Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2000, Az. VI ZR 193/99

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 1891

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[X.] DES [X.] am:20. Juni 2000Holmes,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z: neinBGB § 276 [X.] es während der Jagdausübung beim Durchstreifen schwierigen [X.] Sturz des Jagdausübenden und löst sich dabei ein Schuß, so läßt sich ohnetragfähige Feststellungen über den genauen Unfallhergang allein aus der [X.] kein [X.] begründen.[X.], Urteil vom 20. Juni 2000 - [X.] -OLGOldenburgLGOldenburg- 2 -Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch [X.] und [X.]Lepa, [X.], [X.] und [X.]für Recht erkannt:Auf die Revision des [X.]n wird das Urteil des [X.] vom 7. Mai 1999 aufgehoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten der Revision, an den 15. Zivilsenat des Be-rufungsgerichts zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Das klagende Land (künftig: der Kläger) verlangt aus übergegangenemRecht des Universitätsprofessors [X.] vom [X.]n Schadensersatz wegeneines Jagdunfalls.Am 10. Januar 1993 unternahm der in den Diensten des [X.] mit dem [X.]n und einem weiteren Bekannten (M.) eine Gesell-schaftsjagd in einem von [X.] gepachteten Jagdrevier. Die [X.] verab-redeten, in einem etwa 150 Meter langen und 80 bis 100 Meter breiten Ei-chenwald zunächst die rechte Seite nach [X.] zu [X.]. [X.] ging [X.] auf einem am rechten Waldrand verlaufenden Weg, [X.] sich parallel dazu im wesentlichen auf einer Schneise vorwärts be-- 3 -wegte und der [X.] zwischen beiden, in einem Abstand von jeweils etwa10 bis 15 Metern, mit seinem Hund ein schwieriges, oft von Unterholz bewach-senes Gelände zu durchstöbern hatte. Gegen Ende des Waldes, nach [X.] des [X.]n etwa 20 Meter vor dem ihn abschließenden Holzzaun,bog [X.] von seinem Weg nach links auf einen Trampelpfad ein, der zu einerLichtung führte. Auf dieser Lichtung blieb er stehen. Als M., der auf ihn zuging,noch etwa 3 bis 5 Meter und der [X.] nach seinen Angaben rund 8 Metervon [X.] entfernt waren, fiel aus dem Gewehr des [X.]n ein Schuß. [X.] wurdeim Oberschenkel getroffen; er verstarb noch am selben Abend an der [X.].Der [X.] wurde in einem gegen ihn geführten Strafverfahren wegenfahrlässiger Tötung in der Berufungsinstanz rechtskräftig freigesprochen.Der Kläger hat von ihm den Ersatz der in der [X.] vom 1. Februar 1993bis 31. Dezember 1995 an die Hinterbliebenen des [X.] erbrachten [X.] 162.599,95 DM verlangt und die Feststellung begehrt, daß der [X.]ihm auch zum Ersatz aller weiteren materiellen Schäden verpflichtet sei. Er hatzur Begründung seiner Klage geltend gemacht, [X.] habe durch sein Verhaltenvor dem Unfall zu erkennen gegeben, daß die Jagd beendet sei. Der [X.]hätte deshalb seine Waffe sofort entladen müssen.Der [X.] hat demgegenüber vorgebracht, [X.] habe seinen Stand ab-redewidrig 20 Meter vor dem Ende der rechten Waldseite verlassen. Die [X.] zu diesem [X.]punkt noch nicht beendet gewesen, da man auch die linkeSeite in entgegengesetzter Richtung habe [X.] wollen. Der Schuß ausseiner Waffe habe sich gelöst, als ihm ein Zweig eines Busches hinter seineBrille ins Auge geraten und er dadurch ins Stolpern gekommen und [X.] -Das [X.] hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß einschuldhaftes Verhalten des [X.]n nicht festzustellen sei. Das Berufungs-gericht hat in seinem ersten Urteil vom 22. November 1996 die [X.] Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und auch dem Feststellungsbegeh-ren entsprochen. Auf die Revision des [X.]n hat der Senat diese Ent-scheidung des Berufungsgerichts mit Urteil vom 3. März 1998 - [X.] -VersR 1998, 858 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung [X.] an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das [X.] nach Beweisaufnahme seinen vorangegangenen Urteilsausspruch erneu-ert.Hiergegen richtet sich wiederum die Revision des [X.]n, mit der erdie Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht hat ausgeführt, es halte nach durchgeführter Be-weisaufnahme die Darstellung des [X.]n in entscheidenden Punkten [X.]. Es treffe weder zu, daß es so zur Auslösung des Schusses gekom-men sei, wie der [X.] es darstelle, noch entspreche es der Wahrheit, daß[X.] auf dem Weg am Waldrand hätte bleiben sollen und demgemäß abredewid-rig im Wald aufgetaucht sei. Beim Sturz des [X.]n habe es zu einemSchuß in Gehrichtung nur kommen können, wenn der [X.] entsprechendseiner Behauptung die Waffe aufgerichtet mit beiden Händen getragen [X.] -Diese Darstellung sei jedoch widerlegt. Der [X.] habe die Waffe [X.] unten gerichtet gehabt. Nach der Aussage des Zeugen M. bei dessenpolizeilicher Vernehmung 5 Tage nach dem Unfall habe der [X.] in ganzüblicher Weise die Waffe in Hüfthöhe mit dem Lauf nach vorneweg vor sichgetragen. Dieser frühen Darstellung des Zeugen sei der Vorzug zu geben ge-genüber den späteren Aussagen in der Hauptverhandlung des [X.] bei seiner Vernehmung vor dem Berufungsgericht, wo der Zeuge in [X.] immer mehr zu Gunsten des [X.]n von seiner ursprüng-lichen Darstellung abgerückt sei. Dementsprechend stehe aufgrund der Anga-ben des Zeugen gegenüber der Polizei auch fest, daß man sich mit [X.] genaudort habe treffen wollen, wo dieser gewartet habe. Damit sei zwar nicht schonerwiesen, wie sich der Unfall denn tatsächlich abgespielt habe. Dies könne [X.] letztlich dahinstehen, denn selbst wenn die Einlassung des [X.]n,soweit es um die Abgabe des Schusses gehe, zuträfe, sei das Verschulden [X.] zu bejahen, denn dieser habe mit seinem Verhalten nicht die im [X.] erforderliche Sorgfalt beobachtet. Der [X.] habe beim [X.] eine offensichtlich höchst gefährliche Situation heraufbe-schworen. Er sei mit geladener Waffe geradewegs auf den vor ihm stehendenJagdherrn zugegangen und zwar in einer Entfernung, in der ein Schuß sehrleicht habe tödlich sein können. Da aufgrund der örtlichen Gegebenheiten miteinem gezielten Schuß nicht mehr zu rechnen gewesen sei, habe der am [X.] Treffpunkt angelangte Jagdherr mit gutem Grund die Jagd vorläufigfür beendet ansehen können. Angesichts dieser Situation sei der [X.],wenn er gleichwohl mit geladener Waffe in Richtung des nahe vor ihm stehen-den Jagdherrn das Buschwerk durchstreift habe, genötigt gewesen, sich sovorsichtig und achtsam zu bewegen, daß er nicht durch vorhersehbare Um-stände habe zu Fall kommen können. Es habe ihm in dieser Lage einfach nicht- 6 -passieren dürfen, daß er einen ja nicht unsichtbaren Ast ins Auge bekommenhabe, und zwar in zugleich nicht gehörig kontrollierter Bewegung, so daß [X.] auch noch zu Fall gekommen sei. Demgemäß könne es dahin-stehen, ob die Jagd in dem Sinne beendet gewesen sei, daß der [X.] [X.] hätte entladen müssen oder ob man noch habe zurückstreifen wollen.Der Kläger müsse sich auch kein bei dem [X.] [X.] anrechnen lassen. [X.] habe nicht abredewidrig seinen "Strich" verlas-sen, sondern sich von der Straße zum vereinbarten Treffpunkt begeben. [X.] dem Einsatz des [X.]n mit verhältnismäßig geringen Schußmöglichkei-ten