Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2013, Az. IV ZR 256/12

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6999

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV [X.]/12
vom

27. März 2013

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.],
die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.]

am 27. März 2013

beschlossen:

Der [X.] beabsichtigt, die Revision des [X.] gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 13.
Juli 2012 durch Beschluss nach §
552a ZPO [X.].

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bin-nen

vier Wochen.

Gründe:

[X.] Der Kläger macht gegen den [X.]
soweit für das Revisi-onsverfahren noch von Bedeutung

einen Anspruch auf Zahlung von Krankentagegeld für die [X.] vom 5.
März bis 29.
Mai 2009 in Höhe von 10.093,82

e-rungsbedingungen für die Krankentagegeldversicherung des [X.] ([X.]/KT) zugrunde. [X.] ist ferner der Tarif T
06, der Leistungen ab dem 43.
Tag der Arbeitsunfähigkeit vorsieht. In dem Tarif heißt es unter anderem:
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"Nach diesen Tarifen können Personen versichert werden, die ihren Beruf als Selbständige ausüben und [X.] sind oder die als Arbeitnehmer in ei-nem festen Arbeitsverhältnis stehen und lohnsteuerpflich-tig sind."

Der Kläger war bis zur Auflösung seines Arbeitsverhältnisses zum 31.
August 2008 bei der Firma K.

als Projektleiter für Brand-schutzanlagen tätig. Der Beklagte zahlte zunächst bis zum 22.
Juni 2008 aufgrund unstreitiger Arbeitsunfähigkeit Krankentagegeld. Für die [X.] vom 23.
Juni 2008 bis zum 31.
August 2008 wurde der Beklagte durch Urteil des [X.] vom 12.
Mai 2010 zur weiteren Zahlung von [X.] verurteilt. Diese Entscheidung hat der [X.] mit Urteil vom 9.
Mai 2011 ([X.], [X.], 518)
bestätigt. Der [X.] hat hierzu entschieden, Arbeitsunfähigkeit i.S. von §
1 Abs.
3 [X.]/KT 94 lie-ge auch dann vor, wenn sich der Versicherte an seinem Arbeitsplatz ei-ner tatsächlichen oder von ihm als solcher empfundenen Mobbingsituati-on ausgesetzt sehe, hierdurch psychisch oder physisch erkranke und [X.] seinem bisher ausgeübten Beruf in seiner konkreten Aus-übung nicht nachgehen könne (aaO Rn.
13
ff.).

Der Kläger war sodann seit dem 1.
September 2008 zunächst ar-beitslos. Er behauptet, seit dem 25.
Januar 2009 bis zum 29.
Mai 2009 erneut arbeitsunfähig erkrankt gewesen zu sein
und begehrt für diesen [X.]raum die Zahlung von Krankentagegeld. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist hinsichtlich des [X.] für das Krankentagegeld erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich seine Revision.
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I[X.] Die Voraussetzungen für eine Zulassung liegen nicht vor. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§
552a Satz
1 ZPO).

1. [X.] hat die Revision wegen der grundsätzli-cher Bedeutung zukommenden Frage zugelassen, auf welche konkrete berufliche Tätigkeit bei der Beurteilung bedingungsgemäßer Arbeitsunfä-higkeit in der privaten Krankentagegeldversicherung in [X.]en der [X.] abzustellen ist. Tatsächlich bestehen Gründe für eine Zulassung der Revision nicht. Die maßgeblichen Fragen sind durch die Rechtspre-chung des [X.]s geklärt.

a) Die Parteien haben zunächst in dem Tarif vereinbart, dass ver-sicherungsfähig nur Personen sind, die ihren Beruf als Selbständige ausüben und einkommensteuerpflichtig sind oder die als Arbeitnehmer in einem festen Arbeitsverhältnis stehen und lohnsteuerpflichtig sind. Bei wörtlicher Anwendung dieser Klausel könnte der Kläger
keine Ansprüche geltend machen, da er im [X.]punkt der geltend gemachten Arbeitsunfä-higkeit arbeitslos war. Der [X.] hat indessen eine ähnliche Klausel mit seinem Urteil vom 27.
Februar 2008 wegen Verstoßes gegen §
307 Abs.
2 Nr.
2 BGB für unwirksam erklärt ([X.], [X.], 322). Auf dieser Grundlage hat der [X.] eine ergänzende Vertragsauslegung des Inhalts vorgenommen, dass die Versicherungsfähigkeit erst zu dem [X.]punkt entfällt, für den feststeht, dass der Versicherungsnehmer eine neue Tätigkeit als Arbeitnehmer nicht mehr aufnehmen will,
oder auf-grund objektiver Umstände festgestellt werden kann, dass die [X.] trotz ernsthafter Bemühungen ohne Erfolg bleiben wird (aaO Rn.
29). Diese [X.]srechtsprechung hat das Berufungsgericht
zugrunde gelegt und ist deshalb hinsichtlich des

für das Revisionsverfahren nicht mehr 4
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erheblichen

Feststellungsantrags zu dem Ergebnis gekommen, dass die Krankentagegeldversicherung nicht beendet ist.

