Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.02.2016, Az. IV ZR 19/15

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 16464

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[X.]:[X.]:BGH:2016:100216UIVZR19.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR 19/15

Verkündet am:

10. Februar 2016

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.] im schriftli-chen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 20.
Januar
2016
einge-reicht werden konnten,

für Recht erkannt:

Die Revision des [X.] und die [X.] der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des [X.] vom
10.
Dezember 2014 werden
zu-rückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden
gegenei-nander aufgehoben.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 4.712,12

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die [X.]eite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. [X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer aufgeschobenen Ren-tenversicherung.

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Diese wurde aufgrund eines Antrags d. [X.] mit [X.] zum 1.
Dezember 2004 nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.] a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. [X.] im Versicherungsschein auf Seite 2 eine Belehrung über das Widerspruchsrecht nach §
5a [X.] a.F.

D. [X.] zahlte Beiträge in Höhe
von insgesamt 6.509,27

Im Mai 2012 zeigte d. [X.] den Verlust des Versicherungsscheins an und forderte
den
Versicherer zur Zahlung des Rückkaufswertes
auf. Der Versicherer akzeptierte dies als Kündigung und zahlte den Rückkaufswert [X.] von 4.286,90

tragsteuer und Solidaritätszuschlag aus. Mit Schreiben vom 21.
November 2012
erklärte d. [X.] den [X.] nach §
5a Abs.
1 Satz
1 [X.] a.F.

Mit der Klage hat d. [X.] Rückzahlung aller auf den Vertrag geleis-teten Beiträge nebst [X.] in Höhe
von
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz abzüglich der bereits geleisteten Zahlungen, insgesamt 4.730,82

Nach Auffassung d. [X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des -
gegen Gemein-schaftsrecht verstoßenden
-
§
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. habe der [X.] noch erklärt werden können.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das [X.] hat ihr in der Hauptsache [X.] von 2.203,57

verfolgt d. [X.] das Klagebegehren in Höhe
von weiteren 2.508,55

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4
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Zinsen weiter. Der Versicherer erstrebt mit seiner [X.] die Abweisung der Klage im Übrigen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision und die [X.] haben
keinen Erfolg.

I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat d. [X.] Anspruch auf Rückzahlung gezahlter Prämien in Höhe
von 2.203,57

Beiträge sei ohne Rechtsgrund erfolgt, da der Versicherungsvertrag in-folge des Widerspruchs als von Anfang an nicht zustande
gekommen [X.] sei. D. [X.] habe den Widerspruch rechtzeitig erklärt, da [X.] einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden [X.]sbelehrung die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden sei. Ob die Belehrung im Versicherungsschein durch Fettdruck der Über-schrift hervorgehoben sei, könne dahingestellt bleiben. Es fehle auch der Hinweis, dass "in Textform"
widersprochen werden könne.

Das Widerspruchsrecht sei nicht nach §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. erloschen. Die Vorschrift sei richtlinienkonform dahin auszulegen, dass sie bei Lebens-
und Rentenversicherungen keine Anwendung finde.

D. [X.] stehe dem Grunde
nach ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Prämien zu. D. [X.] müsse sich bei der bereicherungsrechtli-chen Rückabwicklung den während der Prämienzahlung genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Während der [X.] habe er Versicherungsschutz nur insoweit gehabt, als die Beitragsrückzahlung 7
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im Todesfall vor Rentenbeginn versichert gewesen sei. Die dafür [X.] Risikokosten seien auf den von dem Versicherer [X.] in Höhe
von 18,70

e-rer vortrage, ein Betrag in Höhe
von 571,33

e-ses Risikos verbraucht worden, sei dies nicht nachvollziehbar. Hinsicht-lich der Abschluss-
und Verwaltungskosten trage allein der Versicherer das [X.]. In Höhe der für d. [X.] abgeführten Kapitaler-tragssteuer und des Solidaritätszuschlags sei der Versicherer entrei-chert.