ein unfallursächliches mitwirkendes Verschulden des [X.] erblicktwerden könne, trete dieses jedenfalls hinter dem weit überwiegenden [X.] des [X.]n zurück.II.Die hiergegen gerichtete Revision hat Erfolg.1. Für ein Verschulden des [X.]n muß im Rahmen erneuter revisi-onsrechtlicher Prüfung ein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 der [X.] (UVV 4.4 vom 1. Januar 1981) außer Betracht bleiben. Das [X.] hat es nunmehr dahinstehen lassen, ob bei Auslösung [X.] die Jagdausübung bereits beendet war und der [X.] deshalbgemäß dieser Vorschrift die Schußwaffe hätte entladen müssen, als er sichdem auf der Lichtung stehenden Jagdherrn genähert habe. Für die [X.] ist deshalb zugunsten des [X.]n zu unterstellen, daß die [X.] [X.]punkt der [X.] (objektiv) noch nicht beendet war. Da es umeinen [X.] gegenüber dem [X.]n geht, ist es in diesem- 7 -Zusammenhang ohne Bedeutung, ob [X.] - wovon das Berufungsgericht ausgeht- seinerseits die Jagd als beendet ansah.2. Soweit das Berufungsgericht ein Verschulden des [X.]n auf an-dere Umstände gründet, hält das Berufungsurteil den Angriffen der Revisionnicht stand.a) Mit Recht wendet sich die Revision mit der Verfahrensrüge nach§ 286 ZPO gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, der vom [X.], wonach er vor seinem Sturz die Waffe mit [X.] und mit dem Lauf nach oben vor sich getragen habe, sei widerlegt.Die vom Berufungsgericht seiner Überzeugung, die Waffe sei nach unten ge-richtet gewesen, zugrunde gelegte Aussage des Zeugen M. bei dessen [X.] Vernehmung vom 15. Januar 1993, wonach der [X.] die Waffe [X.] mit dem Lauf vorneweg vor sich getragen habe, sagt nichts darüberaus, ob der Lauf nach oben oder nach unten gerichtet war. Deshalb [X.] nicht der vom Berufungsgericht im Rahmen seiner Glaubwürdigkeitsbe-urteilung reklamierte Widerspruch zu der gerichtlichen Aussage des Zeugen,der [X.] habe beim Durchstreifen des Waldes das Gewehr mit der [X.] nach oben getragen, zumal der Sachverständige diese Trageweise alsebenfalls möglich und für den Unfallhergang plausibel bezeichnet hat.b) Soweit das Berufungsgericht die Einlassung des [X.]n im Zu-sammenhang mit der Abgabe des Schusses als richtig unterstellt und [X.] in Verbindung mit der für erwiesen erachteten Gesamtsituation [X.] im Sinne des § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB herleiten will, kann diesaus Rechtsgründen keinen Bestand haben.- 8 -Der [X.] des Berufungsgerichts, der [X.] sei,wenn er mit geladener Waffe in Richtung des nah vor ihm stehenden Jagd-herrn das Buschwerk habe durchstreifen wollen, genötigt gewesen, sich sovorsichtig und achtsam zu bewegen, daß er nicht durch vorhersehbare Um-stände habe zu Fall kommen können; es habe ihm in dieser Lage einfach nichtpassieren dürfen, einen "ja nicht unsichtbaren Ast" in einer nicht gehörig kon-trollierten Bewegung ins Auge zu bekommen, entbehrt tragfähiger Feststellun-gen über den genauen Unfallhergang. Auf der vom Berufungsgericht ange-nommenen Grundlage wäre ein [X.] im Sinne des § 276Abs.1 Satz 2 BGB nur dann rechtlich haltbar, wenn jede nur denkbare Sturzur-sache dem [X.]n zum Verschulden gereichen würde. Hiervon kann [X.] der im Tatbestand des Berufungsurteils als unstreitig dargestelltenTatsache, daß der [X.] mit seinem Hund ein schwieriges, oft von [X.] bewachsenes Gelände zu durchstöbern hatte, nicht ausgegangen werden.Das Berufungsgericht setzt sich - worauf die Revision in diesem Zusammen-hang mit Recht hinweist - in Widerspruch zu den Ausführungen des von ihmbeauftragten Sachverständigen, ohne eigene Sachkunde darzutun. Der Sach-verständige hat ausgeführt, aus dem Umstand, daß der [X.] ins Stolperngeraten sei, lasse sich nicht auf ein zu schnelles oder sorgloses [X.]