Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.12.2014, Az. III ZR 82/14

III. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 728

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 82/14

Verkündet am:

4. Dezember 2014

K i e f e r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

BGB §§ 675, 280

Der Anlageberater hat auch dann über das Risiko einer wieder auflebenden Kommanditistenhaftung nach §
172 Abs.
4 HGB aufzuklären, wenn diese auf 10
% des [X.] begrenzt ist.

[X.], Urteil vom 4. Dezember 2014 -
III ZR 82/14 -
OLG [X.]

[X.]
-

2

-

Der III.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 4.
Dezember 2014
durch den Vizepräsidenten [X.] und [X.]
[X.], [X.], [X.] und Reiter

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 11. Zivilsenats des [X.] vom 20. Februar 2014 im Kosten-punkt und insoweit aufgehoben, als die Klage hinsichtlich der Be-teiligung des [X.] am I.

abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Parteien streiten -
soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse -
um Schadensersatz im Zusammenhang mit der Beteiligung des [X.] an der I.

(I.

).

Der Kläger
beteiligte sich auf Empfehlung des für die Beklagte tätigen selbständigen
Handelsvertreters
H.

am 15.
August 2000 und 14.
April 2003 am I.

und an der I.

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-

3

-

KG (IM.

). Die Beteiligung am I.

betrug 30.000
DM zuzüglich einer Ab-wicklungsgebühr in Höhe von 1.500
DM und die 2003 getätigte Anlage im IM.

7.500

Der Kläger macht unter anderem geltend, dass er nicht über eine wieder
auflebende Kommanditistenhaftung nach §§
171, 172 HGB aufgeklärt worden sei.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht (be-schränkt) zugelassenen Revision verfolgt er
seine Klageanträge
bezüglich der Beteiligung am I.

weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob zwischen den Parteien
ein Anlagevermittlungs-
oder ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen ist.
Zu der -
im Revisionsverfahren
allein noch bedeutsamen -
Frage der
unterblie-benen Aufklärung über das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung bei der
Beteiligung am
I.

gemäß §§
171, 172 Abs.
4 HGB hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass eine Verletzung der Aufklärungspflicht nicht vorliege. Die im Handelsregister eingetragene [X.] der Treuhandkommanditistin sei auf 10
% der Einlage beschränkt gewesen, so dass im Falle der
Haftung aus §
172 3
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4

-

Abs.
4 HGB ein Rückforderungsanspruch der Treuhandkommanditistin in ent-sprechender Höhe gegenüber dem Kläger bestanden hätte. Die Beklagte habe den Kläger nicht über dieses Risiko des Wiederauflebens der Kommanditisten-haftung aufklären müssen. Einer Beweisaufnahme zu der -
vom Kläger behaup-teten
-
nicht rechtzeitigen Übergabe eines
einer etwaigen Aufklärungspflicht genügenden Prospekts habe es daher nicht bedurft. Im vorliegenden Fall sei die [X.] auf 10
% beim IM.

begrenzt gewesen. Bei einer Be-schränkung der [X.] auf 10
% des [X.] sei das Haftungsrisiko signifikant limitiert. Bei einer solchen Beschränkung sei das Risiko für die jewei-lige Anlageentscheidung nicht von wesentlicher Bedeutung. Es stelle einen Wertungswiderspruch dar, einen Kapitalabfluss für Provisionen von bis zu 15
% als nicht aufklärungsbedürftig anzusehen, wohl aber das mehr oder weniger theoretische Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung mit einer auf 10
% des Nennwerts des eingelegten Kapitals beschränkten [X.].

II.

Soweit das Berufungsurteil Schadensersatzansprüche des [X.] auch hinsichtlich der Beteiligung am IM.

verneint hat, hält es der rechtlichen Nach-prüfung nicht stand. Insoweit kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung derzeit ein Schadensersatzanspruch des [X.] nicht verneint werden.

1.
Da das Berufungsgericht offen gelassen hat, ob ein Auskunfts-
oder ein Anlageberatungsvertrag geschlossen wurde, kann ein Schadensersatzanspruch nur dann verneint werden, wenn eine Pflichtverletzung unter dem Blickwinkel eines Anlageberatungsvertrags auszuschließen ist.
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5

-

2.
In Bezug auf das Anlageobjekt muss der Anlageberater rechtzeitig, rich-tig und sorgfältig, dabei für den Kunden verständlich und vollständig beraten. Insbesondere muss er den Interessenten über die Eigenschaften und Risiken unterrichten, die für die Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben
oder haben können (st.
Rspr., vgl. Senatsurteil vom 24.
April 2014 -
III
ZR 389/12, NJW-RR 2014, 1075 Rn.
8 mwN). In diesem Zusammenhang gehört es nach
der Senatsrechtsprechung,
die das Berufungsgericht teilt, insbesondere zu den Pflichten eines
Anlageberaters, den Anleger
über das Risiko der Haf-tung nach §
172 Abs.
4 HGB aufzuklären
(Urteil vom 22.
Juli 2010 -
III
ZR 203/09, NJW-RR 2010, 1623 Rn.
20, 23; vgl. auch -
bezüglich etwaiger
Prospekthaftungsansprüche -
[X.], Urteil vom 8.
Oktober 2013 -
II
ZR 335/12, Rn.
28).