D. [X.] habe keinen Anspruch auf Herausgabe von [X.] in Höhe
von 2.222,27

e-legt, dass der Versicherer in dieser Höhe tatsächlich Nutzungen gezogen habe. Die bloße Behauptung, der Versicherer habe in den vergangenen Jahren mindestens übliche Renditen in Höhe
von 7,22% erwirtschaftet, ersetze keinen substantiierten Sachvortrag. D. [X.] hätte die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen seiner Zinsberechnung unter Bezugnahme auf den konkreten Versicherungsvertrag darlegen müssen. Zudem sei der Versicherer seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen und habe vorgetragen, dass von
vornherein nicht sämtliche Beitragszahlun-gen zur Erwirtschaftung von Nutzungen zur Verfügung gestanden hätten und Anknüpfungspunkt allenfalls die Sparbeiträge sein könnten und d. [X.] unmittelbar an den Überschüssen partizipiert habe.

II. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
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1. Einen -
mit der Revision allein weiterverfolgten
-
Anspruch auf weitere [X.] gemäß §
818 Abs.
1 BGB hat das Berufungsge-richt mit zutreffender Begründung abgelehnt.

a) Entgegen der Auffassung der [X.] hat es dem Grunde nach zu Recht die bereicherungsrechtlichen Voraussetzungen bejaht. Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. [X.] nicht wirksam zustande gekommen. Der [X.] war -
ungeachtet des Ablaufs der in §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. normierten Jahresfrist
-
rechtzeitig.

aa) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden [X.] belehrte der Versicherer d. [X.] nicht ord-nungsgemäß im Sinne
von §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F. über das [X.]srecht. Anders als die [X.]sklägerin meint, ist die Widerspruchsbelehrung im Versicherungsschein inhaltlich unzureichend, weil sie keinen Hinweis darauf enthält, dass der Widerspruch in Textform zu erheben war
(Senatsurteil vom 29.
Juli 2015 -
IV ZR 384/14, [X.], 1101 Rn.
26 m.w.N.).

bb) Für einen solchen Fall einer nicht ordnungsgemäßen Beleh-rung bestimmte §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. zwar, dass das [X.]srecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.

(1) Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jah-resfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort. Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäi-13
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schen [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 ([X.], [X.], 101 Rn.
17-34) ent-schieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinien-konform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwen-dungsbereich der Zweiten und der [X.] keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens-
und Rentenver-sicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.] -
wie hier
-
nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die [X.] nicht erhalten hat.

(2) Entgegen der Auffassung der [X.] hat d. [X.] das Recht zum Widerspruch nicht verwirkt. Ob -
wie die Beklagte
meint

der Verwirkungseinwand möglich ist, wenn eine Widerspruchsbelehrung nur marginale Fehler aufweist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Der

hier fehlende

Hinweis auf die Textform wird in §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F. ausdrücklich gefordert und ist eine wesentliche Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung (vgl. Senatsurteil vom 11.
November 2015
IV ZR 513/14, [X.], 33 Rn.
28).

b) Weitere [X.] hat das Berufungsgericht d. [X.] ohne Rechtsfehler versagt.

Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach §
818 Abs.
1 Alt.
1 BGB nur die Nutzungen herauszugeben sind, die vom [X.] tatsächlich gezogen wurden (Senatsurteile vom 11.
No-vember 2015 -
IV ZR 513/14, [X.], 33 Rn.
41; vom 29.
Juli 2015 -
IV ZR 384/14 aaO Rn.
46;
[X.], [X.], 1104 Rn.
51; je-18
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weils m.w.N.). Zudem können, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, bei der Bestimmung der gezogenen Nutzungen die gezahlten Prä-mien nicht in voller Höhe Berücksichtigung finden (Senatsurteil vom 11.
November 2015 aaO Rn.
41
ff.). Nutzungen aus dem Risikoanteil, der dem Versicherer als Wertersatz für den von d. [X.] faktisch genosse-nen Versicherungsschutz verbleibt, stehen d. [X.] nicht zu (vgl. [X.] vom 11.
November 2015 aaO Rn.
42). Auch hinsichtlich des auf die Abschluss-
und Verwaltungskosten entfallenden Prämienanteils hat das Berufungsgericht jedenfalls im Ergebnis zutreffend eine Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe von Nutzungen abgelehnt. Der auf die [X.] entfallende Prämienanteil
bleibt für Nutzungsersatzan-sprüche außer Betracht. Mangels abweichender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Versicherer diesen Prämienanteil nicht zur Kapi-talanlage nutzen konnte (vgl. Senatsurteil vom 11.
November 2015 aaO Rn.
44
f.).

