Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2011, Az. XI ZB 3/11

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 3410

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 3/11

vom

13. September 2011

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.],
den
Richter Dr.
Joeres, die Richterin [X.] und die Richter Dr.
Matthias
und Pamp

am 13.
September 2011

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 17.
Zivilsenats des [X.] vom 7.
Februar 2011 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert beträgt 9.180

Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Kauf von L.

Zerti-fikaten in Anspruch.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Gegen
das dem Klägerver-treter am 16.
Juni 2010 zugestellte Urteil
hat die Klägerin am
16.
Juli 2010 Be-rufung eingelegt
und diese mit Schriftsatz von 16.
August 2010 begründet. Die Begründung ist am 19.
August 2010 beim Berufungsgericht eingegangen.
Mit Verfügung vom 18.
August 2010 hat das Berufungsgericht die Klägerin darauf 1
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hingewiesen, dass die Berufung nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet worden ist.
Wegen
der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat die Klägerin am 20.
August 2010 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur [X.] hat sie geltend gemacht, ihre Prozessbevollmächtigte habe die [X.] am Morgen des 16.
August 2010 gefertigt und sie ihrem an-sonsten stets sehr zuverlässigen Ehemann mit der Bitte übergeben, die [X.] zusammen mit einem weiteren Schriftsatz auf dem Weg zur Arbeit beim Berufungsgericht einzuwerfen. Erst am 19.
August 2010 habe sie erfahren, dass ihr Ehemann
vergessen habe, die
Briefe
einzuwerfen.
Das Berufungsgericht hat die Berufung unter gleichzeitiger Zurückwei-sung des [X.] als unzulässig verworfen. Zur [X.] hat es ausgeführt, die Klägerin sei nicht ohne Verschulden ihrer Prozess-bevollmächtigten daran gehindert gewesen, die Berufungsbegründungsfrist [X.]. Zwar dürfe sich ein Rechtsanwalt für Verrichtungen einfachster Art wie eines Botenganges auch nicht angestellter Personen bedienen, die ihm persönlich bekannt seien, hinreichend unterrichtet worden seien und sich in ähnlichen Fällen als zuverlässig erwiesen hätten. Diese Voraussetzungen seien jedoch nicht glaubhaft gemacht, denn es sei nicht dargetan, dass die Prozess-bevollmächtigte der Klägerin ihren Ehemann bereits früher mit [X.] zur Übermittlung fristwahrender Schriftsätze beauftragt gehabt habe, weshalb auch nicht festgestellt werden könne, dass der Ehemann sich in dieser Hinsicht als zuverlässig erwiesen habe. Außerdem sei nicht dargetan, dass die Prozessbe-vollmächtigte der Klägerin ihren Ehemann auf die Dringlichkeit des am letzten Tag vor Fristablauf gefertigten Schriftsatzes hingewiesen habe.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
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5
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4
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
574 Abs.
1 Nr.
1 i.V.m.
§
522 Abs.
1 Satz
4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO), aber unzulässig.
Die Rechtsbeschwerde gegen die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist zurückzuweisen, da die Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO, die auch bei
einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwer-fenden Beschluss gewahrt sein müssen (Senatsbeschluss vom 9.
November 2004 -
XI
ZB 6/04, [X.], 86, 87 mwN), nicht erfüllt sind. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine Entscheidung des [X.] zur Si-cherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§
574 Abs.
2 Nr.
2
Fall
2
ZPO) nicht erforderlich, denn die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht weder auf der Verletzung von Verfahrensgrundrechten, namentlich des Rechts
auf Gewährung rechtlichen Gehörs, noch steht
sie in Divergenz zu einer Entschei-dung des 20.
Zivilsenats des Berufungsgerichts vom 2.
September 2010 (20
UF 112/10).
1. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe in ihrem Wiedereinsetzungsantrag dazu vortragen müssen, ob sie ihren Ehemann bereits früher mit [X.] zur Übermittlung [X.] Schriftsätze beauftragt gehabt habe, ob er sich dabei
als zuverlässig erwiesen habe und ob sie ihren Ehemann auf die Dringlichkeit des am letzten Tag vor Fristablauf gefertigten Schriftsatzes hingewiesen habe, ist rechtsfehler-frei, so dass eine Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtpunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht in Betracht kommt.
a) Die Entscheidung des Berufungsgerichts entspricht langjähriger

durch das [X.] bestätigter ([X.],
NJW
1995, 249, 6
7
8
9
-
5
-
250)
-
Rechtsprechung des [X.]. Danach trifft den mit der [X.] einer Berufung befassten Rechtsanwalt eine erhöhte Sorgfaltspflicht, wenn er -
wie hier
-
mit der Berufungsbegründung bis zum letzten Tag der dafür vorgesehenen Frist gewartet hat. Der
Rechtsanwalt
darf sich zwar auch in [X.] eines nicht bei
ihm ange-stellten Boten bedienen. Dies
darf er
allerdings nur, wenn dieser ihm persönlich bekannt ist, entsprechend unterrichtet wurde und sich bereits mehrfach zuvor in ähnlichen Fällen als zuverlässig erwiesen hat. Zudem muss der Bote auf
den drohenden Fristablauf und die Notwendigkeit der Fristenwahrung ausdrücklich hingewiesen
worden
sein
([X.], Beschlüsse vom 13.
Februar 1985 -
IVa
ZB 15/84, VersR
1985, 455, 456, vom 13. Januar 1988 -
IVa
ZB 13/87, NJW 1988, 2045, vom 26.
Oktober 1988 -
VIII
ZB 24/88, VersR
1989, 166, vom 5.
September 2001 -
XII
ZB 81/01, FamRZ
2003, 368
f., vom 27. Februar 2002

