Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.07.2018, Az. EnVR 21/17

Kartellsenat | REWIS RS 2018, 5888

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Energiewirtschaftsrechtliche Verwaltungssache: Begriff des Mehrheitsanteilseigners - Karenzzeiten II


Leitsatz

Karenzzeiten II

"Mehrheitsanteilseigner" im Sinne des § 10c Abs. 5 EnWG kann auch ein Unternehmen sein, das den bestimmenden Einfluss auf das vertikal integrierte Unternehmen nur mittelbar über ein von ihm abhängiges Unternehmen ausübt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats des [X.] vom 25. Januar 2017 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des [X.] einschließlich der notwendigen Auslagen der [X.] werden der Betroffenen auferlegt. Die Auslagen der Beigeladenen tragen sie selbst.

Der Wert des [X.] wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um Rechtmäßigkeit und Auslegung der [X.] des § 10c [X.].

2

Die Betroffene ist die [X.] des [X.] -Konzerns. Die Betroffene hält 10,29 % der Anteile an der [X.], die unter anderem im Bereich der Aufsuchung und Förderung von Erdgas tätig ist; die übrigen 89,71 % der Anteile werden von der [X.] gehalten, deren Anteile wiederum vollständig im Eigentum der Betroffenen stehen. Die [X.] hält 50,02 % an der [X.].             GmbH & Co. KG, die ihrerseits 99,9 % an der   [X.] hält. Die   [X.] ist unter anderem die Muttergesellschaft der Beigeladenen zu 1 und 2, bei denen es sich um Gastransportnetzbetreiber handelt.

3

Die Beigeladenen zu 1 und 2 wurden im Jahr 2013 von der [X.] als [X.] nach § 4a [X.] zertifiziert. Hierbei wurde die [X.] zusammen mit den ihr nachgelagerten Gesellschaften als vertikal integriertes Unternehmen im Sinne des § 3 Nr. 38 [X.] eingestuft. Die Betroffene und die [X.] sind nicht Teil des vertikal integrierten Unternehmens.

4

Der Beigeladene zu 3 war bis zum 1. Oktober 2013 Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 und dort auch Leiter des Ressorts 2 ("Netz"). Ab dem 1. Oktober 2013 war er als Prokurist bei der Beigeladenen zu 1 angestellt. Außerdem war er bei der Beigeladenen zu 2 bis zum 30. September 2014 als Prokurist beschäftigt. Die [X.] endeten zum 31. August 2014. Die Beigeladenen zu 1 und 2 teilten der [X.] mit Schreiben vom 10. Juli 2014 mit, dass ein Wechsel des Beigeladenen zu 3 von ihnen zur Betroffenen geplant sei. Dort ist der Beigeladene zu 3 seit dem 1. September 2014 als sogenannter Vice President Civil Engineering angestellt und für die Einheit "Technical Site Services [X.]     ", d.h. für die Bautechnik am Standort [X.]     , verantwortlich. Zu seinen Aufgaben zählen die Planung und Ausführung von Gebäudeprojekten in Verwaltungs-, Forschungs- und Produktionsgebäuden mit einem jährlichen Investitionsvolumen von 100 bis 150 Mio. Euro, die Instandhaltung von Gebäuden und Gebäudeausstattung mit einem jährlichen Instandhaltungsvolumen von 150 bis 200 Mio. Euro und die Landschaftsplanung und Instandsetzung von Freiflächen am Standort. Er koordiniert die Tätigkeit von rund 510 Mitarbeitern. Die von dem Beigeladenen zu 3 nunmehr ausgeübte Tätigkeit ist auf der Führungsebene 4 angesiedelt.

5

Mit Beschluss vom 30. März 2015 stellte die [X.] fest, dass die Betroffene durch die Anstellung des Beigeladenen zu 3 gegen das nachvertragliche Anstellungsverbot des § 10c Abs. 5 und Abs. 6 i.V.m. Abs. 5 [X.] verstoßen habe, und untersagte ihr bis einschließlich 31. August 2018, ein Arbeitsverhältnis mit dem Beigeladenen zu 3 zu unterhalten oder eine rechtliche Verpflichtung zur Unterhaltung eines Arbeitsverhältnisses mit diesem zu begründen oder aufrechtzuerhalten.