Hinsichtlich des Verwaltungskostenanteils der Prämien kann nicht vermutet werden, dass der Versicherer [X.] in bestimmter Höhe erzielt hat. Insoweit hat das Berufungsgericht zu Recht die Darle-gungs-
und Beweislast beim Versicherungsnehmer gesehen und
ihm ei-nen entsprechenden Tatsachenvortrag abverlangt, der nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermu-tung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe
etwa in Höhe der hier von d. [X.] verlangten Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basis-zinssatz

gestützt werden kann (vgl. Senatsurteil vom 11.
November 2015 aaO Rn.
46
ff.). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag d. [X.] nicht; er
hat nur allgemein vorgetragen, der Versicherer habe in den ver-gangenen Jahren mindestens übliche Renditen in Höhe
von 7,22% er-wirtschaftet.
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2. Der mit der [X.] begehrte Abzug der Abschluss-
und Verwaltungskosten von dem [X.] kommt nicht in Betracht.

a) Möglicherweise
auf die Risikoabsicherung entfallende Kosten-anteile (vgl. OLG Stuttgart [X.], 561, 563; [X.], r+s 2015, 115, 120) konnte das Berufungsgericht schon mangels entsprechenden [X.] des Versicherers
nicht berücksichtigen. Dazu genügt nicht die
all-gemeine Behauptung, dass sich
die Kosten für das übernommene Risiko einschließlich seiner Verwaltung auf 590,03

b) Hinsichtlich der Abschluss-
und Verwaltungskosten kann sich der Versicherer -
wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat
-
auch nicht gemäß §
818 Abs.
3 BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Die Verwaltungskosten sind bereits deshalb nicht bereiche-rungsmindernd zu berücksichtigen, weil sie nicht adäquat-kausal durch die Prämienzahlungen entstanden, sondern unabhängig von dem streit-gegenständlichen Versicherungsvertrag angefallen und beglichen [X.] sind. Auch die Verwendung der Verwaltungskostenanteile der [X.] Prämien für die Bestreitung von Aufwendungen für den [X.] wirkt nicht bereicherungsreduzierend, da der
Versicherer auf diese Weise den Einsatz sonstiger Finanzmittel erspart hat (Senats-urteile vom 29.
Juli 2015 -
IV ZR 384/14 aaO Rn.
42; [X.] aaO Rn.
47).

Hinsichtlich der Abschlusskosten ist das [X.] nach den maßgeblichen Wertungsgesichtspunkten der Beklagten zugewiesen. Der mit der richtlinienkonformen Auslegung bezweckte Schutz des Versi-22
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cherungsnehmers gebietet es, dass der Versicherer in Fällen des wirk-samen Widerspruchs das [X.] hinsichtlich der [X.] trägt (Senatsurteile vom 29.
Juli 2015 -
IV ZR 384/14 aaO Rn.
43; [X.] aaO Rn.
48).

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.]
[X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 26.03.2014 -
1 [X.]/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 10.12.2014 -
(17) 3 S 52/14 -

Meta

IV ZR 19/15

10.02.2016

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.02.2016, Az. IV ZR 19/15 (REWIS RS 2016, 16464)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16464

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 76/11

IV ZR 513/14

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