Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2017, Az. I ZB 94/16

I. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 17076

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:190117BIZB94.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 94/16
vom

19.
Januar 2017

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 575 Abs. 5, § 570 Abs. 3, § 712 Abs. 1 Satz 1
Wird gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt und wird beim Rechtsbeschwerdegericht [X.], im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß §
570 Abs. 3 Halbs.
1 ZPO die Vollziehung der Entscheidung der ersten Instanz auszusetzen, steht dem Erfolg eines hierauf gerichteten Antrags nicht entgegen, dass der Antragsteller in der Berufungsinstanz keinen Schutzantrag nach §
712 Abs.
1 Satz
1 ZPO gestellt hat.
[X.], Beschluss vom 19. Januar 2017 -
I ZB 94/16 -
OLG [X.] am Main

[X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am 19.
Januar 2017 durch [X.]
Dr.
Büscher, [X.]
Dr.
Koch, Dr.
Löffler, die Richterin Dr.
[X.] und den Richter Feddersen

beschlossen:

Die Vollziehung des
[X.]
des [X.]s [X.], 14.
Zivilkammer,
3.
Kammer für Handelssachen, vom 4.
März 2016 wird einstweilen bis zur Entscheidung des Senats über die Rechtsbeschwerde des [X.]n ausgesetzt.

Gründe:

[X.] Das [X.] hat den [X.]n auf die von der Klägerin erhobene Stufenklage durch Teilurteil verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, welche E-Mail-Nachrichten an die alte E-Mail-Adresse der Klägerin vom 1.
November 2011 bis zum 1.
Oktober 2012 eingegangen sind, wobei die E-Mail-Nachrichten im vollen Wortlaut und mit allen [X.] der Klä-gerin vorzulegen sind. Das Berufungsgericht hat die Berufung des [X.]n als unzulässig verworfen, nachdem es den Streitwert für das [X.] auf bis zu

Der [X.] hat dagegen Rechtsbe-schwerde eingelegt. Nach Begründung der Rechtsbeschwerde hat er beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung die Zwangsvollstreckung bis zur Ent-scheidung über die Rechtsbeschwerde einstweilen einzustellen, nachdem die 1
-
3
-
Klägerin mit Schriftsatz vom 5.
Dezember 2016 wegen Nichtvornahme der [X.] die Festsetzung eines Zwangsgeldes und gegebenenfalls Zwangshaft [X.] hat.
I[X.] Der Antrag, den der Senat als Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der erstinstanzlichen Entscheidung auslegt, ist zulässig
und begründet.
1.
Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist dem Beschwerdeführer gemäß §§
575 Abs. 5, 570 Abs. 3 ZPO die Möglichkeit eröffnet, um Aussetzung der Vollziehung der erstinstanzlichen Entscheidung nachzusuchen. Das [X.] ist nicht darauf beschränkt, die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung gemäß §
570 Abs. 3 Halbs.
2
ZPO auszusetzen. Es kann viel-mehr im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß §
570 Abs. 3 Halbs.
1
ZPO auch die Vollziehung der Entscheidung der ersten Instanz aussetzen (vgl. [X.], Beschluss vom 21.
März 2002 -
IX ZB 48/02, NJW 2002, 1658; Beschluss vom 11.
Mai 2005 -
XII [X.], [X.], 1064, 1065; Beschluss vom 15.
November 2011 -
VIII [X.], [X.], 703 Rn. 1).
2. Das Rechtsbeschwerdegericht hat über die beantragte einstweilige Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die dem Gläubiger durch den [X.] der Vollstreckung drohenden Nachteile gegeneinander abzuwägen ([X.], [X.], 1064, 1065).
a) Der Einstellung der Vollziehung des angefochtenen [X.] steht nicht entgegen, dass der [X.] in der Berufungsinstanz keinen Schutzantrag nach §
712 Abs.
1 Satz
1 ZPO gestellt hat.
[X.]) Zwar ist nach der Rechtsprechung des [X.]
für die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar er-klärten Urteil des Berufungsgerichts durch das Revisionsgericht nach §
719 Abs.
2 Satz
1 ZPO kein Raum, wenn der Schuldner es versäumt hat, im Beru-2
3
4
5
6
-
4
-
fungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag gemäß §
712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher Antrag möglich und zumutbar gewesen wäre ([X.], [X.] vom 24.
November 2010 -
XII
ZR 31/10, NJW-RR 2011, 705 Rn.
7; [X.] vom 27. Oktober 2010 -
VIII
ZR 155/10, [X.], 765
Rn.
3). Diese Rechtsprechung kann jedoch auf die Einstellung der Vollziehung gemäß §
570 Abs.
3 ZPO durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht übertragen werden.
[X.]) Die Voraussetzungen für den Erfolg eines Schutzantrags nach §
712 ZPO und eines Antrags nach §
719 Abs.
2 Satz
1 ZPO sind identisch: Dem Schuldner muss durch die Vollstreckung ein nicht zu ersetzender Nachteil [X.], und es darf kein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegenste-hen. Die Möglichkeit, einen Antrag nach §
712 ZPO zu stellen, besteht nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht und ist [X.] zeitlich begrenzt (§ 714 Abs.
1 ZPO); diese Begrenzung ginge ins Leere, wenn der Schuldner in der Revisionsinstanz unter denselben Bedingungen das gleiche Ergebnis durch einen Antrag nach §
719 Abs.
2 ZPO erreichen könnte ([X.]ZPO/[X.], 6.
Aufl., §
719 Rn. 13).
cc) Demgegenüber sind die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung nach §
570 Abs.
3 ZPO und diejenigen für den Erfolg eines Schutzantrags nach §
712 ZPO nicht identisch. Zwar darf in beiden Fällen das Interesse des Gläubigers dasjenige des Schuldners nicht überwiegen. Die Aus-setzung der Vollziehung nach §
570 Abs.
3 ZPO setzt jedoch nicht wie die Schutzanordnung nach §
712 Abs.
1 ZPO voraus, dass dem Schuldner durch die Vollstreckung ein nicht zu ersetzender Nachteil droht.
b) Die nach §
522 Abs.
1 Satz
4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht von vornherein ohne Erfolgsaussicht. Die Rechtsbeschwerdebegründung zeigt auf, dass das Berufungsgericht sich nicht hinreichend mit dem Vorbringen des [X.]n auseinandergesetzt hat, der für die Auskunftserteilung erforderli-7
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-
5
-
che Aufwand an [X.] und Kosten überschreite den vom Berufungsgericht ange-