6

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt die Betroffene ihren Antrag auf Aufhebung des Beschlusses der [X.] weiter.

II.

7

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

8

1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung ([X.], [X.], 212) im Wesentlichen wie folgt begründet:

9

Die Beschwerde sei unbegründet. Die [X.] habe in dem streitgegenständlichen Beschluss vom 30. März 2015 zutreffend festgestellt, dass die Betroffene durch die Anstellung des Beigeladenen zu 3 gegen das nachvertragliche Anstellungsverbot des § 10c Abs. 5 und 6 [X.] verstoßen habe.

Die Betroffene sei "[X.]in" im Sinne des § 10c Abs. 5 und 6 [X.]. Sie halte unmittelbar Anteile in Höhe von 10,29 % und darüber hinaus - mittelbar über die 100 %-ige Tochter [X.] - weitere 89,71 % an dem vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen, der [X.]. Die Betroffene habe damit einen bestimmenden Einfluss auf dieses Unternehmen. Für die Anwendung des § 10c Abs. 5 und 6 [X.] sei unerheblich, dass ihre Beteiligung im Wesentlichen über die [X.] vermittelt werde.

Der Begriff "[X.]" sei im [X.] nicht definiert. § 10c Abs. 5 [X.] enthalte keine nähere Regelung, ob mittelbare oder unmittelbare Beteiligungen zur [X.] hinzugerechnet werden sollen. Der Wortlaut schließe eine Berücksichtigung mittelbar gehaltener Anteile nicht aus.

Jedoch lege eine systematische Betrachtung unter Beachtung der Wertung des § 16 AktG und Art. 2 Nr. 36 GasRL eine Auslegung nahe, wonach unter den Begriff "[X.]" auch mittelbar gehaltene Anteile fielen. Nach § 16 Abs. 4 AktG gölten als Anteile, die einem Unternehmen gehörten, auch solche, die einem von ihm abhängigen Unternehmen gehörten. § 17 Abs. 1 AktG definiere insoweit abhängige Unternehmen als solche Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben könne. Bei einem im [X.] stehenden Unternehmen werde gemäß § 17 Abs. 2 AktG vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig sei. So liege der Fall hier. Für dieses Verständnis spreche auch Art. 2 Nr. 36 GasR[X.] Die dortige Definition der "Kontrolle" sei ersichtlich weit zu verstehen, weil die Richtlinie im Hinblick auf die Frage nach dem bestimmenden Einfluss eines Unternehmens auf ein anderes nicht nur auf die rechtlichen, sondern auch auf die tatsächlichen Umstände und "andere Mittel" abstelle.

Schließlich spreche auch der Sinn und Zweck der [X.]/[X.] für ein weites Verständnis des Begriffs "[X.]". Andernfalls könnten sich Energieversorgungsunternehmen ihren entflechtungsrechtlichen Verpflichtungen durch ein einfaches Einfügen eines Tochterunternehmens in die Konzernstruktur entziehen. Dies gelte es auch im Rahmen des § 10c [X.] zu beachten, damit die [X.] die Entflechtung effektiv sichern könnten.

Entgegen der Auffassung der Betroffenen verbiete sich eine einschränkende, nur auf ein konkretes Diskriminierungspotenzial abstellende Auslegung des § 10c Abs. 5 und 6 [X.]. Vielmehr griffen die [X.]/[X.] bereits dann ein, wenn ein abstraktes Diskriminierungspotenzial bestehe. Konkreter Feststellungen im Einzelfall bedürfe es nicht. Es sei eine generalisierende Betrachtung geboten.