. Es sei vielmehr möglich, daß der [X.] gleichzeitig einen - beidiffusem Hintergrund nicht erkennbaren - Ast ins Auge bekommen und [X.] sich in einer Ranke verfangen habe. Für die Beurteilung eines Verschul-dens komme es - so der Sachverständige - darauf an, ob konkrete Feststel-lungen getroffen werden könnten, wie sich der [X.] vorwärts bewegt habe.Da das Berufungsgericht solche Feststellungen nicht getroffen hat, durfte esdas Verhalten des [X.]n nicht als sorgfaltswidrig [X.] 9 -3. Mit Recht wendet sich die Revision schließlich gegen die [X.], wonach [X.] kein Mitverschulden zur Last falle oder einsolches zumindest hinter dem weit überwiegenden Verschulden des [X.]nzurücktrete.Die Argumentation des Berufungsgerichts ist in diesem [X.]. Während es dem [X.]n bei der Beurteilung der Schuld-frage vorwirft, beim Durchschreiten des [X.] eine offensichtlich höchstgefährliche Situation heraufbeschworen zu haben, meint es im Rahmen [X.] des Mitverschuldens des [X.] den Vorwurf des Sachverständigen nichtberücksichtigen zu müssen, daß [X.] als Jagdleiter den [X.]n mit praktischaussichtslosen Schußaussichten als [X.] anstatt nur als Treibereingeteilt habe. Soweit das Berufungsgericht dies damit begründet, der [X.] habe ja auf nach oben [X.] schießen dürfen, so ver-ringerte sich dadurch nicht die Gefahr, daß es in der vom [X.]n geschil-derten Weise, die das Berufungsgericht letztlich als richtig unterstellt, zu einemJagdunfall kommen konnte, nachdem sich [X.] vor das "Treiben" begeben hatte.[X.] alledem konnte das Berufungsurteil mit der gegebenen [X.] keinen Bestand haben. Es läßt sich auch nicht mit anderer Begründunghalten. Die - vom Berufungsgericht allerdings letztendlich dahingestellt gelas-sene - Überlegung, ob der Schädiger, dessen Darstellung widerlegt sei, sich [X.] lassen müsse, wie derjenige, dessen Sachvortrag von [X.], z.B. unsubstantiiert sei, begegnet durchgreifenden rechtlichenBedenken. Diese Frage stellt sich, abgesehen von den nicht verfahrensfehler-- 10 -frei getroffenen Feststellungen zur Trageweise des Gewehrs, bereits [X.], weil auch der Kläger keinen gemäß § 138 Abs. 3, 4 ZPO als zugestan-den anzusehenden abweichenden Hergang des genauen Unfallgeschehensvorgetragen und der [X.] nach Angabe des Sachverständigen möglicher-weise selbst gar nicht sicher den Ablauf im Einzelnen wahrgenommen hat.Beim Stolpern und Fallen findet erfahrungsgemäß kein bewußter und koordi-nierter Bewegungsablauf mehr statt, sondern vielmehr der instinktive Versuch,Halt und Gleichgewicht zu finden. Darüberhinaus greift zu Gunsten des [X.] weder eine Umkehr noch eine Erleichterung der Darlegungs- und Be-weislast ein (vgl. Senatsurteil vom 3. März 1998 - [X.] - [X.], 860 m.w.[X.] das Berufungsgericht auch keine hinreichenden Feststellungen ge-troffen hat, um dem Senat eine abschließende Sachentscheidung zu ermögli-chen, war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten [X.] und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wo-bei der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauchmacht.[X.] Dr. Lepa [X.] [X.] [X.]

Meta

VI ZR 193/99

20.06.2000

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2000, Az. VI ZR 193/99 (REWIS RS 2000, 1891)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 1891

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