Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.04.2015, Az. XII ZB 330/14

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 12665

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 330/14

vom

15. April 2015

in der [X.]

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG §§ 10 Abs. 4, 59 Abs. 1, 303 Abs. 4
a)
Der Vorsorgebevollmächtigte ist nicht berechtigt, im eigenen Namen gegen einen
die Betreuung anordnenden Beschluss Beschwerde einzulegen (im [X.] an Senatsbeschluss vom 5. November 2014 -
XII
[X.] 117/14
-
FamRZ 2015, 249).
b)
Auch eine etwaige verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer nach [X.] fortdauernden Vertretung des Betroffenen durch den [X.] kann diesem nur die Befugnis geben, eine Beschwerde gegen die [X.] im Namen des Betroffenen einzulegen.
c)
Wird eine vom [X.] im eigenen Namen eingelegte Be-schwerde verworfen, so kann dieser nach Widerruf der Vorsorgevollmacht kein Mandat mehr zur Vertretung des Betroffenen in der Rechtsbeschwer-deinstanz erteilen.

[X.], Beschluss vom 15. April 2015 -
XII [X.] 330/14 -
LG [X.] II

AG [X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 15.
April
2015
durch den
Vorsitzenden
Richter
Dose
und [X.] Klinkhammer, Dr.
Günter, Dr.
Botur und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des [X.]s [X.] II vom 28.
Mai 2014 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 3 und 4 verworfen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat für die 1924 geborene Betroffene im März 2014 eine rechtliche Betreuung angeordnet und die Beteiligten zu 1 und 2 (den Neffen
der Betroffenen und dessen Ehefrau)
unter anderem mit den Aufgabenkreisen
der Geltendmachung von Rechten gegenüber ihren Bevollmächtigten und des Wi-derrufs
von Vollmachten
zu Betreuern bestellt. Dagegen haben die Beteiligten zu 3 und 4, die sich zuvor um die Betroffene gekümmert hatten und denen die Betroffene Vorsorgevollmachten erteilt hatte,
Beschwerde eingelegt.
Die [X.] sind von den Beteiligten zu 1 und 2 während des [X.] widerrufen worden.
Das [X.] hat die Beschwerde verworfen, weil den Beteiligten zu 3 und 4 die Beschwerdeberechtigung fehle und diese auch im Hinblick auf §
303 Abs. 4 FamFG nicht zulässig sei. Dagegen wendet sich die von den Beteiligten 1
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3
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zu 3 und 4
eingelegte Rechtsbeschwerde, mit der sie zur Klarstellung darauf hingewiesen haben, dass sie das Verfahren im Namen der Betroffenen
führen. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben -
wie auch die Betroffene
-
die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde beantragt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Verfahrensbevollmächtig-ten
von den Beteiligten zu 3 und 4 nicht im Namen der [X.] werden konnten.
1. Die Rechtsbeschwerde ist allein im Namen der Betroffenen eingelegt worden. In der Rechtsbeschwerdeschrift
sind zwar die Beteiligten zu 3 und 4 als Rechtsbeschwerdeführer aufgeführt. Zugleich ist darin aber klargestellt worden, dass diese "das Verfahren"
gemäß §
303 Abs.
4 Satz
1 FamFG im Namen der Betroffenen führen. Daher ist allein die Betroffene als Rechtsbeschwerdeführe-rin anzusehen. Die
Verfahrensbevollmächtigten
sind dem entsprechenden Hin-weis des Senatsvorsitzenden
in ihrer
hierauf erfolgten Stellungnahme nicht ent-gegengetreten. Dass sie etwa unmittelbar durch die Betroffene oder durch die Beteiligten zu 1 und 2 als Betreuer im Namen der Betroffenen bevollmächtigt worden seien, haben die Verfahrensbevollmächtigten nicht
dargelegt.
2. Die Beteiligten zu 3 und 4 konnten nach Widerruf der Vorsorgevoll-machten durch die Betreuer keine wirksame Verfahrensvollmacht für das Rechtsbeschwerdeverfahren mehr erteilen.
Durch den Widerruf sind die den Beteiligten zu 3 und 4 erteilten Vorsorgevollmachten
gemäß §
168 Satz
2 BGB erloschen.
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4
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4
-
a) Die Verfahrensbevollmächtigten machen geltend, den
Vorsorgebe-vollmächtigten müsste es ermöglicht werden, die Betreuerbestellung durch das Beschwerdegericht überprüfen zu lassen. Wenn man die "Beschwerdebefugnis"
des [X.] aufgrund des vom Betreuer erklärten Vollmacht-widerrufs entfallen lasse, sei die Überprüfung der Betreuerbestellung im [X.] auf die
entgegenstehende Vorsorgevollmacht nicht mehr in effektiver Wei-se gewährleistet.
Der Senat hat die Frage, wie sich der Widerruf der Vollmacht auf eine Befugnis des [X.] zur fortdauernden Vertretung im Rechtsmittelverfahren (auch im Hinblick auf das Antragsrecht nach §
62 FamFG) auswirkt, bislang offengelassen (vgl. Senatsbeschluss vom 5.
November 2014 -
XII
[X.] 117/14
-
FamRZ 2015, 249 Rn.
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mwN). Sie ist auch im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich.
Nach der Rechtsprechung des [X.] gebietet Art.
19 Abs.
4 GG den Rechtsmittelgerichten, ein von der jeweiligen Prozess-ordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv zu machen. Deshalb ist etwa das Rechtsschutzinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe auch dann zu bejahen, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Ho-heitsakt erledigt hat, eine Sachentscheidung nach dem typischen Verfahrensab-lauf aber in der Kürze der zur Verfügung stehenden [X.] nicht zu erlangen war ([X.] FamRZ 2008, 2260 Rn.
18). Die Erteilung von Vorsorgevollmachten zur Vermeidung einer rechtlichen Betreuung ist Ausdruck des durch Art.
2 Abs.
1 i.V.m.
Art.
1 Abs.
1 GG garantierten Selbstbestimmungsrechts. Der nach Art.
19 Abs.
4 GG
gebotene effektive Rechtsschutz
gebietet es daher in einem solchen Fall, ein Rechtsschutzinteresse des Betroffenen für die ihm nach dem Prozessrecht eröffneten Rechtsmittel anzunehmen, um den mit der Betreuung 6
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-
verbundenen Grundrechtseingriff einer Prüfung auf seine Rechtmäßigkeit zuzu-führen ([X.] FamRZ 2008, 2260 Rn.
22).
b) Wie die aufgeführten verfassungsrechtlichen Anforderungen materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich umzusetzen sind, bedarf im vorliegenden Fall aber keiner Entscheidung. Denn eine verfassungsrechtlich gebotene, ungeach-tet des [X.] fortdauernd mögliche Vertretung des Betroffenen im Betreuungsverfahren setzt jedenfalls voraus, dass der Vorsorgebevollmächtigte die Beschwerde gegen den die Betreuung anordnenden Beschluss als bevoll-mächtigter Vertreter, mithin im Namen des Betroffenen einlegt. Ein eigenes Be-schwerderecht des [X.] folgt dagegen weder aus §
303 Abs.
4 FamFG noch aus §
59 Abs.
1 FamFG (Senatsbeschluss vom 5.
November 2014 -
XII
[X.] 117/14
-
FamRZ 2015, 249 Rn.
6 ff., 14 ff.), was im Übrigen auch dann gilt, wenn die Vollmacht nicht widerrufen wurde und nach wie vor wirksam ist.
Im vorliegenden Fall haben die Beteiligten zu 3 und 4 die Beschwerde gegen den die Betreuung anordnenden Beschluss nicht im Namen der Be-troffenen, sondern ausschließlich im eigenen Namen eingelegt. Zwar ist das [X.] ersichtlich der
Auffassung, dass die Beschwerde auch im Namen der Betroffenen eingelegt worden sei
und hat die
Beschwerde insoweit nur deswegen als unzulässig angesehen, weil die Betroffene in ihrer Anhörung vor dem Amtsgericht klar zum Ausdruck gebracht habe, dass sie niemanden von der Familie der Beteiligten zu 3 und 4 als ihren Interessenvertreter wünsche.