2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass die Betroffene durch die Anstellung des Beigeladenen zu 3 gegen das nachvertragliche Anstellungsverbot des § 10c Abs. 6 i.V.m. Abs. 5 [X.] verstoßen hat.

a) Die Betroffene ist [X.]in im Sinne des § 10c Abs. 5 [X.]. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist dabei nicht nur die unmittelbare Beteiligung der Betroffenen an der [X.] als dem vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen zu berücksichtigen, sondern auch die - über ihre 100 %-ige Tochtergesellschaft - vermittelte Beteiligung im Übrigen. Aufgrund dessen hält die Betroffene mittelbar und unmittelbar 100 % der Anteile an der [X.].

aa) Der Begriff „[X.]“ ist allerdings im [X.] wie auch in der Richtlinie 2009/73/[X.] und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/[X.] (im Folgenden: Gasrichtlinie oder GasRL) oder der Richtlinie 2009/72/[X.] und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/[X.] (im Folgenden: [X.] oder [X.]) nicht definiert. Insbesondere enthält § 10c Abs. 5 [X.] keine nähere Regelung, ob mittelbare Beteiligungen zur [X.] hinzugerechnet werden sollen. Der Wortlaut der Vorschrift schließt indes eine Berücksichtigung mittelbar gehaltener Anteile auch nicht aus.

bb) Eine systematische Auslegung der Vorschriften des [X.]es legt deren Beachtung nahe. So müssen nach § 10a Abs. 1 Satz 2 [X.] [X.] unmittelbar oder vermittelt durch Beteiligungen Eigentümer an allen für den Transportnetzbetrieb erforderlichen Vermögenswerten einschließlich des Transportnetzes sein. Des weiteren verbietet § 10b Abs. 3 [X.], der insoweit Art. 18 Abs. 3 GasRL umsetzt, zur Gewährleistung der Unabhängigkeit des [X.] - direkte wie auch indirekte - wechselseitige Beteiligungen zwischen dem vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen und seinen Tochterunternehmen einerseits und dem [X.] Transportnetzbetreiber andererseits. Entsprechendes gilt im Hinblick auf das die Personen der Unternehmensleitung des [X.] [X.] betreffende Verbot des § 10c Abs. 4 [X.], sich an dem vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen und dessen Tochterunternehmen zu beteiligen, wobei insoweit der nationale Gesetzgeber - ohne dass er einen Umsetzungsspielraum gesehen hat (vgl. BT-Drucks. 17/6072, [X.]) - die in Art. 19 Abs. 5 GasRL enthaltene Vorgabe der direkten oder indirekten Beteiligung nicht ausdrücklich aufgegriffen hat. Dies spricht dafür, dass er die Erstreckung des [X.] auf mittelbare Beteiligungen für selbstverständlich gehalten hat. Aufgrund dessen ist nichts dafür ersichtlich, dass für die Auslegung des Begriffs des [X.]s in dem folgenden Absatz 5 des § 10c [X.] etwas anderes gelten soll.

cc) Entscheidend für eine Berücksichtigung mittelbar gehaltener Anteile sprechen indes Sinn und Zweck des § 10c Abs. 5 [X.].

Nach der Gesetzesbegründung zu § 10c [X.] dient die Vorschrift der Umsetzung von Art. 19 GasRL/StromR[X.] Dabei wird in den Materialien betont, dass die Richtlinie "keinen Gestaltungsspielraum zulässt" (BT-Drucks. 17/6072, [X.] zu § 10c Abs. 2) oder "ein Gestaltungsspielraum für den [X.] Gesetzgeber (nicht) erkennbar" sei (BT-Drucks. 17/6072, [X.] zu § 10c Abs. 5). Infolgedessen entsprechen § 10c Abs. 6 i.V.m. Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 [X.] nahezu wortgleich Art. 19 Abs. 8 Satz 3, Abs. 3 und 7 GasR[X.] Wie der [X.] bereits an anderer Stelle näher ausgeführt hat, sind die [X.] Bestandteil des sogenannten [X.] als einer der drei Entflechtungsoptionen des [X.] zur Vollendung des Elektrizitäts- und Erdgasbinnenmarkts und sollen daher - wie auch die beiden anderen [X.] - vor allem dem Zweck dienen, bei vertikal integrierten Unternehmen die Gefahr einer Diskriminierung in der Ausübung des [X.] zu vermeiden und Anreize zu schaffen, ausreichend in ihre Netze zu investieren (vgl. [X.]sbeschluss vom 26. Januar 2016 - [X.] 51/14, [X.], 518 Rn. 25 mwN - Karenzzeiten).

