Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.04.2021, Az. 4 BN 59/20

4. Senat | REWIS RS 2021, 6642

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Gegenstand

Rechtsschutzbedürfnis bei verwirklichtem Bebauungsplan


Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf die mündliche Verhandlung vom 20. August 2020 ergangenen Urteil des [X.] wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO gestützte [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die ihr die [X.]eschwerde beimisst.

3

Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der [X.]eschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91> und vom 14. Oktober 2019 - 4 [X.] - [X.] 2020, 173 Rn. 4).

4

Die [X.]eschwerde möchte grundsätzlich geklärt wissen,

ob für die Pflicht, in einem [X.]ebauungsplanverfahren bei der Zusammenstellung des [X.] ein [X.]odengutachten einholen zu müssen, allein der Umstand ausreicht, dass ein vormals gewerblich genutztes Grundstück überplant werden soll, ohne dass weitere konkrete Anhaltspunkte bestehen, die auf das Vorliegen einer Altlast schließen lassen.

5

Diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie sich dem Oberverwaltungsgericht in dieser Form nicht gestellt hat (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 5. Oktober 2009 - 6 [X.] - [X.] 442.066 § 24 TKG Nr. 4 Rn. 7 und vom 6. Mai 2010 - 6 [X.] - [X.] 448.0 § 29 [X.] Nr. 24 = juris Rn. 4) und sie sich im Übrigen einer rechtsgrundsätzlichen Klärung entzieht.

6

§ 1 Abs. 7 [X.]auG[X.] bestimmt, dass bei der Aufstellung der [X.]auleitpläne die öffentlichen und privaten [X.]elange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind. § 2 Abs. 3 [X.]auG[X.] ergänzt dieses materiell-rechtliche Abwägungsgebot um die [X.] (siehe § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]auG[X.]), dass die abwägungserheblichen [X.]elange zu ermitteln und zu bewerten sind. Zu ermitteln, bewerten und gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind alle [X.]elange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die [X.] eingestellt werden müssen. [X.]elange, die für die [X.] bei der Entscheidung über einen [X.]auleitplan nicht erkennbar waren, sind nicht abwägungsbeachtlich. Die Ermittlungspflichten des § 2 Abs. 3 [X.]auG[X.] erstrecken sich deshalb nicht auf Umstände, deren Ermittlung der [X.] unmöglich ist ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 30. Juni 2014 - 4 [X.] 38.13 - [X.] 2014, 1745 und vom 12. Juni 2018 - 4 [X.] 71.17 - [X.] 2018, 601 m.w.N.).

7

Welche [X.]elange abwägungserheblich sind und welche Ermittlungspflichten die planende [X.] treffen, sind Fragen des jeweiligen Einzelfalls. Die [X.]eschwerde unterstellt insofern Umstände, die nicht festgestellt sind. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht angenommen, dass konkrete Anhaltspunkte für eine [X.]odenkontamination fehlen, sondern hat aus der Niederschrift der Sitzung des [X.]rats vom 21. Juni 2018 und der [X.]eschlussfassung zur Einholung eines [X.]odengutachtens geschlossen, dass der [X.]rat eine [X.]odenkontaminierung für möglich hält, weitere Aufklärung für geboten erachtet und mögliche Altlasten als abwägungserheblichen [X.]elang angesehen hat ([X.] und 22). Ferner hat es auf die konkrete Art der baulichen Nutzung - eine Gärtnerei - hingewiesen ([X.]). Die [X.]eschwerde zeigt nicht auf, inwiefern gleichwohl fallübergreifender Klärungsbedarf besteht.

8

2. Eine Abweichung von einer Entscheidung des [X.] im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nicht dargelegt.

9

Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.] aufgestellten, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26). Dabei müssen die nach Auffassung der [X.]eschwerde divergierenden Rechtssätze unter Angabe der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen sein soll, präzise gegenübergestellt werden. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das [X.] in der Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer [X.] nicht (stRspr, [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 17. Dezember 2010 - 8 [X.] 38.10 - [X.] 2011, 45 und vom 17. Februar 2015 - 1 [X.] 3.15 - juris Rn. 7).

