.], Beschluss vom 29.
September 2011 -
IX
ZR 184/08, NJW-RR 2012, 305 Rn. 6
mwN; [X.], [X.]O; Zugehör, [X.]O S. 577;
Wein-land, [X.]O Rn. 308;
vgl. auch [X.], Urteil vom 7. Dezember 2017, [X.]O Rn. 17 mwN zur Steuerberaterhaftung).

(1) Entgegen der in der Revisionserwiderung geäußerten Ansicht der Klägerin musste sich der Beklagten die der Klägerin drohende Gefahr des En-dens oder Ruhens ihres Arbeitsvertrages
dann, wenn nicht rechtzeitig ein schriftlicher Weiterbeschäftigungsantrag gestellt werden würde,
nicht schon wegen der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] zum Er-fordernis eines schriftlichen Weiterbeschäftigungsantrags aufdrängen. Das [X.] hat zwar mehrfach entschieden, dass sich ein teilweise erwerbsgeminderter Angestellter nicht auf eine tarifvertraglich vorgesehene Weiterbeschäftigungsmöglichkeit berufen kann, wenn er seine Weiterbeschäfti-gung auf einem geeigneten Arbeitsplatz nicht innerhalb von zwei Wochen nach 15
16
-
10
-
Zugang des [X.] schriftlich beantragt hat (vgl. etwa [X.], 64; 117, 255). Die Beklagte brauchte diese Entscheidungen nach dem revisi-onsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt aber nicht zu kennen.

(a) Der
Rechtsanwalt
muss
über diejenigen Rechtskenntnisse verfügen, die für die ordnungsgemäße Bearbeitung seines jeweiligen Mandates [X.] sind. Der Senat stellt in ständiger Rechtsprechung hohe Anforderungen an
die Kenntnisse und Fähigkeiten des
Rechtsanwalts.
Der Rechtsanwalt muss die rechtlichen Grundlagen des Falles kennen, insbesondere die maßgeblichen Gesetze, untergesetzliche
Rechtsnormen
und private Rechtsquellen ([X.], Ur-teil vom 22. September 2005

IX
ZR 23/04, [X.], 2197, 2198; [X.], [X.]O Rn. 158 mwN), die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung
([X.], Urteil vom 28.
September 2000 -
IX
ZR 6/99, [X.]Z 145, 256, 263; vom 6.
November 2008 -
IX
ZR 140/07, [X.]Z 178, 258 Rn. 9), etwa zu wahrende Fristen und das jeweilige Verfahrensrecht.
Diese Kenntnisse und Fähigkeiten
können
jedoch nicht allgemein, jederzeit und unter
allen Umständen verlangt werden.
Solchen
Anforderungen könnte niemand gerecht werden.
Vielmehr sind sie
auf das jeweilige Mandat zu beziehen. Die für die sachgerechte Bear-beitung des ihm erteilten Auftrags erforderlichen Kenntnisse muss sich der [X.], wenn sie nicht zu seinem präsenten Wissen gehören, ungesäumt [X.]. Erforderlichenfalls muss er sich auch in eine Spezialmaterie einarbei-ten ([X.], Urteil vom 22. September 2005 -
IX ZR 23/04, [X.], 2197, 2198 mwN; [X.] in [X.]/[X.], Die Haftung des Rechtsanwalts, 9. Aufl. Rn. 517; [X.], [X.]O Rn.
53, 57; [X.], [X.]O Rn. 156 f). Ihre Rechtferti-gung finden diese hohen Anforderungen darin, dass der Anwalt einen Auftrag ablehnen kann, wenn er sich nicht zutraut, ihn sachgerecht auszuführen; der Mandant kann sich dann einen anderen Anwalt suchen, der über die [X.]
-
11
-
chen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt oder sie sich rechtzeitig im erforderli-chen Umfang verschaffen kann.