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass alle drei [X.] die bestehenden Interessenkonflikte zwischen Erzeugern, Lieferanten und Fernleitungsnetzbetreibern wirksam, d.h. (gleich) effektiv beseitigen wollen (vgl. Erwägungsgrund 9 GasRL, Erwägungsgrund 12 [X.]). Die [X.] sollen lediglich auf unterschiedlichen konstruktiven Wegen eine effektive Trennung der Sparten Erzeugung/Versorgung und der Transportnetze bewirken. Aufgrund der fehlenden eigentumsrechtlichen Entflechtung muss die Effektivität des [X.] durch besondere zusätzliche Vorschriften sichergestellt werden (vgl. Erwägungsgrund 16 GasRL, Erwägungsgrund 19 [X.]). Dies erfordert die Durchtrennung unerwünschter Wissens- und Informationsschnittstellen und sogenannter weicher Faktoren wie der bewussten oder unbewussten Verbesserung der persönlichen Karrierechancen derjenigen Führungskräfte, die umfangreiche Kenntnisse über die technischen Eigenschaften des Transportnetzes und seinen Zustand haben müssen und erheblichen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen in Bezug auf Betrieb, Wartung und Entwicklung des Netzes haben (vgl. [X.]sbeschluss vom 26. Januar 2016 - [X.] 51/14, [X.], 518 Rn. 48 - Karenzzeiten). Aufgrund dessen müssen sich die Vorgaben für die personelle Unabhängigkeit des Managements eines [X.] [X.] in erster Linie an der Entflechtungszielsetzung eines transparenten und diskriminierungsfreien Netzbetriebs orientieren (vgl. Mohr, N&R 2015, 45, 48).

Vor diesem Hintergrund sind die [X.] des § 10c Abs. 6 i.V.m. Abs. 5 [X.] dahin auszulegen, dass sie auf die Anstellung einer von diesen Vorschriften erfassten Führungskraft des [X.] [X.] durch den unmittelbaren oder mittelbaren [X.] eines Unternehmens des vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens anwendbar sind. Denn nur dann kann der Gefahr begegnet werden, dass eine Führungskraft des [X.] [X.] zur bewussten oder unbewussten Verbesserung ihrer persönlichen Karrierechancen bei der [X.] ihre Tätigkeit nicht auf eine möglichst effiziente Bereitstellung der Netzdienste im Sinne des § 21 Abs. 2 [X.] ausrichtet, sondern auf eine Förderung der Interessen der [X.] des Energieversorgungsunternehmens und damit des Gesamtkonzerns (vgl. [X.]sbeschluss vom 26. Januar 2016 - [X.] 51/14, [X.], 518 Rn. 27 mwN - Karenzzeiten).

Der [X.] Richtliniengeber wie auch der nationale Gesetzgeber haben den [X.] eine besondere Bedeutung für die Unabhängigkeit des Fernleitungsnetzbetreibers beigemessen (vgl. Erwägungsgrund 16 GasRL, Erwägungsgrund 19 [X.], BT-Drucks. 17/6072, [X.]). Denn gerade den Karriere- und Wechselmöglichkeiten innerhalb des vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens oder zur [X.] wohnt ein nicht unerhebliches Diskriminierungspotential inne ([X.]sbeschluss vom 26. Januar 2016 - [X.] 51/14, [X.], 518 Rn. 31 - Karenzzeiten). Aufgrund dessen ist es geboten, den Begriff des [X.]s weit auszulegen, damit sich dieser nicht durch eine entsprechende Konzerngestaltung seinen entflechtungsrechtlichen Verpflichtungen entziehen kann, sondern diese wirksam durchgesetzt werden können.

b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist der Anwendungsbereich des § 10c Abs. 6 i.V.m. Abs. 5 [X.] auch nicht dahingehend einschränkend auszulegen, dass das Anstellungsverbot dann nicht eingreift, wenn die neue Tätigkeit bei der [X.] - was vorliegend unstreitig der Fall ist - kein Diskriminierungspotential aufweist. Dies ist unerheblich. Die Vorgaben für die personelle Unabhängigkeit des Managements eines [X.] [X.] haben sich in erster Linie an der Entflechtungszielsetzung eines transparenten und diskriminierungsfreien Netzbetriebs zu orientieren.