Diesen Anforderungen wird die [X.]eschwerde nicht gerecht. Sie will der Rechtsprechung des Senats unter Hinweis auf eine Vielzahl von Entscheidungen entnehmen, dass bei Verwirklichung eines [X.]ebauungsplans ein Rechtsschutzbedürfnis nicht mehr vorliegt, wenn die [X.]ebauung des Nachbargrundstücks auch bei Unwirksamkeit des [X.]ebauungsplans hätte genehmigt werden müssen (vgl. hierzu [X.]VerwG, [X.]eschluss des Senats vom 22. September 1995 - 4 N[X.] 18.95 - [X.] 310, § 47 VwGO Nr. 108). Es kann dahinstehen, ob damit ein abstrakter Rechtssatz bezeichnet ist. Das Oberverwaltungsgericht hat jedenfalls keinen entgegenstehenden Rechtssatz aufgestellt, sondern ist davon ausgegangen, dass die rechtliche Situation bezüglich des Nachbargrundstücks noch nicht geklärt ist ([X.]). Soweit die [X.]eschwerde dem ihre eigene rechtliche [X.]ewertung entgegenhält, vermag dies eine Divergenz nicht zu begründen.

Eine Divergenz ist auch nicht aufgezeigt, sofern die [X.]eschwerde der Rechtsprechung des Senats den Rechtssatz entnehmen will, dass der Antragsteller seine Rechtsstellung durch einen erfolgreichen Angriff auf den [X.]ebauungsplan in der Regel nicht mehr verbessern kann, sofern der [X.]ebauungsplan durch genehmigte oder genehmigungsfreie Maßnahmen vollständig verwirklicht ist (vgl. hierzu [X.]VerwG, [X.]eschlüsse 29. September 2015 - 4 [X.] 25.15 - [X.] 310 § 47 VwGO Nr. 205 und vom 29. Januar 2019 - 4 [X.] 15.18 - juris Rn. 5; siehe auch Urteil vom 25. Juni 2020 - 4 CN 5.18 - [X.] 2020, 1726 m.w.N.). Das Oberverwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Verbesserung der Rechtsstellung der Antragsteller im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen ist, weil die Antragsteller die [X.]augenehmigungen auf dem Nachbargrundstück angefochten haben und über diese Klagen noch nicht entschieden ist. Dies steht mit der Rechtsprechung des Senats im Einklang (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 25. Juni 2020 - 4 CN 3.19 - [X.] 310 § 47 VwGO Nr. 220 ; [X.]eschlüsse vom 28. August 1987 - 4 N 3.86 - [X.]VerwGE 78, 85 <91 f.> und vom 9. Februar 1989 - 4 N[X.] 1.89 - [X.] 310 § 47 VwGO Nr. 37 ).

Es liegt auch keine Divergenz zu dem Urteil des Senats vom 29. September 1978 - 4 C 30.76 - ([X.]VerwGE 56, 283) und dem [X.]eschluss des Senats vom 25. Februar 1997 - 4 N[X.] 40.96 - ([X.] 406.11 § 215 [X.]auG[X.] Nr. 9) vor. Fragen der Änderung der Sach- und Rechtslage nach [X.]eschlussfassung über den [X.]ebauungsplan sind vorliegend nicht aufgeworfen. Das Oberverwaltungsgericht hat der Sitzungsniederschrift des [X.]rats vom 21. Juni 2018 und dem [X.]eschluss über die Einholung eines [X.]odengutachtens entnommen, dass der [X.]rat die Frage der Altlasten für abwägungserheblich gehalten hat, gleichwohl aber darauf verzichtet hat, diesen Umstand vor der [X.]eschlussfassung über den [X.]ebauungsplan aufzuklären ([X.]).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 59/20

22.04.2021

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, 20. August 2020, Az: 2 C 264/19, Urteil

§ 1 Abs 7 BauGB, § 2 Abs 3 BauGB, § 47 Abs 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.04.2021, Az. 4 BN 59/20 (REWIS RS 2021, 6642)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 6642

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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