3.
Soweit das Berufungsgericht hier eine Pflicht zur Aufklärung verneint, weil die Haftung des
Anlegers -
entweder unmittelbar als Kommanditist oder mittelbar als Treugeber, der dem
Rückgriff
des Treuhandkommanditisten aus-gesetzt ist
-
nach §
172 Abs.
4 HGB auf 10
% des eingetragenen [X.] begrenzt sei (so auch [X.], Urteil vom 19.
Dezember 2013 -
5
U 158/11 Umdruck S.
19
f
und [X.], Urteil vom 4. April 2012 -
5 [X.], juris Rn.
38), hält dies einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Aufklärungspflicht des [X.] im Hinblick auf das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung nach §
172 Abs.
4 HGB ist darin begründet, dass die an den Anleger erfolgte Aus-zahlung durch den Fonds nicht sicher ist, sondern gegebenenfalls [X.] werden muss. Dieses
Risiko unterscheidet sich auch von demjenigen des allgemeinen [X.], über das daneben aufzuklären ist. Die wieder aufle-bende Kommanditistenhaftung hat
erhebliche Auswirkungen auf die prognosti-9
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zierte Rendite, die nachträglich wieder entfallen oder verringert werden kann.
Diese Renditeerwartung des Anlegers ist regelmäßig wesentlicher Maßstab für die Beurteilung der Anlage.
Deshalb kann dem
Risiko der wieder auflebenden Kommanditistenhaftung
eine Bedeutung für die Anlageentscheidung nicht ab-gesprochen werden, auch wenn es auf 10
% des [X.] begrenzt ist. Es ist deshalb aufklärungspflichtig im Rahmen eines [X.], da es dem Anleger
überlassen werden muss, welche Bedeutung er diesem Risiko bei
seiner Anlageentscheidung geben will.

Fehl geht das Argument des Berufungsgerichts, es sei ein Wertungswi-derspruch, eine Aufklärungspflicht des Anlageberaters bei einem Wiederaufle-ben der Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs.
4
HGB in Höhe von 10 % des [X.]
anzunehmen,
nicht jedoch bei einem Kapitalabfluss für Provi-sionen bis zu 15
% der [X.] (vgl. insoweit Senatsurteil vom 12.
Februar 2004 -
III ZR 359/02, [X.]Z 158,
110, 118, 121). Der durchschnittli-che Anleger muss damit rechnen, dass in dem von ihm
aufzubringenden Betei-ligungsbetrag (einschließlich Agio)
auch die Kosten des Vertriebs der Anlage enthalten sind, während er nicht ohne weiteres erwartet, dass einmal an
ihn ausgeschüttete Beträge wieder zurückgezahlt werden müssen, wodurch
nach-träglich seine bereits vereinnahmte Rendite wieder verringert
wird.

4.
Das Berufungsurteil ist
daher aufzuheben und mangels Entscheidungs-reife zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zu-rückzuverweisen (§
562 Abs.
1, §
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO).
Im Weiteren wird das Berufungsgericht in den Blick zu nehmen haben, inwieweit die Begrenzung des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung nach § 172 Absatz 4 HGB auf 10 % der Anlage im konkreten Einzelfall die Anlegerentscheidung des [X.] beeinflusst hat. Dabei ist
zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des er-11
12
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-

kennenden Senats zugunsten des [X.] zwar eine tatsächliche Vermutung dafür besteht, dass er
sich bei der gebotenen Aufklärung nicht am IM.

betei-ligt hätte (vgl. Urteil vom 22.
Juli 2010 -
III
ZR 203/09, NJW-RR 2010, 1623 Rn.
20), die jedoch eine entgegenstehende tatrichterliche Würdigung nicht [X.].

[X.]
[X.]

[X.]

[X.]
Reiter
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.07.2013 -
5 [X.]/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 20.02.2014 -
11 [X.] -

Meta

III ZR 82/14

04.12.2014

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.12.2014, Az. III ZR 82/14 (REWIS RS 2014, 728)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 728

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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III ZR 82/14

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