aa) Das Beschäftigungsverbot des § 10c Abs. 5 [X.] betrifft - wie auch Art. 19 Abs. 7 GasRL/[X.] - zwei voneinander zu unterscheidende Fallgestaltungen. Zum einen gilt das Verbot für die Anschlusstätigkeit bei einem anderen Unternehmen des vertikal integrierten Unternehmens. Insoweit greift der [X.] nur ein, wenn mit der neuen Tätigkeit im Elektrizitätsbereich eine der Funktionen Erzeugung, Verteilung, Lieferung oder Kauf von Elektrizität und im [X.] eine der Funktionen Gewinnung, Verteilung, Lieferung, Kauf oder Speicherung von Erdgas wahrgenommen oder kommerzielle, technische oder wartungsbezogene Aufgaben im Zusammenhang mit diesen Funktionen erfüllt werden (§ 10c Abs. 5 Fall 1 [X.]). Zum anderen besteht das Anstellungsverbot bei jedweder Anschluss-tätigkeit bei dem [X.]; insoweit gilt das Verbot ausnahmslos (§ 10c Abs. 5 Fall 2 [X.]). Die von der Rechtsbeschwerde vertretene einschränkende Auslegung würde dazu führen, dass die zweite Fallvariante keinen Anwendungsbereich hätte, weil der [X.] bei einer Betätigung in einem der genannten [X.] selbst Teil des vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens wäre und damit die erste Fallvariante anwendbar wäre.

Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 10c Abs. 5 [X.]. Die Vorschrift regelt die personelle Trennung der Unternehmensleitung und der weiteren Führungskräfte des [X.] [X.] von der Muttergesellschaft des vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens, deren Tochtergesellschaften und [X.]n, um damit deren berufliche Unabhängigkeit zu gewährleisten (vgl. Erwägungsgrund 16 GasRL, Erwägungsgrund 19 [X.]). Durch die Sicherung der beruflichen Handlungsunabhängigkeit der Führungskräfte des [X.] [X.] sollen in Ergänzung zur formalen personellen Entflechtung Anreize unterbunden werden, zur Verbesserung der persönlichen Karrierechancen oder der persönlichen Vergütung Marktaktivitäten des vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens gegenüber dessen Wettbewerbern zu bevorzugen (vgl. [X.]sbeschluss vom 26. Januar 2016 - [X.] 51/14, [X.], 518 Rn. 52 mwN - Karenzzeiten). Die Vorschrift will insoweit der Gefahr einer Diskriminierung in der Ausübung des [X.] begegnen, indem eine Führungskraft des [X.] [X.] zur bewussten oder unbewussten Verbesserung ihrer persönlichen Karrierechancen bei der [X.] ihre Tätigkeit nicht auf eine möglichst effiziente Bereitstellung der Netzdienste im Sinne des § 21 Abs. 2 [X.] ausrichtet, sondern auf eine Förderung der Interessen der [X.] des Energieversorgungsunternehmens. Diese Gefahr schätzen der nationale Gesetzgeber wie auch der [X.] Richtliniengeber im Hinblick auf die Karrierechancen bei der [X.] höher ein als im Hinblick auf eine (erlaubte) Weiterbeschäftigung bei einem netzfremden Tochterunternehmen innerhalb des [X.] (vgl. dazu [X.]sbeschluss aaO Rn. 32 - Karenzzeiten). Gegen diese Einschätzung ist aufgrund des dem Richtliniengebers zukommenden weiten Ermessens- und Prognosespielraums (vgl. dazu [X.]sbeschluss aaO Rn. 23 mwN - Karenzzeiten) nichts zu erinnern.

bb) Die von der Rechtsbeschwerde geforderte einschränkende Auslegung des § 10c Abs. 6 i.V.m. Abs. 5 [X.] ist auch von [X.] wegen - insbesondere im Hinblick auf die Berufsfreiheit, die unternehmerische Freiheit und das Eigentumsrecht - nicht geboten. Wie der [X.] bereits entschieden und näher begründet hat, verstoßen die Karenzzeitregelungen des § 10c Abs. 6 i.V.m. Abs. 5 [X.] nicht gegen höherrangiges Recht (vgl. [X.]sbeschluss vom 26. Januar 2016 - [X.] 51/14, [X.], 518 Rn. 19 ff. - Karenzzeiten). Dies gilt auch im Hinblick auf die zu beachtende Karenzzeitregelung beim Übergang vom [X.] Transportnetzbetreiber zum [X.] (§ 10c Abs. 5 Fall 2 [X.]).