Die Auslegung, dass die Beschwerde auch im Namen der Betroffenen eingelegt worden sei, ist indessen nicht gerechtfertigt. Der Senat ist an diese nicht gebunden. Vielmehr ist das Rechtsbeschwerdegericht befugt und ver-pflichtet, [X.] selbständig auszulegen (ständige Rechtspre-9
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6
-
chung, vgl. zuletzt [X.] Urteile vom 22.
Januar 2015 -
VII
ZR 353/12
-
ZfBR 2015, 257 Rn.
19 und vom 4.
Dezember 2014 -
VII ZR 4/13
-
NJW
2015, 955
Rn.
50, jeweils mwN).
Die Auslegung führt zu dem Ergebnis, dass die Beschwerde allein im Namen der Beteiligten zu 3 und 4 eingelegt worden ist. Aus der Beschwerde-schrift geht hervor, dass die Beschwerde ausdrücklich allein namens und in Vollmacht der Beteiligten zu 3 und 4 eingelegt worden
ist. Diese sind im [X.] Text der Beschwerdeschrift von den sie vertretenden Rechtsanwälten dementsprechend auch als "unsere Mandanten"
bezeichnet worden, während die Betroffene als "die Betreute"
gesondert aufgeführt ist. Dass die [X.]begründung neben der Verletzung von Rechten der Beteiligten zu 3 und 4 auch eine Verletzung der Rechte der Betroffenen anführt, kann entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht so verstanden werden, dass die Betroffe-ne dadurch als weitere Beschwerdeführerin
benannt werden sollte; vielmehr steht dem die
eindeutige Bezeichnung nur der Beteiligten zu 3 und 4 als Be-schwerdeführer
in der Einleitung der Beschwerdeschrift entgegen.

Ein verfassungsrechtlich zu gewährleistender effektiver Rechtsschutz gebietet daher im vorliegenden Fall keine fortdauernde Vertretungsbefugnis der [X.], schon weil die Beteiligten zu 3 und 4 die [X.] in unzulässiger Weise im eigenen Namen eingelegt haben (vgl. Senatsbe-schluss vom 5.
November 2014 -
XII
[X.] 117/14
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FamRZ 2015, 249 Rn.
19).

c) Da die Beschwerde vom [X.] wegen fehlender eigener Be-schwerdeberechtigung der [X.] im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen worden ist, konnten die Beteiligten zu 3 und 4 die Be-troffene nach Widerruf der Vorsorgevollmachten auch im Rechtsbeschwerde-verfahren nicht mehr vertreten
und somit auch nicht in ihrem Namen eine Ver-12
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fahrensvollmacht erteilen.
Die Frage, wie bei sich widersprechenden Verfah-rensanträgen des [X.] und des
Betreuers
bzw. des Be-troffenen zu verfahren ist und welchem Antrag der Vorrang zukommt, bedarf demnach keiner Erörterung.
Dose

Klinkhammer Günter

Botur Guhling

Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 27.03.2014 -
A XVII 60/14 -

LG [X.] II, Entscheidung vom 28.05.2014 -
6 T 2096/14 -

Meta

XII ZB 330/14

15.04.2015

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.04.2015, Az. XII ZB 330/14 (REWIS RS 2015, 12665)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12665

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