c) Die Nachteile, die dem [X.]n durch die Vollstreckung des [X.] entstehen, überwiegen die Nachteile, die der Klägerin durch einen [X.] der Vollstreckung bis zu der Entscheidung des Senats über die bereits begründete Rechtsbeschwerde entstehen können. Die Klägerin begehrt mit der Zahlungsklage, deren Vorbereitung die in Rede stehende Auskunftsverpflich-tung dient, Schadensersatz wegen ihr möglicherweise in der [X.] vom 1.
November 2011 bis zum 1.
Oktober 2012 aufgrund Unkenntnis der auf dem in Rede stehenden Konto eingegangenen E-Mails entgangener
Geschäftschan-cen. Da das E-Mail-Konto der Klägerin unstreitig seit über vier Jahren gelöscht ist, ist nicht zu besorgen, dass sich der Schaden der Klägerin durch die einst-weilige Aussetzung der Vollziehung der Auskunftsverurteilung bis zur Entschei-dung über die Rechtsbeschwerde des Senats wesentlich vergrößert. Der [X.] liefe dagegen ohne eine Einstellung der Zwangsvollstreckung Gefahr, dass der vom [X.] als nicht bewiesen erachtete Vortrag des [X.]n,
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6
-
er sei infolge der Löschung der E-Mail-Kontos der Klägerin zu einer Auskunfts-erteilung nicht in der Lage, im Zwangsvollstreckungsverfahren unberücksichtigt bleibt und gegen ihn Zwangsmaßnahmen verhängt werden, die er nicht durch Erfüllung des Auskunftsanspruchs abwenden kann.

Büscher
Koch
Löffler

[X.]
Feddersen
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.03.2016 -
14 O 34/13 -

OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom 25.08.2016 -
12 U 52/16 -

Meta

I ZB 94/16

19.01.2017

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2017, Az. I ZB 94/16 (REWIS RS 2017, 17076)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17076

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Zitiert

I ZB 94/16

XII ZB 465/11

XII ZB 128/09

IV ZR 277/10

VIII ZB 95/11

12 U 52/16

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