(b)
Die vom Anwalt zu verlangenden mandatsbezogenen Kenntnisse kann und wird sich der Anwalt jedoch nur hinsichtlich des Gegenstandes des Mandats verschaffen. Kenntnisse, die für die Beratung nicht erforderlich sind, die für den Mandanten aber gleichwohl nützlich sein könnten, braucht
der [X.] nicht zu haben; er ist auch nicht verpflichtet, sie
aus Anlass des Mandates
zu erwerben. Das gilt auch hier. Die Klägerin hatte die Beklagte beauftragt, sie gegenüber der [X.] zu vertreten. Im bisherigen Verlauf des Rechtsstreits hat die Klägerin keine Tatsachen vorgetragen, die den Schluss auf eine aus diesem Auftrag folgende Verpflichtung der Beklagten
zuließe, arbeitsrechtliche Bestim-mungen, Tarifverträge und die Rechtsprechung des [X.]
zu einem rechtzeitigen schriftlichen Weiterbeschäftigungsantrag
zur Kenntnis zu nehmen
und auf ihre Relevanz für den vorliegenden Fall zu überprüfen.

(2) Das tarifvertragliche Erfordernis eines schriftlichen [X.] innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung eines [X.] über eine teilweise Erwerbsunfähigkeit
gehört nicht
zum
juristischen
Allge-meinwissen
jedes
Anwalts. Die Klägerin hat bisher auch nicht behauptet, dass jedenfalls ein Anwalt, der einen Mandanten im Rahmen eines Antrags auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente vertritt, über entsprechende Kenntnisse verfügt.
Das könnte dann der Fall sein, wenn arbeitsrechtliche Vorfragen für die beantragte Rente von Bedeutung sind. Ein
Rechtsanwalt, der den Titel eines
Fachanwalts
für Sozialrecht
führen will,
braucht gemäß §§
11, 5 Abs. 1 lit.d
FAO nur [X.] und praktische Fälle aus den verschiedenen Bereichen des Sozialrechts nachweisen, nicht jedoch Kenntnisse und Fälle aus
dem Bereich des Arbeits-rechts.

18
19
-
12
-

(3) Im Rahmen der
sachgerechten Bearbeitung des Mandats war die [X.] allerdings verpflichtet, das Schreiben der [X.] vom 11.
April 2014 zur Kenntnis zu nehmen. In diesem Schreiben wird auf die Möglichkeit eines tarifvertraglichen Anspruchs
gegen den Arbeitgeber
auf [X.] verwiesen, welcher sich
aus §
33 Abs.
3 [X.] ergebe
oder aus anderen Tarifverträgen ergeben könne, die auf
den Tarifvertrag für den öf-fentlichen Dienst verwiesen oder ähnliche Regelungen enthielten.
Entgegen der Ansicht der Klägerin war die
Beklagte jedoch nicht gehalten, diese Vorschrift nachzulesen und zu prüfen, ob sie im Fall der Klägerin anwendbar war und
An-lass zu Warnungen und Hinweisen gab. Der diese Vorschrift enthaltende
Ab-satz des genannten Schreibens betraf das Arbeitsverhältnis der Klägerin, auf das sich der Auftrag der Beklagten nicht bezog. Einfluss auf den [X.] der Klägerin, welchen die Beklagte zu betreuen hatte, hatte die Ent-scheidung des Arbeitgebers über die Teilzeitbeschäftigung nur insofern, als ei-ne Ablehnung zu einem höheren Rentenanspruch führen konnte. Insoweit hat die
Beklagte die Klägerin
gebeten, das Schreiben dem Arbeitgeber vorzulegen, und das hat die Klägerin auch getan.

III.

Die angefochtene Entscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Sie ist im Umfang der Anfechtung aufzuheben (§
562 Abs. 1 ZPO). Da die Sa-che nicht zur Endentscheidung reif ist, wird sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§
563 Abs. 1 ZPO). Die Parteien müssen Gelegenheit erhalten, ergänzend zu den tatsächlichen Voraussetzungen einer auf den schriftlichen Weiterbeschäftigungsantrag nach 20
21
-
13
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§
33 Abs. 3 [X.]-S bezogenen Warn-
und Hinweispflicht der Beklagten vorzu-tragen. Zu weiteren Hinweisen sieht der Senat derzeit keinen Anlass.

Kayser
[X.]
Pape

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.06.2016 -
20 [X.]/15 -

OLG
Celle, Entscheidung vom 16.03.2017 -
13 [X.] -

Meta

IX ZR 80/17

21.06.2018

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.06.2018, Az. IX ZR 80/17 (REWIS RS 2018, 7393)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7393

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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