Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.11.2011, Az. V ZB 169/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1767

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

V ZB 169/11

vom

3. November 2011
in der [X.]

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 3. November 2011
durch [X.] Lemke, Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und [X.] und die Richterin-nen
Dr.
Brückner
und Weinland
beschlossen:
Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Ver-fahrenskostenhilfe bewilligt; ihm wird Rechtsanwalt [X.] beigeordnet.

Auf die Rechtsmittel
des Betroffenen wird der Beschluss der 3. Zi-vilkammer des [X.] vom 25. Mai 2011 aufgehoben
und festgestellt, dass die Haftanordnung in dem Beschluss des [X.] vom 17. März 2001 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechen-den Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden dem [X.] auferlegt.

Der Gegenstandwert des [X.] beträgt 3.000

Gründe:

I.

Der Betroffene, ein eritreischer Staatsangehöriger, der im November 2008 schon einmal mit gefälschten Papieren unerlaubt in das [X.] 1
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eingereist und zurückgeschoben worden war, wurde am 22. November 2010 erneut ohne gültige Papiere im [X.]
angetroffen. Einen Asylantrag vom 14. Dezember 2010 wies das zuständige [X.] mit Bescheid vom 3.
Januar 2011 als unzulässig zurück, weil der Antragsteller
schon 2008 in [X.] und 2009 in der [X.] Asyl
beantragt hatte. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem Verwaltungsgericht und eine Petition an das [X.] blieben ohne Erfolg. Der Beteiligte zu 2 plante die Abschiebung für den 21. März 2011 und buchte einen entsprechenden Flug. Zur Sicherung der Abschiebung hat er am 9. März 2011 [X.] für zwei Wochen beantragt, die das Amtsgericht nach Erlass einer einstweiligen Anord-nung mit Beschluss vom 17. März 2011 angeordnet hat. Dagegen hat der Be-troffene Beschwerde eingelegt, nach seiner Entlassung aus der [X.], die Rechtswidrigkeit der angeordneten Abschiebungshaft festzustellen. Zu der Entlassung aus der Abschiebungshaft war es gekommen, weil das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. März 2011 die aufschie-bende Wirkung der Klage gegen die Zurückweisung des
Asylantrags wieder-hergestellt hatte. Die Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbe-schwerde verfolgt der Betroffene seinen Feststellungsantrag weiter.

II.

Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Anordnung der Siche-rungshaft nicht zu beanstanden. Die
in § 62 Abs. 2 Satz 1 [X.] genannten Haftgründe hätten vorgelegen.

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III.

1. Die nach der Erledigung der Hauptsache auf
Feststellung nach § 62 Abs. 1 FamFG gerichtete Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 [X.] statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 71 Abs. 1 und 2 FamFG).
Sie ist auch begründet.

2. Das Amtsgericht hat den Betroffenen vor dem Erlass der Haftanord-nung nicht in einer den Anforderungen des §
420 Abs. 1 Satz 1 FamFG ent-sprechenden Weise angehört und den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, weil es ihm den Haftantrag der beteiligten Behörde nicht hat aushändigen
und übersetzen lassen.

a) Der Haftantrag muss dem Betroffenen zwar nicht immer vor dem [X.] ausgehändigt werden. In einfach gelagerten Sachverhalten kann es genügen, ihm diesen erst zu Beginn der Anhörung auszuhändigen (Senat,
Beschluss vom 28. April 2011

[X.], [X.] 2011, 199 [[X.].] Rn. 20). Spätestens in diesem Zeitpunkt muss der Haftantrag der beteiligten Behörde dem Betroffenen aber (in Kopie)
ausgehändigt und erforderlichenfalls übersetzt werden. Ihm kann ohne die
Bekanntgabe des Antrags in dieser Form rechtli-ches Gehör nicht ausreichend und in einer den Anforderungen des §
420 Abs. 1 Satz 1 FamFG entsprechenden Weise gewährt werden. Denn es kann dann nicht ausgeschlossen werden, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, sich zu sämtlichen Angaben der beteiligten Behörde (vgl. § 417 Abs. 2 FamFG) zu [X.] (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 257, 258
Rn. 8).

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b) Nach dem Inhalt des Anhörungsprotokolls ist dem Betroffenen eröffnet worden, dass der Beteiligte zu 2 beantragt hat, ihn in Abschiebungshaft zu nehmen. Daraus ergibt sich nicht, dass ihm der Haftantrag des Beteiligten zu 2, wie geboten, in Kopie ausgehändigt worden wäre. Die im Protokoll wiedergege-bene Mitteilung des Gerichts
ersetzt die Aushändigung nicht (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 257, 258 Rn. 6). Diese war auch nicht deshalb entbehrlich, weil
dem Betroffenen nach dem Inhalt des [X.] des Amtsgerichts
im vorausgegangenen
Ver-fahren zum Erlass einer einstweiligen Anordnung
ausgehändigt und übersetzt worden ist. Dieser Beschluss entsprach zwar
wörtlich dem Antrag des [X.] zu 2. Das genügt aber nicht. Der Betroffene wurde durch die Aushändigung einer Kopie des
Gerichtsbeschlusses in die Lage versetzt, sich zu den [X.] zu äußern, auf die das Gericht seine einstweilige Anordnung ge-stützt hat. Er konnte dem Beschluss indessen
nicht entnehmen, dass er mit dem Antrag wörtlich übereinstimmt, und deshalb auch nicht erkennen, welche Haftdauer die beteiligte Behörde beantragt, auf welche Gesichtspunkte die be-teiligte Behörde ihren Antrag gestützt und ob dieser den gesetzlichen Anforde-rungen entsprochen hat (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 -
V [X.], juris Rn. 9).

3. Das Fehlen der ordnungsgemäßen Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht drückt der von ihm gleichwohl angeordneten Haft den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung auf (vgl. Senat, Beschluss vom 4.
März 2010 -
V [X.], [X.] 2010, 152, 154 Rn. 16).

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IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 83 Abs.
2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 [X.] analog und § 128c Abs. 3 Satz 2 [X.], die Festsetzung des [X.] aus § 128c Abs. 2 [X.] i.V.m. § 30 [X.].

Lemke

Schmidt-Räntsch

Roth

Brückner

Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.03.2011 -
77 XIV 7/11 B -

LG Hagen, Entscheidung vom 25.05.2011 -
3 [X.]/11 -

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Meta

V ZB 169/11

03.11.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.11.2011, Az. V ZB 169/11 (REWIS RS 2011, 1767)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1767

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