Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.10.2015, Az. VIII B 143/14

8. Senat | REWIS RS 2015, 4136

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Anrechnung und Erstattung von Kapitalertragsteuer im Nachlassinsolvenzverfahren


Leitsatz

NV: Die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen auf die Einkommensteuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen, die aus Mitteln des Nachlasses während des Nachlassinsolvenzverfahrens erzielt werden, kommt nur im Rahmen einer Veranlagung des oder der Erben in Betracht, die Schuldner des Nachlassinsolvenzverfahrens sind. Die Einkommensteuerbescheide sind an den Nachlassinsolvenzverwalter zu richten .

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 16. Oktober 2014  6 K 1508/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

1

Die Bes[X.]hwerde ist unbegründet und daher zurü[X.]kzuweisen.

2

1. Der Kläger und Bes[X.]hwerdeführer (Kläger) begehrt als [X.] im Wege einer Verpfli[X.]htungsklage vom Beklagten und Bes[X.]hwerdegegner (Finanzamt --[X.]--) Einkommensteuerveranlagungen gegenüber dem verstorbenen S[X.]huldner dur[X.]hzuführen, um die Anre[X.]hnung und Erstattung von Kapitalertragsteuer zu errei[X.]hen, die für Kapitalerträge des Na[X.]hlasses im Rahmen des Insolvenzverfahrens einbehalten worden ist. Das Finanzgeri[X.]ht ([X.]) hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, eine sol[X.]he Veranlagung für den Verstorbenen als [X.] und Steuers[X.]huldner s[X.]heide für die streitigen Veranlagungszeiträume 2003 bis 2008 aus, da der Verstorbene kein Steuersubjekt mehr gewesen sei.

3

Der Kläger hält sinngemäß die Frage für grundsätzli[X.]h bedeutsam i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgeri[X.]htsordnung ([X.]O), ob er bere[X.]htigt sei, die Anre[X.]hnung der Kapitalertragsteuer gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren 2003 bis 2008 jeweils geltenden Fassung (EStG) im Wege der begehrten Einkommensteuerveranlagung des Verstorbenen zu beantragen, da eine anderweitige Erstattungsmögli[X.]hkeit der einbehaltenen Kapitalertragsteuer --au[X.]h aufgrund der bislang ni[X.]ht bekannten [X.] ni[X.]ht ersi[X.]htli[X.]h sei.

4

2. Diese Frage ist im Streitfall ni[X.]ht klärungsbedürftig. Die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision wegen grundsätzli[X.]her Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O sind ni[X.]ht erfüllt.

5

a) An der erforderli[X.]hen Klärungsbedürftigkeit einer Re[X.]htsfrage fehlt es, wenn si[X.]h die Beantwortung der Re[X.]htsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Re[X.]htsfrage offensi[X.]htli[X.]h so zu beantworten ist, wie es das [X.] in seiner Ents[X.]heidung getan hat, wenn die Re[X.]htslage also eindeutig ist. Darüber hinaus ist eine Re[X.]htsfrage au[X.]h dann ni[X.]ht klärungsbedürftig, wenn sie dur[X.]h die Re[X.]htspre[X.]hung des [X.] ([X.]) hinrei[X.]hend geklärt ist und keine neuen Gesi[X.]htspunkte erkennbar oder vorgetragen sind, die eine erneute Prüfung und Ents[X.]heidung dieser Frage dur[X.]h den [X.] geboten ers[X.]heinen lassen (ständige Re[X.]htspre[X.]hung, s. z.B. [X.]-Bes[X.]hluss vom 30. März 2015 VII B 30/14, [X.]/NV 2015, 1010). Die vom Kläger aufgeworfene Re[X.]htsfrage lässt si[X.]h anhand der gesetzli[X.]hen Grundlagen und der bisherigen Re[X.]htspre[X.]hung des [X.] und des [X.] ([X.]) ohne weiteres beantworten und ist daher ni[X.]ht klärungsbedürftig.

6

b) [X.] na[X.]h Eröffnung des Insolvenzverfahrens --wie im [X.] bewirkt ohne weiteres eine Überleitung des bisherigen Insolvenzverfahrens in das Na[X.]hlassinsolvenzverfahren, wobei dies sowohl für ein Regelinsolvenzverfahren als au[X.]h für ein Verbrau[X.]herinsolvenzverfahren gilt. Das bisherige Insolvenzverfahren nimmt daher ohne Unterbre[X.]hung seinen Fortgang mit dem Erben als neuem S[X.]huldner (vgl. [X.]-Ents[X.]heidungen vom 22. Januar 2004 IX ZR 39/03, [X.]Z 157, 350; vom 21. Februar 2008 IX ZB 62/05, [X.]Z 175, 307; vom 13. Januar 2011 IX ZR 53/09, Zeits[X.]hrift für das gesamte Insolvenzre[X.]ht 2011, 389; vom 26. September 2013 IX ZR 3/13; Neue Juristis[X.]he Wo[X.]hens[X.]hrift 2014, 389, unter Rz 12).