I
ZB 23/01, NJW-RR 2002, 1070, 1071 und vom 18.
November 2003

XI
ZB
18/03, juris Rn.
8).
b) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde betrafen diese Ent-scheidungen keineswegs nur Fallgestaltungen, in denen sich der Rechtsanwalt eines fremden Boten, wie etwa eines Freundes, einer
Praktikantin oder eines Mandanten bedient hatte, sondern auch
solche, in denen
Familienangehörige und Ehegatten
eingeschaltet waren
([X.], Beschlüsse vom 13.
Januar 1988

IVa
ZB 13/87, NJW 1988, 2045 und vom 5.
September 2001

XII
ZB 81/01, FamRZ
2003, 368
f.). Ebenso wie gegenüber externen Boten ist auch hinsicht-lich dieser Personen im Wiedereinsetzungsantrag vorzutragen, wie zuverlässig sie in der Vergangenheit bei
der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze waren und dass im konkreten Fall auf den drohenden Fristablauf sowie auf das Erfor-dernis der Fristenwahrung hingewiesen wurde.
Daran fehlt es hier, wie das [X.] rechtsfehlerfrei angenommen hat.
10
-
6
-
c) Das Berufungsgericht hat diesbezüglich auch das Recht der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht dadurch verletzt, dass es die Prozess-bevollmächtigte der Klägerin vor seiner Entscheidung nicht auf den insoweit unvollständigen Vortrag im Wiedereinsetzungsantrag hingewiesen hat.
[X.] der Auffassung der Rechtsbeschwerde war angesichts der langjährigen
und
gefestigten Rechtsprechung des [X.] zu den Anforderun-gen an einen Wiedereinsetzungsantrag in
Fällen der Übermittlung fristwahren-der Schriftsätze durch Boten ein solcher Hinweis nicht veranlasst. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist der dem Beschluss des III.
Zivilsenats vom 19.
Juni 1951
zugrunde liegende Sachverhalt, in dem der die Wiedereinsetzung begehrende Rechtsanwalt zu den zeitlichen Abläufen und den organisatori-schen Gründen einer durch einen [X.] versäumten Aktenvorlage nur lückenhaft vorgetragen hatte ([X.], Beschluss vom 19.
Juni 1951
-
III
ZB 2/51, [X.]Z 2, 342 ff.), mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichbar.
2. Die Entscheidung des Berufungsgericht steht -
entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde
-
auch nicht in Divergenz
zu
dem
Beschluss des
20.
Zivilsenats
des Berufungsgerichts vom 2.
September 2010 (20
UF 112/10), weshalb auch insofern keine Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtpunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in Betracht
kommt. In dieser Entscheidung war einem Wiedereinsetzungsgesuch der Pro-zessbevollmächtigten der Klägerin in einem anderen Verfahren stattgegeben worden, das
sie mit denselben Umständen wie ihren vorliegenden Antrag be-gründet hatte.

a) Eine Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung (§
543 Abs.
2 Nr.
2 ZPO) in den Fällen einer
Divergenz
zulässig, wenn die angefochtene Entscheidung von der Entscheidung eines höher-
oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Ab-11
12
13
-
7
-
weichung in diesem Sinne liegt jedoch nur vor, wenn die angefochtene Ent-scheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichs-entscheidung und dabei einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit einem
in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (Senatsbeschluss vom 1.
Oktober 2002 -
XI
ZR 71/02, [X.]Z 152, 182, 186;
[X.], Beschluss vom 27.
März 2003 -
V
ZR 291/02, [X.]Z 154, 288, 292
f., jeweils
mwN). Die bloß ergebnisverschiedene Würdigung gleicher Sach-verhalte durch verschiedene Gerichte für sich allein
führt hingegen nicht zur Zu-lässigkeit der Rechtsbeschwerde
(Senatsbeschluss vom 16.
September 2003

XI
ZR 238/02, [X.], 2278 mwN).
-
8
-
b) Dass beiden Entscheidungen sich widersprechende abstrakte Rechts-sätze zugrunde gelegt worden sind, hat die Rechtsbeschwerde weder dargelegt ([X.], Beschluss vom 23.
Juli 2002 -
VI
ZR 91/02, [X.]Z 152, 7, 8
f.), noch ist diese Voraussetzung offenkundig ([X.], Beschluss vom 18.
März 2004 -
V
ZR 222/03, NJW 2004, 1960, 1961).

[X.]

Joeres

[X.]

Matthias

Pamp

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.06.2010 -
7 [X.]/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 07.02.2011 -
17 U 150/10 -

14

Meta

XI ZB 3/11

13.09.2011

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2011, Az. XI ZB 3/11 (REWIS RS 2011, 3410)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3410

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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