(1) [X.] ist - wie der [X.] bereits entschieden hat - zur Erreichung der genannten Ziele geeignet und erforderlich (vgl. [X.]sbeschluss vom 26. Januar 2016 - [X.] 51/14, [X.], 518 Rn. 27 mwN - Karenzzeiten). Das ITO-Modell als dritte Möglichkeit einer Entflechtung umfasst zwar insgesamt ein ganzes Bündel an Maßnahmen zur Erreichung der genannten Ziele (siehe dazu im Einzelnen [X.]sbeschluss aaO Rn. 30 - Karenzzeiten). Dessen ungeachtet haben aber der [X.] Richtliniengeber wie auch der nationale Gesetzgeber den [X.] eine besondere Bedeutung für die Unabhängigkeit des Fernleitungsnetzbetreibers beigemessen (vgl. Erwägungsgrund 16 GasRL, Erwägungsgrund 19 [X.], BT-Drucks. 17/6072, [X.]). Insoweit ist es konsequent, dass sich das zeitlich befristete Beschäftigungsverbot auch auf den Übergang einer Führungskraft des [X.] [X.] zum [X.] erstreckt. Denn gerade den Karriere- und Wechselmöglichkeiten zur [X.] wohnt - wie bereits dargelegt - ein nicht unerhebliches Diskriminierungspotential inne.

(2) Die sektorspezifischen Tätigkeitsverbote sind schließlich auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Die [X.] dienen dem gewichtigen öffentlichen Interesse der [X.] und ihrer Mitgliedstaaten an einem funktionierenden, wettbewerblichen Energiemarkt. Die [X.] gelten nur innerhalb des vertikal integrierten Unternehmens (§ 10c Abs. 5 Fall 1 [X.]) oder beim Übergang von einem Unternehmen des vertikal integrierten Unternehmens zum [X.] (§ 10c Abs. 5 Fall 2 [X.]). Sie schließen eine Tätigkeit bei einem anderen Netzbetreiber oder in einem netzfremden Tochterunternehmen innerhalb des [X.], wenn es sich etwa um ein Mehrspartenunternehmen handelt, nicht aus. Die verbleibenden Nachteile der Führungskräfte bei ihrem beruflichen Fortkommen innerhalb des [X.] und die [X.] bei der Personal- und Nachwuchsplanung des Unternehmens treten dagegen hinter die mit den [X.] verbundenen Ziele zurück (vgl. [X.]sbeschluss vom 26. Januar 2016 - [X.] 51/14, [X.], 518 Rn. 32 f. - Karenzzeiten).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 [X.].

[X.]     

      

Raum     

      

[X.]

      

Grüneberg     

      

Deichfuß     

      

Meta

EnVR 21/17

17.07.2018

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 25. Januar 2017, Az: VI-3 Kart 94/15 (V), Beschluss

§ 10c Abs 5 EnWG, § 10c Abs 6 EnWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.07.2018, Az. EnVR 21/17 (REWIS RS 2018, 5888)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 5888

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

EnVR 30/17 (Bundesgerichtshof)

Karenzzeitenregelungen für Mitarbeiter von Unternehmen der Energiewirtschaft: Abschluss eines Anstellungsvertrages einer ehemaligen Führungskraft eines in …


VI-3 Kart 94/15 (V) (Oberlandesgericht Düsseldorf)


EnVR 51/14 (Bundesgerichtshof)

Entflechtungsvorgabe für Unabhängige Transportnetzbetreiber: Verfassungsmäßigkeit der Karenzzeitenregelungen für die zweite Führungsebene; persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich …


EnVR 51/14 (Bundesgerichtshof)


EnVR 53/14 (Bundesgerichtshof)

Energiewirtschaftsrecht: Rechtmäßigkeit und Anwendungsbereich der Karenzzeitenregelung für das Personal und die Unternehmensleitung des unabhängigen Transportnetzbetreibers


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.