7

[X.]) Eine na[X.]h der Insolvenzeröffnung entstehende Steuers[X.]huld für Einkünfte, die während der Na[X.]hlassverwaltung --wie im [X.] aufgrund der Anlage von Mitteln des Na[X.]hlasses erzielt werden, ist eine Masseverbindli[X.]hkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. § 324 Abs. 1 der Insolvenzordnung ([X.]), da sie dur[X.]h Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise dur[X.]h die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet wird, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören und der einzelne (unselbständige) [X.] --insbesondere die Einkünfteerzielung na[X.]h § 2 Abs. 1 EStG-- erst na[X.]h der Insolvenzeröffnung verwirkli[X.]ht wird ([X.]-Ents[X.]heidungen vom 16. Mai 2013 IV R 23/11, [X.]E 241, 233, [X.], 759, Rz 18, 19; vom 18. Dezember 2014 X B 89/14, [X.]/NV 2015, 470; vom 24. Februar 2015 VII R 27/14, [X.]E 248, 518, unter Rz 13; [X.] in [X.] Kommentar zur Insolvenzordnung, Band 3, [X.] § 325 Rz 7).

8

d) In der Re[X.]htspre[X.]hung des [X.] ist zudem geklärt, dass na[X.]h Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus der Insolvenzmasse (hier: den Mitteln des Na[X.]hlasses) an das [X.] entri[X.]htete [X.] gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG nur auf Steuers[X.]hulden angere[X.]hnet werden können, die zu den Masseverbindli[X.]hkeiten i.S. des § 55 Abs. 1 [X.] (hier: [X.]. § 324 Abs. 1 [X.]) gehören. Nur in Höhe eines na[X.]h Anre[X.]hnung der Zahlungen auf [X.] begründete Steuers[X.]hulden (hier: die jeweilige [X.]) verbliebenen Übers[X.]husses kann ein Erstattungsanspru[X.]h zugunsten der Masse entstehen ([X.]-Urteil in [X.]E 248, 518).

9

e) Auf dieser Grundlage ist im Streitfall ni[X.]ht klärungsbedürftig, ob die Anre[X.]hnung der Kapitalertragsteuer, die na[X.]h den bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) aus Erträgen der Na[X.]hlassinsolvenzmasse einbehalten und abgeführt wurde, im Rahmen einer einkommensteuerli[X.]hen "Veranlagung des Verstorbenen" errei[X.]ht werden kann.

Denn na[X.]h der unter 2.b und [X.] dargelegten Re[X.]htspre[X.]hung kommt die begehrte Erstattung der [X.] an die Masse nur auf der Grundlage einer Veranlagung des Erben und jetzigen S[X.]huldners des Na[X.]hlassinsolvenzverfahrens in Betra[X.]ht, in der die einbehaltenen [X.] gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG anzure[X.]hnen sind. Da es si[X.]h bei der Jahressteuers[X.]huld und einem si[X.]h hieraus eventuell ergebenden Erstattungsanspru[X.]h um Masseforderungen und -verbindli[X.]hkeiten handelt, sind die entspre[X.]henden Steuerbes[X.]heide für die Streitjahre an den Kläger als [X.] zu ri[X.]hten (s. [X.]-Urteil vom 24. August 2011 V R 53/09, [X.]E 235, 5, [X.], 256; [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl., § 251 Rz 21).

Bestünden au[X.]h Streitigkeiten über die Anre[X.]henbarkeit der [X.] dem Grunde und der Höhe na[X.]h, wären diese verfahrensre[X.]htli[X.]h ni[X.]ht im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zur Festsetzung einer Masseverbindli[X.]hkeit oder -forderung, sondern auf der Grundlage eines Abre[X.]hnungsbes[X.]heids gemäß § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung zu klären, weil der Abre[X.]hnungsbes[X.]heid gegenüber einer Anre[X.]hnungsverfügung vorrangig ist (s. [X.]-Urteile vom 28. April 1993 I R 100/92, [X.]E 171, 397, [X.] 1993, 836; I R 123/91, [X.]E 170, 573, [X.] 1994, 147; vom 15. Januar 2015 I R 69/12, [X.]E 249, 99, [X.]/NV 2015, 1037).

3. Die Kostenents[X.]heidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII B 143/14

12.10.2015

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 16. Oktober 2014, Az: 6 K 1508/11, Urteil

§ 55 InsO, § 324 InsO, § 325 InsO, § 36 Abs 2 Nr 2 EStG 2002, EStG VZ 2005, EStG VZ 2006, EStG VZ 2007, EStG VZ 2008, § 218 Abs 2 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.10.2015, Az. VIII B 143/14 (REWIS RS 2015, 4136)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4136

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

II B 33/15 (Bundesfinanzhof)

(Anspruch aus § 16 Abs. 1 GrEStG im Nachlassinsolvenzverfahren einer Erbengemeinschaft)


VII R 65/18 (Bundesfinanzhof)

Anrechnung von Kapitalertragsteuer nach einer sog. Delta-Korrektur


IV R 10/20 (Bundesfinanzhof)

Zahlung des Gesellschafter-Erben an den Nachlassinsolvenzverwalter zur Freigabe eines Kommanditanteils


II R 30/15 (Bundesfinanzhof)

Erbschaftsteuer als Masseverbindlichkeit


VII B 47/15 (Bundesfinanzhof)

Wechsel der Veranlagungsart


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.