Der [X.] hat ferner in seinem Urteil vom 9.
März 2011
ausge-führt, Maßstab für die Prüfung der Arbeitsunfähigkeit sei der bisherige Beruf in seiner konkreten Ausprägung ([X.], [X.], 518 Rn.
13
f.). Der [X.] könne von dem Versicherten, der durch besondere Umstände an seinem bisherigen Arbeitsplatz krank geworden sei, nicht einen Wechsel des Arbeitsplatzes, die Wahl eines anderen Arbeitsumfeldes oder arbeitsrechtliche Schritte gegen den Ar-beitgeber verlangen. Die Arbeitsunfähigkeit entfalle nicht deshalb, weil der Versicherte bei Bereinigung der Konfliktsituation an seinem konkre-ten Arbeitsplatz oder durch einen Wechsel seines Arbeitsplatzes wieder arbeitsfähig wäre. Bei einem weitergehenden Verständnis des Begriffs der beruflichen Tätigkeit wäre der Versicherte zu einem Arbeitsplatz-wechsel gehalten, der ihm auch als Obliegenheit nicht abverlangt werde.

b) [X.] ist auf dieser Grundlage zutreffend davon ausgegangen, dass auf die konkrete bislang ausgeübte Berufstätigkeit abzustellen ist. Dies ist hier die
Tätigkeit des [X.] als Projektleiter Brandschutz, wie sie im Einzelnen in der Vernehmung der Zeugen ge-schildert wurde und nach den
Vorgaben
des Berufungsgerichts auch der Beurteilung durch die Sachverständige zugrunde zu legen war. Nicht zu-rückgegriffen werden kann demgegenüber auf zusätzliche [X.], die sich lediglich auf die ganz konkrete Arbeitsplatzsituation bei dem bisherigen Arbeitgeber ausgewirkt haben, hier also das vom Kläger gel-tend gemachte
Mobbing. Dieses hat für die Frage, ob der Kläger in [X.] arbeitsunfähig geworden ist, keine Auswirkungen 7
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mehr, weil der Kläger an diesem alten Arbeitsplatz nicht mehr beschäftigt ist und an ihn nicht mehr zurückkehren wird.

Dem Urteil des [X.]s vom 9.
März 2011 kann nicht
entnommen werden, dass dieses Berufsbild mit den spezifischen Erschwerungen bei dem bisherigen Arbeitsplatz auch dann noch gelten soll, wenn der [X.] an diesem nicht mehr tätig ist. Im Gegenteil hat der [X.] gerade zur Begründung darauf abgestellt, dem [X.], der an seinem bisherigen Arbeitsplatz erkrankt sei, seien der Wechsel des Arbeitsplatzes, die Wahl eines anderen Arbeitsumfeldes oder arbeitsrechtliche Schritte gegen den Arbeitgeber nicht zuzumuten. Irgendeine Obliegenheit zu einem Arbeitsplatzwechsel sei vertraglich nicht vereinbart. All diese Erwägungen treffen nur für den Fall zu, bei dem der Versicherungsnehmer noch im bisherigen Arbeitsverhältnis be-schäftigt ist. Ist er demgegenüber nicht mehr an seinem alten Arbeits-platz tätig, sondern arbeitsuchend und besteht für diese Zwischenphase noch Schutz aus der Krankentagegeldversicherung, so müssen besonde-re Umstände, die lediglich bei dem einen Arbeitgeber vorhanden waren, bei der Beurteilung des Berufsbildes unberücksichtigt
bleiben. Eine an-dere Sichtweise würde demgegenüber dazu führen, dass die bei dem früheren Arbeitgeber bestehende Arbeitsunfähigkeit in die Zukunft perpe-tuiert wird. Hierdurch
ginge der Bezug der konkreten beruflichen Tätig-keit des Versicherungsnehmers zu dem von ihm gesuchten neuen Ar-beitsplatz verloren.

Dem steht ferner nicht der Sinn und Zweck der Krankentagegeld-versicherung entgegen. Sie hat für den durchschnittlichen Versiche-rungsnehmer erkennbar den Zweck, die durch einen vorübergehenden Ausfall
der Arbeitskraft entstehenden Vermögensnachteile auszugleichen 9
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([X.]surteil vom 9.
März 2011
[X.], [X.], 518 Rn.
17). Zu einem Ausfall der Arbeitskraft in [X.]en der Arbeitsuche und damit dem Erfordernis des Ausgleichs von [X.] kommt es -
für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar -
dage-gen nicht, wenn er seine bisher ausgeübte berufliche Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber als bei seinem bisherigen ausüben könnte.

Die Revision zeigt schließlich ebenfalls
nicht auf, dass zur Beurtei-lung der sich hier stellenden Fragen in Rechtsprechung und/oder Schrift-tum abweichende Auffassungen vertreten würden.

2. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. [X.] war nicht verpflichtet, die Sachverständige zur [X.] ihres Gutachtens zu laden. Die Überzeugungsbildung des [X.] verstößt nicht gegen §§
286, 411 Abs.
3, 412 ZPO.

a) Die Sachverständige Dr.
R.

hat bei dem Kläger eine de-pressive Verstimmung, Dysthymie, rezidivierende depressive Störung, Angststörung mit Panikattacken, narzisstische Persönlichkeitsstruktur mit starker Selbstunsicherheit, Hörminderung beidseits mit Tinnitus sowie Zustand nach Bandscheibenvorfall rechts im Bereich der LWS diagnosti-ziert. In ihrer zusammenfassenden Beurteilung hat sie ausgeführt, der Kläger sei auch nach längerer Krankheit und einer stationären [X.] nicht mehr in der Lage, an seine frühere Arbeitsstelle zurückzukeh-ren. Allerdings hat die Gutachterin zugleich ausgeführt, der Kläger wäre einsatzfähig gewesen, wenn eine Tätigkeit an einem neuen Arbeitsum-feld an einer anderen Arbeitsstelle möglich gewesen wäre. Die beschrie-bene depressive Störung bestehe zwar auch jetzt noch. Der Kläger sei aber nunmehr in Vollzeit tätig und arbeitsfähig. Nach seiner Beschrei-11
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bung habe in der [X.] von Januar bis Mai 2009 ein ähnlicher Zustand wie im [X.]punkt der Untersuchung bestanden. In der Beantwortung der Be-weisfragen heißt es sodann, der Kläger sei im fraglichen [X.]punkt krankheitsbedingt völlig außerstande gewesen, seiner bisherigen berufli-chen Tätigkeit bei der Firma K.

nachzugehen. Bei einer anderen Firma unter anderen Arbeitsbedingungen wäre ihm eine Tätigkeit wie die, die er als Projektleiter Brandschutz ausgeübt habe,
eher möglich gewe-sen. Diese Feststellung sei allerdings hypothetisch, da er keine andere Arbeitsstelle zu dieser [X.] hatte.

Aus der Wortwahl "eher möglich" und "allerdings hypothetisch" will der Kläger schließen, dass die Sachverständige sich für eine Arbeitsfä-higkeit in einem anderen Arbeitsumfeld nicht positiv festgelegt habe. Das ist aber nicht der Fall. Aus den vorangehenden Äußerungen der Sach-verständigen ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass sie von [X.] bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit des [X.] in einem neuen Arbeitsumfeld an einer neuen Arbeitsstelle ausgeht. Hierzu stützt sie sich darauf, dass der Kläger für seine Tätigkeit im [X.]punkt der [X.] durch die Sachverständige am 18. November 2011
(Techniker im Außendienst bei einer Firma, die Flüssiggas vertreibt) trotz psychischer Belastungen von Arbeitsfähigkeit ausgeht. Nach den eigenen Angaben des [X.] hat ein ähnlicher psychischer Zustand von Januar bis Mai 2009 bestanden. Dem Kläger wäre daher ohne die spezifischen Belas-tungen der [X.] an seinem bisherigen Arbeitsplatz auch ei-ne Tätigkeit als Projektleiter Brandschutz in einem anderen Betrieb [X.] gewesen. Die Einschränkung der Sachverständigen am Ende ihres Gutachtens bezieht sich lediglich darauf, dass der Kläger damals tat-sächlich keine konkrete andere Arbeitsstelle hatte.
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b) [X.] ist schließlich nicht zu Unrecht davon ausgegangen, dass verbleibende Unsicherheiten zu Lasten des [X.] gehen. Das Vorliegen bedingungsgemäßer
Arbeitsunfähigkeit als Vo-raussetzung des Eintritts eines Versicherungsfalles ist vom Versiche-rungsnehmer zu beweisen ([X.]surteil vom 3.
Mai 2000
IV ZR 110/99, [X.], 841 unter [X.]). Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass das Berufungsgericht für die Frage der Berufsunfähigkeit auf die bislang ausgeübte Berufstätigkeit ohne Berücksichtigung besonderer [X.] am früheren Arbeitsplatz abgestellt hat. Hierbei geht es nicht um irgendeine Form von Verweisung, für die der Versicherer darle-gungs-
und beweispflichtig wäre, sondern um die Frage, auf welches Be-
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rufsbild in der Phase der Arbeitssuche abzustellen ist. Insoweit ist auf die obigen Ausführungen unter I[X.] 1. zu verweisen.

[X.] [X.]

Dr.
Karczewski

[X.] [X.]

Hinweis:
Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme

erledigt worden.

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.03.2010 -
9 O 388/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 13.07.2012 -
20 U 46/10 -

Meta

IV ZR 256/12

27.03.2013

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2013, Az. IV ZR 256/12 (REWIS RS 2013, 6999)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6999

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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